Wenn die berühmteste und bekannteste Person der Gegenwart unter acht Milliarden Menschen, im 97. Lebensjahr stirbt, ist das eine feine Sache für die Weltpresse. Die Nachrufe sind längst geschrieben, müssen nur aus der Schublade geholt werden. Ohne viel Dazutun, sind hohe Klickzahlen/Auflagen garantiert.
Ein Riesenglück ist die Angelegenheit für die Inkarnation des menschlichen Debakels Liz Truss. Eiiner Person, die unfassbarerweise sogar noch dämlicher, unsympathischer und unseriöser als Boris Johnson zu sein scheint. Zehn Tage lang werden sich Milliarden Augen der Weltöffentlichkeit auf London richten. Truss wird immer mit dabei sein und kann nur schwer Fehler machen, weil selbstverständlich jeder einzelne Schritt nach dem Tod der Queen minutiös durchgeplant ist.
Was für eine Chance, sich international in Szene zu setzen – die gibt es nur alle paar Jahrhunderte einmal und Truss ist erst zwei Tage im Amt.
[….] Truss war von Beginn an die Favoritin. In einer normal tickenden Welt wäre das vollkommen unverständlich - es sei denn, um mit Shakespeare zu sprechen, die Hölle wäre leer, und alle Teufel wären hier. Truss hat sich bereits als Außenministerin dadurch profiliert, dass sie sich als noch stärker kognitiv eingeschränkt, noch undiplomatischer erwies, als es selbst Johnson in dieser Rolle gelungen war. Der russische Außenminister Lawrow stellte sie bloß, indem er sie dazu brachte, zu behaupten, die russische Herrschaft über Rostow und Woronesch sei illegitim. Er hatte allerdings einen unfairen Vorteil, weil er im Gegensatz zu ihr wusste, dass diese Gebiete unumstritten auf russischem Territorium liegen. Truss stolpert von einem dummen, aggressiv-kämpferischen Fauxpas zum nächsten. Sie wirkt dabei wie eine Fünfjährige, die gerade gegen eine Tür gelaufen ist - und die Gefallen daran gefunden hat. […]
Jeder rationale Menschen muss Gegner einer Erbmonarchie sein. Nichts ist undemokratischer, als ein System, in dem man durch Geburt Staatsoberhaupt wird. Im Falle Großbritanniens nicht nur von England, Wales, Schottland und Nordirland, sondern auch Staatsoberhaupt von Antigua und Barbuda, Australien, Bahamas, Belize, Grenada, Jamaika, Kanada, Neuseeland, Papua-Neuguinea, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Salomonen und Tuvalu.
Verrückt; kein Jamaikaner, kein Australier, kein Kanadier, kein Brite hat Wahlrecht zur Bestimmung des eigenen Präsidenten.
Jeder rationale Menschen muss im Jahr 2022 bei einer am 21. April 1926 Geborenen jederzeit damit rechnen, daß sie stirbt.
Jeder rationale Menschen muss einer 96-Jährigen, die de facto ihr ganzes Leben ununterbrochen 24/7 diszipliniert arbeitete und unter strengster Beobachtung der ganzen Welt stand, von Herzen gönnen, diese Last endlich los zu sein. Man sollte sich für Elisabeth II. freuen, es endlich hinter sich zu haben.
Jeder rationale Menschen muss King Charles III. dafür bedauern, nun, in dem Alter, in dem andere längst ihre Rente genießen, eine ungeheuerliche Last auferlegt zu bekommen. Repräsentativer Chef eines zerfallenden Staaten-Konglomerats, dessen UK-Kern durch ein Regierungsquartett aus der Hölle – Cameron, May, Johnson, Truss – so massiv in den Dreck gefahren wurde, daß die nächsten Jahre unweigerlich schwere ökonomische und soziale Verwerfungen bringen werden.
Jeder rationale Menschen kann die endlosen Bilderstrecken mit Lebensstationen der Queen ignorieren, muss keinen der Myriaden Nachrufe lesen, weil es bereits so viele Großjubiläen mit entsprechenden Fernsehübertragungen und Titelseiten gab, daß man schwerlich noch etwas Neues erfahren kann.
