Samstag, 31. Januar 2015

Komplexe Persönlichkeit.


Es ist wohlfeil über Eitelkeiten und Geltungsbewußtsein von Politikern zu klagen.
Menschen mit sympathischen Eigenschaften wie Zurückhaltung, Bescheidenheit, Altruismus, Introvertiertheit, Kontemplation und Besonnenheit werden gar nicht erst Spitzenpolitiker, weil man sich mit so einem Rüstzeug nicht auf der Ochsentour nach Oben durchsetzen kann.
Ja, genau. Das System ist schuld. Und natürlich der Urnenpöbel, der solche unerschütterlichen Typen mit genügend Selbstbewußtsein für eine ganze Stadt offensichtlich so toll findet, daß er sie immer wieder wählt.

Ein solcher Mann mit sehr breitem Kreuz und der unerschütterlichen Überzeugung selbst der beste zu sein, ist mein direkter Vertreter im Parlament.

Es fällt mir immer noch schwer ein Urteil über meinen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs aus Hamburg-Mitte zu fällen.

Kahrs, 51, Oberst der Reserve, Rechtsanwalt dürfte bundesweit vor allem durch seine Rolle als Sprecher des Seeheimer Kreises bekannt geworden sein.
Der Sohn zweier sozialdemokratischer Senatoren in Bremen, saß zunächst ab 1993 fünf Jahre in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte, bevor er 1998 in rabiater Weise einen meiner absoluten Lieblingspolitiker, nämlich den Bundestagsabgeordneten von Hamburg-Mitte, Freimut Duve verdrängte.
Duve war einer dieser Ausnahmepolitiker, der 100% integer und frei von Eitelkeit agierte. Hochgebildet und bescheiden zugleich, gehörte er zu der kleinen Gruppe Parlamentarier, die ihre komplette Steuererklärung veröffentlichten, Diäten spendete und sich stets für die Schwächsten einsetzte.
Ich war sehr wütend, als ich Kahrs vor die Nase gesetzt bekam, zumal Duve 1998 sehr gern weiter gemacht hätte!
Aber, das muß man zugeben; Kahrs sitzt fest im Sattel. Er wurde seit 17 Jahren immer wieder direkt und mit Hamburger Rekordergebnis in den Bundestag geschickt.

Warum sollte ich unzufrieden sein?

In solchen Fällen hilft eine stichwortige Pro- und Contra-Liste.

PRO

Kahrs ist ein vorbildlicher Wahlkreispolitiker, den man dauernd vor Ort trifft, der seit 20 Jahren ununterbrochen „Bürger“ zu Hause besucht (er bringt immer selbstgebackenen Kuchen mit), der hier verwurzelt ist, seine Wähler detailliert und kontinuierlich über seine Tätigkeit in Berlin unterrichtet und der ständig Bustouren seiner Wähler nach Berlin organsiert, so daß sie seinen Alltag miterleben können.

Er hat als anerkannter Haushaltspolitiker und Seeheimer seine persönlichen Karriereziele erreicht, schielt nicht auf Regierungsämter, so daß er völlig offen und direkt auch mal gegen die Parteilinie argumentiert.

Kahrs ist schwul und war meines Wissens auch der erste geoutete Schwule in der SPD-Bundestagsfraktion 1998. Daher hat er einen besonderen Blick für Minderheiten und setzt sich intensiv für deren Rechte ein. So ist er beispielsweise stellvertretender Sprecher der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe.

Er verfolgt konsequent und unerschütterlich liberale Positionen, wie die Abschaffung des Meister- und Innungszwanges.

Zwangsmitgliedschaft und Beitragspflicht in der IHK
Die Kammerpflichtmitgliedschaft ist nach wie vor ein Reizthema. Ich habe mich seit meiner Wahl zum Bundestagsabgeordneten für die Abschaffung des Kammerzwangs stark gemacht. Fortschritte auf dem Gebiet sind bisher leider am Widerstand der CDU/CSU gescheitert. Auch die FDP zeigt sich bei diesem Thema alles andere als wirtschaftsliberal und macht weiter Stimmung für den Zwang.
Ich behalte das Thema weiter im Auge, und zahlreiche Zuschriften von betroffenen Unternehmern bestärken mich darin. Der antiquierte Kammerzwang behindert oft gerade kleinere und mittlere Unternehmen. Große Kammern machen unter anderem ihren eigenen Mitgliedern Konkurrenz. Viele Mitglieder halten die zu leistenden Abgaben verglichen mit den Leistungen der Kammern für viel zu hoch.

Kahrs ist ein begnadeter Redner, der ohne Manuskript jederzeit sachlich und verständlich vortragen kann.
Als einer der ganz wenigen Politiker spricht er in Talkshows wirklich Klartext, ohne Floskeln und inhaltsfreie Polithalbsätze. Er redet im wörtlichen Sinne „druckreif“. Das kann außerordentlich informativ sein, da er sehr klar stellt was er will, wie die Situation ist und woran ganz genau eine Änderung scheitert. Damit ist er das diametrale Gegenteil der Kanzlerin, die bekanntlich stundenlang wolkige Allgemeinplätzchen von sich gibt, ohne daß sich ein einziger Zuhörer anschließend erinnern könnte, was sie eigentlich sagen wollte.

Kahrs ist im besten Sinne „vernünftig“, also ideologiefrei. Er vertritt seine Standpunkte ganz unabhängig davon, ob das gerade populär ist. So unterstützt er ausdrücklich die allgemeine Wehrpflicht – obwohl das derzeit wirklich niemand mehr haben möchte.

Er ist angstfrei und hat keine Angst irgendwo in Ungnade zu fallen.

Kahrs ist ein entschiedener Gegner der religiotischen Parteiplatzpatrone Andrea Nahles, die er nur zu gerne von ihrem schädlichen Einfluss auf die SPD abhalten würde.

CONTRA

Kahrs ist leidenschaftlicher Offizier mit einem offensichtlichen Drang ins Militärische. Wenn man sich bei pazifistischen Waffenexport-Gegnern wie Jan van Aken einklinkt und ihre Recherchen im Rüstungsdschungel mitverfolgt, trifft man früher oder später auch auf Kahrs, der bis heute gerne auf internationalen Waffenmessen gesehen wird und seine Verbindungen in die Rüstungsindustrie pflegt.
Er gehört dem Präsidium des Förderkreises Deutsches Heer und ebenfalls dem Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik an.
Kahrs ist so gut mit einigen Wirtschaftszweigen vernetzt, daß er gerne auch mal ganz direkt große Wahlkampfspenden annimmt, ohne daß man  genau weiß von wem und zu welchem Zweck sie stammen.

Der von dem Hamburger Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs geführte SPD-Kreisverband Mitte hat nicht nur vom Panzerhersteller "Krauss-Maffei-Wegmann", sondern auch von deutschen Marineschiffbauern Geldspenden erhalten. Das berichtete das Magazin "Stern" am Mittwoch und berief sich auf mehrere schriftliche Belege, die ihm vorliegen würden. Danach hätten die Hamburger Thyssen-Krupp Marine Systems und die Bremer Lürssen Werft dem Parteibezirk in den Jahren 2004 und 2005 insgesamt 13 000 Euro überwiesen.
Beide Unternehmen wollen die neuen, 2,2 Milliarden Euro teuren Fregatten F-125 für die Bundesmarine herstellen. Kahrs ist gegenwärtig im Haushaltsausschuss des Bundestages für den Verteidigungsetat zuständig. Vor wenigen Wochen war bekannt geworden, dass bereits der Münchner Panzerhersteller "Krauss-Maffei-Wegmann" und die nordrhein-westfälische Rüstungsfirma "Rheinmetall" an den Kreisverband Mitte Spenden überwiesen hatten. Dem "Stern" zufolge soll Rheinmetall im Jahr 2005 25 000 Euro überwiesen haben, der Panzerhersteller 9000 Euro. Beide Unternehmen betrieben die Projekt System & Management GmbH, die den neuen Bundeswehr-Schützenpanzer Puma bauen solle.

