Man nenne mich naiv, aber mir gefällt die derzeitige Ukraine-Kriegsrhetorik gar nicht. Ich fühle mich von Joe Bidens Ankündigungen abgestoßen.
[…] US-Präsident Joe Biden rechnet nach eigenen Angaben mit einem russischen Angriff auf die Ukraine in den "kommenden Tagen". "Ich bin überzeugt, dass er die Entscheidung getroffen hat", sagte Biden im Weißen Haus über den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Wir haben Grund, davon auszugehen", fügte er hinzu. Russland habe aber immer noch die Wahl zwischen einem "katastrophalen und sinnlosen Krieg" und der Diplomatie. "Wir haben Gründe zu glauben, dass das russische Militär plant und vorhat, die Ukraine in der kommenden Woche, in den kommenden Tagen, anzugreifen", sagte Biden. Auch glaubten die USA, "dass sie die ukrainische Hauptstadt Kiew angreifen werden, eine Stadt mit 2,8 Millionen unschuldigen Menschen". [….]
Es ist schwer zu verstehen, wieso sich Biden so konkret festlegt, nachdem er schon einen russischen Großangriff für den 16.02.2022 prophezeit hatte und nachdem doch nichts passierte, anschließend blamiert dastand, wie die Zeugen Jehovas, nachdem sie wieder einmal die Rückkehr Jahwes falsch berechnet hatten.
Analyst Marco Overhaus mutmaßt, bei dieses drastischen Ansagen aus Washington, wäre weniger Moskau der Adressat, als die europäischen NATO-Staaten, die dazu gezwungen werden sollten, sich eindeutig zu positionieren.
In den sozialen Medien kochen die Aggressionen hoch. Wer wie ich, dazu aufruft, wenigstens zu versuchen, die Motive des „Gegners“ zu verstehen, wird mit Häme („Russlandversteher“) eingedeckt.
Den Tiefpunkt moralisch-intellektuellen Tiefpunkt erlebte ich vorgestern auf Facebook, als mir ein durchaus gebildeter Mann, ein mittelbekannter Autor, Mitte 60, in absolut korrekter Rechtschreibung entgegenschleuderte, er ließe sich von mir gar nichts über Russland sagen. Seine Großmutter wäre in Ostpreußen von russischen Soldaten ermordet und seine damals 14-Jährige Mutter von russischen Soldaten vergewaltigt worden; er kenne die Russen.
Das ist zwar eine persönliche Tragödie, die aber keinerlei Rückschlüsse auf „die Russen“ – also 144 Millionen Menschen des Jahres 2022 – zulässt.
Außerdem höre ich diese Argumentation besonders ungern von Deutschen. Denn die ohnehin ethisch unzulässige Aufrechnung von gegenseitig zugefügtem Leid, können Deutsche nicht „gewinnen“, weil sie a) angefangen haben und b) die Sowjetunion mit 25 Millionen Toten den mit Abstand höchsten Blutzoll zahlte.
Die Argumentation mit der 14-Jährigen Mutter in Ostpreußen, ist so unsinnig, daß ich sie gar nicht erwähnen sollte, wenn nicht der ehemalige deutsche Bundespräsident Joachim Gauck ebenso primitiv und amoralisch Position gegen Russland bezogen hätte. Indem er das Leid seines Vaters, der in einem sibirischen Arbeitslager verschwand, in die Waagschale warf. Gaucks Eltern, beide waren aktive, NSDAP-Mitglieder, die Mutter ab 1932, der Vater ab 1934, dürfen niemals das Verhalten des deutschen Staatsoberhauptes 80 Jahre später bestimmen.
Die aktuelle Lage in der Ukraine ist nicht vollständig bekannt, weil es in den östlichen Landesteilen längst zu unsicher für internationale Journalisten geworden ist und die NATO-Staaten ihre Landsleute in der Ukraine dringend dazu auffordern auszureisen.
