Dienstag, 30. November 2021

Eso-Ego-Trip

 

Es gibt Myriaden Gründe dafür, nicht religiös zu sein.

Die antihumanistische Moral, die verbrecherische Geschichte, der massenhafte sexuelle Missbrauch, die Geldgier, das Küngeln mit menschenverachtenden Diktatoren der Religionen. Der vielen offensichtlich falschen und unsinnigen Lehren. Flache Erde, Erschaffen der Frau aus der Rippe des Mannes, 900 Jahre alte Menschen, sprechende Schlangen, Kreationismus.

Außerdem erfordert Religiosität enorm viel Irrationalität. Da beten Menschen, um ihren Autoschlüssel wiederzufinden, glauben, Jesus helfe ihnen dabei, eine Klassenarbeit zu bestehen oder nicht beim Schwarzfahren erwischt zu werden. Das also tut Jesus, aber er unternimmt nichts, um das Verhungern von 20.000 kleinen Kindern pro Tag zu verhindern?

Jesus sorgt dafür, daß die entlaufene Katze wieder nach Hause kommt, konnte sich aber nicht aufraffen den sechs Millionen entsetzlich zu Tode gequälten Menschen in deutschen Konzentrationslagern zu helfen? Jesus hilft Krebs zu überstehen, heilt aber grundsätzlich keine Amputierten?

Das ist ein weiterer Punkt, der extrem gegen Religion spricht: Sie erfordert sagenhaften Egoismus.

Ein seit dem Urknall vorhandenes Wesen, das sich neben Quadrillionen Sonnensystemen auch um diesen einen unwichtigen kleinen Planeten Erde am Rande der Milchstraße kümmert, es dort mit rund 120 Milliarden Menschen-Seelen zu tun hat, die bereits gelebt haben, soll sich aber die Zeit nehmen, genau zuzuhören, wenn eine dieser irrelevanten Ameisen im Beichtstuhl sitzt und mit dem Pfarrer darüber spricht, wie oft in der letzten Woche masturbiert wurde? Was für eine sagenhafte Anmaßung, überhaupt auf die Idee zu kommen, daß so ein Gott sich ausgerechnet mit einem selbst beschäftigen sollte!

Die Inselverarmung in einem menschlichen Gehirn muss deutlich sein, wenn sein Besitzer sich für derartig bedeutend hält, daß ein im kosmischen Dimensionen agierender Schöpfer-Gott, akribisch darauf achtet, ob der kleine Homo Demens mit seiner nahezu unmessbar kurzen Femto-Lebensspanne, beim Mathetest abgeschrieben hat oder beim Anblick der Brüste der Nachbarin eine Erektion bekommt.

Der religiotische Ego-Wahn wird im Esoterik-Bereich ungebremst fortgeschrieben. Da sind Menschen, die fest davon überzeugt sind, die Erschaffer des Universums, die Erzengel würde ausgerechnet mit ihnen sprechen, sie wären Jesus und Maria persönlich begegnet.

Dabei verbindet die Astrologie die größten Dinge mit dem Kleinsten und Unwichtigsten.

An Astrologie zu glauben, ist natürlich ausgesprochen dumm. Aber wer kann schon etwas dafür, dumm zu sein? Insofern ist Dummheit auch verzeihlich.

An Astrologie zu glauben, ist aber auch sehr narzisstisch und das macht diesen Glauben so unsympathisch.

[…..]  Weit draußen in der Unendlichkeit verschwendet sich Hamal. Den Wasserstoff in seinem Inneren hat der Stern bereits aufgebraucht und er verballert weiter Brennstoff. Hamal strahlt etwa mit der 60-fachen Leuchtkraft der Sonne. Der Riesenstern verströmt seine Energie in knapp 66 Lichtjahren beziehungsweise etwa 622 Billionen Kilometern Entfernung zur Erde, es ist schon ein Stückchen. Dort draußen kreist der Himmelskörper um eine Kraft, die womöglich sogar jene des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße übertrifft: das menschliche Ego. Hamal ist der hellste Punkt im Sternbild Widder. Für Astrologiegläubige bedeutet dies, dass er Leben und Erleben der Menschen auf der Erde beeinflusst. Wie viel Brennstoff es Hamal wohl kostet, sich um die irdisch-banalen Wünsche der Erdlinge zu kümmern?  Horoskope klingen meist wie eine Anmaßung kosmischen Ausmaßes. All die Sterne und Planeten da draußen wirken auf die Gesundheit, die Beziehungen und die Karriere der Menschen? Dieses egozentrische Weltbild scheint noch immer weit verbreitet zu sein, der irrationale Glaube an die Macht der Sterne findet weiterhin Anhänger. Diese Horoskopisten zeichnet offenbar ein leicht gesteigerter Hang zum Narzissmus aus, […..]  Gerade nämlich haben Wissenschaftler […..]  eine Studie publiziert, die diesen Schluss nahelegt. Die Forscher widmeten sich der Frage, anhand welcher Charaktermerkmale sich am ehesten vorhersagen lässt, ob ein Mensch an Astrologie glaubt. […..]  Als stärkster Prädikator entpuppte sich eine gesteigerte Selbstverliebtheit. Narzissmus stehe womöglich deshalb mit einem Glauben an Astrologie in Verbindung, so Andersson, weil beide Phänomene im Kern stark egozentrisch geprägt seien: Die ganze Welt, ach was, das ganze Universum mit seinen Galaxien, Sternen und Planeten dreht sich um mich und meine Wünsche! […..]

(SZ, 30.11.2021)

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