Nach der Zeitungslektüre von heute, muss ich den gestrigen Schäuble-Faden noch einmal aufnehmen. Sicher, wenn ein Mensch nach einem langen öffentlichen Leben stirbt, kann man in der ersten Retrospektive Milde walten lassen und muss nicht ausgerechnet dessen schlimmste Seite überbetonen.
Aber gibt es nicht Grenzen? Müssen auch die Grünen und die Linken, wie zB Baerbock und Pau, Schäuble-Lobhudelei-Verklärungen auf Instagram und X absetzen? Es waren schließlich keine Petitessen, die Wolfgang Schäuble in seinen fünf Dekaden politischer Destruktivität anrichtete. Damit meine ich nicht nur, daß er der größte Förderer der rechtsradikalen Hetzer Merz, Spahn und Amthor war, die nun ihrerseits wie Mühlsteine der Finsternis an Deutschlands Hals hängen.
Bei toten alten frommen Erzkonservativen fällt die Verklärung drastisch aus.
Der Rollstuhl half.
[…..] Schäuble aber räumte selbst einmal ein, dass ihm das Image des Politikers, der einen schweren Schicksalsschlag erlebt und überlebt hat, womöglich sogar nützte. Seine berühmte Rede vor dem Bundestag 1991, wo er für Berlin als künftige Hauptstadt plädierte, sei vielleicht auch deswegen so gut angekommen, weil er damals „im Rollstuhl noch viel erbarmungswürdiger“ ausgesehen habe als heute, sagte er mal in einem Fernsehinterview. Diesem blassen, schmalen Mann im Rollstuhl traute man nichts Unedles zu, er wirkte visionärer als die Bonn-Verfechter, die an Pendlerstress und Umzugskosten durch eine mögliche Verlagerung der Hauptstadt dachten. […..]
(Barbara Dribbusch, 28.12.2023)
Ähnliches Schönreden haben wir in Deutschland beim Tod des Kinderf*cker-Förderers Karl Kardinal Lehmann erlebt, der von links bis rechts in den höchsten Tönen gelobt wurde. Offensichtlich sieht es die veröffentlichte Meinung immer noch als lässliche Sünde an Priester auf kleine Jungs zu hetzen, die diese vergewaltigen und dann anschließend die Täter nicht nur vor Strafverfolgung zu schützen, sondern ihnen neue Opfer zuzuführen.
(….) Sicherlich war Lehmann im deutschen Episkopat netter und freundlicher als die meisten anderen. Aber bevor man ihn über den grünen Klee lobt, sollte man doch auch die Fakten berücksichtigen. Die sind aber eindeutig: Lehmann war ein Top-Lobbyist einer zutiefst antihumanen und raffgierigen Organisation.
[….] Kardinal Lehmann wettert erneut gegen Homo-"Propaganda"[….]
Nach Auffassung des 77-Jährigen muss es möglich sein, dass Lesben und Schwule verantwortlich in Einrichtungen der katholischen Kirche tätig sind – allerdings nur unter einer Voraussetzung: "Wenn sie mit ihrer Homosexualität nicht öffentlich Propaganda machen", so der Kardinal. Ist ein Coming-out schon "Propaganda"?
Ein Fortschritt? Wohl kaum. Die Aussage Lehmanns gibt nichts anderes als den Status quo wider. Versteckt lebende Schwule und Lesben bleiben schon jetzt in kirchlichen Einrichtungen weitgehend unbehelligt. Wagen sie es jedoch, sich etwa zu verpartnern, wird selbst die Putzfrau in einem Krankenhaus oder eine Erzieherin in einem Kindergarten entlassen. [….]
[….] Kardinal Lehmann sieht Parallelen von 800 Babyleichen und deutschen Kliniken
Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann sieht in dem Massengrab im irischen Tuam mit fast 800 Babyleichen Parallelen zur Praxis in deutschen Kliniken. Er kenne „den abschätzigen Umgang mit ungeborenem Leben nach dem Tod“ aus Gesprächen mit Krankenschwestern, die entgegen aller gesetzlichen Bestimmungen zur Assistenz bei Abtreibungen bereit sein mussten, schreibt der Mainzer Bischof in einem Beitrag für das Magazin „Cicero“ (Juliausgabe). „Wer redet bei uns über solche Unmenschlichkeiten? Ich denke etwa an die Behälter mit abgetriebenen Föten für die kosmetische Industrie.“ [...]
Frau Nahles, ich wünsche mir eine Parteivorsitzende, die so einen Mann nicht überschwänglich lobt. (….)
(Der Schmerzensmann und die SPD-Katholibanin, 11.03.2018)
In der seit gestern aufwallen posthumen Schäuble-Manie findet man fast keine anderen Stimmen; es scheint als sei die veröffentlichte Meinung gleichgeschaltet. Es gibt ein beherrschendes homogenes Narrativ vom intelligenten, integren Europäer.
Eine der wenigen Ausnahmen ist die, wie immer großartige, Ulrike Herrmann.
