Diese Wahlkampf-Duelle und Trielle sind ein Format, um das Bauchgefühl der Bürger zu streicheln.
Um inhaltlich aufschlussreiche Diskussionen kann es nicht gehen, wenn pro Kandidat nur insgesamt 25 Minuten Redezeit für sämtliche politische Themen zur Verfügung stehen. Es ist absurd, so hochkomplexe Themen wie Pandemie-Management, oder Gesundheitssystem mit einminütigen Aufsagern abzuhandeln.
Es ist müßig über nicht zu ändernde Dinge zu lamentieren; eine monothematische 8-Stundensendung, in der die Details des Steuersystems systematisch ausdiskutiert werden, gibt es nicht, weil die Zuschauer intellektuell gar nicht folgen könnten.
Stattdessen werden Lächerlichkeiten nach vorn gestellt. Moderator Oliver Köhr stellt sich sofort in den Dienst der CDU-Rote-Socken-Kampagne, indem er Ausschließeritis-Fragen stellt. Die Moderatoren und Laschet behaupten unwidersprochen, die Bürger wollten keine Links-Koalition, obwohl das in einigen Umfragen sogar die beliebteste Option ist.
Also geht es darum, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen, in Erinnerung zu bleiben, Sympathiepunkte zu sammeln.
Während dieses zweiten Triells, notierte ich in meinem Kopf dauernd Punchlines, die ich gesetzt hätte, die aber insbesondere Baerbock und Scholz liegen ließen. So viele verschenkte Chancen!
Laschet wirft Scholz wortreich und wahrheitswidrig vor, er habe Ärger mit der Staatsanwaltschaft, aber niemand erwähnt das Urteil zum Hambacher Forst, in dem Laschet eine schwere Klatsche verpasst wurde.
[…..] Christian Stöcker: Man könnte meinen, gegen Mitglieder und (ehemalige) Abgeordnete der Partei, deren Kandidat Armin Laschet ist, liefen nicht diverse Ermittlungsverfahren wegen Bestechlichkeit im Amt und anderer Vergehen. [……]
Der CDUCSU-Kanzlerkandidat, der sich gestern von Markus Söder den Befehl abholte, Scholz anzugreifen, behauptete Scholz habe die Finanzaufsicht über die beim Zoll angesiedelte FIU. Eine glatte Lüge, denn der Finanzminister darf gar nicht in die Fälle der FIU eingreifen, so wie auch eine Regierung den Richtern keine Vorschriften machen darf. Scholz hat nämlich nicht die Finanzaufsicht, sondern die Rechtsaufsicht über den Zoll.
Laschet sagt: „Ich bin immer in die Politik gegangen, um redlich zu argumentieren.“
Aber niemand nennt es den größten Witz des Tages. Ausgerechnet der notorische Lügner Laschet.
Baerbock lässt Laschet beim Thema Maaßen vom Haken, keiner hält dem CDU-Chef vor damit einen Antisemiten und Verschwörungstheoretiker zu schützen.
Die dramatischen Rückstände bei der Digitalisierung erklärt Laschet mit: „Weil zu wenig getan wurde.“ Daher wolle er ein Digitalisierungsministerium. Aber niemand fragt, wieso die zuständigen CDU-Minister das in den letzten 16 Jahren nie taten und wieso er dann ausgerechnet die auf diesem Gebiet so klar versagende Staatsministerin Bär in sein Zukunftsteam holt. Weder Baerbock noch Scholz rufen laut und vernehmlich „SCHEUER!“
[….] Anna Clauß: 5 Euro fürs Phrasenschwein von Armin Laschet. »Es darf auch hier kein Weiter so geben.« [……]
Laschet will keine Vermögenssteuer und für die Superreichen sogar Steuern senken. Aber keiner verweist darauf, daß die von Konservativen propagierte Trickle Down-Politik immer und überall gescheitert ist.
[…..] Christian Stöcker: Jetzt ist wieder der Moment für Wunderglauben. Es geht ohne Schulden, ohne Steuererhöhungen, alles mit der Magie des Marktes. Jede Ökonomin und jeder Ökonom weiß, dass das nicht funktioniert. Das hat man der CDU auch schon ein paar Mal gesagt. Denke ich. [….]
Scholz sagt zwar sinngemäß ‚nach CDU-Plänen bekommen Leute wie ich und Reichere 30 Milliarden. Die können wir uns bei 400 Milliarden Schulden nicht leisten.‘
Richtig, aber wenn er schon so ehrlich sein eigenes Einkommen thematisiert, wieso fragt er dann nicht Armin Laschet, wie viel Geld Laschet persönlich mehr im Geldbeutel hätte, nach Laschets Steuerplänen ohne den Soli?
10.000 Euro mehr im Jahr, 20.000? 30.000? Das würde vielleicht manchen Geringverdiener, der überlegt CDU zu wählen, gern wissen.
