Freitag, 9. September 2022

Energiewende hoffnungslos?

So lange ich mich zurück erinnern kann, bzw seit ich in den 1980ern die Begriffe „Uni“ und „Studieren“ mit einer Vorstellung erfüllte, hörte ich immer von Fächern, mit denen man unweigerlich als Taxifahrer, bestenfalls als Lehrer endete. Philosophie, Germanistik, Geschichte und natürlich die Exotenfächer wie Ägyptologie oder Slawistik. Dummerweise waren alle Fächer, die mich am meisten interessierten, „brotlose Künste“ und ich war mit 17 so brav, darauf zu hören, lieber etwas „Anständiges“ zu studieren.

(Nachdem ich die Uni verlassen hatte, riet ich jungen Leuten immer das Gegenteil: Stellt die Berufsaussichten auch mal hintan und sucht euch lieber etwas aus, das euch wirklich interessiert und Spaß macht).

Das Anständigste waren damals Ingenieure und Informatiker. Die würden nämlich dringend gesucht in Deutschland. (So anständig konnte ich leider nicht studieren, weil ich in den beiden Bereichen unfähig bin.)

Die nächsten 20 Jahre wurde der Mangel immer schlimmer. Es fehlten MINT-Absolventen und Naturwissenschaften waren ein Problem, weil die Studiengänge wegen der umfangreichen Laborausstattung teuer waren. Deutschland sparte also an den Unis, so daß ich nach meinen persönlichen Erfahrungen auch abriet, Chemie oder Physik zu studieren. Dafür sind die deutschen Universitäten einfach zu schlecht. Man erhält dort eine Ausbildung, die gegenüber anderen Ländern 20 Jahre zurückhängt. Weltklasse-Chemiker aus Deutschland gibt es nur, wenn die sich schon in den ersten Semestern in eine bessere Uni außerhalb Deutschlands abgesetzt haben.

In der Rotgrünen Zeit 1998-2005 war der IT/Ingenieurs-Mangel eklatanter denn je. Der Bund ist nicht wirklich zuständig für Bildungspolitik, aber wenigstens war die Schröder/Fischer-Regierung nicht so xenophob borniert, wie die vorangegangene Kohl/Merkel-Regierung. Es gab Versuche, das Staatsbürgerschaftsrecht zu modernisieren, sowie Pläne,  unkomplizierter die dringend benötigten hochqualifizierten Arbeitsmigranten nach Deutschland zu holen. Beides scheiterte an der CDUCSU. Die neue CDU-Generalin, eine gewisse Angela Merkel, zettelte 1999 erfolgreich mit Roland Koch einen Antiausländer-Wahlkampf an, ließ Listen auslegen, um „gegen Ausländer zu unterschreiben“. Merkels rechtsextremer Kurs, der dann von „deutsche Leitkultur“-Getöse untermalt wurde, funktionierte. Koch gewann gegen RotGrün in Hessen, die Sozi-Bundesratsmehrheit war weg. Fortan blockierte Merkel über den Bundesrat jeden Fortschritt.

Die anderen Unions-Größen kopierten natürlich den so erfolgreichen Merkel/Koch-Rechtskurs.

[…]  "Kinder statt Inder" Rüttgers verteidigt verbalen Ausrutscher

Wie einst Roland Koch hat Jürgen Rüttgers die Ausländerpolitik im Wahlkampf entdeckt. In einem Rundumschlag sagte der CDU-Politiker, es sei "schlichtweg unmoralisch", sogar "ausländerfeindlich", die Computer-Elite aus Indien abzuziehen. Außerdem kündigte er an, im Falle seines Wahlsieges in NRW den muttersprachlichen Unterricht abzuschaffen.

