Dienstag, 7. September 2021

Ernährungsfanatismus

Gerade esse ich Blumenkohl-Roquefort-Salat nach Art meiner Amerikanischen Oma. Roquefort-Käse mit einer Gabel kleinkrümeln, Quark und Joghurt dazu, Zucker, schwarzer Pfeffer, grob verrühren und einen rohen Blumenkohl reinschneiden. Eine geniale Kombination. Jeder, der einmal Blumenkohl roh gegessen hat, wird ihn nie wieder kochen. Als Hamburger achte ich darauf, einen Blumenkohl aus dem Alten Land zu kaufen. Das ist die regionale und damit nicht nur besonders Ressourcen schonende, sondern auch die feldfrische und damit wohlschmeckendste Variante.  Das gibt eine üppige, gesunde Mahlzeit, die nur zwei Minuten Zubereitungszeit kostet. Käse gut!

Ich kaufe gern vegange Produkte, gehe zu einer veganen Friseurin, aber ohne diese Kuhmilchprodukte möchte ich nicht leben.

Für mich persönlich ist es inakzeptabel Tiere unter zumeist elenden Bedingungen zu züchten, um sie möglichst schnell zu töten und anschließend das Aas zu fressen.

Ich gehe aber nicht so weit, wie Veganer, die Milchviehwirtschaft, generell zu verdammen. Den Turbo-Kuh-Massenbetrieb à la Klöckner, in dem die Wiederkäuer mit Fischmehl-Abfällen und Pharma-Cocktails gemästet werden, lehne ich selbstverständlich ab.

Aber ich denke schon, daß Bio-Bauern Kühe so halten können, daß diese sich auch wohlfühlen. Auch eine sehr glückliche Kuh, die frei auf saftigen Wiesen umherstreifen konnte, Massagestände mit rotierenden Bürsten aufsuchen konnte und nach ihren eigenen Bedürfnissen Melkstationen aufsuchte, wird aber irgendwann eines natürlichen Todes sterben.

Ihren Körper aus Pietät zu vergraben, halte ich allerdings für aberwitzige Ressourcenverschwendung. Im Gegensatz zu Veganern halte ich es für akzeptabel, ihr Fleisch dann zu essen und die Haut zu Schuhen zu verarbeiten. Ich selbst würde zwar kein Rindersteak verspeisen, aber verbieten sollte man es nicht.

Als großer Vogelliebhaber denke ich auch, daß Enten oder Hühner, die sich frei im Garten bewegen und liebevoll behandelt werden, so „glücklich“ leben, daß es durchaus ethisch ist, ihre Eier zu essen und sie auch selbst zu verspeisen, wenn sie eines natürlichen Todes sterben. Zufälligerweise ekele ich mich vor Eiern und kann sie daher gar nicht essen. Aber wenn ich im Lotto gewinne, mir ein großes Haus mit riesigem Garten anschaffe, würden da auch ein paar Hühner und Enten leben, deren Eier ich wie Fynn Kliemann verschenken würde.

Im so gern in den sozialen Medien inszenierten Konflikt zwischen den angeblich verbissenen und freudlosen Veganern mit den inkonsequenten Vegetariern, ergreife ich gern Partei für Vaganer, weil sie meines Erachtens geradezu aberwitzig mit Häme überzogen werden. Man sollten ihr Engagement für den Tierschutz viel mehr würdigen.

Ich selbst bin aber nicht so konsequent, esse gern Käse und Joghurt. Außerdem erspare ich mir damit die Mühe auf mögliche Mangelernährung achten zu müssen, da ich ohnehin genügend Proteine und Calcium zu mir nehme.

Natürlich behalte ich mein Leder-Portemonnaie und trage meinen Ledergürtel. Wenn ich aber die Auswahl habe, greife ich zum veganen Produkt, um die tierquälerische Massenhaltung nicht zu fördern. Vegane Sorbas-Schuhe aus Berlin mit Kautschuk-Sohle sind sagenhaft bequem; da kann ich mir auch mal ein paar Lederschuhe sparen.

Es darf aber nie in Fanatismus ausarten. Wer Kuhmilch ablehnt, muss sie nicht trinken. Wer tatsächlich keine Lactose verträgt, kann auf Mandel- oder Hafermilch ausweichen.

Der Massentrend Mandelmilch schadet aber unserer Umwelt eher, als er hilft, weil Mandeln leider hauptsächlich da angebaut werden, wo es viel zu trocken für sie ist. 80% der Mandeln des Weltmarktes stammen aus  Kalifornien.

Zur Produktion von 1 kg Mandeln werden etwa 16.000 Liter Wasser benötigt. Der gewaltige Bundesstaat im Westen der USA muss die Mandelplantagen derartig bewässern, daß der halbe Kontinent ausgetrocknet ist und nun quasi kontinuierlich brennt, weil das Grundwasser Kaliforniens für die Mandelbäume verplempert wird.

Eine aktuelle WWF-Studie sieht daher in Vegetariern und insbesondere Veganern größere Klimasünder, als in Flexitariern.

