Dienstag, 9. November 2021

Wer handelt jetzt mal?

 Aus den unrühmlichen Erfahrungen der Weimarer Republik, in der dauernd Regierungen stürzten und von dem ebenso senilen wie mächtigen Reichspräsidenten Hindenburg ersetzt wurden, lernten die Verfassungsväter.  Der deutsche Bundespräsident wird nicht mehr vom Volk gewählt und nimmt eine wesentlich schwächere Rolle ein. Er kann eben nicht, nach seinem Gutdünken Regierungen ein- und absetzen. Einen amtierenden Bundeskanzler wird man außerdem nur durch ein konstruktives Misstrauensvotum los. Es muss also gleichzeitig die Kanzlermehrheit für einen anderen Kandidaten zustande kommen. Das ist sehr viel schwieriger als eine Mehrheit zu verlieren.

Mit der konstituierenden Sitzung des 20. Bundestags am 26.10.2021 wählten die Abgeordneten eine neue Präsidentin, ein neues Präsidium und Bundespräsident Steinmeier überreichte der Kanzlerin und den Ministern ihre Entlassungsurkunden. Sie bleiben aber laut Verfassung geschäftsführend im Amt. Das kann theoretisch bis zur nächsten Bundestagswahl so bleiben, wenn keine Koalition zustande kommt, die eine Kanzlermehrheit erreicht.

Ja, eine Ampel ist hochwahrscheinlich und mutmaßlich wird im Dezember der nächste Bundeskanzler Scholz gewählt.

Sicher ist das aber nicht. Vielleicht verkrachen sich SPD und Grüne noch so sehr, daß Armin Laschet Jamaika-Kanzler wird, weil die Grünen in der Konstellation viel weniger Gewicht hätten. Oder Lindner und Habeck stellen so unüberwindbare Gegensätze fest, daß Mützenich oder Klingbeil entnervt eine neue Groko mit der Brinkhaus-CDU bilden.

Olaf Scholz ist nicht nur ein intimer Kenner der Berliner Verfassungsorgane, sondern auch selbst Jurist.  Daher hält er sich auffallend und ausdrücklich zurück. Die Journalisten würden über ihn herfallen, wenn er sich lange bevor ein Koalitionsvertrag in Sicht ist und noch in den Sternen steht, ob eine Kanzlermehrheit zu Stande kommt, schon als Regierungschef aufspielte.

Es gibt für ihn auch keinen Anlass initiativ zu werden, denn wir haben eine amtierende, vollfunktionstüchtige Bundesregierung, deren Minister und Kanzlerin alle einen Eid geschworen haben, ihre ganze Kraft einzusetzen.

Soweit die Theorie.

In der Praxis ist es aber leider so, daß Merkel, Seehofer und Spahn schon in den Rentnermodus übergegangen sind. Die Kanzlerin lässt sich auf einer großen Abschiedstournee durch die Welt feiern, kümmert sich einen feuchten Kehricht um die Pandemie. Seehofer sitzt schon lange wieder in seinem Ingolstädter Psychokeller und setzt kleine Merkel-Voodoo-Figuren auf seine Spielzeugbahn. Der irrste von allen ist aber Jens Spahn, der seinen Ministerjob ganz vergessen hat, sich auf den CDU-Parteivorsitz konzentriert und um gute Stimmung zu verbreiten die „epidemiologische Lage“ zum 25.11.2021 auslaufen lässt. In seiner bizarren Selbstwahrnehmung ist er der Superminister, der Corona besiegt hat.  Kann man sich nicht ausdenken.  Spahns Schlamperei, seine Weigerung über Impfpflicht auch nur nachzudenken und die völlige Tatenlosigkeit bei Impf-Werbekampagnen, haben dazu geführt, daß die pandemische Lage schlimmer ist als jemals zuvor.

Die konservativen Freistaaten mit ihren enormen Covidioten-Quoten rasen auf 500er Inzidenzen zu.

08.11.2021
Immerhin wissen wir jetzt einiges sicher: Die panische Angst vornehmlich konservativer Minister vor den Eso-Seuchenfreunden ihrer Bundesländer, die sie gern wie AfD-Wähler nur mit Samthandschuhen anfassen und ihnen versichern, sie ernst zu nehmen, war extrem kontraproduktiv.

