Dienstag, 12. Januar 2021

Corona-Sinnlosigkeiten.

 Als ich neulich mal bei einem Dermatologen war, bequatschte er mich, doch auch mal eine Fruchtsäure-Gesichtsbehandlung zu machen.

Ich dachte erst, er wäre endgültig verrückt geworden.

Wozu soll ich als über 50-Jähriger Mann denn sowas anfangen? Ich hatte mich nie damit beschäftigt, hielt das immer für so eine Mädchen-Sache.

Aber nein, nein, das wäre unheimlich gut für die Hautregeneration. Es war 2020, da kann man ja mal aufgeschlossen sein.

Also habe ich das gemacht und weil ich als männlicher Mann so mutig war die konzentrierte Säure tapfer zu ertragen, hat sich nun überall die Haut abgelöst und ich muss mit roten Striemen in der Fresse rumlaufen.

Ein klassischer Fall von Verschlimmbesserung.

Natürlich war es mir peinlich so gesehen zu werden, aber verblüffender Weise wurde mein abschreckendes Aussehen vielfach gleich als Folge eines Fruchtsäure-Peelings erkannt.

Außer mir kennt offenbar jeder die Methode sich mit Alpha-Hydroxy-Glykolsäure foltern zu lassen und so wurde ich nicht etwa wegen meines Aussehend bedauert, sondern beneidet. Wie hätte ich das wohl hinbekommen?
Schließlich wären doch wegen des Lockdowns alle Kosmetikstudios geschlossen.

Die Antwort: Ich war bei einem Dermatologen; also in einer Arztpraxis.

Arztpraxen sind natürlich systemrelevant und von den Corona-Maßnahmen ausgenommen.

Kosmetik-Studios sind hingegen so etwas wie Friseure; nicht systemrelevant und müssen alle geschlossen sein.

Offensichtlich eine widersprüchliche Regelung, wenn die gleiche Behandlung einmal verboten und einmal erlaubt ist. Insbesondere, wenn man bedenkt, daß die meisten Kosmetikerinnen allein in winzigen Läden arbeiten und man dort als Kunde keine anderen Menschen trifft.

Arztpraxen sind in der Regel viel größer und zudem von Kranken bevölkert.

Dort ist die grundsätzliche Ansteckungsgefahr also viel größer.

Also ist Fruchtsäurebehandlung bei großer Ansteckungsgefahr erlaubt und bei geringerer Ansteckungsgefahr verboten.

Ähnlich sinnfrei erscheint mir die Umwandlung von beispielsweise großen Blumenläden in „Click and Collect“-Abholstationen.

Vor dem Lockdown konnten sich die Kunden auf der üppigen Ladenfläche aus dem Weg gehen; nach dem Lockdown wird wie aus einem Kiosk verkauft und die Käufer ballen sich in einer Traube an der Tür.

Wieso gibt es eigentlich Ausnahmen für Fußballer? Wieso dürfen ausgerechnet die bei einem so körperbetonten Sport spielen, während ich aber nicht in einem 20.000-Quadratmeter-Baumarkt eine neue Leuchtstoffröhre kaufen kann?

Fußballer fußballern nicht nur auf dem Platz umher, sondern sie sind im Gegensatz zu Otto Normal-Mensch auch noch frisch onduliert.

Das ärgert die geschlossenen Friseure, die keinen Umsatz machen und auf ihren Festkosten sitzenbleiben.

[…..] Die Diskrepanz zwischen Wildwuchs beim Großteil der Bevölkerung und schnittigen Fußballerfrisuren hat jetzt den "Zentralverband Friseurhandwerk" alarmiert. In einem Offenen Brief an DFB-Präsident Fritz Keller bemängeln Deutschlands Friseure die fehlende Vorbildfunktion des Fußballs in der Haarfrage. Das mag lustig klingen, aber ihnen ist es ernst. Die rund 80 000 Salons, die sich dem Verband zuordnen, würden sich an die Regeln halten, während Fußballer offenbar "schwarz" die Haare geschnitten bekämen.  Dabei sei "das Erbringen von Friseurdienstleistungen unter Androhung hoher Bußgelder seit vier Wochen in Deutschland verboten". […..]

 (SZ, 12.01.2021)

Wer aber so wie ich in diesem Posting argumentiert, geht von der Prämisse der Einzelfallgerechtigkeit aus.

Leider.

Denn Einzelfallgerechtigkeit ist bloß eine Utopie, der unglücklicherweise insbesondere in der Steuer- und Sozialgesetzgebung nachgeeifert wird.

Bekommt ein Elternpaar einen Zuschuss für den Kitaplatz, verlangt die CSU eine Herdprämie. Als Ausgleich für die Konservativen und Doofen, die ihre Kinder nicht in die Kita geben.

Wird irgendeine Steuer oder Abgabe erhöht oder verringert, wird umgehend eine Kompensation beschlossen, damit der nun höher Besteuerte an anderer Stelle einen finanziellen Ausgleich bekommt.

Am Ende gibt es Konvolute wie die Hartz-Gesetzgebung, die in der Absicht es jedem Recht zu machen derartig verkompliziert sind, daß mehrere Hunderttausende Widersprüche jedes Jahr in den Sozialgerichten verhandelt werden und nur noch Spezialisten wissen man sich alle Vorteile sichert.

Das ist Unsinn. Steuern sollen steuern. Sie sollen einige besser und andere schlechter stellen. Es wird absurd, wenn anschließend jeder gleich dasteht.

Nur aus diesem Grunde sympathisiere ich mit dem bedingungslosen Grundeinkommen.

Es wäre zwar im Einzelfall ungerecht, aber würde die Verteilung ungeheuer vereinfachen.

In einer Corona-Pandemie muss schnell gehandelt werden. An vielen Tagen sterben über 1.000 Menschen in Deutschland an Covid19.

Es geht darum schnell die Quantität der menschlichen Kontakte zu reduzieren.

Es kann in so einer Situation eben nicht darum gehen, es jedem einzelnen der 82 Millionen Bewohner Deutschlands absolut gleich schwer zu machen.

Es ist wichtig, daß es insgesamt viel weniger Fruchtsäurebehandlungen gibt, damit sich weniger Menschen begegnen.

Es ist weniger wichtig, ob die finanziellen Risiken absolut gerecht verteilt sind.

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