[….] Besonders viel Wasser benötigen etwa Zitrusfrüchte und Mandeln. Zitronen, Orangen und Mandarinen brauchen pro Person im Jahr etwa 6,9 Kubikmeter Wasser, was 58 Badewannen entspricht. Bei Mandeln sind es rund 2,5 Kubikmeter pro Person jährlich – also 20 Badewannen. [….]

(20Min.ch, 06.09.2021)

Man kann Mandeln so erzeugen, daß die Herstellung eines Liters Mandelmilch „nur“ 80 Liter Wasser verbraucht, statt der 120 Liter Wasser, die für einen Liter Kuhmilch verbraucht werden.

[….] Dass die vegane und vegetarische Ernährung einen höheren Wasserverbrauch verursacht, liegt laut WWF daran, dass der Grossteil der pflanzlichen Nahrungsmittel aus wasserarmen Regionen stammt. Tierische Lebensmittel brauchen mehr Wasser, werden aber in Regionen mit genug Wasser erzeugt. Futtermittel für Nutztiere müssen also anders als Gemüse und Obst nicht künstlich bewässert werden. So stammen 80 Prozent der weltweit verkauften Mandeln aus Kalifornien. Um ein Kilo Mandeln zu erzeugen, braucht es dort 2028 Liter Wasser. Nach Europa kommen Mandeln fast ausschliesslich aus Kalifornien und Spanien. Beide Regionen leiden unter Wasserknappheit.. [….]

(20Min.ch, 06.09.2021)

Aber da die Mandeln in den falschen Gegenden angebaut werden, steigt der Wasserverbrauch um ein Vielfaches.

Zudem werden die Mandeln dann 9.500 km Luftlinie nach Deutschland geflogen, statt, so daß ich beim Einkauf eines Liters Mandelmilch eine gewaltige Menge Kerosin in der Atmosphäre verbrenne, während es Milchvieh auch in Hamburg gibt. Und wir fliegen jedes Jahr über 100.000 Tonnen Mandeln nach Deutschland ein.

[…..] Im Jahr 2019 wurden insgesamt 102.500 t nach Deutschland importiert, 37 % mehr als noch vor zehn Jahren. Die in Deutschland konsumierten Mandeln stammen fast ausschließlich aus Kalifornien und Spanien. Beide Regionen sind von Wasserknappheit betroffen. Umso schwerer wiegt es,  dass die Mandel als eine bewässerungsintensive Anbaukultur gilt. In Kalifornien entfällt auf die Bewässerung der überwiegende Anteil des benötigten Wassers. Dem hohen Bewässerungsbedarf stehen schrumpfende Wasservorräte in Kalifornien gegenüber. Auch die vielfach angewandte  Präzisionsbewässerung hat die Situation noch nicht entschärft, unter anderem wegen der weiteren Expansion von Anbauflächen. Dies zeigt, dass eine  Optimierung der Bewässerungssysteme nicht die alleinige Antwort auf die sich verknappenden Wasserressourcen sein kann. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass der Wasserverbrauch von Mandeln aus Kalifornien wesentlich höher ist als jener aus Spanien. Liegt der Wasserverbrauch zur Bewässerung bei der Erzeugung von Mandeln in Spanien bei 1.000 l pro kg, fällt er mit 2.038 l pro kg in Kalifornien doppelt so hoch aus. Dies ist auf die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen  zurückzuführen. Im Unterschied zu Kalifornien findet der Mandelanbau in Spanien in einem dafür geeigneteren Klima statt – mit einem im Vergleich zu Kalifornien feuchteren Klima und höheren Niederschlägen.  [….]  

(WWF-Studie, s.31)

Das sind wahrlich keine Erkenntnisse, die mich erfreuen. Zumal ich selbst besonders gern Mandeln esse und gegen viele andere Nüsse allergisch bin.

Aber deswegen kann ich die Tatsachen nicht ignorieren, werde also weiterhin zur Kuhmilch greifen und darauf achten, nach Möglichkeit wenigstens keine kalifornischen Mandeln zu kaufen. Außerdem gilt es regionale Erzeuger zu unterstützen. Lieber deutsches als südamerikanisches Obst zu essen.

[…..] Tatsächlich wächst vieles, was in Deutschland gern gegessen wird, auf Äckern und in Plantagen rund um den Globus, oft muss dort zusätzlich bewässert werden. Die Einfuhrquote bei Obst liegt der WWF-Studie zufolge bei 80 Prozent, bei Gemüse sind es 63 Prozent. "Fast nicht vorhanden ist der heimische Anbau von Nüssen. Obwohl etwa Haselnüsse in Deutschland heimisch sind, stammen 98 Prozent derzeit aus dem Ausland", sagt Tanja Dräger, Mitautorin der Studie. Das gelte auch für viele andere Obst- und Gemüsesorten. Erbsen und Bohnen, die im heimischen Klima ebenfalls gut gedeihen, kommen zu 80 Prozent aus dem Ausland. Beim Lieblingsgemüse der Deutschen, der Tomate, liegt der Selbstversorgergrad bei nur vier Prozent. Zu den in größeren Mengen importierten Sorten mit besonders hohem Bewässerungsbedarf zählen laut Studie unter anderem Zitrusfrüchte, Avocados, Reis, Bananen oder Walnüsse. […..]

(Silvia Liebrich, 02.09.2021)

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