Die letzte Panorama-Sendung begann Anja Reschke mit einem kurzen Clip, in dem befragte Bahnreisende sich bitterlich über verspätete Züge, verpasste Anschlüsse und überfüllte, heiße Waggons beklagten. Der ständige Ärger über die Bahn ist Allgemeingut in Deutschland. Jeder kennt die Horrorstories.
Den eigentlich Clou verriet die Moderatoren direkt anschließend; für solche O-Töne habe sie keine Reporter an einen Bahnhof schicken müssen, sondern sich einfach aus einem 27 Jahre alten Panorama-Bericht bedient.
[….] „Wer in letzter Zeit Zug gefahren ist, konnte, wenn er nicht verdammt Glück hatte, die ganze Pracht der chaotischen Zustände bei der Bahn erleben. Überfüllung, Reservierung weg, umgekehrte Wagenreihung und Verspätungen. Es ist ein Desaster. Diese Töne haben wir nicht gerade erst gedreht, nein, sie sind 27 Jahre alt und stammen aus einem unserer zahlreichen Beiträge über die Bahn. Wie oft Panorama über die Jahre schon über das Chaos berichtet hat, kann man eindrücklich in unserem Archiv sehen. Also man kann wirklich nicht sagen, dass wir und viele andere Medien dieses Thema nicht seit Jahrzehnten aus allen Winkeln beleuchtet haben. Aber es wird nicht besser. Als Bahnkunde hat man sich diesem Schicksal inzwischen schon völlig ergeben. Dabei ist das Chaos der Bahn kein Schicksal, keine Naturkatastrophe, die man eben hinnehmen und aushalten muss. Sondern dieses Chaos ist Menschengemacht. Was bedeutet, Menschen könnten etwas daran ändern. [….]
Ich empfehle dringend, sich diesen Clip anzusehen, weil er klar die Verantwortlichen für das deutsche Nichtfunktionieren zeigt.
In der Kurzversion: Das Schienennetz ist marode und überlastet. Es hätten seit Jahrzehnten neue Schienen gelegt werden müssen.
[….] „Das ist mal ganz egal, wo die längs geführt werden, an der Bestandsstrecke oder neben der Autobahn. Es gibt verschiedene Ideen und sie haben überall eine Bürgerinitiative dagegen und sie haben Politiker dagegen. Wir müssen einfach wissen: Wenn man die Bestandstrecke ausbaut, dann müssen wir in den einzelnen Orten Häuser abreißen, um dort zwei zusätzliche Gleise zu bauen. Baut man neben der Autobahn, dann kommt man sicherlich in Regionen rein, wo noch gar keine Eisenbahn fährt und sich die Leute auch dagegen wehren.“ [….]
(Ingulf Leuschel, ehem. Konzernbevollmächtigter DB, 08.09.2022)
Es gibt Realitätsblindheit und Feigheit auf drei Ebenen.
1) Bürger, die sich sofort wehren, wenn in ihrer Nachbarschaft eine Stromtrasse, ein Windrad oder eben ein Bahngleis gebaut werden soll. Sie finden das zwar grundsätzlich richtig, aber eben NIMBY, not in my backyard.
2) Opportunistische Landespolitiker, die sich aus Angst vor den Wählern nicht trauen, den Bürgern reinen Wein einzuschenken. Negativbeispiel ist der im Panorama-Bericht erwähnte wahlkämpfenden CDU-Landesminister Bernd Althusmann, der seinen Schäfchen im Niedersächsischen Landtagswahlkampf verspricht, keinerlei neue Bahnstrecken zu bauen.
3) 12 Jahre Totalversagen durch die drei CSU-Bundesverkehrsminister Ramsauer, Dobrindt und Scheuer, die sich alle weigerten, einen Finger zu rühren. Merkel kümmerte es ebenfalls nicht. Alle lehnen Interviewanfragen zum Thema kategorisch ab.
Nun steuern wir auf einen Kipppunkt zu. Die Bahn wurde so lange vernachlässigt, daß man bald Strecken stilllegen muss. Unglücklicherweise agiert der Ampel-Verkehrsminister Wissing (FDP) genauso unverantwortlich wie seine drei CSU-Vorgänger. Entgegen des Koalitionsvertrages, gibt es sogar mehr Geld für die Förderung der Autobahnen, als der Schiene aus.
[….] „Ich glaube, das ist so ein bisschen politische Bequemlichkeit. Und jeder Minister weiß, es gibt eben Ärger. Wenn er dann zum Finanzminister geht und sagt, er braucht mal eben 10 Milliarden extra. Und diesen Konflikt wollte keiner der letzten Verkehrsminister eingehen. Und dann hat man einfach die Dinge weitergeschoben. Und wir kommen jetzt eben an den Punkt, wo dieses Weiterschieben eben nicht mehr funktioniert und wo also dieses Verschleppen der Sanierung tatsächlich dazu führt, dass die Zuverlässigkeit des Netzes massiv zurückgeht. [….]
(Prof. Christian Böttger, 08.09.2022)
Der König des St. Florians-Prinzips und damit der Politiker, der vielleicht Deutschland am meisten Schaden zufügt, ist CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident Markus Söder. Er ist für die katastrophalen Fehlbesetzungen bei den CSU-Bundesministern verantwortlich, hielt sogar Andi Scheuer, die Inkarnation der Unfähigkeit, im Amt.
Aber er betreibt auch in Bayern mustergültig St. Florians-Politik.
Windräder ja, aber keinesfalls in Bayern, sondern in Mecklenburg-Vorpommern.
Fracking ja, aber keinesfalls in Bayern, sondern in Niedersachsen.
Atomkraft ja, aber kein Endlager in Bayern.
Stromtrassen ja, aber keinesfalls durch Bayern.
Mit Politikern wie Söder und einem Urnenpöbel wie dem Deutschen, der nun Merz als Kanzler wünscht, also den Mann, dessen Partei aktiv dafür sorgte, die erneuerbaren Energien in Deutschland zu blockieren, Hunderttausende Arbeitsplätze bei Windkraft und Photovoltaik abbaute und dafür die Abhängigkeit von Putins Gas massiv ausbaute, sind wir erledigt. No Future
[….] Markus Söder ist auch für eine längere Laufzeit der drei verbliebenen AKWs. Er sieht die Kernkraft als Alternative zur Gas-Verstromung. Was ist mit Windkraftanlagen? Bayern hat in der ersten Jahreshälfte gerade mal drei Windräder gebaut. Das geht im Arbeitszeugnis nicht mal als "stets bemüht" durch. Höchstens, wenn es darum geht, anderen vorzuschreiben, wie es richtig geht. Söder sagt immer zu allem: "Von mir aus - aber nicht hier!" Windkraft? "Von mir aus - aber nicht hier!" Atomkraft - samt Endlager? "Von mir aus - aber nicht hier!" Fracking? "Von mir aus - aber nicht hier!" Markus Söder ist für Fracking, aber nur in Niedersachsen. Für Atomkraft, will aber kein Endlager in Bayern und auch keine Windkraft und keine Stromtrassen. Alle Vorteile, aber keine Konsequenzen - was Söder will ist im Grunde die Terrawatt-legende Windmühlsau, die Quadratur des Stromkreises. […..]
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