Kahrs ist ein extrem umtriebiger Strippenzieher als Kreisvorsitzender.
Man sagt ihm nach, daß er maßgeblich dafür verantwortlich war, daß der Parteilinke und Nahles-Freund Niels Annen sein Bundestagsmandat im eigentlich völlig sicheren Wahlkreis Hamburg-Eimsbüttel verlor.
Statt dessen wurde auf mehr als dubiose Art der Hamburger Juso-Chef Danial Ilkhanipour Herrn Annen vorgezogen; so daß das die CDU damals den roten Sitz gewann.

Herr Kahrs mauschelt offenbar in seinem privaten Politumfeld ganz gern.

1992 erstattete Silke Dose, Mitglied im Hamburger Juso-Landesvorstand und innerparteiliche Konkurrentin, Anzeige wegen wiederholter, nächtlicher anonymer Telefonanrufe. Sie vermutete einen Stalker. Die Fangschaltung der Ermittler ergab Kahrs als Anrufer. Das Strafverfahren gegen Kahrs, in dem ihn Ole von Beust vertrat, wurde gegen Zahlung der Gerichtskosten und eines Bußgeldes von 800 DM eingestellt. Daraufhin forderten ihn im August 1992 über 50 Hamburger Sozialdemokraten erfolglos zum Rücktritt von allen politischen Ämtern auf.
Seit 2002 ist Kahrs Vorsitzender des SPD-Kreisverbandes Hamburg-Mitte. Bei der Wahl zum Hamburger SPD-Landesvorstand im März 2007 wurde Kahrs zunächst nicht gewählt, konnte sich aber in der Nachwahl im Juni 2007 mit einer Stimme Mehrheit durchsetzen.

Es ist ja ehrenwert von Kahrs, daß er seinen Kumpel Edathy nicht fallen läßt, nur weil der jetzt sozial geächtet wird.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete für Hamburg-Mitte, Johannes Kahrs, hat Sebastian Edathy, im Zuge der Ermittlungen um die Kinderpornographie-Affäre als „feinen Kerl“ und „echtes Talent“ bezeichnet. Zudem pflegt er ein freundschaftliches Verhältnis zu Edathy. Als Zeuge im Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Edathy-Affäre hat Kahrs offenbar erhebliche Erinnerungslücken. Auf die Frage, wann er selbst zum letzten Mal Kontakt zu Edathy gehabt habe, antwortete er mit den Worten: „Das kann ich ihnen nicht so genau sagen."

Sich aber vorm Edathy-Untersuchungsausschuss so dreist rauszureden, indem er immer wieder behauptet gar nichts mehr zu erinnern, ist  schon frech.

Auf die Frage, wie sein Verhältnis zu Michael Hartmann sei, antwortet der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs: "Freundschaftlich, feiner Kerl". Das hatte er vorhin auch über Sebastian Edathy gesagt.   Kahrs bejaht die Frage, ob er es für glaubwürdig halte, dass Hartmann Edathy informiert habe. Aber er wisse es nicht, fügt er hinzu. Wann er zuletzt Kontakt zu Edathy gehabt habe, kann Kahrs dem Ausschuss nicht mehr sagen.
Und dann noch die Frage: Wie ist denn ihr Verhältnis zu Herrn Oppermann? Antwort Kahrs: "Feiner Kerl."
Seit vielen Minuten erinnert er sich jetzt nicht. Will einfach nicht sagen, worum es in der von ihm zuvor beschriebenen "Gerüchteküche" gegangen sei. Ob man sich in der SPD-Fraktion über die Gesundheit sorgte oder ob man mehr wusste. Er selbst wusste ja, dass etwas mit Internet im Raum stand, dass Edathy deshalb für keinerlei Amt kandidieren wollte.
Kahrs bleibt hart. "Kann ich Ihnen nicht sagen." - "Kann ich mich konkret nicht dran erinnern." - "Es ist über ein Jahr her. Was genau wann in welcher Abfolge war, daran kann ich mich nicht erinnern."
Er war aber überrascht, als Edathy im Zusammenhang mit Ermittlungen in der Zeitung stand. Wie genau er davon erfahren hat, weiß er nicht mehr.
Jetzt ist er fertig. "Alles Gute und bis demnächst", sagt Eva Högl. [….] Zum Zeugen Johannes Kahrs, der sich über bald zwei Stunden kaum erinnern konnte, merkte Schuster an: "Johannes Kahrs hat eine einzigartig arrogante Vorstellung abgeliefert, auch eine "einzigartige Herabsetzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, weil ich nicht glaube, dass er sich nicht erinnert!“

Und last: Kahrs hilft als Denkmalfachmann dabei Hunderttausende Euro an die Kirchen zu verschieben.

Bund steigt mit ins Rettungsboot
[…] Kirchensanierung in Wittenburg: Engagement aller Akteure hat sich gelohnt, 400 000 Euro für ersten Bauabschnitt des Gotteshauses
Trafen sich zu einem freudigen Anlass: MdB Johannes Kahrs, Bürgermeisterin Dr. Margret Seemann, Bürgervorsteherin Sybill Moß, Fördervereins-Vorsitzende Dr. Barbara Gubalke und Pastor Martin Waack. Die Sanierung der Bartholomäus-Kirche kann demnächst beginnen. […]

Freitag, 30. Januar 2015

Je suis Charlie



Daß mal eben mitten in der Hauptstadt Frankreichs ein Dutzend Karikaturisten abgeknallt wurden, weil sich irgendwelche Religioten in ihren Gefühlen beleidigt fühlten, war schon ein Schocker.

Die kurz darauf auftauchende und millionenfach verbreitete „Je suis Charlie“-Graphik mit weißer Schrift auf schwarzen Grund was meines Erachtens ein Geniestreich. Zutiefst eindrücklich, trauernd und gleichzeitig ein mutiges Statement.
Zudem ist sie unverwechselbar. Ein Spruch aus drei einfachen Worten, der aber sehr konkret ist und sich auf einen spezifischen Anlass bezieht.
Der Ruf schwoll schnell zu einer solchen Phonstärke an, daß jeder mitmachen wollte.
Sarkozy und Netanjahu drängelten sich gar mit körperlicher Gewalt in die erste Reihe vor den Kameras, obwohl sie gar nicht eingeladen waren.
Jeder sollte auch Charlie Hebdo sein, um seine Solidarität auszudrücken und  um einfach dazu zu gehören. Bischöfe und Peginesen. Rechte und Linke, Kluge und Dumme, - alle wollten auch Charlie sein.
Charlie Hebdo war eine schöne Metapher, um den Islamisten eins auszuwischen, sich zusammen zu rotten und hip zu sein.
Es dauerte ein paar Tage, bis einigen dämmerte was dieser ominöses französische Karl eigentlich für ein Typ war:

Frech, konfessionsfrei, unangepasst, respektlos und auch noch zu allem Übel irgendwie links.

Ach Du Schreck.
Nein, bei denen wollte man ja eigentlich doch nicht als Sympathisant gelten.
Und so begann auch schnell die Absetzbewegung von Je suis Charlie.

