Wenn man
Amerikanern, die wirklich gar nichts über das politisches System in Deutschland
wissen, erklärt wie Wahlen hier funktionieren, sind sie sehr über das
unübersichtliche Parteienspektrum und das Verhältniswahlrecht verwundert.
Das sei
doch höchst ungerecht, daß eine Minipartei wie die FDP dadurch über Jahrzehnte allein
bestimmen könne wer die Regierung stelle, während eine viel größere Partei gar
nichts zu sagen habe.
Wer
seine Präsidenten direkt wählt, dabei ein Mehrheitswahlrecht benutzt und sie mit
der ganzen gebündelten exekutiven Macht ausstattet, hat keinen Sinn für
Koalitionsregierungen und Sondierungsverhandlungen.
Er
versteht auch nicht Wahltaktik und das Bohei um Koalitionsaussagen.
Wer
etwas Gerechtigkeitssinn hat, präferiert natürlich dennoch das
Verhältniswahlrecht. Es sei denn, man hat sich als Betroffener selbst gerade
über die FDP-Machenschaften geärgert; dann philosophiert man wie Helmut Schmidt
schon mal über die Vorzüge eines Mehrheitswahlrechtes in Deutschland.
Die
Mehrheitsbeschaffer-Funktion im klassischen Dreiparteiensystem hat die parasitäre
Lobbyorganisation FDP erstaunlich lange am Leben erhalten. Im Jahr 2015 sitzt
sie zwar immer noch in einigen Parlamenten, aber der Parteisterbeprozess ist
unaufhaltsam im Gang.
Nur noch
sechs Wochen, dann sind die Hepatitisgelben auch bei mir in Hamburg aus dem
Parlament gelöscht.
Ein
vergleichbar parasitäres Dauerregierungs-Dasein fristet die „Schas“ in Israel.
Die ultraorthodoxe
Partei der "Sephardischen Tora-Wächter" spaltete sich vor 30 Jahren
von der Agudat Jisra’el, die mehr von Aschkenasim dominiert war, ab.
Schas
wurde kontinuierlich radikaler, lehnt inzwischen Verhandlungen mit den
Palästinensern oder gar über den Status Jerusalems kategorisch ab. Und wie es
sich für Ultraorthodoxe gehört, verdammt, verflucht und bekämpft Schas
Homosexuelle.
Es ist
vermutlich ein Israelisches Phänomen, daß das eigentlich nicht mehr zu
steigernde Wort „orthodox“ (gr. ὀρθός orthos ,geradlinig, richtig,
und δόξα doxa ,Glaube‘; also der RICHTIGE GLAUBE) noch in den Ausprägungen
ultraorthodox und ultra-ultraorthodox existiert.
Jene
Ultraorthodoxen Juden Jerusalems, die Frauen ohne Vollverschleierung mit
Steinen bewerfen und Touristen mit Exkrementen übergießen, sind nämlich
keineswegs eine homogene Gruppe, sondern in eine Mannigfaltigkeit aus verschieden
strengen Ultraultraorthodoxen aufgefächert.
Die
"Lev Tahor", hebr. reines Herz, bekannt als die
"Taliban-Sekte" beispielsweise sind deutlich orthodoxer als ultraorthodox.
Vor zwei Jahren berichtete der SPIEGEL über Naomi Machfud, eine sechsfache
Mutter und "Lev Tahor"-Angehörige, sowie ihr Vorbild Bruria Keren.
Machfud, 30 Jahre,
sechs Kinder, zwischen sich und die Welt eine Isolierschicht aus Stoff gezogen.
Sie trägt: einen Wollumhang, eine Schürze, eine Bluse, drei bodenlange
Cordröcke, einen schwarzen Rock, eine Hose. Sie hat ein schwarzes Wolltuch lose
um den Kopf gewickelt, darunter sitzt ein enges, schwarzes Tuch, darunter ein
blassrosa Kopftuch. Kein Haar schaut hervor, nur ein Paar Ohrringe, aber die
nimmt sie ab, wenn sie das Haus verlässt.
Machfud ist Jüdin, mit
einem Juden verheiratet und wohnt in einer Siedlung im Westjordanland. Aber sie
kleidet sich, als würde sie in Afghanistan leben. "Taliban", so werden
die Verschleierten in Israel genannt, sie selbst nennen sich Tuchfrauen.
Machfud behauptet, sie seien Tausende, wahrscheinlicher ist, dass es ein paar
Hundert dieser Frauen gibt, man sieht sie vor allem im ultraorthodoxen
Stadtviertel Mea Schearim in Jerusalem, schwarze, unförmige Gestalten, an den
Händen die Töchter, Miniaturausgaben ihrer selbst.
[…]
Bislang ist das vor allem in Jerusalem zu
beobachten, in Beit Schemesch und Bnei Brak bei Tel Aviv, den ultraorthodoxen
Herzkammern des Landes, aber zunehmend auch dort, wo säkulare Israelis leben.
