Einerseits ärgern mich die
Gewohnheitswähler natürlich über alle Maßen.
Insbesondere jene konservativen
Stammwähler, die in Cloppenburg-Vechta oder Niederbayern auch Union wählen
würden, wenn ein Hydrant als Kandidat aufgestellt wäre.
Das ist gewissermaßen der
Tod unserer pluralen Demokratie, wenn es mehrere parallel existierende sozioökonomische
Einparteiensysteme gibt.
Den Eindruck kann man
durchaus bekommen. In Bayern zeigt sich, daß weder drastische Inhaltswechsel,
noch Kaskaden von Korruptionsskandalen oder der sich immer wieder selbst der
Lüge überführende CSU-Parteichef die Menschen davon abhalten können, doch wieder
mehrheitlich ihr Kreuz da zu machen, wo sie es schon immer gemacht haben.
Haben Parteien ein Wählerabonnement,
so daß ihre Politik von den Wahlergebnissen abgekoppelt wird, kommt es zu wenig
demokratischen Verhältnissen.
Ich begrüße es also, daß
sich die Parteibindungen gelockert haben und nicht mehr ganze Familien über
viele Jahrzehnte immer gleich wählen.
Unglücklicherweise trifft
diese Entwicklung am Ehesten die Sozialdemokraten, die gegenüber der
Volkspartei CDU generell den Nachteil haben, daß ihre Anhänger kritischer,
informierter und intelligenter sind.
Sozis wollen immer, daß
sich etwas ändert und sind bitter enttäuscht, wenn ihre gewählten Vertreter
nicht das bewirken können, was man sich erhofft hatte.
Der typische CDU-Wähler
hat nicht diese kritischen Ansprüche. Er ist im Grunde zufrieden, wenn die
seinen regieren und die anderen in der Opposition sind.
Was die CDU-Regierung
dann konkret tut, ist weitgehend irrelevant.
Man sieht das exemplarisch an der
jetzigen Bundesregierung, die jedes
einzelne ihrer Projekte aus dem Koalitionsvertrag entweder gar nicht
erst in Angriff nahm, oder sogar das diametrale Gegenteil des Versprochenen tat (Wehrpflicht, Euro-Haftung, Kernkraft). Den
Merkel-Anhängern ist das ganz wurscht.
Sozis vergessen hingegen
all die Dinge, die Rot-Grün ab 1998 ihren Versprechungen gemäß umgesetzt hatte (Ökosteuer,
Homoehe, Zwangsarbeiterentschädigung, Kindergelderhöhungen, Steuersenkungen, Atomausstieg,…)
und sind 15 Jahre später immer noch eingeschnappt wegen der Agenda 2010.
Wären rechte Wähler auch
nur halb so empfindlich wie Linke, stünde Merkels CDU jetzt unter der 5%-Hürde
in den Umfragen.
Dennoch, spätestens die
Wahl in Baden-Württemberg im März 2011 zeigte, daß sich auch im konservativen
Lager die Bindungen lockern können. Wenn die eigenen Leute allzu krass
versagen, kann man auch mal anders wählen.
Ich begrüße es also, daß
heute wie selbstverständlich auch Linke, Piraten und Grüne in den Parlamenten
sitzen. Prinzipiell.
Wahltaktisch betrachtet wäre es mir natürlich lieber, wenn
die Linken und Piraten-Wähler sich auch auf Grüne und SPD verteilten, um
die strategische Mehrheit der Rechten zu brechen. Es wäre mir, rein
wahltaktisch argumentiert, noch lieber, wenn sich rechts der CDU drei
untereinander verfeindete Parteien etabliert hätten und sich alle gegenseitig
mit Ausschließeritis-Kampagnen überzögen.
Es sieht so aus, als ob
die neugegründete „Alternative für Deutschland“, AfD, tatsächlich die ein oder
andere Stimme aus dem rechten Lager abziehen könnte. Keine Umfrage sieht die
AfD allerdings bei mehr als drei Prozent und zu allem Unglück speisen sich
diese drei Prozentpunkte auch nicht etwa ausschließlich von CDU und FDP.
Auch enttäuschte Sozis
liebäugeln mit der AfD.
Damit ist das eine Übel –
das fanatische Festhalten an immer derselben Partei – ins andere Extrem
gekippt: Willkürwahl. Man kreuzt einfach aus dem hohlen Bauch, oder aus Protest
irgendetwas an.