Immer wieder die Impfpflicht auszuschließen, nahm nicht etwa den Druck von den „Impfmuffeln“, um mit ihnen im Gespräch zu bleiben, sondern führte nur zu einer katastrophal niedrigen Impfquote mit vollen Intensivstationen und immer neuen Seuchenausbrüchen in Pflegeheimen.

Es gibt keinen konsensorientierten kommunikativen Weg, um mit Antisemiten umzugehen. Man baut Homohassern keine Gesprächsbrücken. Man zeigt kein Verständnis für Rassisten. Man diskutiert nicht mit Evolutionsleugnern oder Flacherdlern, als ob sie bloß einer anderen Theorie anhingen.

Ebenso verhält es sich mit Impfverweigerern, Frau Will! Man lädt nicht Sahra Sarrazin in eine Sonntagabend-Talkshow, um sie dort ihre bekannten Coronaschwurbeleien ausbreiten zu lassen.

Gestern Abend, eine Woche nach der Wagenknecht-Katastrophe bei der beschaulichen Anne Will, platzierte Weltärztepräsident Montgomery einen Trigger-Satz, der so viel Eruptionen der der Covidioten auslöste, daß ich morgens von den Protuberanzen aufgerüttelt wurde, obwohl ich die Sendung gar nicht gesehen hatte.

[…..] Der Vorstandsvorsitzendes des Weltärztebundes, Montgomery, hat die Politik davor gewarnt, neue Lockdowns oder eine Impfpflicht pauschal auszuschließen. Solche „apodiktischen Nie-Aussagen“ seien einfach falsch, sagte er im ARD-Fernsehen. Die Situation könne sich jederzeit ändern. Zudem beklagte Montgomery, man erlebe derzeit eine – Zitat – „Tyrannei der Ungeimpften“ über eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Bevölkerung. In Ländern wie Portugal seien 97 Prozent der Über-Zwölfjährigen geimpft. Dort gebe es keine einschränkenden Maßnahmen mehr, weil man sie nicht mehr brauche. […..]

(DLF, 08.11.2021)

Die schlimmsten Verschwörungstheoretiker und Hass-Prediger rasteten erwartungsgemäß aus. Ausgerechnet der PP-Urinduscher warf Montgomery vor, Hass zu predigen und Verschwörungstheorien zu verbreiten.

Immerhin drei gute Argumente konnte Berger gegen Montgomery vorbringen: Er wäre nur Radiologe (und kein medizinischer Experte wie Theologe Berger), er spreche im gebührenfinanzierten TV und außerdem habe er Übergewicht!

Ätsch, entlarvt!

[….] Dass mit der sich anbahnende Corona-Diktatur gerade das Gegenteil immer mehr zum Problem wird, scheint auf dem engschränkten Röntgenbild des Herrn Doktor nicht erkennbar. [….] In der ARD-Talksendung „Anne Will“ warnte der gelernte Röntgenbildmacher vor einer bereits bestehenden „Tyrannei der Ungeimpften“ unter der die geimpfte Zweidrittelmehrheit der Bevölkerung leide. [….] Mit seinen Aussagen hat Montgomery einen ganz wesentlichen Beitrag für ein weiteres Eskalieren der gegenwärtigen bürgerkriegsvorbereitenden Spaltung der deutschen Gesellschaft geleistet. Bereits jetzt versammeln sich in den sozialen Netzwerken fanatische Hasskommentatoren, die angestachelt von Montgomerys Aussagen, brachiale Maßnahmen (bis hin zu Gefängnisstrafen und zur Vergasung [„Ungeimpfte ins Gas“]) von Ungeimpften fordern. [….] Wenn der sichtbar übergewichtige Vizevorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, einem topfitten Profisportler Kimmich öffentlich eine Impfung aufzwingen will, weißt du, daß du, verflixtnocheins, das Zwangsgebühren-Anstaltsfernsehen eingeschaltet hast. […]

(Philosophia Perennis, 08.11.2021)

Dieses pawlowsche Hetzen der stolzen Ungeimpften zeigt mustergültig, wie aussichtlos Überzeugungsarbeit und Argumentationen mit diesen Fanatikerin sind.  Wir brauchen sofort bundesweit 2G bei allen Veranstaltungen, einen totalen Lockdown für Ungeimpfte und Impfpflicht für alle Menschen, die beruflich in Kontakt mit anderen kommen.

