Montag, 15. Juli 2013

Die Wende im Wahlkampf ?


Daß Merkel keinerlei Rückgrat hat und aus Furcht irgendwo anzuecken jede Entscheidung so lange wie irgend möglich hinaus zögert, wurde unter anderem in diesem Blog 27.000 mal dargelegt.
Üblicherweise ist diese Methode im Lande des deutschen Urnenpöbels eine gute Strategie, weil Merkel eher als eine über den Dingen schwebende Kanzlerpräsidentin wahrgenommen wird. Je mehr sich die niederen Parteikader oder die Koalitionskasper zanken, desto wohlwollender wird die eine betrachtet, die sich nicht die Hände schmutzig macht.
Daß endlose Debatten und das völlige Ausbleiben von Resultaten oft ursächlich im präsidialen Regierungsstil der Kanzlerin liegen, ist den Wählern schon zu weit gedacht.
Wenn die Kabinettschefin ein inhaltliches Vakuum darstellt, ist es wenig verwunderlich, daß viele antagonistische Meinungen danach trachten, es zu füllen.
Eigentlich ein genialer PR-Kreislauf.
Merkel verursacht durch ihre Entscheidungsabstinenz Chaos und Streit. Von Chaos und Streit sind die Wähler so sehr genervt, daß sie sich nach einem Ruhepol sehnen. Dieser Ruhepol Merkel wird dann mit gigantischen Zustimmungsraten überschüttet und somit in seiner Lethargie bestärkt. Und genau diese Regierungslethargie löst dann wieder den Streit und das Chaos aus.

Für die Kanzlerin ist das bequem. 
Sie muß nur abwarten, welche Meinung sich durchsetzt, oder, was ihr noch wichtiger ist, welche Meinung am populärsten ist. Und genau diese Position besetzt sie am Ende auch.
Die soeben beschriebene Methode Merkel hat sich vielfach bewährt. 
Aber sie stößt auch an Grenzen. 
Manchmal klaffen der richtige und der populäre Weg zu weit auseinander, oder der populäre Weg verursacht in der Folge noch viel massivere Probleme.
Das Paradebeispiel dafür ist die sogenannte „Eurokrise“, die womöglich schon vor drei Jahren gestoppt worden wäre, wenn Merkel es nicht so lange laufen lassen hätte und die erforderlichen Garantien für Griechenland und Co gleich gegeben hätte, bevor „die Märkte“ richtig Blut geleckt hatten und begannen auf Pleiten von Staaten zu wetten.

In der Causa Prism/Snowden erleben wir zudem den interessanten Fall, daß keine Entscheidung eben auch eine Entscheidung ist und zwar genau die, welche das Volk gar nicht will.
Gucke ich mir die Meinungsartikel, Leserbriefe und die Reaktionen in den sozialen Medien an, scheint es mir ziemlich offensichtlich, daß sich eine große Mehrheit der Bevölkerung gewünscht hätte, Merkel riefe den Kollegen in Washington an und lasse es mal richtig krachen. Außerdem scheint mir die Idee Herrn Snowden in Deutschland „Asyl“ zu geben ebenfalls extrem populär zu sein.
Jakob Augstein zitierte dazu vor einer Woche den ARD-Deutschlandtrend.
Eine überwältigende Mehrheit der Deutschen will endlich klare Worte von Angela Merkel hören: Laut ARD-Deutschlandtrend finden 78 Prozent, dass die Kanzlerin deutlicher gegenüber den USA und Großbritannien protestieren soll. Aber die Bundesregierung lässt die Deutschen in der angelsächsischen Kälte stehen.