[…..] Trotzdem war es ausgerechnet Schäuble, der Europa fast zerstört hätte – durch seine engstirnige Sparpolitik in der Eurokrise. Sie hat einen Schaden von Hunderten Milliarden Euro hinterlassen und zugleich die AfD gestärkt. Schäuble war von 2009 bis 2017 CDU-Finanzminister. Kaum hatte er sein neues Amt angetreten, fiel im Frühjahr 2010 auf, dass die drei Eurostaaten Griechenland, Portugal und Irland völlig überschuldet waren. […..] Schäuble übertrieb es mit seiner Besserwisserei. Im Süden Europas, inklusive Frankreichs, wurde er dadurch zum Inbegriff des arroganten Deutschen.
Schäuble war Jurist und mit ökonomischen Problemen überfordert. In der Eurokrise agierte er nach dem Motto: Wer Schulden hat, ist schuld. Also war für ihn klar, dass Griechen, Portugiesen, Spanier und Italiener für ihre Kreditberge bestraft und zur Sparsamkeit gezwungen werden mussten. Doch die permanente Kürzungsorgie brachte nichts: Da die Wirtschaft in den Krisenländern einbrach, wurden die Schulden noch größer und nicht etwa kleiner. Vor allem Griechenland erlebte einen beispiellosen Absturz, sodass am Ende etwa 25 Prozent der Erwerbsfähigen arbeitslos waren. Im Januar 2015 kam dann die linkspopulistische Syriza an die Macht, weil sie versprochen hatte, den harten Sparkurs zu beenden. Neuer Finanzminister wurde Yanis Varoufakis, der sich an keinerlei diplomatische Konventionen hielt. Unter anderem schnitt Varoufakis heimlich Sitzungen mit, und diese Aufnahmen belegen eindeutig, dass die heutige EZB-Chefin (damals Direktorin des Internationalen Währungsfonds) Christine Lagarde und Schäuble genau wussten, dass die Sparprogramme für Griechenland ein Desaster sind. So räumte Lagarde beim ersten Treffen mit Varoufakis ein: „Sie haben recht. Die Vorgaben können nicht funktionieren. Aber Sie müssen verstehen, dass wir zu viel in dieses Programm investiert haben. Wir können es nicht aufgeben.“ Auch Schäuble sagte ganz offen, dass das Sparprogramm „schlecht“ für Griechenland sei. „Es ist nicht gut fürs Wachstum.“ Aber Schäuble hatte längst andere Pläne. Er wollte die Griechen dazu bringen, vorübergehend die Eurozone zu verlassen. „Sie müssen es nicht als einen Grexit sehen“, erklärte er Varoufakis. „Betrachten Sie es als eine Pause.“ […..] Schäuble stellte sich den Euro also wie die Drehtür eines Kaufhauses vor: Man tritt ein, wieder aus, und irgendwann wieder ein. Doch so funktioniert die Gemeinschaftswährung nicht. Wären die Griechen zur Drachme zurückgekehrt, und sei es für kurze Zeit, wären sie sofort zum Spielball der Finanzmärkte geworden. Die Spekulanten hätten gegen die Drachme gewettet, sodass ihr Kurs ins Bodenlose gefallen wäre. […..] Zum Glück kam es nicht zum „Grexit“, aber Schäubles Drohung reichte völlig, um europaweit Chaos zu stiften und Milliardenschäden zu hinterlassen. Sobald es nämlich denkbar wurde, dass ein Land die Eurozone verlassen könnte, begannen sich die Anleger zu fragen, ob noch andere Eurostaaten gefährdet sein könnten. Also begannen sie, ihre Papiere aus Italien, Spanien und sogar Frankreich abzustoßen, was wiederum die Zinsen für diese Länder in die Höhe trieb. […..] Doch Schäuble blieb stur. Dabei war seine Position unlogisch: Er war gern Finanzminister eines „Exportweltmeisters“, aber ein Überschuss im Außenhandel ist nur möglich, wenn anderswo ein Defizit existiert. Deutschland lebte davon, dass andere Länder Schulden machten, aber genau diese Schulden wollte Schäuble bestrafen.
Internationale Ökonomen waren entsetzt, wie ahnungslos Schäuble in seinem Grexit-Wahn agierte. Der US-Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman urteilte damals: „Schäuble lebt in einem Paralleluniversum. Niemand glaubt diesen Unsinn in den internationalen Organisationen.“ Da Schäuble die Eurokrise unablässig verschärfte, drängte sich bei vielen Deutschen der Eindruck auf, dass der Euro nicht funktionierte – was Gratiswerbung für die AfD war. 2013 wurde sie als Anti-Euro-Partei gegründet und zog 2017 erstmals mit 12,6 Prozent der Stimmen in den Bundestag ein. […..] Schäuble war beliebt bei den Deutschen, aber er hat dem Land und Europa schwer geschadet. […..]
Die Bereitschaft, einen Ultrakonservativen wie Schäuble sofort schönzufärben und als edlen Mann umzuetikettieren, macht es noch einmal verständlicher, wie Deutsche mit politischen Verbrechern in der eigenen Familie, im Freundeskreis verfahren konnten. Wenn man schon einen Fremden, den man nicht persönlich kennt, trotz seiner Missetaten, so grundlos und enthusiastisch verehrt, funktioniert das bei denjenigen, zu denen man persönliche, emotionale Bindungen hat, erst Recht.
Wehrmachtssoldaten, Kinder-fi**ende Pfaffen, Nazis, Stasi-Offiziere, SED-Kader, NSDAP-Funktionäre, KZ-Aufseherinnen, SS-Truppen, Nazi-Richter, Gestapo-Beamte.
Alles nette Menschen.
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