Einer der ersten, die klar gegen Meinungsfreiheit und religiöse Meinungsdiktatur einsetzte, war der Papst. Er fand, religiotische Reflexe wären wichtiger als demokratische Werte. Wer seine Mutter beleidige, bekäme auch was auf’s Maul von ihm.
Franzels Unverschämtheit war eine Initialzündung.
Sofort begann man sich überall von den getöteten 12 abzusetzen, die eben noch geehrt wurden. Haben die es eigentlich verdient geehrt zu werden?
Religioten aller Länder schlugen zurück, schoben den Getöteten eine Mitschuld in die Schuhe und sprachen somit die Täter ein Stück weit von der Verantwortung frei. Man findet riesige Mengen an Christen, die auch im 21. Jahrhundert Gewalt rechtfertig.

Es folgen einige dialektische Meisterwerke der Widerlichkeit.

[…]  Wenn sich die Karikaturisten also gegen die Al-Qaida-Fanatiker durch Lächerlichmachung des Begründers des Islam abgrenzen wollen, gleichen sie nicht jenen Demagogen, welche die Entstehung solcher Kampfgruppen dem Islam als solchem zur Last legen?
[…]  Wie im Nationalsozialismus und Kommunismus, in den Ideologien sowohl des Rassen- und Klassenhasses als auch in jener der Kultur- und Religionsfeindlichkeit ist der bourgeoise Westen das Ziel der Angriffe. Frankreich ist ein besonderes Beispiel der gegenwärtigen westlichen Kultur: Die Schüler dürfen nicht muslimisches Tuch, christliches Kreuz und jüdische Kippa tragen; das Vorhandensein christlicher Symbole in der Öffentlichkeit wird bis zu einer Selbstkastration eingeschränkt, damit „die Muslime nicht entrüstet würden“. Aber eine die Muslime entrüstende Zeitschrift wird als heiliges Symbol der französischen Kultur angesehen. Ist nicht das Prinzip der „Laizität“ allmählich zu einer intoleranten Religion des Atheismus geworden?
 (Tomáš Halík, Professor und Hochschulpfarrer an der Karlsuniversität Prag, 17.01.15 in der FAZ)

[…]  Eine spezielle Mitverantwortung hat im Pariser Fall insbesondere die Satire. Sicher ist ,Meinungsfreiheit' ein hohes Gut. Doch es korrespondiert im Grundgesetz mit dem ‚Persönlichkeitsrecht‘, wobei ‚üble Nachrede‘ strafbar ist, wenn ‚Diffamierung im Vordergrund steht‘. Auch ist laut Grundgesetz Paragraf 166 die "Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften, (…), ‚die geeignet ist den öffentlichen Frieden zu stören, (…) strafbar". Also hier irrt Tucholsky. Satire darf nicht alles! Satire darf nicht mit militanter Religionsfeindlichkeit ohne Grenzen beleidigen. Offenbar waren seit Jahren manche Karikaturen Öl ins Feuer der sozial frustrierten und islamistisch fanatisierten Attentäter von Paris. Oder um mit einem anderen Bild zu sprechen: Wer wilde Stiere mit einem roten Tuch reizt, ist der nicht lebensmüde? […] 

[…]  Mich macht es sehr traurig zu sehen, wie verführbar der heutige Mensch ist und wie leicht er sich zu spontanen unüberlegten Reaktionen hinreissen lässt. In der Zeit der sozialen Netzwerke schiessen Massenphänomene regelrecht aus dem Boden. Viele Zeitgenossen übernehmen gedankenlos irgendwelche Statements und Slogans und verbreiten sie, ohne zu überlegen, was sie damit auslösen und mit wem sie sich damit identifizieren.  Ein aktuelles Beispiel ist die tausendfache Übernahme des Slogans "Ich bin Charlie". […]   Ohne sich bewusst zu werden, identifizieren sie sich damit aber mit Personen, die Gott, auch den Gott der Bibel, seit Jahren in den Sumpf ziehen und absolut keine Achtung vor dem Heiligen in irgendwelcher Form haben, auch nicht vor Jesus Christus.
Nach eigener Aussage hassen die Charlie Hebdo-Leiter jegliche Autoritäten. Mit dem Ausspruch "Ich bin Charlie" identifizieren sie sich mit dem Geist der Rebellion gegen Gott und alle Autoritäten. […]  Ich bin nicht Charlie und will es auch mit Gottes Hilfe nie werden."
(Hanspeter Nüesch, Präsident von Campus für Christus Schweiz, idea, 29.01.15)

[…]  Der  Paderborner  Landtagsabgeordnete  Daniel  Sieveke  (CDU)  hält  die  Entwicklung  der  aktuellen  öffentlichen Diskussion rund um Pegida, Islam sowie Religions- und Pressefreiheit in Deutschland für gefährlich.  […]  Wenn  Satiriker und Karikaturisten, im Namen der Pressefreiheit, einerseits Mohammed, andererseits Jesus und andere Religionen verunglimpfen und damit die religiösen Gefühle vieler Menschen verletzen dürften, während sich  gleichzeitig „alle Welt“ unter dem Slogan „Je suis Charlie!“ mit eben solchen Meinungsäußerungen solidarisiere,  dann sei das keine gute demokratische, abwägende Grundhaltung.
 „Es sind Menschen, die ermordet wurden, das ist schon Erschütterung unserer Grundwerte genug!“, so Sieveke,  der eine pauschale Solidaritätsbekundung auch mit allen Veröffentlichungen von „Charlie Hebdo“ nicht mittragen  möchte: „Ich bin nicht Charlie! Ich bin Demokrat, Christ, Paderborner, Deutscher, Europäer, Ehemann, Sohn und  Vater, aber ich erkläre mich nicht solidarisch mit zügellosen und verantwortungslosen Meinungsäußerungen, die  religiöse Gefühle auf allen Seiten verletzen.“ Stattdessen sollten sowohl religiöse Führer, als auch Politiker viel  mehr auf die Lebenswirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger Rücksicht nehmen, die zunehmend „schlichtweg  Angst“ hätten, so der Paderborner CDU-Vorsitzende weiter. „Nehmen wir doch einmal an, in Dresden wäre es  zu einem Anschlag gekommen, was gottlob nicht geschehen ist: Wären wir dann auf einmal alle Pegida? Wohl  kaum!“ […] 

[…]  Das Volk, „der große Lümmel“ (Heinrich Heine), muss erzogen werden. Merke: Gefahr geht immer von rechts aus. Und wenn sie mal vom Islamisten ausgeht, dann stecken trotzdem Rechte mit drin. Diese einfache Wandteller-Gewissheit wandert querbeet durchs politische Geschäft und durch das der Kolumnisten.  Da war die Neujahrsbotschaft der Kanzlerin, tatsächlich ganz besorgte Mutti, allerdings auch eine entsetzlich bevormundende, sie gängelte, was einen schalen Geschmack hinterließ. Geht nicht demonstrieren, sagte sie: „Diese Leute haben Vorurteile, bisweilen auch Hass in ihren Herzen.“
Mit einer gewissen Konsequenz wächst seitdem der Strom der Pegida-Demonstranten, jener leicht drolligen Vaterlandssucher und Globalisierungs-Verlorenen und –Ratlosen, und sicher, Kleinbürger, aber das ist kein Verbrechen.
Immerhin, sie sind nicht alleine: 60 Prozent der Deutschen so eine jüngste Untersuchung, möchten, dass „unsere Identität, unsere Werte du Eigenschaften wieder stärker in den Mittelpunkt rücken.“ Auf 14 Prozent kommen die, die das nicht wollen, unter denen ganz sicher auch die Antifa-Radikalen, die „Nie wieder Deutschland“ brüllen.
[…]  Die Anschläge von Paris dürften nun endlich den Beweis geliefert haben, dass Pegida recht hatte mit ihren Ängsten. Dennoch lassen sie weiterhin stoisch die anschwelenden Beschimpfungen über sich ergehen. Wenn Pegida nicht den Mut und den Verstand verliert, könnte es eine wichtige demokratische Widerstandsbewegung sein, eine wirkliche Apo.
[…]  Nach den Morden von Paris hätte ich mir Massenproteste von Moslems in unseren Straßen gewünscht, einen großen Aufschrei[…] 

Matussek ist wohl am tiefsten gesunken, indem er Pegida im Zusammenhang mit den Charlie Hebdo-Morden RECHT GIBT. Dabei agitiert Pegida gerade gegen diejenigen, die OPFER von IS und Al Kaida sind und vor den Islamisten im Irak und Syrien flüchten.
Was für eine perfide und perverse Lüge Matusseks!

