Es gibt keinen besseren
verbalen Trigger als den Satz „Hartz IV finde ich gut“, um einen Linken auf die Palme zu
jagen.
Noch immer gilt „Agendapolitiker“
als das schlimmste Schimpfwort, das man über einen Sozialdemokraten sagen kann.
Peer Steinbrück ist verdächtig ein „Agendapolitiker“ zu sein und damit für
Millionen Hardcore-Linke unwählbar.
Daß ein Politiker
dazulernen kann und nicht unbedingt dem Klischee entsprechen muß, welches von
ihm in den Zeitungen gezeichnet wird, ist für die fanatischen Hartz-Hasser
unvorstellbar.
Übrigens hat Gerhard
Schröder selbst schon im Jahr 2006 und später noch mal auf dem legendären
Parteitag in Hamburg (Oktober 2007) klargestellt, daß die Hartzgesetze nicht
die Bibel sind. Natürlich dürfe und solle man daran etwas ändern, das sich als untauglich
herausgestellt hätte.
Das nenne ich übrigens
vorbildliche rationale Politik. Bei so einem Mammutwerk wie den Hartz-Gesetzen,
welches natürlich nicht „aus einem Guss“ entstand, sondern stets den Änderungswünschen
der zustimmungspflichtigen Merkel-CDU unterworfen war, ist es absolut normal
und erwartbar, daß sich einiges in der Praxis nicht so entwickelt, wie es
geplant war. Daher gibt es ja die „Evaluierungsphasen“.
Gesetze nachzubessern ist
nicht immer ein Zeichen von mieser Planung, sondern kann auch sehr vernünftig sein.
Sozialpolitik ist nicht vollständig planbar. Genau wie die Ökonomie ist sie
keine exakte Wissenschaft.
Meine Kernthesen sind seit2009, als ich schon einmal Hartz lobte, dieselben geblieben:
Ja, es war richtig das Ämterhopping abzuschaffen und alle Sozialleistungen an einer Stelle auszugeben, statt die Empfänger von Wohnungsamt zu Sozialamt und Arbeitsamt zu hetzen.
Ja, es war richtig das Ämterhopping abzuschaffen und alle Sozialleistungen an einer Stelle auszugeben, statt die Empfänger von Wohnungsamt zu Sozialamt und Arbeitsamt zu hetzen.
Ja, es war richtig den
Unsinn abzuschaffen, daß viele Millionen Empfänger jede erdenkliche SACH-Leistung
einzeln beantragten, um dann einen Bettbezug oder einen Turnschuh extra zu
bekommen.
Stattdessen gibt es nun
GELD-Leistungen, die ein wenig mehr selbstständiges Denken von den Empfängern
erfordert.
Ja, es war richtig, daß
die Sozialleistungen insgesamt massiv angestiegen sind. Vor Hartz-IV wurde für
Sozialhilfe viel weniger ausgegeben.
Noch immer schleudere ich
den Hartz-Kritikern, die immer nur die „Abschaffung“ verlangen, entgegen, daß
sie eine Alternative nennen sollten.
Wenn sie viel mehr Geld für die Empfänger
fordern, dann wüßte ich gerne mal eine Zahl.
Und womit das bezahlt werden soll.
Ungeachtet dieser
Grundbetrachtungen, steht es natürlich außer Zweifel, daß Hunderte
Einzelregelungen der Hartz-Gesetze schwachsinnig und ungerecht sind.
In den letzten Jahren habe
ich genügend hanebüchene Beispiele präsentiert bekommen.
Natürlich leben einige
Menschen recht komfortabel von Hartz. Eine Hartz-Familie mit vier Kindern bekommt insgesamt klar mehr Geld, als ein
Haushalt mit vier Kindern, in dem der Ernährer als Handwerkergeselle schafft
und die Frau Hausfrau ist.
Gerade bei
Alleinerziehenden oder bei alleinstehenden Rentnerinnen sieht es schon ganz
anders aus. Da gibt es brutale Härten.
Und natürlich gibt es
keine Rechtfertigung für den fehlenden Mindestlohn, so daß Millionen Menschen
mit einen regulären Job noch unter dem Hartz-Satz verdienen und am Ende des
Monats „zum Amt aufstocken gehen.“
Das ist eine indiskutable
Arbeitgebersubvention, die Lohndumping belohnt.
Es gibt überhaupt keinen
Grund das nicht einfach zu ändern, indem ein allgemeiner Mindestlohn eingeführt
wird.
Selbstverständlich kann man auch die Höhe des Hartz-Satzes leicht
verändern.
Daß das nicht geschieht,
liegt nicht daran, daß die Hartzgesetze schlecht sind, sondern daran, daß der
Urnenpöbel dies offensichtlich nicht wünscht.
