Mittwoch, 4. Dezember 2024

Die Merzisten werden sich noch wundern

Im Hamburger Abendblatt und den weiteren konservativen Funke-Zeitungen deklinieren die verschiedenen Auslandskorrespondenten Dirk Hautkapp, Micaela Taroni, Maria Sterkl, Gerd Höhler, Denis Trubetskoy und Stefan Brändle heute durch, wieso sich Washington, Kiew, Jerusalem, Ankara, Athen, Rom und Frankreich allesamt wünschen, Merz möge Kanzler werden und Scholz ablösen.

[….] Wer in Trumps Umfeld nachfragt, hört Erwartbares: „Scholz ist ganz klar ein Joe Biden-Mann und war gegen uns. Merz kommt aus der Wirtschaft und weiß, wie Deals gehen.” Dass der Christdemokrat für den US-Finanzinvestor BlackRock gearbeitet hat, mache ihn bei Trump „tendenziell empfänglicher”. Trumps Berater Richard Grenell, Ex-US-Botschafter in Berlin, verfüge über „gute Drähte” zum Merz-Vertrauten Jens Spahn. [….]  Auf die möglichen Ergebnisse der vorgezogenen Bundestagswahl wird in Kiew jedoch überwiegend positiv geschaut. [….] Eine von CDU/CSU und Friedrich Merz angeführte Regierung gilt jedoch eindeutig als Wunschvorstellung, [….] Das absolute Traumszenario für Kiew wäre klar: Eine schwarz-grüne Koalition, die aus zwei Parteien bestehen würde, die am meisten an der Seite der Ukraine stehen, zumal Robert Habeck und Annalena Baerbock gute persönliche Beziehungen zum Präsidenten Wolodymyr Selenskyj pflegen. [….] In Israel gibt es eine Präferenz für eine von der CDU-CSU geführte Regierung – schon allein deshalb, weil Israels Regierung generell lieber mit Konservativen zusammenarbeitet. [….]  Von einem Kanzler Merz hätte Erdogan aber in der Migrationspolitik eine härtere Linie zu erwarten. Merz hat sich immerhin dafür ausgesprochen, der Türkei bei der Versorgung der dort lebenden Flüchtlinge finanziell zu helfen. Auch im Verhältnis zu Europa könnte sich etwas für Erdogan positiv bewegen: Der CDU-Chef schlägt eine „Sonderbeziehung“ der EU mit der Türkei vor. [….] Der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis und Kanzler in spe Friedrich Merz gehören als Konservative zur selben politischen Familie in Europa. [….] Inzwischen sitzt die rechtspopulistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni seit zwei Jahren in Rom fest im Sattel, mit der konkreten Aussicht, es weitere drei Jahre zu bleiben, während in Nachbarländern wie Österreich und Frankreich solide Koalitionen ins Wanken geraten sind. Melonis neofaschistische Regierungspartei „Fratelli d‘Italia“ fühlt sich dem konservativen Flügel der CDU parteipolitisch und inhaltlich am nächsten. Schutz der Tradition und der Familie, Einsatz für den Erhalt der nationalen Industrie und der Kampf gegen die illegale Einwanderung, Kritik an der überbordende Bürokratie in Brüssel sind einige Themen, die Melonis Partei mit der CDU teilt. [….] Im Elysée-Palast wird man Olaf Scholz keine Tränen nachweinen: Präsident Emmanuel Macron kam mit dem Hanseaten nie klar. [….]

(HH Abla, 04.12.2024)

Es spricht für Scholz, wenn sich das konservative Funke-Medienhaus und die konservativ bis scharf faschistischen genannten Regierungen einen Kanzler Merz erhoffen.

Bibi, Recep und Donald werden sich aber noch wundern, wenn sie glauben, auf internationaler Ebene, einen verlässlich rechten Kumpel zu bekommen.

Ja, mit Merz kann man natürlich prima internationale rechtliche, soziale und Klimaschutz-Standards schleifen. Aus Sicht von alten, weißen, steinreichen. korrupten, nepotistischen rechtsextremen Männern ist das durchaus ein Vorteil gegenüber Scholz und/oder Habeck.

Es gibt aber große „Abers“:

Merz verfügt über keinerlei Regierungs-Erfahrung, versteht einfache wirtschaftliche Zusammenhänge nicht und gibt gern mal völligen Unsinn (Kernfusion, Windräder abbauen) von sich. Außerdem lügt er sehr viel.

Noch unangenehmer für die anderen Regierungschefs werden aber sein fragiles Ego, die Wutausbrüche und seine Unfähigkeit, sich klar auszudrücken, sein.

Es ist DER Signature-Move des Friedrich Merz, irgendetwas öffentlich in großer Emphase zu behaupten, nur um anschließend viel Zeit darauf zu verwenden, alles umzuinterpretieren. Hinterher will er es immer nicht so gemeint haben, wie er es alle verstanden haben.

·        Die Grünen ließ er erst als „Hauptgegner“ verdammen; nun sind sie seine Wunschkoalitionspartner.