Wir wissen, daß Oberbefehlshaber Putin viele russische Truppen auf russischem Gebiet bewegt und russische Raketen in Russland testet.
Wir wissen auch, daß Russland im Gegensatz zur USA, seine Truppen eben nicht auf allen Kontinenten der Erde (außer der Antarktis) in 761 militärische US-Einrichtungen aller Teilstreitkräfte (Army, Air Force, Navy, Marine Corps) im Ausland bewegt. Die USA hat sich rund um Russland gruppiert und nicht etwa marschiert Russland vor den US-Grenzen umher.
Offensichtlich weiß niemand ganz genau, was der Kreml derzeit plant und wie eine russische Exit-Strategie aussehen könnte. Ich nehme mich selbstverständlich nicht aus und kann daher auch keine Erklärung dafür abgeben, was in Putins Kopf vorgeht.
Es ist aber mehr als Whataboutism, nämlich eine echte Heuchelei, wenn sich Russland von Blinken, Baerbock und Biden mit erhobenen Fingern vorhalten lassen muss, das Völkerrecht einzuhalten.
Seit wann glauben wir eigentlich dem notorischen Völkerrechtsbrecher
USA? Der Nation, die alle geächteten Waffen verwendet, Folterlager betreibt und
die Todesstrafe einsetzt, wenn es um Kriegseintritts-Begründungen geht?
Die USA sind eine Nation, die sich vier Jahre lang einen Oberbefehlshaber und Oberkommandierenden
leistete, der mehr als 30.000 mal öffentlich log und der von 75 Millionen
Amerikanern erneut gewählt wurde.
Wir wissen aber auch, wie seine demokratischen Vorgänger und Nachfolger es mit dem Völkerrecht hielten.
Selbstverständlich waren Obamas ständige Drohnenangriffe auf souveräne Staaten völkerrechtlich illegal. Allein in den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit ließ Barack Obama 1.718 Personen im Ausland durch Drohnenangriffe gezielt ermorden. Natürlich war es völkerrechtlich illegal, wie Obamas USA im Jahr 2011 Osama bin Laden auf Pakistanischem Staatsgebiet töteten. Solche Aktionen sollte Putin mal wagen. Dann wäre was los!
Obama war es auch, der Angela Merkels Telefon abhören ließ.
Joe Biden, Obamas Vize und jetziger US-Präsident, schert sich ebenso wenig um das Völkerrecht. Diese Woche raubte er das bettelarme afghanische Volk aus, stahl sieben Milliarden Dollar, die von der afghanischen Regierung in den USA festgelegt waren. Nahezu die gesamten Finanzreserven des hungernden und bettelarmen Volkes.
[….] Was Biden hier tut, ist schlicht und ergreifend Diebstahl und ein handfester, ja himmelschreiender Skandal. Der Präsident beraubt ein Volk seiner ohnehin geringen Finanzreserven, die den USA im guten Glauben zur Verwahrung überlassen worden waren. Das Geld gehört nämlich nicht der afghanischen Regierung, nicht der Zentralbank und schon gar nicht den Taliban. Es gehört den Bürgerinnen und Bürgern eines geschundenen Landes, die seit der Rückkehr der Gotteskrieger und der Verhängung internationaler Sanktionen vielfach Hunger leiden und in manchen Fällen gar um ihr Leben fürchten. All diese Menschen hatten, womöglich von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, mit den Anschlägen vom 11. September nichts zu tun und mussten dennoch bereits zwei Jahrzehnte lang Krieg und brutale Machtkämpfe erdulden. Nun bestraft sie Biden ein weiteres Mal. [….]
(Claus Hulverscheidt, 18.02.2022)
Insbesondere aber beim Thema „Kriegsbeginn“ blickt die USA auf eine Kette von Lügen zurück.
So geht es immer los; als Erstes stirbt die Wahrheit.