AfD zu wählen, um der CDU
zu schaden, mag eine sympathische Idee von konservativen Ex-Unionsmitgliedern
sein. Inhaltlich zu rechtfertigen ist dies freilich nicht.
Der Grundsatz „wir wollen
unsere gute alte D-Mark zurück“ ist ebenso abenteuerlicher Unsinn wie „wir
wollen unseren alten Kaiser Wilhelm zurück!“.
Viele der potentiellen
AfD-Wähler scheinen aber gar nicht zu wissen was sie da wählen.
Der Münsteraner Soziologe Andreas Kemper nennt die AfD deutsche „Tea-Party“, weil sich darunter so viele
krude Erzkonservative sammeln.
Die AfD hat starke Wurzeln im nationalliberalen Lager, das elitäre und homophobe Meinungen propagiert. Vertreter dieses Kreises äußern sich regelrecht demokratiefeindlich. Vorstandsmitglied Konrad Adam hat etwa schon mal implizit gefordert, Arbeitslosen das Wahlrecht abzuerkennen. Der Ökonom Roland Vaubel, wissenschaftlicher Berater der AfD, spricht sich für eine „unternehmerfreundlichere Demokratie“ aus, zu Lasten finanziell schwacher Kreise. Und die „Zivile Koalition“ von Beatrix von Storch, die auf Listenplatz zwei der Berliner AfD steht, kämpft gegen das, was sie als „Minderheiten-Lobby“ der Schwulen und Lesben bezeichnet.(DER SPIEGEL 30/2013)
Es lohnt sich in Andreas Kempers aufschlussreichem Blog nachzulesen, wer die Finanziers der Partei sind
(Baron von Finck z.B.) und mit welchen extrem fragwürdigen rechtslastigen
Figuren die sogenannte „Alternative“ bestückt ist.
Merkel vertritt mit ihrer Euro-Politik die Interessen des BDI, die organisierten Familienunternehmer haben nun mit der Alternative für Deutschland (AfD) ein politisches Sprachrohr. Das heißt weder, dass sich die AfD auf eine Anti-Euro-Politik beschränkt, noch dass sie sich als reine Wirtschaftspartei etabliert. Die deutschen Familienunternehmer sind rückwärtsgewandt. Gerade darum ist die Alternative für Deutschland rechts. Das Wahlprogramm der Alternative für Deutschland ist entsprechend deutsch-familialistisch. Der Familialismus zeigt sich in der konservativen Familien- und Bevölkerungspolitik, in der familialistischen Geschlechter- und Bildungspolitik; das ständisch-deutsche in den Forderungen nach einer "geordneten Einwanderungspolitik". Daher die unverhohlenen Sympathien auch für Thilo Sarrazins Erbintelligenz-Thesen (s.a. Hans-Olaf Henkels DNA-Fauxpas). Im Programm-Entwurf findet sich die Idee Sarrazins wieder, das Kindergeld abzuschaffen und nur den Müttern eine Gebärprämie zu überlassen, die eine genehme Ausbildung haben.[…] Die AfD ist damit nicht einfach nur ein neues rechtspopulistisches Sammelbecken, sondern repräsentiert eine gefährliche, finanzstarke Macht von Millionären und Milliardären, die von der Ungleichheit der Menschen zutiefst überzeugt sind.
Am besten, man läßt die
AfD-Chefs für sich selbst sprechen. Ihr Gesellschaftsbild ist
unmissverständlich.
“Nachdem das katholische Landarbeitermädchen in seiner Funktion als Menetekel der Schulreformer ausgedient hatte, musste ein Nachfolger her, um die Bewegung in Trab zu halten. Der ist auch bald gefunden worden. Die Wahl fiel auf den Großstadtjugendlichen aus Hartz-IV-Milieu, männlichen Geschlechts, türkischer Herkunft und muslimischen Glaubens [...] Da er sich schwertut mit dem Lernen, aber gern zusticht, wenn ihm irgendetwas nicht passt, liegt er bei den Schulabschlüssen am unteren, in der Kriminalstatistik am oberen Ende der Skala: ein ziemlich hoffnungsloser Fall, aber gerade so, als mehrfach geschädigtes Opfer der Gesellschaft, der ideale Zuwendungsempfänger für die deutsche, pädagogisch hochambitionierte Betreuungsindustrie.”(Konrad Adam,Vorstandsmitglied der AfD, im Artikel “Bildung lässt sich nicht umverteilen”, 17.08.2011)
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