Ich halte mich für einen rationalen Menschen und dennoch bin ich emotional vom Tod der britischen Monarchin betroffen, lese Nachrufe und gucke mir Queen-Berichterstattungen an. Ich bin sogar überrascht von ihrem Tod; dachte eigentlich, sie würde ihre Mutter, die mit 102 starb, locker übertreffen. Warum bloß?
Keiner ist völlig rational und die ungeheuerliche Länge ihrer Regentschaft – über 70 Jahre – führt dazu, daß man selbst schon hoch in den 80ern sein muss, wenn man sich überhaupt an einen anderen britischen König erinnert.
Wenn eine Person einem so lange durch eine unendliche Bilderflut bekannt ist, bildet man sich irgendwann ein, sie tatsächlich zu kennen.
Ich kann mich dem auch nicht entziehen und meine zu wissen, wie Elisabeth Windsor privat tickt. Was ihr gefällt, welchen Humor sie hat, wie sie privat mit Menschen umgeht.
Aber das ist weitgehend Unsinn. Wir alle haben immer nur das öffentliche Bild der Queen gesehen und ich wage zu bezweifeln, ob es mehr als eine Handvoll Menschen gibt, die die private Person Elisabeth kennen, die nicht das gekrönte Staatsoberhaupt ist. Wer so lange amtiert und gleichzeitig, anders als jeder Regierungschef niemals persönliche Meinungen oder politische Ansichten mitteilt, bildet eine gewaltige Projektionsfläche, auf der von links bis rechts, von jung bis alt, von arm bis reich, jeder seine Queen sieht.
Mir ist die Queen seltsamerweise immer sehr sympathisch gewesen, während ich Diana absolut nicht ausstehen konnte. Diana ist für mich ein manipulatives, eitles Miststück, das mich mit ihrem debil-doofen Blick aus gesenkten Kopf mit nach oben geöffneten Augen, stets abstieß. Harry, Meghan und Kate kann ich ebenfalls nicht leiden. William wirkt etwas sympathischer, allerdings scheint er recht dämlich und langweilig zu sein. Vielleicht habe ich auch nur Mitleid, weil ihm schon als Teenager die Haare ausfielen. Ich mochte Queen Mum, Anne und Margareth. Und ich bin definitiv Team Charles und Camilla. Die beiden dürften die intelligentesten Mitglieder der Windsor-Familie sein. Insofern haben die Briten noch Glück mit ihrem neuen König.
Queen Elisabeth II. hielt ich neben ihrer offensichtlich perfekten Fassade, für witzig, schlagfertig und selbstironisch. Ich glaube, sie tickte eher liberal, mochte die Labour-Premierminister lieber als die Tories. Zudem interpretiere ich ihre privaten Touren im Schottland-Urlaub; dort war sie Jahrzehnte lang am Steuer eines kleinen Jeeps mit Kopftuch und Gummistiefeln unterwegs; als das Fehlen jeder Eitelkeit. Sehr sympathisch. Privat sind ihr Titel, Kronen und königliche Roben offenbar schnurz.
Gleichzeitig weiß ich auch, daß ich diese privaten Erkenntnisse über die Royal-Family gar nicht verifizieren kann. Das sind weitgehend subjektive Empfindungen aus laienhafter Ferndiagnose.
Philipp Amthor veröffentlichte heute ein Queen-Bild mit CDU/CSU-Logo, vereinnahmt die just Gestorbene frech, als Ikone des Konservatismus.
Aber vermutlich gehört das zur Faszination an den hoffnungslos anachronistischen, irrationalen und undemokratischen Monarchien Europas.
Da sie nun einmal da sind, macht man sich gar nicht erst Gedanken über personelle Alternativen. Zudem amtieren viele Monarchen so lange, daß die Gewöhnungseffekte so stark werden, daß sich selbst überzeugte Republikaner nicht trauen, die Abdankung eines Monarchen zu fordern.
Die schwedische und die dänische Königin sitzen zwar erst ein halbes Jahrhundert und keine 70 Jahre wie Elisabeth auf dem Thron, aber des Effekt ist ähnlich. Sie genießen enorme Zustimmungswerte. Die Antimonarchiebewegung ist praktisch tot, weil nahezu jeder lebende Schwede und Däne inzwischen einen eigenen psychologischen Dreh gefunden hat, wieso er Silvia, bzw Margarethe so besonders gern mag.
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