[…]  Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, hat sich gegen eine zu starke Solidarisierung mit der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo ausgesprochen. Er schätze deren Inhalte nicht, sagte er am Mittwoch in Berlin.
Beford-Strohm fühle mit den Opfern der Anschläge in Frankreich. Dennoch gelte für ihn: „Ich bin nicht Charlie“. Vieles, was die Zeitung abdrucke, zeuge nicht von Qualität. Das sagte der Ratsvorsitzende am Mittwoch beim „Treffpunkt Gendarmenmarkt“, einer Veranstaltungsreihe seiner Kirche. Obwohl für ihn religiöse Gefühle schützenswert seien, wandte er sich gegen eine Verschärfung des sogenannten Blasphemieverbots in Deutschland als „Schnellreaktion“ auf die Attentate in Paris. Für ihn sei klar, „dass Gott nicht beleidigt werden kann“. […]  Bedford-Strohm rief Christen außerdem dazu auf, Gespräche mit Religionskritikern zu suchen.

Und schließlich der Tiefpunkt, die peinlich-feige Absage des Kölner Karnevals an den Charlie-Hebdo-Wagen.


Der Charlie-Hebdo-Wagen, der beim Kölner Rosenmontagsumzug mitrollen sollte, bleibt in der Garage. Über die Entwürfe für den politischen Festwagen war publikumswirksam bei Facebook abgestimmt worden. Das Festkomitee des Kölner Karnevals hat sich jetzt aber gegen den Wagen entschieden.
[…]     "In der offiziellen Pressemitteilung heißt es: 'Einen Persiflagewagen, der die Freiheit und leichte Art des Karnevals einschränkt, möchten wir nicht.' Einige Kölner hätten sich gemeldet und Sorgen geäußert." […]

Donnerstag, 29. Januar 2015

Der nichteingelullte Teil Europas.

In Merkels Welt gibt es keine Wähler mit eigenständigem Denkvermögen.
Man folgt lieber platten Parolen ohne Inhalt. Die gesamte Ökonomie wird auf das Prinzip der „schwäbischen Hausfrau“ retardiert. Wer nur hart genug spart, hat am Ende wieder genug Geld.

In den deutschen Massenmedien wird Austeritätspolitik meist fälschlicherweise als Sparpolitik bezeichnet. Der Begriff „Sparen“ ist nun einmal positiv besetzt und legt nahe, dass derjenige, der spart, später mehr Geld zur Verfügung hat. Wer auf der Ausgabenseite spart, macht weniger Verluste und reduziert somit sein Defizit – so zumindest die Theorie, die volkswirtschaftlich betrachtet, intellektuell auf einer Stufe mit Angela Merkels Leitbild der schwäbischen Hausfrau rangiert. Ein Staat ist nun einmal kein Privathaushalt und Ausgabenkürzungen schlagen immer auch auf andere Teilnehmer der Volkswirtschaft zurück. Austeritätspolitik ist jedoch mehr als „nur“ die Kürzung von Ausgaben in den öffentlichen Haushalten. […]
Die Befürworter der Austeritätspolitik schaffen es jedoch nicht einmal, den ersten Schritt dieser Kausalkette beweisen zu können – erst recht dann nicht, wenn die Austeritätspolitik während einer globalen Krise stattfindet. Investitionen werden nicht aus ideologischen Gründen, sondern auf Basis einer knallharten Kosten-Nutzen-Analyse vorgenommen. Jede Form der Austeritätspolitik führt zunächst immer dazu, dass die aggregierte Nachfrage zurückgeht. Da die Einkommen der privaten Haushalte zurückgehen, haben diese auch weniger Geld für Konsumausgaben zur Verfügung. Der Staat kann dieses Defizit nicht ausgleichen, da er ja seine Ausgaben kürzt und somit ebenfalls weniger nachfragt. In einer Rezession investieren in der Regel jedoch auch die Unternehmen weniger, da die zurückgehende Nachfrage und die unsichere Zukunft eine Kosten-Nutzen-Analyse negativ beeinflussen. In Zeiten einer starken Weltkonjunktur kann die Nachfrage aus dem Ausland diese Faktoren ausgleichen, in Krisenzeiten ist jedoch das Gegenteil der Fall. Wenn neben der Inlands- auch noch die Auslandsnachfrage zurückgeht, ist dies nicht der Zeitpunkt, an dem Unternehmen investieren. Ausgaben- und Lohnkürzungen verschärfen den ohnehin während einer globalen Krise stattfindenden Rückgang der Nachfrage abermals. Ökonomen sprechen hier von einem „prozyklischen“ Effekt, Konjunkturausschläge werden nicht ausgeglichen, sondern verstärkt.
Dies alles führt in erster Konsequenz zu einer Steigerung der Arbeitslosigkeit und damit auch zu einem Rückgang der Nachfrage. […] (Jens Berger 02.10.2012)

Blöd für Südeuropa natürlich, daß Merkels Rezepte nicht von ihren eigenen Wählern ausgebadet werden müssen.
Zuhause in Deutschland machte Merkel in der Krise das Gegenteil von Sparpolitik, weil Sparen in einer Rezession oft nichts anderes als Kaputtsparen ist.
Das stand an dieser Stelle schon vor drei Jahren:

Die Griechen sparen bekanntlich dermaßen, daß es quietscht. 
Große Teile Athens mutieren zu Slums, Nierenpatienten können sich ihre Dialyse nicht mehr leisten und Hunger wird wieder alltäglich.
Es trifft, wie immer im Kapitalismus, diejenigen, die nichts dafür können.

Deutschland ist der große Profiteur der Schande von Griechenland.
 Dort wird das einfache Volk ausgepresst nachdem die griechische Regierung Deutschen Rüstungsfirmen Milliarden-Aufträge erteilt hatte, hunderte Panzer kaufte, U-Boote bestellte. 
Deutsche Anleger freuen sich über die Dividenden, die ihnen griechische Staatsanleihen bringen. Deutsche Banken, als die griechischen Kreditgeber verdienen üppig am Hellas-Desaster. 
Ganz Griechenland fungierte als Absatzmarkt für deutsche Waren, die mit hartem Euro bezahlt wurden. 

Aber der Krug ist inzwischen doch gebrochen.
 Nun breitet sich Elend aus, während es Deutschland gut geht.

Nachdem immer mehr Berichte aus griechischen Schulen auftauchten, in denen Kinder vor Hunger in Ohnmacht fielen, war die Athener Regierung gezwungen Essensmarken auszugeben.

 Das griechische Bildungsministerium will arme Schüler und Familien mit Lebensmittelmarken unterstützen. Von kommender Woche an sollen an 18 Schulen in neun Arbeitervierteln kostenlos Coupons für Milch, Früchte und Kekse verteilt werden, sagte die Staatssekretärin im Bildungsministerium, Evi Christofilopoulou, dem Parlament nach Angaben der halbamtlichen Nachrichtenagentur ANA. Die Marken bekommen dabei nur jene, die von den staatlichen Sparmaßnahmen am härtesten betroffen sind.
 Seit Monaten steht die Regierung unter Druck diesbezüglich zu handeln. Denn Medien hatten über unterernährte Schüler berichtet, die im Unterricht vor Entkräftung in Ohnmacht fielen.