Der „Tonking-Zwischenfall“ (US-Lüge, um den Vietnamkriegseintritt zu
rechtfertigen), die „Iraker töten Kuwaitische Babies"-Meldung (US-Lüge, um
den Irakkriegseintritt 1991 zu rechtfertigen) und die Massenvernichtungswaffen
(US-Lüge, um den Irakkriegseintritt 2003 zu rechtfertigen) lassen grüßen. Erst
lügen, um Aktionen zu rechtfertigen und wenn Tatsachen geschaffen worden sind,
klammheimlich zurück rudern.
Der Hauptgrund für Putins Agieren ist offensichtlich
seine Sorge davor, daß die NATO an seine Grenzen rückt.
Die Sorge ist nach den ungeheuerlichen Erfahrungen Russlands sehr
nachvollziehbar. Es war immer „der Westen“, der von Napoleon bis Hitler,
Russland angriff. Russische Herrscher führten nie Angriffskriege gegen den
Westen.
Putin will eine Garantie dafür, daß nicht auch noch die Ukraine der NATO beitritt.
Das halte ich für sehr nachvollziehbar, aber gleichzeitig problematisch, weil natürlich weder Biden, noch Macron noch Scholz der Regierung in Kiew vorschreiben können, was sie zu tun hat.
Es ist eben gerade nicht mehr wie zu Zeiten des Warschauer Paktes, als Moskau entschied und sich Prag, Ost-Berlin oder Budapest fügten. Aber, wie sich wieder einmal herausstellt und wie es seit 30 Jahren auch von Michail Sergejewitsch Gorbatschow erklärt wurde: Die Nato-Staaten haben im Zuge der Deutschen Vereinigung tatsächlich versprochen, daß sie nicht an Russland heranrücken würden. Der Westen hat Russland aber betrogen, Gorbatschow und Putin haben diesbezüglich Recht. Washington ist der Betrüger und Lügner.
[…] Nato-Osterweiterung: Aktenfund von 1991 stützt russische Version.
[…] Das belegt ein Vermerk aus dem britischen Nationalarchiv. Der US-Politikwissenschaftler Joshua Shifrinson hat das ursprünglich als »secret« eingestufte Dokument entdeckt. Es handelt von einem Treffen der politischen Direktoren der Außenministerien der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands in Bonn am 6. März 1991. Thema war die Sicherheit Polens und anderer osteuropäischer Staaten. Die deutsche Einheit lag gut fünf Monate zurück, ein Ende des Warschauer Paktes – des sowjetischen Imperiums – war absehbar. Schon seit Monaten signalisierten Politiker in Warschau oder Budapest ihr Interesse am westlichen Bündnis. Wie das Dokument belegt, stimmten Briten, Amerikaner, Deutsche und Franzosen jedoch überein, dass eine Nato-Mitgliedschaft der Osteuropäer »inakzeptabel« sei. Bemerkenswert ist daran die Begründung. Bonns Vertreter Jürgen Chrobog erklärte laut Vermerk: »Wir haben in den Zwei-plus-vier Verhandlungen deutlich gemacht, dass wir die Nato nicht über die Elbe hinaus ausdehnen. Wir können daher Polen und den anderen keine Nato-Mitgliedschaft anbieten.« […] Und auch die Amerikaner sahen 1991 die Situation wohl so, wie sie heute Putin darstellt. US-Vertreter Raymond Seitz stimmte laut Vermerk Chrobog zu und sagte: »Wir haben gegenüber der Sowjetunion klargemacht – bei Zwei-plus-vier wie auch anderen Gesprächen – dass wir keinen Vorteil aus dem Rückzug sowjetischer Truppen aus Osteuropa ziehen werden... Die Nato soll sich weder formal noch informell nach Osten ausdehnen.« Der neue Archivfund passt zu einer Fülle von Dokumenten aus den Monaten nach dem Mauerfall, die inzwischen vorliegen. […]
Wieso also ist nun ausgerechnet Washington der Hort der Glaubwürdigkeit, wenn es um russische Militärvorhaben geht?
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