Dienstag, 27. August 2019

Wird die SPD nun etwa ernst genommen?

Das können vermutlich nur die Sozis; an der Basis gehen sie dermaßen brutal mit den eigenen Führungsfiguren um, daß die Präsidialen sich vermutlich heimlich wünschen einmal so glimpflich und wohlwollend wie das Personal von Grünen, Linken oder CDU behandelt zu werden.

Um SPD-Mandats- oder Funktionsträger zu werden, braucht man ein außerordentlich dickes Fell, muss bereit sein, sich unablässig den tobenden Basis-Besserwissern zu stellen.
Das ist der Preis für die grundsätzlich fehlende Obrigkeitshörigkeit der Parteimitglieder.
Die wollen immer selbst denken und mitentscheiden, statt wie brave CDU/CSU/FDP-Delegierte tumb das abzunicken, das ihnen die Führung vorgibt.
Das „neue Frauenproblem“ der SPD spricht Bände.
Die Parteiführung möchte gern erneut eine Chefin, oder zumindest eine Doppelspitze mit einer Frau, aber alle Bundesministerinnen, stellvertretenden Vorsitzende und Ministerpräsidentinnen laufend schreiend davon, wenn man ihnen entsprechende Unterstützungen anbietet.
An eine Doppelspitze mit zwei Frauen ist gar nicht zu denken.

[….] Auch er habe überlegt, ob er für den Parteivorsitz kandidiere, sagte Klingbeil in seiner Videobotschaft an die Parteimitglieder. Er habe Gespräche geführt und nach einer Partnerin gesucht. Nur habe er feststellen müssen, dass es eine passende "Konstellation" nicht gebe. Und so habe er sich entschieden, nicht ins Rennen um den SPD-Chefposten einzusteigen.
Was Klingbeil in seiner Botschaft etwas umständlich umschrieb, lässt sich in einen einfachen Satz kleiden: Er fand keine Frau.
So ging es auch anderen. Noch läuft die Frist, bis zum 1. September können sich Bewerberinnen und Bewerber melden, doch frauenpolitisch war die Kandidatensuche bislang ein ziemlicher Rückschlag.
Es gibt, erstens, zu wenige Frauen, die zu einer Kandidatur bereit sind. Und es gibt, zweitens, eine gute Woche vor Ablauf der Bewerbungsfrist noch keine Kandidatin aus der ersten Reihe der Partei. […..]
(DER SPIEGEL Nr. 35, 24.08.2019)

Frauenfeindlichkeit kann man der SPD nicht vorwerfen; im Gegenteil, Schwesig, Dreyer, Giffey oder Barley hätten sich nur leise räuspern müssen und wären zu gerne zu Vorsitzenden erkoren worden.
Wir sind keine Altherrenpartei wie die CSU, in der man Frauen ohnehin keine Führungsämter zutraut. Nein, sie werden so ernst genommen wie Männer und daher auch genauso (schlecht) behandelt.

Den SPD-Parteivorsitz aber wie Sauerbier anbieten zu müssen, das gemäß Müntefering „schönste Amt der Welt nach Papst“ zu verramschen und immer flehentlicher zu hoffen, es möge sich wenigstens irgendeine Frau der dritten oder vierten Reihe erbarmen, wurde selbst zum parteischädigenden Prozess. Wer soll eine Partei wählen, wenn noch nicht mal die eigenen Mitglieder sich dafür einsetzen?

Ich halte es für glaubwürdig, daß auch Olaf Scholz das Amt nicht wollte. Er wollte sich auf sein immanent wichtiges Amt als Bundesfinanzminister konzentrieren und hat offenbar seiner in Brandenburg als Bildungsministerin fungierenden Ehefrau Britta Ernst versprochen nicht noch mehr Zeit der Partei zu opfern.
Er steht in ihrer Schuld, da Ernst womöglich das noch größere politische Talent ist, 14 Jahre in der Hamburger SPD-Fraktion beeindruckte, aber 2011 nach der absoluten SPD-Mehrheit in Hamburg ohne Regierungsposten blieb, da das Ehepaar Ernst-Scholz in vorbildlicher Weise den geringsten Hauch von Vetternwirtschaft vermied und es für beide nicht in Frage kam, daß der Regierungschef Familienmitglieder ins Kabinett beruft.
Mit dem Aufstieg von Scholz war die Hamburger Ernst-Karriere vorbei. Sie musste gehen; folgte einem der zahlreichen Rufe in andere Landesregierungen.
Drei Jahren als Ministerin in Kiel folgte nach der dortigen Jamaika-Koalition der Ministerjob in Potsdam.