Die Lehrer können ihren Schülern kaum behilflich sein. Der Durchschnitts-Jahreslohn eines griechischen Lehrers sank aufgrund der Sparanstrengungen von rund € 20.000 auf € 12.000.

Die zynische Reaktion der christlichen Bundeskanzlerin:
Es werde eben noch nicht genug gespart; Athen solle ein EU-Sparkommissar zur Seite gestellt werden.

An dieser Stelle betone ich immer wieder, daß die Merkel/Steinmeier-Regierung für das eigene Volk genau die gegenteilige Kur durchführte. 

Am 05. November 2008 legten Steinbrück und Co das Konjunkturpaket I (Maßnahmenpaket „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“) auf, welches Dutzende Maßnahmen umfasste - darunter die wichtige Verlängerung des staatlichen Kurzarbeitergeldes.

Finanz- und Wirtschaftsministerium betonten stolz:
„Die Maßnahmen der Bundesregierung fördern in den Jahren 2009 und 2010 Investitionen und Aufträge von Unternehmen, privaten Haushalten und Kommunen in einer Größenordnung von rd. 50 Mrd. €. Darüber hinaus gewährleisten Maßnahmen zur Sicherung der Finanzierung und Liquidität bei Unternehmen die Finanzierung von Investitionen im Umfang von gut 20 Mrd. €. Zusammen mit den vom Kabinett am 7. Oktober 2008 beschlossenen Maßnahmen werden allein in den Jahren 2009 und 2010 insgesamt rd. 32 Mrd. € aus den öffentlichen Gesamthaushalten zur Verfügung gestellt.“
(BMWi und BMF Nov 2008)

Der hyperaktive Bundesfinanzminister Steinbrück ruhte aber auch anschließend nicht und schob sofort ein weiteres staatliches Ausgabenprogramm an.

Das Konjunkturpaket II („Pakt für Beschäftigung und Stabilität in Deutschland zur Sicherung der Arbeitsplätze, Stärkung der Wachstumskräfte und Modernisierung des Landes“) wurde im Januar 2009 beschlossen und hatte sogar einen noch größeren Umfang. 

Es umfasste 13 Beschlüsse - darunter die berühmt-berüchtigte „Abwrackprämie“, den „einmaligen Kinderbonus“ von 100 Euro, massive Investitionen in den Breitbandnetzausbau und einen zehn Milliarden-Euro-Zuschuss für kommunale Investitionen.

Fast alle Parteien und Wirtschaftswissenschaftler sahen die Maßnahmen als notwendig an - außer der FDP, die heftig gegen die Maßnahmen wetterte.

Schließlich führten die staatlichen Ausgaben dazu, daß kein anderes EU-Land (außer Polen) so gut wie Deutschland durch die Krise kam.

Die damaligen Wohltaten gönnte Merkel aber nur den Deutschen. Von den anderen EU-Problemstaaten verlangt sie das diametrale Gegenteil.

 Sie meint, daß man die Verhungernden am besten durch Essensentzug heile.  (…………………)


Drei Jahre später entfaltet „Merkels Gift für Europa“ seine volle Wirkung. Griechenland am Boden, die Austeritätspolitiker sind weggejagt. Und all das nur, weil Merkel den Hosenanzug wie immer zu voll hatte, um ihren Wählern reinen Wein einzuschenken

[….] Alles sorgt sich um Athens neuen Kurs. Doch nicht Griechenland ist das Problem, sondern Deutschland. Denn das rigide Spardiktat der Kanzlerin hat die Griechen in die Rezession gestürzt. Nun muss ein Linker den Kapitalismus retten.
Das Spiel ist eröffnet. Die Spieler heißen Alexis Tsipras und Angela Merkel. Der linke Volkstribun gegen die Frau ohne Eigenschaften. Auf dem Tisch liegt die griechische Staatsschuld in Höhe von rund 320 Milliarden Euro. Auf dem Tisch liegt die griechische Jugendarbeitslosigkeit, die bei über 50 Prozent liegt. Auf dem Tisch liegt die griechische Selbstmordrate, die seit Beginn der Krise gestiegen ist. Und auf dem Tisch liegt das deutsche Dogma, dass Schulden von Schuld kommen und es keine Gnade gibt.
Aber es liegt beileibe nicht nur an den Griechen, dass die Zukunft des Euro, die Zukunft Europas zu einem Pokerspiel geworden ist. Die Griechen haben Fehler gemacht. Aber die Fehler der Europäer, der Deutschen vor allem, waren schlimmer.
Was war denn das für eine Idee - dass ein Land sich aus der Krise heraussparen kann? Paul Krugman hat jetzt in der "New York Times" geschrieben, dass das in der Geschichte noch nie funktioniert habe. Und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hat im amerikanischen Fernsehen noch mal vorgerechnet: Als die Krise begann, machten die griechischen Staatsschulden 110 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Inzwischen stehen sie bei 170 Prozent. Das Rezept, das Frau Dr. Merkel und die europäischen Chefärzte fürs Sparen den Griechen ausgestellt haben, war in Wahrheit Gift.
Angela Merkel - und hier kann man mal einen historischen Prozess an einer einzelnen Figur festmachen - hat Griechenland in eine Rezession gestürzt, die schlimmer ist als die berüchtigte Große Depression der USA. Manche Griechen vergleichen Merkel jetzt sogar mit Hitler.
Im Zweiten Weltkrieg wollten die Deutschen Europa erobern. Das ging schief. Man hat ihnen nach der Niederlage dennoch die Hälfte ihrer Schulden erlassen und beim Wiederaufbau geholfen. Die Griechen, denen man von Korruption bis Schlamperei alles Mögliche vorwerfen kann, sind nicht einmal in die Nähe solcher Schuld geraten. Dennoch wurde ihnen ein Sozialvernichtungsprogramm zugemutet, das keine demokratische Gesellschaft aushalten kann.
Es sollte den Deutschen, der Amerika-Freundin Merkel zumal, zu denken geben, dass man ihren volkswirtschaftlichen Dogmatismus von der anderen Seite des Atlantiks aus nur mit Kopfschütteln quittiert. Um Recht zu behalten, riskiert man keine Rezession. [….]

Was für ein unerträglich heuchlerisches Gejammer jetzt in Deutschland herrscht: “Hilfe, jetzt sind in Athen die Radikalen am Ruder!”

Daß jemand wie Tsipras Regierungschef wird, war einerseits so absehbar wie das Amen in der Kirche und ist andererseits ein vergleichsweise großes Glück, wenn man das Erstarken der Rechtsradikalen in Ländern wie Frankreich betrachtet.

In den vergangenen fünf Tagen ist das Ausmaß von Angela Merkels katastrophaler Anti-Krisenpolitik so deutlich geworden wie nie zuvor. Die von ihr erzwungene Sparpolitik führte zu Deflation im Euroraum und zu Dauer-Rezession in Südeuropa. Die Gegenreaktionen auf diese Politik kamen binnen weniger Tage aus Frankfurt und Athen.
Die Europäische Zentralbank kauft jetzt Staatsanleihen. Und in Griechenland regiert fortan wohl eine Koalition aus Linken und Rechten, die letztlich vor allem eines eint: die Wut auf Merkel.

Ich prophezeie hiermit, daß es nicht nur die Pasok zerreißen wird, daß außer Griechenland noch weitere EU-Länder Regierungen bekommen werden, die nicht buckelnd „ja und Amen“ zu Schäubles Diktat sagen werden.

