Montag, 15. Februar 2021

Republikanische Huhn-Ei-Problematik

Nach dem „Freispruch Zweiter Klasse“ für Donald Trump gehen weltweit die Kommentatoren hart mit den Republikanern ins Gericht.

Selbst die konservativsten Analysten sind entsetzt über den Abgrund von Amoral und Feigheit der GOP-Senatoren.

Der liberale Amerika-Korrespondent der SZ kann keinen Funken Hoffnung mehr für die GOP aufbringen.

[……] Die Republikaner sind nicht mehr zu retten. [……]

  Das schändlichste Verhalten eines Präsidenten und die besten Beweise dafür reichen nicht für einen Schuldspruch, wenn es genügend Abgeordnete und Senatoren gibt, die, aus welchen Gründen auch immer, kein politisches Interesse an einer Verurteilung haben.  Genau das ist in dieser Woche in Washington passiert. Hat Donald Trump den Mob aufgehetzt, der am 6. Januar das Kapitol gestürmt hat? Natürlich. Haben die Demokraten das bewiesen? Absolut. Hätte Trump daher wegen "Anstiftung zum Aufstand" verurteilt werden können und müssen? Auf jeden Fall. [……] Aber er wurde eben nicht verurteilt. Nur sieben der 50 republikanischen Senatorinnen und Senatoren schlossen sich den Demokraten an und stimmten für ein Schuldurteil. [……]  Was soll man machen, wenn die Republikaner Trump partout nicht zur Rechenschaft ziehen wollen? Eine der absurdesten Vorstellungen des Prozesses lieferte der republikanische Fraktionschef im Senat, Mitch McConnell ab. "Nicht schuldig", tönte er in den Saal, als über das Urteil abgestimmt wurde. Ein paar Minuten später legte er dann in einer eloquenten Rede dar, dass Trump den Mob am 6. Januar natürlich zu Gewalt angestachelt habe. Zynischer und opportunistischer kann man Politik eigentlich kaum betreiben. [……] Gegen böse politische Geister wie Donald Trump gibt es in einer Demokratie nur eine Abhilfe - Wahlen. Es ist Aufgabe der republikanischen Wähler zu verhindern, dass Trump je wieder ihr Präsidentschaftskandidat wird. Und es ist, wenn die Republikaner dabei wieder versagen, Aufgabe der amerikanischen Wähler zu verhindern, dass Trump noch einmal Präsident wird. [….]

(Hubert Wetzel, 14.02.2021)

Nun könnten nur noch die amerikanischen Wähler die Nation retten.

Für die rechten Funke-Zeitungen schreibt Leitartikler Dirk Hautkapp aus der Zentralredaktion eine Abrechnung.

[….] Donald Trump wollte einen durch seine ureigene Agitation groß und rasend gewordenen Mob als Brechstange gegen das Staatsgefüge einsetzen. [….]   Daß der alleinige Urheber dieses nur durch glückliche Umstände gescheiterten Coup-Versuchs  dafür nicht die ganze Härte des parlamentarischen Sanktionskastens zu spüren bekommt, ist Ausdruck eines Systems, in dem die Republikaner von Wächtern zu Totengräbern der Demokratie mutiert sind. [….]

Dass nur sieben von 50 Konservativen mit den Demokraten stimmten, die im Gegensatz zu Trumps fürchterlichen Winkeladvokaten eine lückenlose Beweiskette aufboten, zeigt die Dimension des moralischen Bankrotts einer Partei, die sich heute zu wesentlichen Teilen rechtsradikalen „Proud Boys“ und Verschwörungstheoretikern wie QAnon mehr verpflichtet fühlt als Abraham Lincoln. [….]   Aber ohne die rückstandslose Ausbootung Trumps und die unmissverständliche Abgrenzung von sämtlichen Extremisten, man kann auch von Inlandsterroristen sprechen, kann die „Grand Old Party“ nicht gesunden. [….]

(WAZ/Abla/Morgenpost, etc, 15.02.2021)

Die Hoffnung auf Mut, Einsicht und Anstand bei der GOP gibt Hautkapp auf.

Stattdessen setzt er auf die Überzeugungskraft Joe Bidens. Durch erfolgreiches Regieren könne er große Teile der 74 Millionen Trump-Wähler eines Besseren belehren. Die würden dem Trumpismus abschwören und die feigen Republikaner bei den nächsten Wahlen abstrafen.

