Samstag, 9. Januar 2021

Trumpismus und Brandmauern

 Der dritte Tag „Sturm auf die amerikanische Demokratie“ durch den eigenen Präsidenten.

Ein interessanter Aspekt ist das eklatante Versagen der deutschen Medien, die allesamt die ersten 12 Stunden der dramatischsten Attacke auf den Kern der USA seit über 200 Jahren verschliefen.

Die Informationen erhielt ich aber ausschließlich von amerikanischen Medien; insbesondere von CNN. Der Sender hat sich in den letzten vier Jahren deutlich positiv entwickelt und fand aus seiner Wischiwaschi-Neutralität hinaus.

Inzwischen gibt es dort nicht nur Aktualität und ein gewaltiges Netzwerk von kompetenten Experten für Hintergrundinformationen, sondern auch meinungsstarke Kommentatoren und Hosts, welche die angemessen drastischen Worte finden.

Nicht nur die prominenten Talkshow-Giganten der Abendschiene brillieren, sondern auch die weniger im Rampenlicht stehenden Tagesschichtler wie die 40-Jährige in Australien geborene Brianna Keilar sind eine wahre Freude.

ARD und ZDF hingegen verschliefen sie Angelegenheit vollkommen, sendeten ihr normales Programm.

Spon und SZ boten einen Newsticker an, brauchten aber Vorlaufzeit.

24 Stunden später sieht es schon ganz anders aus. Diese klassischen Medien griffen inzwischen auf ihr Netz von erfahrenen Korrespondenten zurück und berichteten großartig. So hintergründig, daß ich heute noch allerlei Neuigkeiten und kluge Gedanken deutschen Zeitungen entnahm, die ich noch nicht kannte, obwohl ich praktisch ununterbrochen CNN laufen ließ.

Eine spezifisch deutsche Perspektive ist natürlich schon deswegen interessant, weil der AfD-Covidioten-Q-Mob auch hierzulande längst mit dem Trumpismus verwoben ist.

Auch in Deutschland sind wir nicht so weit davon entfernt. Am 29.08.2020 stürmten einige Tausend Rechtsradikale und Verschwörungstheoretiker die Treppen des deutschen Reichstags.

Am 18.11.2020 schleuste die AfD-Fraktion rechtsextreme Aktivisten in den Reichstag, die dort Abgeordnete und Minister anpöbelten.

[……] Albrecht von Lucke, Politologe: „Die Bilder des gestrigen Abends sind ein Fanal gegen die Demokratie und für eine rechte Revolution gegen die Demokratie. Wenn ein solches Bild um die Welt geht, ist das natürlich ein ungeheurer Triumph für eine rechte Revolution.”

Doch es sind Bilder, die uns auch in Deutschland bekannt vorkommen. Am Rande einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen stürmten erst vor ein paar Monaten Chaoten mit rechten Symbolen die Treppen des Reichstags. Auch sie besetzten bewusst einen Ort mit symbolischer Bedeutung für die Demokratie. Eine Inszenierung, die auch Abgeordnete der AfD mitmachen, als sie im November rechte Aktivisten in den Bundestag einschleusen. Dort gehen sie Minister und andere Abgeordnete an – live im Netz gesendet für ihre Anhänger. [……][……][……] Aus ihrer Gesinnung machen einige der Randalierer in Washington keinen Hehl. Beim Sturm aufs Kapitol trägt einer etwa dieses Shirt: „Camp Auschwitz” steht darauf. Darunter der Slogan: „Arbeit macht frei”. Aber es sind auch unauffälligere Codes darunter, dieses Q etwa. Das Erkennungszeichen einer Gruppe rechtsextremer Verschwörungserzähler. Sie verbreiten die Lüge, eine weltweite, einflussreiche Elite entführe und ermorde Kinder, um aus ihrem Blut ein Serum zu gewinnen, das sie verjüngt. Donald Trump kämpfe gegen diese Elite. Es ist hanebüchener Unsinn, aber die Gruppe findet immer mehr Anhänger, auch in Deutschland. Im Messenger-Dienst Telegram zum Beispiel folgen allein der Gruppe „Donald J. Trump = Q Family” über 50.000 Abonnenten. Und auch bei der großen Demo gegen die Corona-Maßnahmen in Berlin Ende August sehen wir immer wieder das Q. Mit QAnon habe das nichts zu tun, sagen die meisten hier. Wirklich? Hier etwa steht unter dem Q der Slogan WWG1WGA. Er steht für „Where we go one, we go all” – auf Deutsch etwa „Wohin einer geht, gehen wir alle”, ein bekannter Slogan der QAnon-Verschwörer. So absurd die Lüge von der Entführung und Ermordung von Kindern auch ist, Experten halten sie für gefährlich. [……]

(Monitor 07.01.2021)

Die amerikanischen Republikaner, die „GOP“ hatte in den letzten 50 Jahren genau wie die CDU immer vereinzelte Extremisten vom äußersten rechten Rand in ihren Reihen.

Sie war aber mehrheitlich rational und band auch viele vernünftige Politiker ein.

