Sonntag, 3. Juni 2018

Nabelschau – Teil III

Wenn sich Demokratien ihr eigenes Grab schaufeln, indem sie irrationale, kontraproduktive Wahlentscheidungen treffen (Trump, Brexit,..), sieht man meist aus der Ferne zu und schüttelt den Kopf.
Das wohlige Schaudern von einst, als man auf Bananenrepubliken  herabblickte und sich selbst als unverrückbar vernünftig und ökonomisch stabil einordnete, ist vorbei seit wir

1.   international so verflochten sind, daß uns tausende Kilometer entfernte Krisen ganz schnell auch selbst treffen und
2.   sechs Millionen Stimmen für die AfD zeigten, daß der deutsche Urnenpöbel ebenfalls angeschlagen ist.

Abgesehen davon, daß ich obschon ich in Deutschland lebe, in den USA wähle, kann man so gut wie gar nicht das amerikanische Wahlverhalten beeinflussen.
Daran ist Deutschland tatsächlich unschuldig, das haben sie die Amis mit ihrem Bildungssystem, mit ihren Medien und ihrem starren Festhalten am electoral college selbst eingebrockt.

Verflochtener sind wir über die EU mit England, aber auch den Brexit haben sich die Murdoch-medialen linksfahrenden Insulaner mit 75% Wahlenthaltung der unter 30-Jährigen weitgehend selbst angerührt.

In den letzten Wochen kommen aber Frau Merkel auch ihre letzten Freunde in Europa abhanden.

Am 26. November 2015 löste António Costa, der Generalsekretär der Sozialistischen Partei, Merkels konservativen Kumpel Pedro Passos Coelho als portugiesischen Premierminister ab.
Nach zweieinhalb Jahren linkssozialistischer Regierung geht es Portugal ökonomisch heute übrigens so gut wie seit 14 Jahren nicht mehr.
Letzte Woche folgte im Nachbarland Spanien der Wechsel von Merkels rechtsliberalem Partner Rajoy auf den neuen spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sanchez, der nicht nur Sozialist, sondern auch Atheist ist.

Endlich ein „Patient“ weniger.

(……) Rodrigo Duterte ist ein vom Morden begeisterter Mörder, Kronprinz Mohammed, die Hoffnung Saudi-Arabiens ein Kriegstreiber, der Myriaden Menschen im Jemen auf dem Gewissen hat und Hass gegen Intimfeind Iran schürt.
Bibi Netanjahu ist ein zutiefst korrupter Kriegstreiber, der sukzessive, aber stetig die Pressefreiheit in Israel abschafft und die Justiz drangsaliert, während er immer mehr mit ultraorthodoxen Fanatikern paktiert.
Vorgestern wählten 70% der Ungarn rechtsradikal und zum dritten Mal einen ausgesprochen menschenverachtenden Antisemiten zum Regierungschef, der zuvor Justiz und freie Presse zerschmettert hatte.
Das Bild ist in einigen anderen osteuropäischen Ländern nicht viel besser, insbesondere in Polen. Dort wird seit Jahren systematisch die Demokratie abgewickelt.
 Der Schokomilliardär Poroschenko erweist sich als Ukrainischer Präsident als ebenso korrupt wie hasserfüllt und unfähig.
Auf den britischen Inseln trottelt Teresa May ihr Land ins Abseits und in Italien fanden die Wähler es sei mal wieder Zeit für Berlusconi.
Spanien, das Land, das als einziges in Europa keine relevante rechtsradikale EU-feindliche Partei wuchern lässt, bricht völlig ohne Not und zum Schaden aller eine absurden Separationskonflikt zwischen einem völlig überforderten MP Rajoy und dem destruktiven katalanischen Separatisten Carles Puigdemont los.
Neben echten Schätzchen wie Kim Jong Un und Baschar Hafiz al-Assad gibt es noch das extrem wichtige NATO-Land Türkei, dessen Präsident radikal wie Orban und autokratisch wie Putin ist, allerdings nicht über Intelligenz und Vernunft des Russen verfügt, sondern geistig auf dem Stand eines pöbelnden garstigen Kleinkindes angekommen ist.
Da ist er sich mit dem derzeit gefährlichsten und debilsten Deppen der Weltführer ähnlich: Donald Trump, der Präsident, der in jeder Hinsicht so schlimm ist, daß es keine Worte gibt seine perfide Bösartigkeit zu beschreiben. (…..)