Angesichts der schlimmen Lage der SPD musste Scholz seiner Frau erneut etwas zumuten. Seine Kandidatur um den Bundesvorsitz war notwendig geworden, nachdem unbedingt endlich ein Schwergewicht einsteigen musste.
Alle weiblichen Bundesminister hatten abgesagt, aber auch Maas und Heil trauten sich nicht recht. Es war schließlich zu erwarten wie giftig Teile der Sozi-Basis auf jedes Groko-Kabinettsmitglied reagieren würden.

Genauso kam es auch. Die Missbilligungen, die in linken SPD-Gruppen der sozialen Medien über dem Vizekanzler ausgekübelt wird, ist erschreckend.
Damit zeigen die linken Basis-Genossen unfreiwillig wieso sich keine einzige Frau das antun wollte.
Offenbar stimmt es doch noch, daß (einige) Männer ein dickeres Fell haben.

Inzwischen trudeln erste repräsentative Umfragen unter SPD-Mitgliedern herein.
Diese bringen die linken Sozis noch viel mehr in Rage, weil ihnen das Ergebnis nicht passt: Olaf führt deutlich.

[….] Kurz vor Ende der Bewerbungsfrist für den SPD-Vorsitz liegt einer Umfrage zufolge das Duo aus Bundesfinanzminister Olaf Scholz und der Brandenburger Landespolitikerin Klara Geywitz in der Gunst der Parteimitglieder vorn. Für die beiden würde sich derzeit gut ein Viertel der Mitglieder (26 Prozent) entscheiden, wie eine am Montag veröffentlichte Forsa-Umfrage im Auftrag des Fernsehsenders RTL ergab.
Danach folgten mit Abstand die Duos Nina Scheer und Karl Lauterbach (14 Prozent), Gesine Schwan und Ralf Stegner (13 Prozent) sowie Petra Köpping und Boris Pistorius (zwölf Prozent). Jeweils sieben Prozent würden für Simone Lange und Alexander Ahrens sowie Christina Kampmann und Michael Roth stimmen. […..]

Die Basis-Linken toben nun noch mehr. Es darf nicht sein, was nicht sein soll.
Bestimmt wäre die Umfrage gefälscht, RTL stehe auf der Payroll der CDU, Scholz stecke mit Forsa-Chef Güllner unter einer Decke.
Die Verschwörungstheorien schießen ins Kraut, wenn die Realität sich anders darstellt als man es in seiner kleinen linken Echokammer gern hätte.

Mit der Scholz-Bewerbung hat sich das Blatt gewendet. Entschuldigung, Klara Geywitz, auch wenn es jeder offiziell bestreitet, natürlich sind Sie tatsächlich nur schmückendes Beiwerk.

Auch die anderen Parteien wissen, daß mit Scholz ein Schwergewicht die Bühne bestritt, das sich in Koalitionsrunden nicht zur Seite schieben lassen wird und garantiert nicht wie einst Frau Nahles bei der peinlichen Maaßen-Versetzung übertölpelt werden kann.

Seit einigen Tagen stehen zwei sozialpolitische große Forderungen aus SPD-Richtung im politischen Großraum.

1.)
Die radikalen Mietdeckel-Vorstellungen der SPD-Regierung Müller aus Berlin.