Mit dem Aufkommen der Tea Party und spätestens mit dem offenen Rassismus als Reaktion auf die Obama-Wahl von 2008, nahmen die an der Realität orientierten Stimmen in der GOP immer mehr ab, weil es der Tea Party so leicht fiel an der in den USA traditionell nur lose organisierten Parteibasis ihre eigenen extremistischen Kandidaten durchzusetzen.

Viele altgediente Republikaner standen vor der Wahl entweder selbst immer schrillere, rechtsextreme, populistische, rassistische Töne anzuschlagen, oder aber zu riskieren bei der nächsten Kongresswahl nicht mehr aufgestellt zu werden, weil die Teebeutel in großer Zahl einen Partei-internen Gegenkandidaten pushten.

Einige wurden tatsächlich weggefegt, anderen wie Ted Cruz kam es gerade recht und sie mutierten im Rekordtempo selbst zu evangelikalen, homophoben Rassisten.

Nur weil die Partei schon weitgehend mit diesen Fanatikern durchsetzt war, denen es nur auf Haltung und Ideologie, nicht aber um Qualifikation und Fakten ankam, konnte Trump den Laden 2015 im Sturm erobern und in den Jahren seiner Amtszeit die letzten Anständigen aus der Partei jagen.

Nun sind die Republikaner vollständig der Moral und der Realität entkoppelt. Trump stürzte die Nation in Elend, Massenarbeitslosigkeit, Massenobdachlosigkeit, Megaschuldenkrise, Hunger und packte noch bald 400.000 Covid-Tote oben drauf.

Das Ansehen der USA ist international vollständig ruiniert.

Das Weiße Haus ist verloren.

Die Senatsmehrheit ist verloren.

Die Mehrheit im House ist verloren.

In den nächsten zwei Jahren werden die vier mächtigsten Politiker der USA allesamt Demokraten sein: Biden, Harris, Pelosi und Schumer.

Die CDU sollte also darauf lernen den Anfängen zu wehren und die Brandmauern gegenüber das faschistoiden AfD-Mobs aufrecht zu erhalten, auch wenn das gelegentlich Rückgrat und den Mut zur Wahrheit erfordert.

Leider versagt die CDU/CSU dabei immer mal wieder.

Seit 2015 ließen sie sich von der AfD in eine radikal inhumane Abschiebungspolitik treiben.

Sie wählten im Februar 2020 zusammen mit der AfD einen Ministerpräsidenten in Thüringen.

Im September 2020 wählte die Hamburger CDU den weit Rechtsaußen stehenden Christoph Ploß zum neuen Landesvorsitzenden.

(…..) Nun hat es Ploß also geschafft, ist unumstrittener Anführer der 11-Prozent-CDU.

Zum Vorsitzenden gewählt ohne Gegenkandidaten.

[….] Rückt die CDU jetzt nach rechts? [….]   Christoph Ploß ist mit seinen 35 Jahren der jüngste Hamburger CDU-Chef aller Zeiten.  In seinen Äußerungen klingt der Bundestagsabgeordnete aus Winterhude allerdings gar nicht mal so jung und modern, auch wenn er einen „Neuanfang mit inhaltlich neuer Ausrichtung“ verspricht. [….]

(Sandra Schäfer, 27.09.2020)

Der Bundestagsabgeordnete Ploß ist umtriebig. Nach nur drei Tagen im Amt gelang ihm ein Coup, auf den er sichtlich stolz ist.

Er holte die ehemalige Schleswig-Holsteinische AfD-Chefin Ulrike Trebesius in die CDU.

Nun wächst zusammen was (zum Beispiel auch in Thüringen) zusammengehört.

Deutlicher kann man wohl nicht sagen wo es hingehen soll, als wenn man als erste Amtshandlung ehemalige AfD-Größen heim ins Reich holt. (….)

(Rechtsschwenk, Marsch!, 01.10.2020)

Im November 2020 war die Sachsen-Anhaltinische CDU, die zuvor schon davon träumte „das Nationale wieder mit dem Sozialen zu verbinden“, bereit die Kenia-Koalition zu opfern, um mit der AfD zusammen zu arbeiten.

Nach dem dramatischen Kapitol-Sturm von Washington, ist es wieder Christoph Ploß, der unangenehm auffällt und ganz im Stil der hetzerischen Verschwurbler auf FOX irgendwie versucht den Linken und der Antifa mit die Schuld für das Geschehene in die Schuhe zu schieben.

[….. ]   Empörung über Hamburgs CDU-Chef Nach Kapitol-Stürmung: Ploß warnt vor Linken

Die Bilder der Erstürmung des Kapitols in Washington gehen um die Welt – zahlreiche Politiker verurteilen die demokratieverachtenden Ausschreitungen. Für Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß ist es offenbar aber auch eine Gelegenheit, vor der Linkspartei zu warnen. Andere Parteien zeigen sich empört.    „Die Bilder aus den USA sollten auch eine Warnung für uns in Deutschland sein“, so der promovierte Historiker. Weder die Antifa noch Neo-Nazis dürften verharmlost werden, so der CDU-Chef. Und weiter: „Für alle demokratischen Parteien bedeutet das auch, eine klare Brandmauer zur Linkspartei und zur AfD zu ziehen.“ [….]

(Mopo, 08.01.2021)

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