Bekanntlich interessiere ich mich nicht für Sport und finde daher Olympische Spiele oder Fußball-WM immer ganz angenehm: Da präsentieren die Zeitungen große Sport-Strecken. In der SZ gibt es täglich sechs oder acht Seiten Sonderberichterstattung zu den Olympischen Spielen, die ich gleich ungelesen auf den Stapel für die Altpapiertonne wandern lasse. Die täglich auf mich einprasselnde Informationsflut ist ohnehin nicht zu bewältigen; da bin ich froh über jeden Artikel, den ich auslassen kann. Wenn es gleich mehrere Seiten am Stück sind, umso besser.
Üblicherweise kann ich dennoch nicht verhindern, daß über die Peripherie meiner Aufmerksamkeit auch sportliche Meldungen zu mir vordringen. Das Feuilleton sinniert über sportliche Leistungen, Medienpolitik in China wird zum Riesenthema und in ihrer albernen Manie volksnah zu wirken, verwenden Politiker olympische Metaphorik, versuche auf den Gold-Zug aufzuspringen, wenn irgendeine deutsche Figur Medaillen erringt. Menschenrechte? Irrelevant.
[….] „Wenn ein Schauspieler in einem Theater Hamlet spielt, fragt auch keiner, ob er während des Stücks politische Meinungen äußern kann“, wird Bach bei der Tagesschau zitiert. Dieser ungewöhnliche Vergleich von Thomas Bach vor Olympia 2022 sorgt für Kritik. Biathlon-Olympiasieger Arnd Peiffer sagte im Interview mit dem NDR, Bach mache sich „zum Komplizen eines Systems, das Menschenrechte nicht achtet“. „Ich denke da an die Uiguren, an Hongkong und an die fehlende Meinungsfreiheit. Menschen, die sich frei äußern, oder Aktivisten werden mundtot gemacht. Und es gibt auch Leute, die verschwinden. Thomas Bach argumentiert immer, die Olympischen Spiele seien unpolitisch. Das ist aus meiner Sicht Augenwischerei“, sagte der 34-Jährige weiter. […]
Auch ohne das geringste Interesse an Fußball, bekomme ich nebenher mit, wenn die deutsche Mannschaft aus einem internationalen Turnier fliegt und registriere die Spielergebnisse der Hamburger Bundesligavereine, weil sie nun einmal auf den Titelseiten der Hamburger Zeitungen auftauchen.
So selektiv kann ich (leider noch) nicht lesen, daß nicht irgendeine Hirnzelle unterbewußt mit abspeichert, wenn auf der Titelseite des Hamburger Abendblattes „HSV verliert viertes Spiel in Folge!“ steht.
In der Idiotie-Hierarchie der Sportarten stehen für mich
die Tiersportarten ganz oben, weil die Pferde natürlich gequält werden und es
ökologisch vollkommen absurd ist, eine Flotte von Jumbo-Jets zu chartern, um sedierte
Spring- oder Polopferde um die ganze Welt zu fliegen.
Anschließend kommen alle Mannschaftssportarten, weil es bei ihnen generell nicht
um messbare sportliche Leistungen, sondern um Nationalismus geht.
Hoch absurd und an dritter Stelle der Sportidiotie sind die Tätigkeiten, die
wie Formel1 oder Hochsee-Segeln oder Bobfahren nur für Multimillionäre möglich
sind, weil das Sportgerät völlig unbezahlbar ist.
Generell erscheint mir Wintersport, Platz 4, eine Umdrehung absurder als die sommerlichen Aktivitäten, weil Trickski-Pisten, Bobbahnen oder Skiflugschanzen völlig unnatürlich sind, nicht nur zig Millionen Dollar kosten, sondern im höchsten Maße energiefressend und klimaschädlich sind.
Dieses Jahr gebe ich mir mehr Mühe als sonst schon, jede sportliche Meldung aus Peking konsequent auszublenden, explizit sofort umzuschalten, wenn in einer Nachrichtensendung der Sportblock beginnt.
Das Thema „Olympische Spiele“ werde ich dennoch nicht los, da gerade aus deutscher Perspektive die Korruption, die Raffgier und Heuchelei relevant sind. Der neben FIFA-Chef Gianni Infantino peinlichste Sportfunktionär der Welt, ist ein Deutscher: FDP-Mitglied und IOC-Chef Thomas Bach, der lächelnd den Genozid an den Uiguren zukleistert, sich den schlimmsten Diktatoren vor die Füße wirft und sämtliche Prinzipien der Demokratie und Fairness mit Füßen tritt.
[…] Nun […] berichten vor allem westliche Medien, wie sie während Olympia bei ihrer Arbeit behindert werden - symbolisch dafür steht der niederländische Reporter Sjoerd den Haas: Das Video, wie er am Freitagabend während einer Liveschalte nach Peking von einem Security-Mitarbeiter weggezerrt wird, verbreitete sich rasend im Internet. Das IOC sprach danach von einem Einzelfall, den Haas schrieb bei Twitter jedoch, dass er und Kollegen in den vergangenen Wochen oft bei ihrer Arbeit behindert worden seien. Von einem Einzelfall könne man nur schwer sprechen; auch die Behauptung des IOC, man habe mit Haas' Arbeitgeber gesprochen, dem öffentlich-rechtlichen TV-Sender NOS, könne nicht bestätigt werden. Am 31. Januar hatte der Foreign Correspondents' Club of China, ein Zusammenschluss der Auslandskorrespondenten in China, einen Report veröffentlicht mit dem Vorwurf, dass sie an ihrer Arbeit gehindert werden - inklusive Einschüchterung und Belästigung: "Der chinesische Staat findet immer neue Mittel, Korrespondenten, ihre chinesischen Kollegen und auch Leute, mit denen die Presse reden will, über Online-Belästigung, physische Angriffe, abgelehnte Visa-Anträge und Cyber-Hacking einzuschüchtern." [….]