[…..] Nicht mehr als 7,97 Euro pro Quadratmeter
Angesichts des angespannten Wohnungsmarktes in Berlin will der rot-rot-grüne Senat die Mieten ab 2020 für fünf Jahre per Gesetz einfrieren. Am Sonntag waren Ideen aus dem Ressort von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) bekanntgeworden, wonach Wohnungen je nach Alter und Ausstattung künftig nicht mehr als 3,42 bis 7,97 Euro Kaltmiete je Quadratmeter kosten dürfen. Ein Gesetzesentwurf liegt allerdings noch nicht vor.
Die Wohnungswirtschaft zeigt sich entsetzt über die Ideen und erwartet, dass diese Neubau und Modernisierungen quasi abwürgten. [….]

2.)
Die SPD-Bundestagsfraktion bereitet eine Vermögenssteuer vor, beginnt dazu bereits Online-Kampagnen.

[…. ] Vermögensteuer wieder einführen!
Wohlstand für viele, nicht nur Reichtum für wenige. Um die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen und die Spaltung unserer Gesellschaft zu stoppen, brauchen wir eine vernünftige Besteuerung sehr großer Vermögen. Es geht um Multimillionäre und Milliardäre. Sie sollen einen größeren Anteil für die nötigen Investitionen beitragen - für die Infrastruktur, für bezahlbares Wohnen und für den Klimaschutz und damit Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen weniger Steuern zahlen müssen. Damit alle, die sich anstrengen, ihren Anteil am Wohlstand haben. Und damit wir die unterstützen können, die es brauchen.
Es ist Zeit für eine moderne Vermögensteuer
Das private Vermögen in Deutschland konzentriert sich in sehr wenigen Händen. Das reichste Prozent der privaten Haushalte in Deutschland verfügt laut Internationalem Währungsfonds (IWF) über fast ein Viertel des gesamten Netto-Vermögens. Bei einer Berücksichtigung ergänzender Datensätze liegt der Anteil sogar bei bis zu einem Drittel.
Diese starke Vermögenskonzentration gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die wirtschaftliche Dynamik: Neuere Studien zeigen, dass starke soziale Ungleichheit nicht nur den sozialen Frieden und das Vertrauen in die Gesellschaft und den demokratischen Staat gefährdet – sondern auch schlecht für das Wachstumspotenzial einer Volkswirtschaft ist. Vermögen bedeutet auch Macht. Und mehr Macht bedeutet mehr Einfluss. Wenn dieser Einfluss auf Vermögen beruht und nicht auf inhaltlichen und demokratischen Verhältnismäßigkeiten, dann rüttelt das an den Fundamenten einer demokratischen Struktur. […. ] Eine Revitalisierung der Vermögensteuer würde dem weiteren Anwachsen der Vermögenskonzentration entgegenwirken – sie betrifft ausschließlich die ein bis zwei Prozent der größten Vermögen in Deutschland. Auch steht sie nicht für sich allein, sondern ist einzubetten in einen größeren Kontext: in ein gerechteres Steuersystem mit der Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen, mit einer Besteuerung von Finanztransaktionen und einer Mindestbesteuerung für global agierende (Digital-)Konzerne, um Steuerflucht und Gewinnverlagerung zu beenden. Zusätzlich geht es um Überlegungen, wie Vermögensbildung für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen erleichtert werden kann. [….]

Anders als unter einer Nahles-Führung muss man solche Konzeptionen angesichts eines möglichen neuen Vorsitzenden Scholz ernst nehmen.
Und genau das tun konservative Presse, Lobbyisten, INSM, Wohnungswirtschaft, SPRINGER, CDU, CSU, FDP.
Sie schießen aus allen Rohren gegen diese Pläne, malen den Untergang Deutschlands an die Wand.
Eine Scholz-SPD kann eben nicht mehr ausgelacht werden.
Da fürchten einige Milliardäre und Spekulanten zu Recht, daß es ihnen an den Kragen geht.
Hier decken sich ihre Interessen mit den Linken und SPD-Linken, die so gern die Groko verlassen möchten und sich für eine wie auch immer geartete CDUCSUAFDFDPGRÜNE-Konstellation aussprechen: Da wird es keine Vermögenssteuer und drastischen Mietendeckel geben. Das funktioniert nur mit der SPD. Einer SPD, die von einem starken Scholz angeführt wird.

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