Setzt auf Angst vor Ausländern: Wahlkämpfer Jürgen Rüttgers. […] Rüttgers bekräftigte am Donnerstag seine umstrittenen Äußerungen zur geplanten Anwerbung ausländischer Computer-Experten. Der von Ministerpräsident Wolfgang Clement erhobene Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit sei "schlichtweg abartig", sagte der CDU-Spitzenkandidat für die NRW-Landtagswahl am Donnerstag in Düsseldorf.  Rüttgers hatte zur Green-Card-Initiative von Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärt: "Statt Inder an die Computer müssen unsere Kinder an die Computer." In der Sprache des deutschen Stammtisches empörte er sich: "Statt sich um die Integration der hier lebenden Ausländer zu kümmern, sollen jetzt noch Hindus hinzukommen". [….]

(SPIEGEL, 09.03.2000)

Das Ende ist bekannt; 2005 wurde Rüttgers tatsächlich NRW-Ministerpräsident und Merkel für 16 Jahre Bundeskanzlerin. Bildungspolitik und moderne Techniken interessierten sie nie. Bundesbildungsministern wurde ihre Freundin Annette Schavan, die extrem fromme Abiturientin aus BW, die zwar keine akademische Expertise besaß (alle höheren Grade als das Abitur hatte sie erschummelt und wurden ihr entzogen), dafür aber täglich das katholische Stundengebet praktizierte.

Diese Peinlichkeit übertraf dann noch die hoffnungslos desinteressierte und unterqualifizierte CDU-Bundesbildungsministerin Anja Karliczek, die verkündete, Forschung habe sich der Religion unterzuordnen.

(…..) Was nicht der Bibel entspricht, hat laut der Forschungsministerin nichts in der Forschung zu suchen. Dieses IT- und KI-Zeug sollen doch China oder die USA machen, Deutschland ist ein christliches Land und braucht den neumodischen Kram nicht.

[….] Wir sind nicht in China. Totale Kontrolle durch den Staat werden wir niemals akzeptieren. Wir sind aber auch nicht in den USA. Wir gehen einen anderen, einen eigenen Weg. Wir lassen uns von unserem christlichen Menschenbild leiten. Jeder technologische Fortschritt hat sich dahinter einzureihen. Wir sind überzeugt: Künstliche Intelligenz muss dem Menschen dienen. Menschenwürde, Persönlichkeitsrechte und individuelle Freiheit sind die Grundlagen unseres Zusammenlebens. [….]

(Ministerin Karliczek vor dem Bundestag am 15.02.2019)

Immerhin, eins weiß die Bildungsministerin: Schwule sind schlecht. Und deswegen dürfen die keine Kinder haben.

[…..] Bundesbildungsministerin Anja Karliczek will in einer Langzeitstudie klären lassen, welche Auswirkungen es für Kinder hat, in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft aufzuwachsen. In der n-tv Sendung "Klamroths Konter" sagte die CDU-Politikerin, es sei "eine spannende Forschungsfrage", dieses Thema "wirklich langfristig zu erörtern".  Auf die Frage von Moderator Louis Klamroth, ob sie im Jahr 2018 wirklich noch Studien brauche, um sich bestätigen zu lassen, dass Kinder von homosexuellen Paaren genauso glücklich und gut erzogen seien, antwortete Karliczek: "Es geht nicht um 'glücklich' und um 'gut erzogen'. Es geht um etwas grundsätzlich anderes. […..] Karliczek hatte im Juni 2017 im Bundestag gegen das "Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts" gestimmt. Bei "Klamroths Konter" sagte sie, es sei ein Fehler gewesen, gesellschaftliche Strukturen "mal eben so im Federstrich" zu verändern. [….]

(NTV, 20.11.2018)

Diese ostentativ und stolz vorgetragene bornierte Ahnungslosigkeit macht auch Hartgesottene fassungslos. (…..)

(Müssen die Deutschen, den Amis alles nachmachen?, 23.02.2019)

Gute 20 Jahre nach Rüttgers ist das der Stand der Dinge:

[….] Überall fehlen Fachkräfte. Die Klagen der Unternehmen und ihrer Lobbyisten werden immer lauter. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein Verband oder ein Institut eine neue Studie über das Ausmaß des Mangels veröffentlicht. Der Arbeitsmarkt für Ingenieure erreicht im zweiten Quartal 2022 mit 171 300 offenen Stellen einen neuen Rekordwert, meldet der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) am Freitag. Dies sei ein Zuwachs um 46,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal, heißt es im Ingenieurmonitor, den der VDI gemeinsam mit dem Institut der deutschen Wirtschaft herausgibt.  [….]

