Schon klar, wenn Gläubige für sich beten, gibt es messbare physiologische Effekte. Der Cortisolspiegel kann sinken und weniger Stress macht weniger krankheitsanfällig. Gebete wirken in dem Fall, wie auch andere psychologische Techniken, mit denen man seine eigene Hirnchemie beeinflusst: Placebos, Meditation u.ä.
Natürlich hat dieser „Wohlfühleffekt“ rein gar nichts mit einem höheren Wesen zu tun, welches das Gebet erhört und daraufhin eingreift. Fromme Gruppen in den USA glauben das nicht und so kam es 2006 zur inzwischen berühmten STEP-Studie, bei der unter wissenschaftlichen Bedingungen untersucht wurde, ob von anderen gesprochene Gebete, Patienten bei Herz-Operationen helfen.
Die Kirche bejaht das selbstverständlich. Deswegen gibt es Fürbitten, Wunder und ganze religiöse Orden, die nonstop auf Wunsch für bestimmte Anliegen beten. Ihnen gefielen die Ergebnisse der STEP-Studie gar nicht.
[…] Sie ist die größte Studie dieser Art bisher. Einige andere, kleinere von anderen Forschern, gibt es bereits. Bezahlt wurde STEP von der steinreichen John-Templeton-Stiftung, die alles unterstützt, was Wissenschaft und Religion oder anderes Spirituelles auf einen Nenner zu bringen versucht und die ebenfalls in Deutschland schon für Schlagzeilen gesorgt hat.
Ungläubige in Sachen Religion und übernatürliche Erscheinungen würden selbstverständlich prophezeit haben, daß ein Nutzen durch Gebete für Patienten nicht nachgewiesen werden kann. Und sie hätten recht damit gehabt. Die Fürbitten anderer Leute haben den STEP-Patienten tatsächlich nicht geholfen.
Zur großen Überraschung von Gläubigen und Nicht-Gläubigen ist jedoch das Gegenteil von dem herausgekommen, was die Studien-Ärzte erwartet haben: Die Gebete haben mit 14 Prozent einen statistisch signifikanten (!) Schaden angerichtet in der Gruppe, in der die Patienten gewußt haben, daß beim lieben Gott ein gutes Wort für sie eingelegt wird. Verglichen mit der Ausgangshypothese der Forscher erlitten sogar fast doppelt so viele Patienten nach der Bypass-Op Komplikationen. Wo die Patienten sich der Gebete nicht sicher sein konnten, war der Schaden geringer und nicht signifikant. Am besten aber schnitt die Gruppe der Patienten ab, für die nicht gebetet wurde. Das zumindest ist das streng wissenschaftliche Ergebnis von STEP, das im vorvergangenen Monat im "American Heart Journal" veröffentlicht worden ist.
Was nun? Welche Konsequenzen muß man daraus ziehen? Daß man um Himmelswillen nicht für kranke Menschen beten sollte, auf jeden Fall dann nicht, wenn sie einen Bypass bekommen? Und wenn man das Beten partout nicht lassen kann, daß man dann wenigstens die Patienten nicht darüber informiert?
Auf den ersten Blick würden solche Überlegungen nur folgerichtig sein. Immerhin handelt es sich bei STEP um eine Studie mit allen Goldstandard-Schikanen: Sie ist prospektiv, randomisiert, kontrolliert und verblindet, und mehrere Kliniken waren einbezogen. Evidence Based Medicine eben. [….]
Nein, ich bin nicht überrascht. Zu wissen, daß andere, fremde Menschen, Zeit investieren, um für einen zu beten, kann einen Gläubigen unter Stress setzen und da es Gott nicht gibt, wird diese zusätzliche psychische Belastung ursächlich für Komplikationen bei der Heilung.
Gläubige machen es ihrer Phantasiefigur in den Wolken leicht: Wird ihr oranger Held bei einem Attentatsversuch von einer Kugel nur am Ohr gestreift, oder bleibt das eigene Haus bei einem Hurrikan im Gegensatz zu denen der Nachbarn stehen, schreibt man den positiven Ausgang auf das Konto des Gottes, an den man glaubt.
Geht die Sache schlecht aus, indem man beispielsweise Corey Comperatore ist, der am 13. Juli 2024 in Butler von der für Trump bestimmten Kugel tödlich getroffen wurde, oder zu den 19 Kindern gehörte, die am 24. Mai 2022 in Uvalde erschossen wurden, oder das eigene Haus bei einem Hurrikan komplett zerstört wurde, wird dafür eben nicht Gott verantwortlich gemacht.
Offensichtlich nicht funktionierende Gebete erschüttern den Glauben nicht. Tritt aber zufällig etwas ein, für das man gebetet hatte, wertet das Religiotengehirn es als Beweis für die Wirksamkeit.
Religioten schützen ihr eigenes abstruses Glaubenssystem, indem sie immer nur für etwas beten, das statistisch möglich passieren kann. Spontanremission bei Krebs, Lottogewinn, Autoschlüssel wiederfinden, Meisterschaftstitel für den Lieblingssportverein. Die Wahrscheinlichkeit mag klein sein, aber sie ist vorhanden.
Nicht gebetet wird für in der gottlosen Realität unmögliche Dinge, obwohl diese für einen allmächtigen Gott selbstverständlich ebenso möglich wären: Verstorbene wieder lebendig machen, Nachwachsen amputierter Gliedmaßen.