Martin Lindner,
prominenter FDP-Wirtschaftspolitiker hat vor der 2009er Wahl gefordert den
Hartz-Satz generell um 30% zu senken und die FDP bekam daraufhin ein
Rekordergebnis von fast 15%.
Wer schwarzgelb und diese
Kanzlerin wählt – Merkels neueste Zustimmungsrate ist diese Woche bei Emnid um
fünf Prozentpunkte auf 72% gestiegen – sagt klar, daß er keine Verbesserungen
für die Hartz-Empfänger wünscht.
Es ist aber nicht ganz
irrelevant zu erwähnen, daß HartzIV, ganz wie von Gerd Schröder versprochen „gewirkt
hat“.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) (das Forschungsinstitut der
Bundesagentur für Arbeit) läßt keinen Zweifel an dem Erfolg.
Nach den Hartz-Reformen hat sich der deutsche Arbeitsmarkt über den Konjunkturzyklus hinweg ausgesprochen positiv entwickelt. [….]Die Hartz-Reformen waren umfassend und tiefgreifend. In vier Gesetzen zu drei Zeitpunkten umgesetzt, bestanden sie aus einer Vielzahl von Komponenten.[….] Zwischen 1992 und 2005 nahm die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (SVB) um 10 Prozent oder 3 Mio. Personen ab. Ihr Anteil an allen Erwerbstätigen sank um fast 10 Prozentpunkte auf 67,1 Prozent. Nach den Reformen, als auch ein kräftiger Wirtschaftsaufschwung eingesetzt hatte, wurde der Abwärtstrend durchbrochen. Bei etwa gleichem Wachstum stieg die SVB steiler als in dem Aufschwung zuvor. Dabei nahm insbesondere die Vollzeitbeschäftigung wieder zu – obgleich oft auch in Leiharbeit –, sodass das Arbeitsvolumen kräftiger wuchs als um die Jahrtausendwende. Und erstmals profitierte auch der ostdeutsche Arbeitsmarkt von einem Wirtschaftsaufschwung.Die Große Rezession Ende 2008/Anfang 2009 verursachte einen Dämpfer in der trendmäßig steil aufwärts gerichteten Beschäftigungsentwicklung, mehr aber nicht. Arbeitszeitkonten, Kurzarbeit und tarifliche Bündnisse waren geeignete Instrumente, die Kernbelegschaften in den Betrieben zu halten. Dass sich die Arbeitgeber für diese Strategie entschieden – und dafür empfindliche Produktivitätseinbußen hinnahmen – zeugt von der gestiegenen Arbeitsnachfrage. Mit der kräftigen Erholung ab Mitte 2009 setzte sich der Beschäftigungszuwachs ungemindert fort.
Für die notorischen
Hartzkritiker sei noch erwähnt, daß ein wirklich großer Teil derjenigen, die
ein Recht auf soziale Unterstützung hätten, diese gar nicht erst beantragen.
Ist die Not also gar nicht
so groß?
Ist es nur Unwissenheit?
Ist es nur Unwissenheit?
Rätsel „verdeckte Armut“.
Nach Berechnungen für das Arbeitsministerium beantragen bis zu 4,9 Millionen Menschen kein Hartz IV, obwohl sie Anspruch darauf hätten. Für die Höhe der Regelsätze könnten diese Zahlen Konsequenzen haben.In Deutschland leben 3,1 bis 4,9 Millionen Menschen in verdeckter Armut. Das heißt, dass sie kein Hartz IV beantragen, obwohl sie wegen geringen Einkommens oder Vermögens Anspruch darauf hätten. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in aktuellen Simulationsrechnungen für das Arbeitsministerium. Umgerechnet verzichten zwischen 34 und 44 Prozent der Berechtigten auf staatliche Unterstützung, mehr als jeder dritte. Als mögliche Gründe, warum kein Leistungsantrag gestellt wird, nennen die IAB-Forscher in der 247-seitigen Studie Unwissenheit, Scham oder eine nur sehr geringe zu erwartende Leistungshöhe oder –dauer.[….] Linken-Chefin Katja Kipping forderte eine bedarfsdeckende Mindestsicherung ohne Sanktionen statt Hartz IV. „Angesichts der entwürdigenden Prozeduren auf den Jobcentern ist es kein Wunder, dass Millionen auf Leistungen verzichten. Die Abschreckung durch Diskriminierung spart dem Staat pro Jahr mindestens 20 Milliarden Euro.“
Und ja, auch ich bin ein
Fan des bedingungslosen Grundeinkommens.
Das würde sich rechnen.
Aber das muß hier nicht
diskutiert werden, weil es in absehbarer Zeit nie die Mehrheiten für einen solche
Gesetzesänderung geben wird.
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