[….] Tschentscher: Pandemie nicht aus Sicht der Ungeimpften beurteilen.  Auf die Frage, ob zwei 2G-Modelle letztlich nicht eine Art Lockdown für Ungeimpfte bedeuteten, sagte der SPD-Politiker: „Wir können diese Pandemie nicht immer aus der Sicht der Ungeimpften beurteilen.“ Die große Zahl der schon geimpften Personen habe schließlich auch Rechte. In vielen Bundesländern gebe es bisher eine zu niedrige Impfquote – „und dort eskaliert jetzt auch die Situation.“ [….]

(MoPo, 08.11.2021)

Ungeheuerlich, nach einer Kaskade von Sterbewellen in Pflegeheimen, in denen immer noch ungeimpfte Pfleger die vulnerabelsten Menschen anstecken, werden diese potentiellen Mörder von ihrer obersten Vertreterin verteidigt!

  […..] Interessanter ist da die Frage nach den Tyrannen, den Ungeimpften etwa in der Pflege – deren Duldung etwa in Altenheimen immer wieder Pflegebedürftigen das Leben kostet. Christine Vogler tut, was sie als Präsidentin des Deutschen Pflegerates tun muss, und würde die Beschäftigten gern »aus dem Fadenkreuz nehmen«.[…..] Eine Impfpflicht für diese Berufsgruppe allein lehnt sie ab. Es gebe »1,2 Millionen Pflegende in diesem Land«, die sich ihrer Verantwortung für die Patienten absolut im Klaren seien. Als Bürgerinnen und Bürger hätte sie aber die gleichen Rechte und Verpflichtungen wie alle anderen auch.  Alena Buyx, Professorin für Medizinethik, widerspricht und befürwortet durchaus »eine Impfpflicht dort, wo eine besondere, auch berufliche Verantwortung besteht«. Ihr sekundiert Montgomery, bei allem Respekt vor der Position Voglers: »Aber der alte Mensch muss doch sicher sein, dass ich nicht eine Bedrohung für ihn bin«. [….]

(Arno Frank, SPON, 08.11.2021)

Die Zeit des Laschetschen Beschwichtigens und Spahnschen Abwartens ist vorbei.

[…..]   Im Herbst und Winter werden sich nach Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, so gut wie alle Nicht-Geimpften mit Corona infizieren. »Wir werden erleben, dass sich in den nächsten Monaten aller Voraussicht nach jeder, der nicht geimpft wird, infizieren wird«, sagte Gassen am Sonntagabend dem Sender Bild TV.  Andere Maßnahmen als Impfen böten vor dem Coronavirus keinen Schutz. »Es ist eine trügerische Sicherheit, wenn die Leute meinen, weil sie nicht zum Karneval gehen oder noch in der U-Bahn eine Maske tragen, sind sie davor geschützt, sich mit Corona zu infizieren«, sagte Gassen. [….]

(SPON, 11.08.2021)

Wir werden tatsächlich von den Ungeimpften tyrannisiert. Sie sind aber insbesondere auch eine Zumutung für die Pfleger und Ärzte auf den Intensivstationen.

Auf Olaf Scholz kommen enorme Probleme zu, denn neben allerlei Schwurblern, Esoterikern, Nazis, Aluhüten und Konservativen, ist es vor allem sein mutmaßlicher Koalitionspartner FDP, der durch strikte Ablehnung der Impfpflicht die Todesraten nach oben jagen will.