[…]
Sie fühle sich gut mit dem Kopftuch und
all den Röcken, sagt Naomi Machfud. So gut, dass sie nicht mal im Sommer
schwitze, bei 45 Grad. […] Am weitesten
getrieben hat es Bruria Keren, am Ende trug sie 27 Lagen Stoff. Israel nennt
sie "Mama Taliban", sie ist eine der Anführerinnen der Tuchfrauen. […]
"Es fing an mit einem Mantel, dann
waren es drei, Hosen kamen dazu, ein Rock darüber, am Ende waren es zehn Röcke
und zehn Mäntel und Handschuhe", erzählt ihr Sohn, dessen Name nicht
genannt werden soll. "Vor acht Jahren hat sie ihr Gesicht mit einem
Schleier bedeckt, zuerst nur draußen, dann auch zu Hause, am Ende sogar beim
Duschen. Seitdem habe ich ihr Gesicht nicht mehr gesehen. Sie hat im Bad ein Zelt
errichtet, selbst die Wände durften sie nicht nackt sehen." Auch
gesprochen hat sie nicht mehr, sie machte Gesten oder schrieb.
Und während seine
Mutter immer tugendhafter wurde, hatte der Sohn mit seiner Schwester im
Nebenzimmer Sex. Er war 15, sie war 12. […]
Ganz
offensichtlich sind alle abrahamitischen Religioten zu unvorstellbarer
Geisteskrankheit fähig.
Und das
Verhältniswahlrecht macht es möglich, daß in Israels Knesset fast immer die
Schas in der Regierung sitzt.
Bedauerlicherweise
will es das Koalitionsgerangel so, daß stets die Ultra-Religiösen von der
Schas-Partei das Zünglein an der Waage spielen.
(Schas = A
Sephardic-Haredi party, whose original name was "Sephardi Keepers of the
Torah", that was established toward the elections for the Eleventh Knesset
in 1984, as a protest against the peripheral representation of Sephardim within
the Agudat Yisrael list.)
Verrückt;
obwohl sich 70% der Israelis als „säkular“ empfinden, sind immer die schlimmen
Fundis in der Regierung.
Auch
in der gegenwärtigen Bibi-Regierung stellt Schas gleich vier Minister.
Bei
den letzten Knesset-Wahlen im Februar 2009 erhielt die Schas elf Sitze.
Ihre
Abgeordneten Chaim Amsellem, Ariel Atias, David Azoulay, Amnon Cohen, Yitzhak
Cohen, Yakov Margi, Avraham Michaeli, Meshulam Nahari, Yitzhak Vaknin, Eliyahu
Yishai und Nissim Zeev achten peinlich genau darauf, daß den Palästinensern
keine Zugeständnisse gemacht werden.
Rabbi
Ovadia Jossef, das geistliche Oberhaupt der orthodoxen Schas-Partei in Israel
wählt seine Worte so, daß gelegentlich sogar das Weiße Haus scharf protestiert.
Jossef hatte in seinem wöchentlichen Gebet in Jerusalem
am Samstagabend gesagt, dass die Palästinenser "von unserer Welt
verschwinden" sollten. "Möge die Pest sie befallen", sagte der
Rabbi weiter.
(AFP
30.08.2010)
Noch
viel verrückter sind die Privilegien der ultrareligiösen Bürger Israels.
Rabbiner
befinden ganz allein über Standesangelegenheiten (eine Zivilehe oder gar
Scheidung gibt es nicht in Israel!), Ultraorthodoxe müssen nicht zur Armee und
arbeiten auch nicht.
Sie
werden einfach vom Staat durchgefüttert und drücken der großen Majorität der
Säkularen zum Dank dafür immer extremere Anweisungen aufs Auge.
So
müssen Frauen in vielen Jerusalemer Bussen hinten sitzen, sich quasi
verschleiern, dürfen in der Armee nicht mehr singen, etc, pp.
Ultraorthodoxe
Männer machen ihr ganzes Leben nichts anderes außer in Thoraschulen zu hocken,
ihre Frauen zu schwängern und Leute anschwärzen, die sich nicht ebenso
verhalten.
Beten,
Poppen und Pöbeln.
Das
ist in etwa so, als ob man in Deutschland die Piusbrüder von allen staatlichen
Pflichten befreite, ihnen Alimente zahlte und sie dafür allein das Recht hätten
Standesbeamte zu sein.
In
Israel gibt es bekanntlich eine strenge Wehrpflicht:
Jeder
muß in die Armee: Männer drei Jahre und Frauen zwei Jahre.
Doch die Ultra-Orthodoxen trotzten einst dem
Staatsgründer David Ben Gurion eine Ausnahmeregelung ab. Er gestand ihnen die
freie Wahl zu, ob sie den Dienst an der Waffe verrichten oder lieber ganztags
in den Jeschiwot, den Thora-Schulen, die heiligen Schriften studieren wollen.
Damals, im Jahre 1948, erschien das verkraftbar. Es
handelte sich um lediglich 400 Ausnahmefälle, und überdies argumentierten die
Religiösen, sie würden Israels Sicherheit betend befördern - durch die Pflege
des Bundes zwischen Gott und seinem auserwählten Volk. Im Laufe der Jahre aber
stieg die Zahl der Ausnahmegenehmigungen auch wegen der enorm hohen
Geburtenraten der Ultra-Orthodoxen steil an: 2011 waren es bereits 71000
Jeschiwa-Studenten, die sich vom Wehrdienst hatten befreien lassen.