Als nächstes könnte Spanien „kippen“.
Und womit? Mit Recht!

[….] Podemos ("Wir können") heißt die spanische Entsprechung zur griechischen Syriza. Nach dem Wahlsieg der Syriza sieht sich die Partei im Aufwind - und auch in Umfragen liegt sie vorn. Beide Parteien haben neben gemeinsamen Zielen ein gemeinsames Feindbild.
Pablo Iglesias von Podemos hat es immer gesagt: der Wandel in Europa geht vom Süden aus. Das ist zumindest sein Plan. Und schon in der Nacht sagt der Spitzenkandidat der radikalen Linkspartei Podemos im Fernsehsender la sexta zur Wahl in Griechenland: "Ich glaube, der klare Sieg von Syriza wird etwas Neues bewirken: Die Griechen werden einen wirklich griechischen Präsidenten haben, keinen Abgesandten von Angela Merkel, und dieser griechische Präsident wird die Interessen seines Landes und seines Volkes in den Vordergrund stellen."
[….] Überhaupt Angela Merkel: Eigentlich vergeht kein Tag, an dem die Podemos-Spitzenkräfte ihren Namen nicht in irgendeinem negativen Zusammenhang in den Mund nehmen. Im Wahlkampf ist Iglesias eigens nach Athen gefahren und hat Alexis Tsipras dort unterstützt. Schon vorher hatte er eigene deutliche Videobotschaften verschickt: "Meine Botschaft an die Griechen ist klar", sagt er darin: "Es gibt nur zwei Kandidaten im griechischen Wahlkampf: der eine Kandidat ist Angela Merkel und dieser Kandidat wird repräsentiert durch Pasok und Neue Demokratie und der andere Kandidat, der griechische Kandidat ist Alexis Tsipras."
[….] Das Besondere an Iglesias ist: Der Uniprofessor spricht zunächst einmal Englisch, was ihn von den meisten spanischen Spitzenpolitikern unterscheidet. Er ist charismatisch, sein Spitzname lautet "coletas" wegen des Pferdeschwanzes. Er trägt sein Haar lang, bleibt immer freundlich.
Die anderen Politiker in Spanien kriegen offensichtlich langsam ein bisschen Angst: Podemos führt konstant seit Wochen in den Umfragen, liegt vor der regierenden Partei Partido Popular (PP) und weit vor den Sozialisten. Und das in einem Jahr, in dem in Spanien im Herbst Parlamentswahlen abgehalten werden, im Frühjahr Kommunalwahlen und jetzt auch noch in der größten autonomen Gemeinschaft Andalusien vorgezogene Neuwahlen im März vor der Tür stehen. [….]

Mittwoch, 28. Januar 2015

Timing-Königinnen


 Nachdem ich mich über Jahre vehement gegen soziale Netze wehrte, bin ich inzwischen zum Facebook-Fan geworden. Auch wenn ich das natürlich nie zugeben würde.
Man ist ja nicht verpflichtet dort seine Zeit mit dem verschicken und „liken“ von süßen Katzenbildchen zu verschwenden.
Man kann gezielt monothematische Gruppen aufsuchen und dort konzentriert jede Menge Informationen finden.
Mein wichtigster Tipp ist dabei die Blockade-Funktion großzügig zu nutzen, so daß man allen nervigen Ansinnen schnell einen Riegel vorschiebt.
Natürlich ist Herr Zuckerberg eine Datenkrake, die durch all die persönlichen Informationen, die wir dort preisgeben, reich wird.
Meines Erachtens ist es extrem naiv zu hoffen, daß die Facebook offerierten Daten geschützt oder geheim bleiben. Natürlich wird alles gespeichert, ausgewertet und versilbert.
Der einzige Ausweg ist, daß man a priori nicht seine intimen Informationen heraus gibt.
Natürlich habe ich dort nie meine Penislänge oder Blutgruppe bekannt gegeben und gehe genauso diskret mit Telefonnummer oder Kaufverhalten um.
Wie alle anderen Facebooknutzer schaffe ich es natürlich nicht mich auf das Wesentliche zu beschränken und gucke mir dauernd irgendetwas an, das keine Aufmerksamkeit verdient.
Das Internet ist und bleibt eine Zeitklaumaschine.
Facebook erlaubt unter anderem sehr schöne Camouflage-Spiele, da Rechte und Religiöse fast immer zu blöd sind, um Satire als solche zu erkennen.
Da ich auch auf Facebook stets meinen Lieblingsbischof Tebartz-van-Elst lobe und den sympathischen Charakter Ratzingers preise, werde ich sofort in allerlei fromme Christengruppen aufgenommen.

BTW, daß Studien, nach denen Linke klar intelligenter als Rechte sind, dem RECHTEN Hamburger Abendblatt nicht gefallen, wundert mich nicht!
Dabei handelt es sich um eine Binsenweisheit. Wer nicht nachdenkt, nicht hinterfragt, unkritisch alles glaubt, ist besser bei den Religiösen und Konservativen aufgehoben, als derjenige, der sein Gehirn benutzt, analysiert, geistig die Perspektive wechselt und nicht auf Vorurteilen beharrt.

Getreu des Mottos „Beten ist die radikalste Form der Einmischung“ handelt die Facebook-Gruppe „Global call to Prayer: Iraq, Syria & Nigeria“* mit 86.777 Teilnehmern.
Der Nahe Osten muß also in kürzester Zeit befriedet sein!

*What is this? We set up this event to attempt to unite Christians around the world in prayer. We have thought about the idea of unity in the body of Christ for a while now, and we know we’re not alone in this. However, it is an incredibly daunting task, given how many differences there are in every aspect of church. […] We live in a very unique time, where everyone is connected like never before. We might only be able to connect to 200 people, but those 200 people connect to thousands of people. We know for a fact that just in this first group we’ve already got every continent covered! Imagine what might happen if Christians around the world joined in prayer, not as individual islands but as one united body! We’re not trying to start a fad here, this is a serious call to prayer. […]

Initiatorin ist die fromme Grundschullehrerin Lois Abel aus London. Nicht dem Britischen, sondern dem kleinen aus Quebec City, südwestlich vom kanadischen Ontario.

Lois, glücklich verheiratet seit 1975, ist fromm, postet Weisheiten wie diese:


Lois ist so ein Grenzfall. Ich mache mich ungern über sie lustig, da sie es vermutlich tatsächlich gut meint und nicht weiß was für einen Unsinn sie von sich gibt.

In ihrem Bestreben den Irak und Syrien und Nigeria zu befrieden, schreibt sie:

Such evil, unknown in our world until now, is breaking out daily in our Iraq and Syria. Please pray for our Lord's constant intervention!

Eine prima Sache.
Zum einen ist es natürlich wichtig, daß der Herr durch das Massengebet an Syrien erinnert wird. Könnte ja sein, daß Er gerade abgelenkt ist, weil Er einem Teebeutler dabei hilft seinen Autoschlüssel wieder zu finden.

Bezüglich Seiner „constant intervention“ muß man allerdings leichte Zweifel anmelden.
So ganz überzeugend war das bisher nicht, wenn man an Sein teilnahmsloses Desinteresse während der Ermordung von sechs Millionen Juden denkt.

Damit wäre ich auch endlich bei der Überschrift dieses Postings:
Ausgerechnet am 70. Jahrestag der AUSCHWITZBEFREIUNG  von

evil, unknown in our world until now!

bezüglich Nigeria zu sprechen, ist ….
Naja, lassen wir das.
Bad Timing.
Die Lehrerin Lois Abel ist offensichtlich nicht sehr vertraut mit der jüngeren Geschichte.
Es ist ja nicht so, daß man vor oder nach Auschwitz nicht Genozide mit Millionen Toten durchgeführt hätte während Gottes „constant intervention“.
Das Datum 27. Januar 1945 ist Mrs. Abel ganz offensichtlich nicht bekannt.