(Elisabeth Dostert, 09.09.2022)

Christian Lindner schoss immer gegen die von Grünen und Sozis und FFF geforderten Klimaschutzmaßnahmen. Das wären „Verbotsorgien“, die FDP setze statt dessen auf intelligente technische Lösungen.

Das war immer eine billige Lüge, um sich als Großspendenempfänger der Industrielobby zu empfehlen. Selbstverständlich sind klare Grenzwerte, Verbote und Verzicht notwendig, wenn der Klimawandel wenigstens ein bißchen verlangsamt werden soll. Aber selbst wenn Lindner nicht ganz falsch liegen sollte: Wer soll denn den Ausweg aus der carbonbasierten Energiewirtschaft Deutschlands erfinden, wenn wir gar keine Ingenieure und Naturwissenschaftler haben?

Woher sollten die auch kommen, wenn unsere Schulen so verrottet sind, daß Myriaden Kinder jedes Jahr von deutschen Schulen völlig ohne Abschluss in die Hoffnungslosigkeit entlassen werden? Immerhin, die Ampel sieht im Gegensatz zu Merkel das Thema und müht sich. Aber die gelbe Bildungsministerin Stark-Watzinger ist wieder ein Totalausfall.

[….] Die Bundesregierung hat einiges zusammengetragen, um zu zeigen: Wir kümmern uns, wir gehen gegen den Fachkräftemangel vor. Und zwar umfassend, von mehr Azubis für Klimatechnik bis hin zum Servicepaket für bürokratiegeplagte Einwanderer. Wen man aber vergeblich sucht in der Fachkräftestrategie, die am Mittwoch vorgestellt wurde: die Schulabbrecher in Deutschland. Schon klar, Schulen sind Ländersache, deshalb ist das Themengebiet vermint mit föderalen Empfindlichkeiten. Fehlen darf es trotzdem nicht. [….] Jedes Jahr verlassen etwa 45 000 Jugendliche die Schule, ohne irgendeinen Abschluss erreicht zu haben, das sind an die sieben Prozent eines Jahrgangs und deutlich mehr als vor zehn Jahren. Dies gehört zu den stillen Skandalen des Bildungssystems, denn ohne Abschluss verbauen sich viele dieser Jugendlichen die Aussicht auf einen Ausbildungsplatz, auf qualifizierte Jobs und auf ein Studium ohnehin. [….]

(Roland Preuß, SZ, 07.09.2022)

Nach so viel Unions-Blockade auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene, steht Deutschland vor kaum lösbaren Problemgebirgen.

SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt plante in den 1970er Jahren den flächendeckenden Glasfaserausbau in Deutschland, brachte vor 41 Jahren (sic!) einen Kabinettsbeschluss dazu auf den Weg. 16 Jahre Kohl plus 16 Jahre Merkel begruben die Pläne, so daß man heute froh sein kann, wenn man in Deutschland ein funktionierendes Kupferkabel vorfindet.

Klimaschutz/Energiewende, Beispiel E-Mobilität: Natürlich hängt Deutschland auch bei Elektro-Autos anderen Nationen hoffnungslos hinterher, verfügt über kein flächendeckendes Ladenetz.

Ein Ausweg sind die geförderten „Wallboxen“. Wer ein Privathaus oder einen Garagenplatz besitzt, sollte staatlich gefördert seine eigene „Auto-Steckdose“ bekommen. Das Geld dafür, ist allerdings schon aufgebraucht.

[….]  Im Herbst 2020 startete der Bund eine Förderprogramm, um Mieterinnen und Mieter, Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer und Vermieterinnen und Vermieter finanziell beim Einbau privater Ladestationen zu unterstützen. Seit Ende Oktober 2021 sind die zur Verfügung stehenden Mittel allerdings ausgeschöpft, eine Förderung ist derzeit deshalb nicht möglich.  Nach Auskunft der KfW sind laufende Anträge vom Antragsstopp nicht betroffen: Sofern alle Voraussetzungen für die Förderung erfüllt sind, werde man eine Antragsbestätigung erhalten. [….]