·        Er bauschte die Schuldenbremse zum unantastbaren Popanz auf, verklagte die Bundesregierung, dagegen zu verstoßen, nur um sie jetzt beiläufig „reformieren“ zu wollen.

·        Vor 25 Jahren kämpfte er für die Straffreiheit von Vergewaltigung in der Ehe; jetzt läßt er verkünden, ganz anders abzustimmen.

·        Vor einem Jahr lehnte er Wärmepumpen in Bausch und Bogen ab; mutierte über Nacht zum Fan und beklagte im Juni 2024 urplötzlich, es würden viel zu wenig Wärmepumpen eingebaut.

·        Zeit seines Lebens lehnte er die „Homo-Ehe“ ab, stimmte immer dagegen; nun will er sie bestehen lassen.

 

Seine Unverlässlichkeit ist ein Merzsches Muster. Wir konnten das bisher relativ gelassen hinnehmen, weil er glücklicherweise immer in der Opposition oder bei Blackrock war. Er hatte nie ein Regierungsamt, in dem es auf sein Wort ankam.

Tritt er aber als Bundeskanzler international in Erscheinung, haben seine Zu- und Absagen durchaus Gewicht. Es wird für erhebliche Verwicklungen sorgen, wenn er sich weiterhin ständig selbst korrigieren muss. Zumal die Wahrscheinlichkeit für Merzsche Kurzschluß-Ausbrüche deutlich steigen wird, wenn er erheblich mehr Druck und Anforderungen unterliegt.

 [….] Der CDU-Vorsitzende rudert zurück in der Frage, wann er deutsche „Taurus“-Marschflugkörper an die Ukraine liefern würde. Bestimmte Wahlkämpfer dürfte dieser Widerspruch freuen, wenn auch nicht jene im Konrad-Adenauer-Haus.

Friedrich Merz will mit einem Missverständnis aufräumen. Er habe, sagte er vor der Fraktionssitzung von CDU und CSU am Dienstag, „zu keinem Zeitpunkt“ dem russischen Präsidenten ein Ultimatum gestellt. Nun ist es aber so, dass derselbe Friedrich Merz am 16. Oktober im Bundestag sehr wohl gesagt hat: Wenn Putin nicht innerhalb von 24 Stunden aufhöre, die Zivilbevölkerung in der Ukraine zu bombardieren, dann müssten aus Deutschland auch Taurus-Marschflugkörper an Kiew geliefert werden.

Und drei Tage später wiederholte er in seiner wöchentlichen Mail an seine Anhänger diese Forderung sogar noch einmal: „Wenn der Kriegsterror gegen die Zivilbevölkerung nicht binnen 24 Stunden aufhört, werden die Reichweitenbegrenzungen der gelieferten Waffen aufgehoben. Wenn das nicht reicht, liefert Deutschland Taurus-Marschflugkörper, um die Nachschubwege der russischen Armee zu zerstören.“

Was aber soll denn ein Wenn-dann-Satz anderes sein als ein Ultimatum? Vor allem, wenn er auch noch mit einer unmissverständlichen Frist versehen ist?

Es ist eine bekannte Schwachstelle von Friedrich Merz: Wenn er sich ungerecht behandelt und herabgesetzt fühlt, reagiert er bisweilen höchst empfindlich. [….]

(Henrike Roßbach, 04.12.2024)

Die anderen Staatschefs werden genauso wenig Spaß an Fritz Merz haben, wie die Doofen in Deutschland, die ich wählen.

[….] Friedrich Merz blockiert aus Prinzip wichtige Zahlungen an die Bahn. Dass das den Steuerzahler Millionen kosten könnte? Zweitrangig. So misslingt Verkehrspolitik. [….] Wären da nicht die parteitaktischen Spielchen der Union. Die hatte zwar signalisiert, einem Nachtrag über 2,7 Milliarden Euro rasch zuzustimmen, den die Bahn dringend braucht. [….] Kurzfristig hat die Union es sich jetzt aber doch anders überlegt. Und zwar nicht aus inhaltlichen, sondern rein aus politischen Gründen. [….] Dass das im Fall der Bahn bedeuten könnte, dass sie in Windeseile einen sündhaft teuren Milliardenkredit aufnehmen und dafür pro Woche (!) zwei Millionen Euro Zinsen zahlen müsste? Ihm doch egal. Hauptsache, Merz bleibt bei seinen Prinzipien. Der CDU-Chef macht mit seiner  Entscheidung genau da weiter, wo die Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer und Alexander Dobrindt (beide CSU) aufgehört haben. Wenn es darauf ankam, verwehrten sie der Bahn über Jahre hinweg die nötigen Milliarden – und trugen so maßgeblich zu der Misere auf der Schiene bei. Viele Verkehrspolitiker der Union haben daraus gelernt – Merz selbst offenbar noch nicht. Er stellt den eigenen Triumph über die Interessen der Bürger. So wird auch in Zukunft Verkehrspolitik misslingen.  [….]

(Vivien Timmler, 04.12.2024)

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