Auch Gläubige wissen unterbewußt, daß Gebete sinnlos sind, indem sie Gott keine unmöglichen Aufgaben stellen. Aber sie gestehen es sich nicht bewußt ein.
(….) Rudolf Gehrig (* 1993), Hardcore-Katholiban beim Cringe-Sender EWTN, wurde im radikalen Anti-Abtreibungs-Milieu sozialisiert, demonstrierte schon als Kind bei den „Marsch für das Leben“-Fanatikern.
Aber im zarten Alter von 17 Jahren kam ihm und einigen Freunden plötzlich die Erleuchtung, wie man ein für allemal Schwangerschaftsunterbrechungen stoppt. Mit täglichen „Gebetsstürmen“ gemeinsam um 20 Uhr. Sein Motto: „Gebete sind die radikalste Form der Einmischung“.
[….] Beten ist die radikalste Form, sich einzumischen. Dies sagte der 18-jährige Rudolf Gehrig aus Würzburg, als er in Meran den Preis des Lebens 2012 verliehen bekam. Er hatte mit zwei weiteren Jugendlichen im sozialen Netzwerk Facebook die Aktion AIAC (Abortion Is A Crime - Abtreibung ist ein Verbrechen) gestartet und eine Seite zum Lebensschutz eingerichtet. Seit über einem Jahr beten aufgrund dieser Initiative jeden Abend Jugendliche ein Vaterunser für das ungeborene Leben, für die Frauen, die den verhängnisvollen Schritt der Kindstötung schon getan haben, für alle, deren Leben bedroht ist [….]
(Kathnet, 25.05.2012)
Aus seiner Sicht offenbar logisch. Denn Gott liest nicht die Süddeutsche Zeitung oder folgt Rudis Facebook-Postings, aber er hört beruflich auf Gebete. Rudi musste ihm also nur mitteilen, daß einige Teenager in Unterfranken diese Vorbehalte wider des Abruptio graviditatis hätten und mit einem Fingerschnipp könnte Gott das Problem abschaffen.
Dann geschah allerdings etwas
völlig Unvorhergesehenes: Trotz der Gebetsstürme aus dem Lager der Pickligen
und dieser radikalsten Einmischung in Gottes Angelegenheit, hörten die
Abtreibung NICHT von eben auf jetzt auf!
Wie konnte das sein?
Wie sich herausstellte, soll man zwar dauernd beten, aber offenbar ist der einzige Zweck des Unterfangens, damit die Hände vom Masturbieren abzuhalten. Die Handlungen des Allmächtigen kann man aber nicht damit beeinflussen, da dieser a) ohnehin allwissend ist und somit gar nicht der Wunschübermittlung per Gebet bedarf, da er das ohnehin alles schon weiß und b) ist der Lauf der Dinge grundsätzlich nicht per Gebet zu beeinflussen, weil alles schon vorbestimmt ist.
Wer das als widersprüchlich empfindet, hat damit, c), einen weiteren Beweis der generellen Vorbestimmtheit, da Gottes Wege unergründlich sind. (…)
Die offenkundige Unwirksamkeit von Gebeten, schieben Religioten in ihrer intellektuellen Beschränktheit, auf Qualität und Quantität der Beterei.
Gewinnt man trotz Gebete nicht bei der Spanischen Weihnachtslotterie den El Gordo mit vier Millionen Euro, liegt es demnach daran, zu wenig oder nicht intensiv genug gebetet zu haben. Vielleicht hätten auch viel mehr Menschen für ein Anliegen beten müssen. Der Gewinn kommt womöglich erst ab 10.000, einer Million oder drei Milliarden gleichlautender Gebete. Was die Sache erschwert: Die Regeln für die richtige Gebetskonzentration sind vage. „Viel hilft viel“ ist laut Bibel nicht die Antwort. Man kann auch zu viel beten; da ist Gott aber genervt und erfüllt den Wunsch schon mal gar nicht.
[….] Ein stilles Stoßgebet hat genauso viel Gewicht wie ein lang ausformuliertes Gebet. Diese Ansicht vertritt der Theologieprofessor Joel White in der aktuellen Folge des IDEA-Podcasts „Zwischen Tür und Himmel“. Für Gott komme es nicht auf die Anzahl der Worte an, sondern auf die Aufrichtigkeit des Beters. „Jedes Gebet ist gleich viel wert, das aus ehrlichem Herzen kommt, an Gott gerichtet ist und diese Abhängigkeit von unserem Schöpfer und Heiland zum Ausdruck bringt“, so White.
Anlass war eine Zuhörerfrage zum vermeintlichen Widerspruch zwischen der Aufforderung Jesu, nicht viele Worte im Gebet zu machen (Matthäus 6,7), und dem Gebot des unablässigen Betens (1. Thessalonicher 5,17).
Eine Obergrenze für Gebete gebe es nicht, sagte der Dozent für Neues Testament an der Freien Theologischen Hochschule (FTH) Gießen. Eine Untergrenze gebe es insofern, als dass Gebet zum Christsein dazugehöre und nicht vernachlässigt werden solle. Jesus wende sich gegen floskelhaftes Beten und öffentliche Selbstdarstellung. [….]
Es gibt nichts, für das sich Theogioten zu doof sind.
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