Diese makabre Geschichte könnte man eigentlich abhaken, wenn nicht sofort 86.777 Menschen so einem Aufruf folgen würden.

Bleibt das miese Timing.
Vielleicht ist Kanada zu weit weg von Europa? Vielleicht würde man in Deutschland nicht leichtfertig solche Sätze von sich geben? Wenigstens nicht am groß zelebrierten 70. Jahrestag der Auschwitz-Befreiung?

Au contraire, mon chèr.

Die CDU-Hoffnung und Vize-Bundesvorsitzende Julia Klöckner hat Lois Abel noch locker übertroffen.
Die ehemalige Weinkönigin und ehemalige Religionslehrerin wirkt ob ihres Alters von 42 Jahren in der uralten CDU immer recht frisch. Sie setzt sich aber knallhart gegen Abtreibung und Stammzellenforschung ein, bekämpft das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Auf dem letzten CDU-Parteitag initiierte sie populistisch ein Burka-Verbot für die geschätzt unter 50 Burka-Trägerinnen in Deutschland.

Zum 70. Jahrestag der Auschwitzbefreiung widmete sich Klöckner in dem Käßmann-Fachblatt „BILD“ den Peginesen.

[…]  Mit zwei Sätzen hat Julia Klöckner, stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, es am Dienstag geschafft, für einige Aufregung zu sorgen. In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur sagte die Fraktionschefin der Union im rheinland-pfälzischen Landtag wörtlich: „Ich mag natürlich auch keinen, der sich mit einem Hitler-Gruß ablichten lässt und Anführer einer Pegida-Demonstration ist. Dennoch ist das Recht auf freie Meinungsäußerung, auch wenn einem die Inhalte nicht gefallen, grundlegend für unsere freie Gesellschaft.“ […]  Der Generalsekretär der rheinland-pfälzischen SPD, Jens Guth, [hatte]  Klöckner hart  angegangen: „Ein Hitlergruß hat nichts mit freier Meinungsäußerung zu tun. Wer den Hitlergruß des ehemaligen Pegida-Vorsitzenden Lutz Bachmann in eine Argumentationskette für Meinungsfreiheit bringt, handelt verharmlosend und geschichtsvergessen." Die Grünen-Landtagsabgeordnete Pia Schellhammer nannte es „erschütternd“, wenn Klöckner „eine solche Pose verharmlost und sogar noch als Ausdruck von Meinungsfreiheit legitimiert". Grünen-Landeschefin Katharina Binz verlanget eine klare Distanzierung. Klöckner verharmlose den Hitler-Gruß, indem sie mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung argumentiere. "Das klingt nach dem oft gehörten 'Das wird man ja noch sagen dürfen!' und der Argumentation der Pegida-AnhängerInnen", sagte Binz. […]  

Grandioses Timing, Frau Klöckner.
Nebenbei bemerkt; was die CDU-Vize irgendwie als von der Meinungsfreiheit gedeckt ansieht, ist so harmlos nicht: Das Zeigen von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wird mit bis zu fünf Jahre Gefängnis bestraft.


Dienstag, 27. Januar 2015

Prioritäten setzen



Saudische Könige werden als gute Muslime schon am Mittag des nächsten Tages in ein einfaches weißes Tuch gehüllt in ein namenloses Grab gelegt.
Vor Allah sind alle gleich; daher sieht man bei der Hadsch alle Pilger vom Multimilliardär und König bis hinab zum Bettler alle in der gleichen Kluft den gleichen Gang gehen.
Irgendwie sympathisch.
Der verstorbene König Abdullah war allerdings nicht ganz so gleich wie seine Glaubensbrüder, sondern mächtig und steinreich.

Und der gute Mann hatte zudem seine speziellen Vorstellungen davon wie es in seinem Staat laufen mußte:
Frauen dürfen nicht ohne Erlaubnis des Mannes arbeiten, nicht wählen, keine Bankkonten eröffnen und natürlich nicht Autofahren.
Schwule werden geköpft, Ehebrecherinnen gesteinigt und Opposition ist schon mal grundsätzlich verboten

Die Saudische Religionspolizei ist zu unfassbaren Grausamkeiten fähig.

Am 11. März starben 15 Mädchen, die versuchten, aus einer brennenden Schule in Mekka zu entkommen. Mitglieder der saudi-arabischen Tugendkommission hatten die Mädchen am Verlassen des Gebäudes gehindert und Rettungskräfte mit Gewalt von der Arbeit abgehalten. Der Grund: Die Mädchen trugen nicht die vorgeschriebenen "Abayas", schwarze Ganzkörper-Schleier ähnlich den in Afghanistan getragenen Burkas. Die westlichen Medien ignorierten den Vorgang weitgehend, während die arabischen Medien ungewohnt deutlich berichteten. […]

Wer zum Christentum konvertiert, wird gesteinigt, Frauen werden bei „Ehebruch“, nach Saudischen Verständnis also auch nach einer Vergewaltigung, geköpft. Schwule werden erhängt.
Nach Bagatelldelikten erfolgen Verstümmelungen.

Die Behörden schränkten die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit 2012 empfindlich ein. Andersdenkende wurden rücksichtslos unterdrückt. Regierungskritiker und politische Aktivisten befanden sich ohne Anklageerhebung in Haft oder wurden nach äußerst unfairen Gerichtsverfahren verurteilt. Frauen wurden nach wie vor durch Gesetze und im Alltag diskriminiert. Sie waren außerdem nur unzureichend vor häuslicher Gewalt und anderen Übergriffen geschützt. Ausländische Arbeitsmigranten wurden von ihren Arbeitgebern ausgebeutet und misshandelt. Gerichte verhängten Auspeitschungsstrafen, die auch vollstreckt wurden. Hunderte Menschen saßen Ende 2012 in Todeszellen, und mindestens 79 Personen wurden hingerichtet.

Während wir uns aber ganz fürchterlich über Russland aufregen, findet Saudi Arabien fast gar nicht statt. Niemals würden Gauck oder Merkel das Königshaus in Riad bepöbeln, wie sie es mit Putin machen.
Dabei sind die Saudis unbezweifelbar Financiers des international-gewalttätigen Islamismus. Im Gegensatz zu Putin.

Es wäre etwas zu einfach, sich auf den Standpunkt zu stellen, das sei nun einmal Usus in der Gegend.
Genau nebenan, im Osten mit einer langen Grenze zu Saudi Arabien, liegt das Sultanat Oman. Auch Oman ist eine absolute Erbmonarchie. Hier liegt die absolute Gewalt seit 1970 ununterbrochen bei Sultan Qabus ibn Said.
Als demokratisch kann man das Sultanats-System nicht unbedingt bezeichnen. Es wird zwar ein Unterhaus gewählt, aber der Sultan bestimmt wer letztendlich Abgeordneter wird. Parteien sind nicht erlaubt und die Legislative ist ebenfalls eingespart. Gesetzgebung erfolgt direkt aus der Exekutive per Dekret.
Sultan Qabus ist aber kein Wahabit! Frauen leben in seinem Land nahezu völlig gleichberechtigt – zumindest, wenn man es mit Saudi Arabien vergleicht.
Die entsetzlichen Verbrechen wider die Menschlichkeit, die im Reiche der Saud-Könige an der Tagesordnung sind, kennt man nicht aus dem Oman.
Sultan Qabus wirtschaftet gut mit seinem Ölreichtum.
 Regelmäßig wird für das 4-Millionen-Volk ein Haushaltsüberschuß erzielt. Umfangreiche soziale Leistungen wie Schulen, Witwenrenten und Krankenversorgung sind kostenlos.
Omans 80-Milliarden-Dollar-BIP ist dennoch deutlich schmaler als das 700-Milliarden-Dollar-BIP Saudi Arabiens.
Daher können sich die Wahabiten in Riad auch immer darauf verlassen, daß westliche Politiker wohlig-wonnig tief in ihre Mastdärme eindringen.