(Jürgen Schmieder, SZ, 07.02.2022)
Wenn Deutsche als Funktionäre ganz oben in einer
Weltorganisation ankommen, muss ich mich, auch wenn ich keinen deutschen Pass
habe, fast immer in Grund und Boden schämen:
Reinhard Grindel, Günther Oettinger, Joseph Ratzinger, Ursula von der Leyen,
Thomas Bach – man möchte sich sofort ein tiefes Loch graben und darin
verschwinden, wenn diese Leute auftreten.
[…] Thomas Bach sollte sich schämen!
Schon der Gedanke an die Besetzung der Ehrentribüne bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele lässt einen erschaudern. Wladimir Putin wird dort sitzen, Mohammed bin Salman, Kronprinz von Saudi-Arabien und mutmaßlicher Auftraggeber des Mordes an Jamal Khashoggi, wird seinen beiden Skifahrern zuwinken, auch die Diktatoren aus Kasachstan und Turkmenistan erweisen Xi Jinping die Ehre – und dem deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach. […]
Aber natürlich kennt FDP-Mann (Partei der Freiheit!) Bach eben keinerlei Schamgefühl. Diese Spiele sind so eine Schande, daß ich selbst ohne das geringste Sportinteresse davon behelligt werde.
[…] Die Winterspiele in Peking sind schon vor Beginn eine einzige Farce. Die IOC-Funktionäre um Thomas Bach haben die Olympische Idee verraten. Profiteur ist Chinas menschenverachtendes Unrechtsregime. Nie zuvor haben Olympische Spiele Sportfans weltweit so kalt gelassen wie diesmal. Von Vorfreude ist nirgendwo etwas zu spüren, und dafür gab es selten so viele Gründe. In China ist man stolz, als erster Austragungsort überhaupt sowohl Winter- als auch Sommerspiele durchzuführen. Doch das größte Sportereignis der Welt hat in Peking nichts zu suchen. Zum einen, weil es absurd ist, dass nur 14 Jahre zwischen den beiden Events liegen. Zum anderen aber und vor allem, weil die Hauptstadt kein Wintersportort ist - und die weit entfernten anderen Wettkampfstätten Zhangjiakou (u.a. Ski Alpin und Nordisch, 180 Kilometer von Peking) sowie Yanqing (u.a. Rodeln, Bob, 75 Kilometer entfernt) auch nicht. Denn in Peking wie in den vermeintlichen Wintersportgebieten liegt kein Schnee, was angesichts der anhaltenden Trockenheit in der Nähe der Wüste Gobi dort nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist. Fast so absurd wie eine Fußball-Weltmeisterschaft in der Wüste... […] So laufen seit Wochen hunderte Schneekanonen nahezu rund um die Uhr, da der Kunstschnee durch den Wüstenwind meist sofort wieder weggeweht wird. Dafür müssen Tonnen von Wasser aus weit entfernten Reservoirs transportiert werden. Zudem wurde das Umweltschutzgebiet, in dem sowohl Yanqing als auch Zhangjiakou liegen, um 25 Prozent reduziert, um dort die neuen Wettkampfstätten hinzusetzen. So wie die gigantische Bobbahn, die sich die chinesische Führung für mehr als zwei Milliarden Euro schenkte - und die nach den Spielen nicht mehr regelmäßig genutzt werden wird. Experten wie die renommierte Geowissenschaftlerin Carmen de Jong sprechen daher von den "unnachhaltigsten Spielen aller Zeiten".[…] Angesichts der hoch ansteckenden Omikron-Welle kann die fast paranoide Null-Covid-Strategie im seit zwei Jahren beinahe hermetisch abgeriegelten Reich der Mitte nicht aufgehen. Stattdessen steigen schon jetzt die Zahlen der infizierten Sportler, Teammitglieder und Journalisten in der von der "normalen Welt" in Peking abgeschotteten Olympia-Blase wie erwartet rasant an. Die Folge ist eine einzige Farce: Wegsperren in schäbigen Unterkünften, die mehr an ein Gefängnis denn an ein Hotel erinnern. Frustrierte Athleten, deren hart erarbeitete Medaillenträume wegen eines positiven Testergebnisses platzen. […] "Die Winterspiele 2022 werden als Genozid-Spiele in Erinnerung bleiben", hat der chinesische Oppositionelle Teng Biao gesagt. […]. Dass sich die geschichtsvergessenen IOC-Funktionäre mit Bach an der Spitze zu Claqueuren der Schreckensherrschaft von Machthaber Xi Jingping und seinen Spießgesellen machen, ist eine Schande und eine Perversion der Olympischen Idee. [….]
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