 

Wetzel und Hautkapp hoffen auf den Einfluss der vernünftigeren konservativen Wähler auf die radikalen GOP-Abgeordneten.

Sie sehen offenbar die Parlamentarier als Antreiber des faschistoiden Extremismus und der Irrationalität.

Tatsächlich gibt es unter ihnen absolute Fanatiker – Cruz, Hawley, Jordan, Greene, Gaetz, Brooks, McCarthy – die wie einst Goebbels die Wähler aufhetzen, sie regelrecht zu Gewalt, Unfrieden und antidemokratischen Verhalten jagen.

Stimmte dieser Einfluss-Vektor, der von Parlamentariern auf die Wähler zeigt, könnten sich die amerikanischen Bürger dieser Kraft des Bösen widersetzen, indem sie einfach nicht mehr die rechten Fanatiker der GOP in ihre Ämter wählen.

In Wahrheit ist es aber mindestens eins wechselseitiger Einfluss. Trump, FOX, Cruz, Hawley, Jordan, Greene, Gaetz, Brooks, McCarthy treiben die Wähler nach rechts.

Aber meiner Ansicht nach treiben die ihrerseits von social media und ultrarechten Verschwörungssendern Breitbart, FOX, Newsmax und OAN aufgehetzten Wähler die republikanischen Politiker nach rechts.


Die GOP-Basis ist so radikal ungebildet, rassistisch und rechtsextrem, daß GOP-Politiker, die einen Hauch von Anstand zeigen, in ihren Wahlkreisen sofort einen Aufstand fürchten müssen.

Zuletzt erlebte das die ultrakonservative Liz Cheney, Tochter des GOP-Rechtsaußens Dick Cheney, der als Vizepräsident Hauptkriegstreiber war.

Cheney steht in jeder politischen Frage am äußersten rechten Rand des Parteispektrums.

Als sie aber für das zweite Trump-Impeachment stimmte, machte die fanatische Trump-Basis Jagd auf sie. Don Junior und Matt Gaetz fielen in ihrem  ultrakonservativen Bundestaats Wyoming ein und mischten die Basis so auf, daß Cheney womöglich auch bald durch einen QAnon-Fanatiker ersetzt wird, der an von Juden gesteuerte Space-Laser als Ursache für Waldbrände glaubt und voller Überzeugung berichtet, wie demokratische Parteigrößen in geheimen Kellern Kinder gefangen halten und aussaugen.

Marjorie Taylor Greene, die neue Ikone das absoluten GOP-Wahnsinns läßt frühere Schock-Gestalten wie Michele Bachmann und Sarah Palin wie hochgebildete Liberale wirken.

Ihre Ansichten sind aber lange bekannt und dennoch wurde sie mit 75% in ihrem Wahlkreis Rome, GA in den US-Kongress gewählt.

Bei so einer endgültig und unrettbar debilen Bevölkerung sind Hauptkapps und Wetzels Hoffnungen auf die amerikanischen Wähler, die die GOP zur Vernunft zwingen könnten, a priori zum Scheitern verurteilt.

Diese Menschen sind nicht heilbar und schon gar nicht belehrbar. Sie sind tatsächlich böse und borniert.

Da hilft nur selbstverschuldetes evolutionäres Ausmendeln, weil sie keine Masken tragen und Masken verweigern. Weil sie sich Opioide in die Venen jagen, ihre Geschwister heiraten, betrunken schon jedem Dreijährigen automatische Waffen in die Hand drücken, weil sie Junkfood fressen, oder durch ihre radikale Ablehnung einer Krankenversicherung in einen frühen Tod gehen.

Oder ein Meteorit.

René Pfister vom SPIEGEL besuchte wie so viele andere staunende Journalisten aus aller Welt Greenes Wahlkreis in Georgia. So viel kann ich verraten: Weite Teile der Bevölkerung sind so radikal verblödet, daß sie sich niemals von Greene und Trump distanzieren werden.