Aber um Spanien muss man sich ohnehin weniger Sorgen machen, weil die Menschen ganz anders als in allen anderen europäischen Ländern kaum dazu neigen gefährliche Irre und/oder Rechtsradikale zu wählen. Manche sagen, es läge an der lehrreichen Negativerfahrung der Franco-Diktatur, andere führen es auf besonders intakte soziale Familienbindungen zurück.

[….] Bei Sánchez, der am Samstag von König Felipe VI. im Amt vereidigt wurde, hingegen ist nicht klar, welchen Wirtschaftskurs er einschlagen wird. Er stützt sich vor allem auf die linksalternative Gruppierung Podemos, die mit Finanzdisziplin nichts im Sinn hat. Sánchez selbst ist ein begeisterter Verfechter der EU, auch hat er als Assistent einer spanischen Europa-Abgeordneten Erfahrungen in Brüssel gesammelt. Bei allen Differenzen wird er sich bemühen, ein zuverlässiger Partner zu sein. So wird Spanien anders als vermutlich Italien trotz aller innenpolitischer Instabilität kein Krisenfall werden, der die EU bedroht. […..]

In anderen südeuropäischen Krisenländern sieht es ganz anders aus. Griechenland und Italien wählen in großen Mengen Spinner ins Parlament.

Italien ist eine große Wirtschaftsmacht, die Berlin schon erheblich mehr Sorgen macht.
Wenn da das Chaos ausbrechen sollte, geht alles den Bach runter in Europa, mutmaßen Merkel und Tusk.


Nun sind alle Möglichkeiten mies.

[….] Natürlich muss die EU versuchen, auch mit der Regierung Conte irgendwie vernünftig zusammenzuarbeiten. Und natürlich soll sie eigene Fehler überdenken. Ja, Italien wurde in der Flüchtlingskrise zu wenig unterstützt. Und, ja, Berlin und Brüssel haben in der Wirtschaftskrise vielleicht finanzpolitisch richtig gehandelt, europapolitisch aber auch falsch. Denn sie haben unterschätzt, wie die Not nicht nur Italien von der EU entfremdet hat. [….]

Euphemistisch ausgedrückt, Herr Ulrich.