Generell
staut sich aber immer mehr Wut gegen die Ultras und ihre Privilegien an.
Die
Schas ist also so etwas wie die FDP Israels.
Irgendwie
kam sie immer in die Knesset und meistens koalierte sie sich dann auch in die
Regierung.
1992: 4,9 % – 6 Sitze.
Regierungsbeteiligung mit der Arbeitspartei
1996: 8,7 % – 10 Sitze.
Regierungsbeteiligung mit dem Likud
1999: 13,0 % – 17 Sitze. Wechsel zu Baraks
Arbeitspartei, schließlich 2001 unterstützte Schas Ariel Scharons
Likud-Regierung.
2003: 8,2 % – 11 Sitze Schas in der Likud-Regierung
2006: 9,5 % – 12 Sitze Regierungsbeteiligung
Ehud Olmert/Kadima-Partei
2009: 8,5 % – 11 Sitze vier Minister unter
Bibi Netanjahu.
2013: 8,8 % – 11 Sitze Minister unter Bibi
Netanjahu.
2006: 9,5 % – 12 Sitze Minister unter Bibi
Netanjahu.
2009: 8,5 % – 11 Sitze Minister unter Bibi
Netanjahu.
2013: 8,8 % – 11 Sitze
Seit
März 2013 ist die Schas ungewöhnlicherweise in der Opposition. Das soll sich aber
bald wieder ändern.
Genügend
Irre, die sie wählen, gibt es sicher.
Möglicherweise
zerlegen sich die Ultraorthodoxen allerdings durch ihre eigene Blödheit selbst und eifern auch im
Untergang der FDP nach.
Dabei
will Netanjahu nach den Wahlen am 17.03.2015 unbedingt wieder mit der Schas
regieren.
[….] Machtkämpfe und Intrigen, die heimlichen
Schmutzkampagnen und offenen Schlammschlachten, mit denen sich Israels
mächtigste religiöse Partei im Wahlkampf selbst zerlegt. Mittendrin steht
ausgerechnet der heiligengleich verehrte Rabbi Ovadia Josef, der vor gut einem
Jahr verstorbene "spirituelle Anführer". [….] Ovadia
Josefs Stimme aus dem Totenreich hat das Schmierenstück in Gang gesetzt. Genau
genommen war es eine Videoaufnahme aus dem Jahr 2008, die einem Fernsehsender
zugespielt worden war. Der Rabbi beschimpfte darin den Schas-Chef Arye Deri als
"gefährlich" und als "Dieb", er sehe in ihm eine Gefahr für
die Partei und er wirft ihm obendrein unbotmäßige "Unabhängigkeit"
vor. Nur wegen heftigen Drucks von außen habe er den Hallodri an die
Parteispitze befördert, erklärte da Ovadia Josef - und lobte als leuchtendes
Gegenbeispiel zu Deri den früheren Innenminister Eli Jischai.
Das Video gewährt
einen seltenen Blick ins Innenleben der Schas-Partei, die von Ovadia Josef
sektenähnlich geführt worden war. [….]
Arye Deri ist
charismatisch und gerissen
[….] wegen Betrugs und Amtsmissbrauchs
wurde er zu vier Jahren Haft verurteilt, knapp zwei saß er ab, anschließend
durfte er für sieben Jahre kein öffentliches Amt mehr ausüben. [….] Rivale Eli Jischai hatte sich in den Jahren
ohne Deri still nach oben gedient, grau seine Ämter verrichtet und dabei immer
den "Maran" im Blick gehabt, den Meister und Lehrer, wie Ovadia Josef
von seinen Anhängern bis heute genannt wird. Jischai muss es als enorme
persönliche Kränkung empfunden haben, von Deri wieder verdrängt zu werden. [….] Deri [….] warf Jischai vor, für seine "kleinkarierten persönlichen
Interessen" auf der Ehre Ovadia Josefs herumzutrampeln. In tiefem Schmerz
über diese "Blasphemie" erklärte er in einem sogleich für die Medien
vervielfältigten handschriftlichen Brief erst seinen Rücktritt vom
Parteivorsitz, dann legte er auch noch sein Knesset-Mandat nieder.
Die Wirkung war bei
allem Pathos vermutlich kühl kalkuliert. Der parteieigene "Rat der
Thora-Weisen" lehnte Deris Rücktritt vehement ab, seine Anhänger schlugen vor
seinem Haus in Jerusalem ein Zeltlager auf, um ihn umzustimmen, und auch die
Familie von Ovadia Josef formierte sich zu seiner Verteidigung. Die Söhne
eilten zum Grab und warfen von dort aus Jischai vor, ihren Vater heimlich
gefilmt zu haben. [….]
Man
streitet sich munter weiter. Ihre elf Sitze im März zu halten, gilt inzwischen
als utopisch.
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