Diese 78% würde ich nicht für bare Münze nehmen. Was der jeweilige Wähler unter „klare Worte“ versteht dürfte sehr verschieden sein. Das Fehlen dieser „klaren Worte“ wird für viele trotz Bauchgrimmen auch noch klein Grund sein NICHT Merkel zu wählen.
ABER wenn die Opposition das Thema geschickt am Kochen hält, wäre es durchaus die Gelegenheit Merkels Methoden dem Wähler bewußt zu machen.
Bisher lebte Merkel nämlich immer von dem (meines Erachtens völlig ungerechtfertigten) Vertrauen, daß sie schon im Sinne der Deutschen handeln werde.
Wenn sich jetzt mehr und mehr herauskristallisiert, daß ihr das Wohl der Deutschen im Grunde gar nicht wichtig ist, jedenfalls nicht so wichtig, um in diesem Sinne bei Obama vorzusprechen, könnte ihr das bei den Wahlen durchaus schwer schaden.

Die Leserbriefe im heutigen SPIEGEL geben eine Eindruck davon, wie wenig man Merkel glaubt. Sie hat sich in eine No-Win-Situation manövriert. Das Bild verdüstert sich noch durch den katastrophalen Eindruck, den Innenminister Friedrich in der Causa Prism macht.
Wenn die deutschen Dienste nichts gewusst haben, sind sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen und damit überflüssig. Wenn doch, drängt sich die Frage auf: Haben Sie uns belogen, Frau Merkel?
DR. RUDOLF B. HOLZAPFEL, AUGSBURG

Ihr Bericht traf leider voll ins Schwarze. „Deutschland ist ein Land, das sich nichts traut“ – das ist die bittere Erkenntnis, die sich aus 64 Jahren deutscher Außen- und Europapolitik ergibt. Das hat uns dieser Artikel in aller Deutlichkeit klargemacht. Kein maßgeblicher deutscher Politiker – mit Ausnahme von Gerhard Schröder – hat es in dieser Zeit je vermocht, legitime deutsche Interessen gegen energischen äußeren Widerstand durchzusetzen, wenn nicht der Hegemon USA Rückendeckung gab.
 ALFRED NAHRMANN, BREMEN

Der Auftrag einer Regierung ist nicht, absolute Sicherheit zu schaffen, sondern die Einhaltung des Rechts zu gewährleisten, um unsere Freiheit zu erhalten. Wir Bürgerinnen und Bürger müssen unser Augenmerk auf die Regierung richten, nicht umgekehrt. Wir sollten Menschen wie dem früheren Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden und seinen Helfern in den Medien dafür dankbar sein, dass sie hohe persönliche Risiken auf sich nehmen, damit wir wissen, was unsere Regierungen tun.
ANDRÉ BESSLER, BREMEN

Ich erinnere daran, dass Gerhard Schröder nein sagte, als George W. Bush im Irak auch deutsche Soldaten sterben lassen wollte. Diese Entscheidung wog tausendmal schwerer, als Asyl für Snowden zu gewähren, und erforderte hundertmal mehr Mut. Bush hat sie nicht geahndet. Demgegenüber verhält sich Merkel weich wie eine verrottende Pflaume.
DR. DIETER EHRHARDT, ZELL AM MAIN

Deutschland, der getreue Hund an der Leine der Amerikaner, zieht den Schwanz ein und leckt seinem Herrchen die Hand. Das wundert mich nicht. Denn wenn BND und Regierung von der totalen Überwachung der Amerikaner nichts gewusst hätten, wäre dies ein totaler Offenbarungseid. Das echauffierte Pro-forma- Gekläff des Regierungssprechers Seibert wirkt da eher wie das eines Schoßhündchens. Ausspionieren, sagt er, „geht gar nicht“ – aber Whistleblower wie Edward Snowden, die der Demokratie einen großen Dienst erweisen, gehen offensichtlich erst recht nicht. Obama kann sich sehr sicher sein, dass ihm Fiffi nicht ans Bein pinkeln wird.
BERND CIERPIOL, DÜSSELDORF

Man kann sich nur schämen für diese Bundesregierung, die nicht den Mut hat, einem Mann politisches Asyl zu gewähren, der öffentlich Missstände aufdeckt, also das tut, was in einer demokratischen Wertegemeinschaft selbstverständlich sein müsste. Eher als Obama hätte wohl Snowden für seine Zivilcourage den Friedensnobelpreis verdient.
WERNER MÜLLER-REDLICH, BERLIN