Das Thema Wohnungsnot begreift Laschet offensichtlich gar nicht und setzt einseitig auf die Gunst der multimillionenschweren Bau-Unternehmer.
Laschet: Was war die Frage?
Nun besinnt sich Laschet, wirft garstig ein, der rotrotgrüne Mietendeckel Berlin sei gescheitert, dabei hatte Moderator Köhr das schon in seiner Frage gerade selbst gesagt, aber richtigerweise ergänzt, man könne so ein Gesetz bundesweit machen. Es ist nur deswegen gerichtlich verworfen worden, weil es gegen ein Seehofer-Gesetz steht. Laschet will stattdessen eine „einfachere Bauordnung“.
Aber weder Baerbock, noch Scholz stellen das als Leersatz bloß. Als ob es irgendjemand gäbe, der sich für eine möglichst komplizierte Bauordnung einsetze. Niemand stellt die Frage an Laschet zur welcher Partei eigentlich der zuständige Bundes-Bauminister Seehofer gehört.
Scholz antwortet lediglich, das „Bauplanungsrecht muss schneller werden“, verzichtet aber freundlich darauf die Schuld dem unionsgeführten Ministerium zuzuschieben.
Laschet kritisiert Söder und Merkel für den Atomausstieg; daher sei man nicht schneller beim Kohleausstieg. Aber niemand kommt auf die Idee nach Laschets Lobby-Amalgam mit den Kohle-Königen zu fragen.
Baerbock, die natürlich verschweigt an wie vielen Landesregierungen die Grünen beteiligt sind und daß es im einzigen Bundesland mit einem Grünen Ministerpräsidenten am langsamsten mit dem Windkraftausbau geht, macht aber einen guten Punkt, wenn sie genüsslich darauf hinweist, in den vergangenen acht Jahren hätten CDU und SPD doch Zeit gehabt, den Kohleausstieg zu vollziehen. Da hat sie natürlich ins Schwarze getroffen.[…..] Christian Stöcker: Fun Fact zu den Verhandlungen über den Kohleausstieg: Da steht oft, was "NRW/RWE" (so geschrieben) gerne möchten oder nicht möchten. Also Laschets Bundesland und der größte deutsche Braunkohlekonzern. […..]
Auch bei Laschets immerhin klarer Verteidigung des Zweiklassen-Gesundheitssystems, bei dem nur die Reichen Chefarztbehandlung bekommen und den Wischiwaschi-Schwafeleien zur Rente stellt ihn niemand bloß.
Laschet will die privaten Krankenversicherungen behalten.
Er sagt das ("dieses 'Weiter so') jetzt mindestens zum vierten Mal. Das ist wirklich bemerkenswert. Das ist ein Talking Point, der auf irgendeinem Zettel steht. Zwei Wochen vor der Wahl versucht Laschet, auf Aufbruch umzuschalten. […..]
Baerbock weist daraufhin, daß auf dem Lande gesetzlich Versicherte viel länger als Privatversicherte auf Facharzttermine warten müssten. Sie verweist, ohne den Verantwortlichen Spahn zu nennen, auch endlich darauf, daß nicht etwa alle Privatversicherten auf ihre Privilegien pochen, sondern viele sich quasi gar nicht anders versichern können und liebend gern in die Gesetzliche wechseln würden.
Ich habe kein Wahlrecht in Deutschland. Außerdem würde ich meine Wahlentscheidung eben nicht wie die verblödeten immer noch Unentschiedenen, von einem Triell abhängig machen und selbstverständlich die SPD und damit Olaf Scholz wählen.
Hätte ich aber gar keine anderen Informationen und nur das heutige Triell gesehen, fände ich Olaf Scholz zu zurückhaltend, zu wenig angriffslustig. Zugegebenermaßen machte Annalena Baerbock heute einen guten Eindruck. Daher nahm ich an, ihre Werte könnten nun nach oben gehen.
Die Blitzumfragen vom ZDF und die von Infratest dimap bestätigen meinen Eindruck allerdings nur partiell. Ja, Baerbock wirkte sympathischer, holte möglicherweise einen Tick auf, aber Scholz gewann das Duell mit deutlichem Abstand, liegt in der Kanzlerfrage immer noch klar vorn
[….] Nach dem TV-Triell der Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen sehen die Zuschauer SPD-Spitzenkandidaten Olaf Scholz vorn. 41 Prozent der Teilnehmer einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap fanden ihn im Triell von ARD und ZDF am überzeugendsten. Unionskandidat Armin Laschet kam auf einen deutlich niedrigeren Wert: 27 Prozent der Befragten sprachen sich für ihn aus. Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock fanden 25 Prozent der Zuschauer am überzeugendsten. [….]
Möglicherweise ist der defensive Scholz-Kurs besser als ich denke.
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