Ganz anders als bei Trump und Brexit, kann sich Deutschland nicht die Hände in Unschuld waschen.
Acht Jahre Schäuble haben Deutschland extrem unbeliebt gemacht, weil der
schwäbische Jurist die Weltwirtschaft mit der Haushaltsführung einer „schwäbischen Hausfrau“ verwechselte und bar jeder ökonomischen Kenntnis meinte, alle anderen Nationen sollten wie Exportweltmeister Deutschland sparen bis es quietscht und auf Dumpinglöhne setzen.
Eigentlich kann sich auch ein Sechsjähriger ausrechnen, daß es mathematisch unmöglich ist alle Länder zu Exportländern zu machen.
Irgendeiner muss dann auch importieren und die Exporte bezahlen.
Schäuble war acht Jahre der Vertreter der Nation mit der massivsten Importschwäche, verdonnerte die Importstarken dazu ihre Ausgaben (für Importe=deutsche Exporte) zu drosseln und wunderte sich, dabei die ökonomische Substanz zu zerstören.
Weltwirtschaft erfordert Investitionen in Bildung, Infrastruktur und den sozialen Frieden.
Schäuble und Merkel haben leider bis heute nicht verstanden, daß überschuldete Nationen wie Griechenland ihre Häfen und Flughäfen nur einmal verkaufen können, um die Erlöse direkt an deutsche Banken weiterzuleiten. Das geht im nächsten Jahr nicht noch mal.
Und keine Regierung kann endlos Sozialleistungen zusammenstreichen und ewig im Amt bleiben.
Nahezu alle internationalen Ökonomen prophezeiten in der letzten Dekade, daß die von Deutschland oktroyierte Austerität nicht ewig gut gehen kann.
Es konnte nicht gut gehen aufgrund der ideologischen Verblendung der CDU-Wähler eine sich über Jahre festfressende Jugendarbeitslosigkeit zwischen 30 und 50% in den südeuropäischen Staaten hinzunehmen und zu glauben, das hätte auf Dauer keine Effekte auf die Wahlergebnisse.
In Italien beträgt die Jugendarbeitslosigkeit gegenwärtig 32%.
Merkels totale europapolitische Passivität ist der Hauptgrund dafür, daß sich die Zustände nie verbesserten.
Mal ganz abgesehen davon, daß sich Deutschland als extrem exportabhängige Nation den Ast absägt, auf dem es sitzt, wenn es von den Abnehmern seiner Exporte extreme Ausgabendisziplin und Sparsamkeit verlangt, ist das Ignorieren von sozialer Not im Süden auch hochgradig amoralisch.
Amoral ist aber das Kennzeichen der merkelschen internationalen Politik: Waffenexporte maximieren, Entwicklungshilfe minimieren, Afrikas Agrarsystem durch hochsubventionierte Hühnerklein- und Dosentomaten, sowieso Abfischungen ruinieren.
Die auch aus dieser Politik resultierenden Migrationsbewegungen wälzt Deutschland ebenfalls seit Jahren hauptsächlich auf Griechenland und Italien ab. Dort kommen die Flüchtlinge nämlich als erstes an. Im Land des Obergrenze-Innenminister Seehofers bedeutet das: Keine Hilfe aus Deutschland für Griechenland und Italien.
Sollen die doch allein zusehen, wie sie das bewältigen. Hauptsache, keiner kommt mehr bis nach Deutschland durch, während die deutsche Politik kontinuierlich die Fluchtursachen weiter verschärft.
Nun ist Deutschland auch noch das Land, welches mit seiner unseligen Energie- und KfZ-Politik am stärksten die Klimaziele einreißt und somit die Klimabedingten Migrationsdruck verschärft.

Im Gegensatz zu Scholz und Maas hat Merkel entweder immer noch nicht begriffen wie fahrlässig und gefährlich ihr Macron-Bremskurs ist, oder – noch schlimmer – sie weiß es, aber ignoriert es aus kurzsichtigen parteipolitisch-wahltaktischen Gründen.

Ich mag mich natürlich nicht dem „Merke-muss-weg“-Geschrei anschließen, weil die Parole von Identitären, Rechtsradikalen und Reichsbürgern gekapert wurde, die Merkel für zu international und europäisch orientiert halten.
Ich hingegen sage, Merkel muss weg, weil sie viel zu wenig international denkt und eine fahrlässig nationalprimitive Sicht einnimmt.

Hätte Deutschland bloß nie sein Verhältnis zu den Südeuropäern ruiniert. Wir säßen möglicherweise auf etwas kleineren Geldbergen, aber wir wären dafür gemeinsam stark und könnten uns gegen Trump wehren.
Anders als Wirtschaftsminister Altmaier und einige Verbände suggerieren funktioniert Appeasement und devotes Buckeln nicht auf die Dauer.

[….] Man kann einen Konflikt nicht dadurch entschärfen, dass man den Aggressor gewähren lässt.
Deutschland hat als Exportnation bei einem Handelskrieg sehr viel zu verlieren. Es ist daher noch mehr als andere auf europäische Solidarität angewiesen. "Unsere Antwort auf America First kann nur heißen: Europe united" - der Satz von Außenminister Heiko Maas trifft die Sache genau, aber er muss Konsequenzen haben.
Angesichts des drohenden Handelskonflikts ist es noch wichtiger, dass Paris und Berlin eng zusammenarbeiten, dass also die Bundesregierung auf Präsident Macron zugeht und seine Reformvorschläge für Europa endlich ernst nimmt. [….]

Klar, Trump ist großer Mist und nicht Deutschlands Schuld, aber Merkel und die europäische Uneinigkeit sind sehr wohl Schuld der deutschen Wähler.

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