Erfreulicherweise hat sich der SPIEGEL wieder einmal als Meister in Sachen Zivilcourage erwiesen, indem er konkret-konstruktiv dafür plädierte, Edward Snowden nach Deutschland zu holen.
JÜRGEN PREUSS, RATINGEN
(Der SPIEGEL 15.07.13)

Nein, ich glaube nicht, daß all diejenigen, die sich über Merkel ärgern jetzt alle Steinbrück wählen. Aber es könnte etwas in Rutschen geraten.
Auch der jüngste Augstein legt noch einmal nach.
Merkel lässt die Deutschen im Stich! Im größten Spionageskandal der Geschichte kommen unglaubliche Enthüllungen ans Licht - und was tut die Bundesregierung? Erst hat die Kanzlerin lange geschwiegen, dann sagt sie nichts. Peer Steinbrück hat recht: Angela Merkel verletzt ihren Amtseid.
[…] Es geht nicht darum, wie wir zu Amerika stehen. Oder zum internationalen Terrorismus. Oder zur Rolle der Geheimdienste. Da hat jeder seine Meinung. Es geht darum, dass man unsere Rechte verletzt, ohne dass wir Einspruch erheben können. Wir hören auf, Bürger zu sein, und werden zu Untertanen.
Das ist eine fundamentale Erfahrung der deutschen Geschichte, die wir nie wieder machen wollten. An wen wenden wir uns jetzt? Wer kommt uns zu Hilfe?
Auf die Bundesregierung können wir offenbar nicht zählen. Angela Merkel hat zum größten Spionageskandal der Geschichte erst wochenlang geschwiegen - und dann nichts gesagt. Das Interview, das sie der "Zeit" gegeben hat, war desinteressiert, gleichgültig, belanglos, beinahe surreal. Edward Snowden hat bekanntgemacht, dass unsere "Verbündeten" jeden Monat 500 Millionen Datenverbindungen in Deutschland abgreifen und dabei einen Kranz von deutschen Gesetzen brechen - vom Vertrauen unter politischen Freunden ganz abgesehen - und die Kanzlerin redet in gelangweilten Stanzen, als ginge sie das alles nichts an. [….]
Da überkommt einen jenes unheimliche Gefühl der Ohnmacht, das man aus surrealen Träumen kennt: Der deutsche Innenminister reist nach Washington, um sich über die Bespitzelung der Deutschen durch US-Dienste zu beschweren, und man erklärt ihm, über die Tätigkeit der US-Geheimdienste könne nicht gesprochen werden, da sie geheim sei.
Aber Hans Peter Friedrich fühlte sich in Washington nicht gedemütigt. Er war froh, dass man ihn überhaupt empfangen hatte. Und ein paar Zahlen hat er ja doch mitbekommen: Wieder daheim in Deutschland verkündete Friedrich, es seien weltweit 45 Anschläge durch Informationen des US-Geheimdienstes verhindert worden, 25 davon in Europa und fünf in Deutschland. Da blieb eigentlich nur die Frage offen, was die größere Beleidigung für die deutsche Öffentlichkeit war: die Tatsache, dass die Amerikaner es nicht einmal für nötig hielten, ihre Bespitzelung der Deutschen zu rechtfertigen? Oder die Micky-Maus-Zahlen des Innenministers, für die es keine Belege gibt und die vielleicht zutreffen oder eben auch nicht?
[…]  Merkel ist nicht ohnmächtig. Sie ist gleichgültig. Sie arbeitet seit jeher ohne nennenswerte Überzeugungen. Und wo keine Überzeugungen sind, entsteht auch keine Empörung.

Zwei seiner Kollegen von SPON, Florian Gathmann und Veit Medick, wittern sogar „Steinbrücks große Chance
 Wenn die SPD nicht dieses gottgegebene Megatalent hätte Chancen verstreichen zu lassen und sich stattdessen selbst ein Bein zu stellen, würde ich glatt hoffnungsfroher auf den 22.09.2013 blicken.

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