Als Abdullah starb, war Merkel krank und Pastor Gauck feierte gerade eine Sause zu seinem 75. Geburtstag. Da es für Gauck nichts Wichtigeres als Gauck gibt, war er also verhindert.
Protokollarisch wäre Steinmeier am drannsten gewesen, um schleimspurziehend auf den Knien durch Riad zu rutschen.
Salman, der neue König gibt sich aber nicht mit so etwas minderem wie Außenministern zufrieden. So kam es, daß Merkel ganz schnell Wulff reaktivierte, um der Saudischen Königsfamilie zu kondolieren.
Präsident ist in ihren Augen mehr als ein Außenminister, auch wenn es nur ein „Ex“ ist, der chronisch so knapp bei Kasse ist, daß man stets befürchten muß, er könnte sich das Tafelsilber einstecken.
Der Kleinstkriminelle Wulff fühlt sich wahrscheinlich wohl in einem Land, in dem es keine Parteien oder gar freie Presse gibt. In einem Land, in dem Oppositionelle verstümmlt, ausgepeitscht und eingesperrt werden.
Während der Blogger Raif Badawi auf Abdullahs Geheiß de facto zu Tode gepeitscht wird, finden die deutschen CDU-Spitzenpolitiker nur Lob für Badawis Peiniger.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Saudi-Arabien zum Tod von König Abdullah kondoliert und dem gestorbenen Monarchen für "seine ausgewogene und vermittelnde Politik im Nahen Osten (...) Respekt und Anerkennung" gezollt. Wie das Bundespresseamt mitteilte, sprach Merkel in einem Kondolenztelegramm dem neuen König Salman ibn Abdelasis ihr "tief empfundenes Mitgefühl" aus.
Weiter schrieb die Kanzlerin über den verstorbenen König: "Mit Klugheit, Weitsicht und großem persönlichen Einsatz ist er für eine behutsame Modernisierung seines Landes und für den Dialog der islamischen Welt mit dem Westen eingetreten."

Noch ungenierter agiert Obama.
Der Guantanamo-man, der zuhause fleißig die Todesstrafe praktizieren lässt und weltweit durch illegale Drohnen-Mord-Aktionen Unschuldige umbringen läßt, setzt im Spannungsfeld zwischen „westlichen Werten“ wie Meinungsfreiheit und Rücksicht auf islamische Despoten klare Prioritäten.
Moral und Werte – das brauchen die frommen Christen Obama, Wulff und Merkel nur bei Sonntagsreden und um sich bei ihren Wählern einzuschleimen. In der praktischen Politik tangieren sie diese Petitessen nicht.
Die böse Mainstreampresse kritisiert das durchaus. Sie tut das was sie tun muß.
Allein, es schert niemand.

[…] Es wirkt wie eine Pilgerfahrt. Der saudische König ist gestorben, und alle eilen nach Riad. Frankreichs Präsident und der britische Premier waren schon da, der US-Präsident will am Dienstag kommen. Der Westen verneigt sich vor dem toten Herrscher. Das ist prinzipiell nicht verwerflich. Zu kondolieren ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Leider belassen es die Staats- und Regierungschefs aber nicht beim Kondolieren, sie machen einen Kotau.
In dem Land, das die Königsfamilie sich untertan gemacht hat, gelten Frauen nichts. Homosexuelle werden verfolgt, Blogger ausgepeitscht, Todesurteile öffentlich mit Säbeln vollstreckt. Es grenzt an eine Selbstaufgabe der Demokraten, wenn in London sogar die Fahnen am Parlament auf Halbmast gesetzt werden, weil König Abdullah gestorben ist.
Es ist absurd, wenn Merkel die "Klugheit" und "ausgewogene Politik" des Monarchen preist. Und es ist bezeichnend, dass Obama den Gedenkmarsch für die Opfer des islamistischen Terrors in Paris geschwänzt hat, jetzt aber zu den Mittelalter-Theokraten in Riad pilgert. […]

[…] Barack Obama bietet für seinen Antrittsbesuch bei Saudi-Arabiens neuem König Salman nahezu alles auf, was in der Sicherheitspolitik der Amerikaner Rang und Namen hat: Außenminister John Kerry, CIA-Chef John O. Brennan, General Lloyd J. Austin, Chef des US Central Command, das für den Nahen Osten und Zentralasien zuständig ist, sowie seine wichtigsten Berater für Sicherheit, Lisa Monaco und Susan Rice, begleiten den US-Präsidenten.
Zur 30-köpfigen Delegation Obamas gehören sogar wichtige Republikaner, die in Saudi-Arabien geschätzt werden: die Ex-Außenminister James Baker (unter George Bush Sr.) und Condoleezza Rice (unter George W. Bush) sowie Senator John McCain, Obamas größter außenpolitischer Kritiker und Rivale bei der Wahl 2008.
Mit seinem persönlichen Erscheinen und der hochkarätigen, parteiübergreifenden Delegation will der US-Präsident nach dem Tod von König Abdullah zeigen, wie wichtig ihm Saudi-Arabien als Partner ist. Obama will einiges wieder gut machen, denn das Verhältnis der beiden Länder hat sich in seiner Amtszeit verschlechtert. Deshalb hofiert er nun den neuen Monarchen Salman. Seinen Besuch in Indien hat der US-Präsident eigens dafür abgekürzt. […] Saudi-Arabien mischt […]  selbst energischer in der Region mit: Es schickte seine Panzer nach Bahrain, unterstützte in Ägypten den Putsch des Militärs und greift auch in Libyen gegen die Radikalislamisten ein.
[…] Die saudische Linie ist klar: Stabilität statt demokratischer Experimente. Zu diesem Kurs scheint auch Obama wieder zurückkehren zu wollen. […]

Kürzlich beendete Barack Obama den Kalten Krieg mit Kuba, und die Konservativen empörten sich: Warum belohnt der Präsident ein solch autoritäres Regime? Jetzt hingegen erregt sich in Washington niemand darüber, dass Obama an diesem Dienstag in Riad landet, um einen neuen Monarchen zu begrüßen, dessen Staat nach demokratischen Maßstäben mehr Nordkorea ähnelt als Kuba. Aber Saudi-Arabien spielt seit Jahrzehnten den zuverlässigen Tankwart für Amerika, weswegen die USA ein bisschen nachsichtiger sind: Auf den kubanischen Zigarrenladen können sie zur Not verzichten, auf die Tankstelle nicht.
Möchte man den Zynismus der globalen Ordnung an einem besonders drastischen Beispiel erklären, findet sich kein besseres als das saudisch-amerikanische. Washington hat den Verbündeten am Golf nicht nur ausgewählt, sondern mitgeformt - eine Diktatur, die ihre Legitimität mit monarchischer Folklore und wahhabitischem Radikal-Islam begründet, und die ihre Öleinnahmen grotesk ungerecht verteilt. Eigentlich sollten sich die USA mehrere Jahre nach Beginn des Arabischen Frühlings fragen, ob sie weiter auf dieses Regime setzen sollen, das trotz mancher Reform im Winter der alten Ordnung verharrt. Stattdessen klammern sich die beiden Partner jetzt fester aneinander denn je.