(ADAC, 20.06.2022)

Als stolzer Besitzer eines Garagenplatzes in einer Tiefgarage mit 30 Stellplätzen wurde auch ich mit dem Thema konfrontiert. Auch wenn es keine Förderungen mehr gibt, wäre zu überlegen, ob man nicht auf eigene Kosten diese privaten Ladestationen einbaut, um Stellplatzmieter mit E-Autos zu gewinnen.

In diesem konkreten Fall wehrten 29 von 30 Stellplatzbesitzern sofort jede Investition ab. Aber immerhin einer wollte für seinen Platz eine Wallbox.

Wir reden hier von der Hamburger Innenstadt, also einem absolut urbanen Ort in Deutschlands reichster Stadt. Die Haustechnik-Firma musste die Gegebenheiten prüfen und gab folgende Stellungnahme ab:

[…] Vorhanden ist ein stark veralteter Hausanschluss mit einer Absicherung von 3 mal 160A. Bei einer zu beachtenden Reserve von ca 20% kommen wir auf einen maximal möglichen Spitzenstrom von 3 mal 128A. Es wird bereits jetzt ein Spitzenstrom von 116A erreicht. Daraus folgt, dass maximal eine Wallbox mit 11kW über die bestehende Anlage betrieben werden könnte. Davon ist dringend abzuraten. Für die Umsetzung wäre eine Erneuerung des Hausanschlusses und der Zähleranlage notwendig. Allein hierfür werden Kosten von mindestens 50.000 Euro netto entstehen“ [….]

(Hamburg, August 2022)

Also mindestens 60.000 Euro um eine einzige Wallbox in einer Garage mit 30 Stellplätzen zu installieren. Überraschung; für diesen Plan gab es keine Mehrheit auf der Eigentümerversammlung.

E-Mobilität ist gut. Private Wallboxen sind eine feine Idee, liebe rotgrüne Politiker. Aber der Fördertopf ist leer und selbst, wenn man so reich ist, die Dinger selbst zu finanzieren, scheitert es oft an der total veralteten deutschen Infrastruktur.

Anderes Beispiel, wieder aus Hamburg: Um bis 2050 (sic!) klimaneutral zu werden, sollen Solaranlagen auf die Dächer gesetzt werden, um erneuerbaren, saubreren Strom zu erzeugen. Da trifft es sich doch gut, daß wir seit 2015 einen Grünen zuständigen Senator haben.

[….] Jens Hinrich Kerstan (* 18. Februar 1966 in Hamburg) ist ein deutscher Politiker (Bündnis 90/Die Grünen) und seit April 2015 Hamburger Umweltsenator, zunächst im Senat Scholz II[1], im Senat Tschentscher I und seit 10. Juni 2020 im Senat Tschentscher II. Von 2015 bis 2020 führte er als Präses eine Behörde für Umwelt und Energie, seit 2020 eine um den Bereich der Landwirtschaft erweiterte Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft.  […]

(Wikipedia)

Außer seinem großen Hobby Straßenbäume fällen und nicht wieder aufforsten, hat der Klima- und Energie-Senator noch ein anderes Steckenpferd: Klimawandel ignorieren und alle Maßnahmen dagegen verschlafen.

[….]  Solardächer: So versagt Hamburg im Vergleich zu anderen Großstädten. Hamburg liegt beim Bau von Solardächern im Großstädtevergleich schon wieder auf dem letzten Platz. Dabei ist Solarenergie einer der Bausteine, die Hamburg bis 2050 klimaneutral machen sollen.  [….]

(Mopo, 09.09.2022)

Gerade einmal 10,3% der neu gebauten geeigneten Dachflächen Hamburgs werden mit Solarpaneelen ausgestattet.

Das wird nichts mit der Bekämpfung des Klimawandels in Deutschland. Wir sind einfach zu rückständig. Zu unfähig und zu bräsig.

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