 

[…..]  Im No­vem­ber wähl­te der 14. Be­zirk Geor­gi­as Mar­jo­rie Tay­lor Gree­ne als neue Ab­ge­ord­ne­te für den Kon­gress, und seit­her fal­len Re­por­ter in die Stadt mit ih­ren 36 000 Ein­woh­nern ein, als wäre dort ein Ufo ge­lan­det. Sie be­stel­len ei­nen Lat­te an der Broad Street und fra­gen die Pas­san­ten, wie sie auf die Idee kom­men konn­ten, eine Frau zu wäh­len, die Nan­cy Pe­lo­si, der Che­fin der De­mo­kra­ten im Re­prä­sen­tan­ten­haus, eine Ku­gel in den Kopf wünsch­te. Und die der Mei­nung war, in Wa­shing­ton re­gie­re eine sa­ta­ni­sche Sek­te, die Kin­dern das Blut ab­zapft.
Seit sich Do­nald Trump in sein Gol­f­re­sort in Flo­ri­da ver­zo­gen hat, ist Mar­jo­rie Tay­lor Gree­ne der neue Star der Rech­ten in Ame­ri­ka. Gree­ne hat sich ein Haus in Rome ge­kauft, ei­ner Stadt, in der die Re­stau­rants trotz Pan­de­mie schon zum Früh­stück rap­pel­voll sind. Es hat hier in der Ge­gend kaum je­man­den ge­stört, als mit­ten in Gree­nes Wahl­kampf ein Vi­deo auf­tauch­te, in dem sie Black-Li­ves-Mat­ter-Ak­ti­vis­ten mit Neo­na­zis ver­glich und sag­te, wer den Is­lam und die Scha­ria möge, soll­te am bes­ten gar nicht in die USA kom­men, son­dern da blei­ben, wo »ihr eine Men­ge Frau­en, Zie­gen und Scha­fe ha­ben könnt«. Bei der Wahl am 3. No­vem­ber schlug Gree­ne ih­ren de­mo­kra­ti­schen Ge­gen­kan­di­da­ten mit 74,7 Pro­zent der Stim­men.
[…..]  Kath­le­en Thor­man blin­zelt ei­nen Tag da­nach in die mil­de Win­ter­son­ne Geor­gi­as und sagt, Sor­gen be­rei­te­ten ihr die Wor­te des neu­en Prä­si­den­ten, nicht die von Mar­jo­rie Tay­lor Gree­ne. »Wir brau­chen je­man­den, der Ame­ri­ka schützt und uns vor dem So­zia­lis­mus be­wahrt.« Thor­man ist eine freund­li­che Frau von 64 Jah­ren, um de­ren Hals ein Kreuz bau­melt und die neun Kin­der groß­ge­zo­gen hat. […..]  . Wie die meis­ten Re­pu­bli­ka­ner hier traut sie den Me­di­en nicht über den Weg.
Thor­man ist Vor­sit­zen­de der Re­pu­bli­ka­ni­schen Par­tei in Gor­don Coun­ty, das zu Gree­nes Wahl­kreis ge­hört. Als sich Gree­ne für den frei wer­den­den Sitz im Kon­gress be­warb, war Thor­man erst ein­mal skep­tisch. Aber dann hör­te sie Gree­ne re­den: von der Ge­fahr, die dro­he, wenn die De­mo­kra­ten erst ein­mal das Sa­gen hät­ten in Wa­shing­ton. Von den Flücht­lin­gen, die dann das Land stür­men wür­den, und der staat­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung, von der doch nur jene pro­fi­tier­ten, die auf der fau­len Haut lä­gen.
[…..]  Die »Idea­le«, für die der Sü­den kämpf­te, wa­ren die Skla­ve­rei und die Un­ter­drü­ckung der Schwar­zen. […..]  Rund ein Vier­tel der re­pu­bli­ka­ni­schen An­hän­ger glaubt, dass an den QA­non-Theo­ri­en et­was dran sei, wo­nach etwa die De­mo­kra­ten in Wahr­heit eine sa­ta­ni­sche Sek­te sei­en. Und mehr als drei Vier­tel der re­pu­bli­ka­ni­schen An­hän­ger sind der Mei­nung, Trump sei am 3. No­vem­ber der Sieg ge­stoh­len wor­den. »Trump won«, stand auf der Mas­ke Gree­nes, als sie am 3. Ja­nu­ar den Kon­gress be­trat, um ih­ren Eid als Ab­ge­ord­ne­te ab­zu­le­gen. Drei Tage spä­ter stürm­te ein wü­ten­der Trump-Mob in das Herz der ame­ri­ka­ni­schen De­mo­kra­tie. […..] 

 (DER SPIEGEL, 13.02.2021)

 

Es wird Zeit, daß ich die deutsche Staatsbürgerschaft bekomme.

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