[…..] Mit der Verteidigung der Freiheit lässt sich so viel begründen: ein Nein zum Tempolimit oder zu Steuererhöhungen oder eben zu einer Impfpflicht. Tatsächlich aber ist diese Haltung nur einfältig - und in einer Pandemie gefährlich. […..] Das führende Personal der FDP baut seine Lieblingssätze derzeit gerne so: "Mit uns wird es kein/keine ... geben." Wobei die Leerstelle dann wahlweise mit "Steuererhöhung", "Aufweichung der Schuldenbremse", "Tempolimit" oder "Impfpflicht" gefüllt wird. Das klingt im Ergebnis herrlich entschieden, wie in Stein gemeißelt statt nur in Mikrofone gesprochen. […..] Das Problem ist nur, dass sie den Freiheitsgedanken, aus dem die Liberalen stets ihre Haltung und ihre politischen Forderungen ableiten, an der ein oder anderen Stelle doch arg verkürzen. Beispiel Tempolimit. Das Rasen auf der Autobahn - auf Kosten der Umwelt und der anderen Autofahrer - als eine Art Hochamt der bürgerlichen Freiheit zu verklären, ist eine Beleidigung der Intelligenz all jener, die Freiheit tatsächlich für ein hohes Gut halten.  Noch dramatischer wird ein allzu simpler Freiheitsbegriff beim Thema Impfpflicht. […..] Nun ist es aber so, dass zum Liberalismus neben der Freiheit auch die Verantwortung gehört. Zudem wird die Freiheit des Individuums begrenzt durch die Freiheit all der anderen Individuen. In einer Pandemie, in der die Ansteckung nur einen Hustenanfall des Sitznachbarn im Bus entfernt ist, sind diese anderen nun einmal verdammt nah an jeden Einzelnen herangerückt. Der Radius, innerhalb dessen man tun und lassen kann, was man will, ist enger geworden. Das sollte auch die FDP anerkennen. […..]

(Henrike Roßbach, SZ, 09.11.2021)

Die FDP ist de facto nicht regierungsfähig, aber was soll man machen, wenn der Souverän Rote und Grüne dazu zwingt, sie Industrielobbyvertreter ins Kabinett zu nehmen?

Vielleicht ist es wenigstens möglich, sie aus dem Gesundheitsministerium fernzuhalten und nicht mehr wie das paralysierte Kaninchen vor der Schlange zu kuschen, wenn die Covidioten loszetern.

[…..] Die Angst der Politik vor den Schwurblern

Deutschland steht am Beginn der möglicherweise schlimmsten Corona-Welle der Pandemie. Experten haben das lange vorausgesagt. Und trotzdem ist in der Politik fast nichts passiert. Im Gegenteil: Jens Spahn hat noch vor wenigen Tagen den Eindruck erweckt, als sei Corona vorbei. Vermutlich, um im Kampf um den CDU-Vorsitz seine Bilanz ins rechte Licht zu rücken. Inzwischen hat er sich dafür entschuldigt. Davon haben Corona-Opfer oder das Personal auf den Intensivstationen aber herzlich wenig. Natürlich erschwert der Regierungswechsel die Situation zusätzlich. Trotzdem ist es atemberaubend, wie wenig vorausschauend die Gesundheitspolitiker gehandelt haben. Man kann den Eindruck gewinnen, als hätten sich Spahn & Co. so passiv verhalten, um Schwurbler nicht weiter gegen sich aufzubringen. Deshalb wird noch nicht mal über eine Impfpflicht diskutiert, die eine Mehrheit inzwischen befürwortet. Die Politik hat sich in Geiselhaft einer lauten Minderheit begeben. Das ist politische Feigheit und eine Dummheit noch dazu. […..]

(Christian Burmeister, MoPo, 06.11.2021)

Bei dem Totalversagen, das Merkel, Spahn und die Bundesländer gerade vorexerzieren, muss sich Olaf Scholz vermutlich über die Verfassung hinwegsetzen und als vager Zukünftiger Pflöcke einschlagen.

Es pressiert gewaltig.

[….] Der Abgeordnete Olaf Scholz, geschäftsführender Vizekanzler und wohl bald Bundeskanzler, verfügt ganz gewiss über ausreichend Legitimität, sich zum Verhältnis von Respekt gegenüber Menschen und Rücksichtnahme auf Koalitionspartner zu äußern, im Parlament oder wo auch immer. Gerne wird von Scholz der Spruch zitiert, wer Führung verlange, bekomme sie auch. Also: einmal Führung, bitte. Und zwar am Stück, nicht in Scheiben. [….]

(Nico Fried, SZ, 08.11.2021)

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