Freitag, 21. Oktober 2022

Hilfe, Scholz verkauft den Hamburger Hafen an China!

 

Kaum ist die Atom-Kuh von Eis, droht das nächste Ampel-Zerwürfnis.

Diesmal nicht FDP gegen Grüne und SPD, sondern zur Abwechslung mal SPD gegen Grüne und FDP. Die Citrus-Parteien wollen den Hafen behalten; der SPD-Kanzler nicht. So schallte es gestern durch den Pressewalt und selbst als Scholz-Fan empört man sich zunächst einmal. Xi Jinping soll zukünftig das Sagen haben in Hamburg? Geht es noch?

Nach dem gestrigen PANORAMA-Bericht herrscht helle Aufregung.

Aber wie so oft, ist bei diesen medialen Anti-Scholz-Schockwellen wenig Realität enthalten. Es gilt einiges aufzudröseln:

1.)
Was Scholz will, wissen wir gar nicht. Es ist keine Entscheidung gefallen. Wir wissen nur, daß sechs Ministerien Bedenken gegen den Deal angemeldet haben und das Bundeskanzleramt von den jeweiligen Begründungen nicht überzeugt ist. Daher wurden einige Nachfragen angemeldet und das Thema bisher nicht auf die Kabinettsordnung gesetzt.

2.)

Scholz ist nicht die treibende Kraft des China-Hafen-Deals, sondern die Hamburger Wirtschaft, die Hamburger Handelskammer, die Hafenwirtschaft, der Hamburger Senat und insbesondere die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und ihre Chefin Angela Titzrath wollen den Deal.

3.)

Natürlich soll nicht „der Hafen“ verkauft werden, denn der ist riesengroß.

[….] Der Hamburger Hafen ist ein Universalhafen, der für jede Güterart die geeigneten Umschlaganlagen bietet - von Stückgütern in Containern bis Schüttgut, von Projektladung bis Flüssigladung. Auch für Wertstoffe und Recyclinggüter gibt es eigene Spezialterminals. Auf einer Fläche von über 71 Quadratkilometern sind mehr als 50 Umschlaganlagen tätig, die für eine reibungslose Abfertigung der unterschiedlichen Güter sorgen. Rund 290 Liegeplätze bieten Platz für Schiffe jeglicher Größe: besonders große Container- und Massengutschiffe, Öl- und Chemikalientanker, RoRo- und Stückgutfrachter, Feeder- und Binnenschiffe. Für das schnelle und sichere Handling der Güter sorgen hochmoderne Umschlagtechnologien und qualifiziertes Fachpersonal. […]

(Hafen Hamburg)

Zum Hafen gehören vier hochmoderne Containerterminals - EUROGATE, HHLA Container Terminal Altenwerder, HHLA Container Terminal Burchardkai und der   HHLA Container Terminal Tollerort. Letzterer ist der Kleinste der vier Terminals und an diesem einen möchte die chinesische Reederei Cosco Shipping Port Limited (CSPL), die zweitgrößte der Welt, einen Anteil von einem Drittel erwerben.

[…] Die HHLA befindet sich nach wie vor in dem laufenden Verfahren zur Erteilung der erforderlichen investitionsrechtlichen Freigabe. Von einer ablehnenden Haltung durch sechs Bundesministerien ist der HHLA nichts bekannt. Nichtzutreffend ist die Darstellung, dass die EU der Kooperation widersprochen haben soll. Die kartellrechtliche Erlaubnis wurde durch die zuständigen Behörden erteilt.

Der HHLA sind in dem nunmehr seit über einem Jahr laufenden Verfahren keine sachlichen Gründe genannt worden, die gegen eine Freigabe der Investition sprechen würden.

Die HHLA stellt vor diesem Hintergrund nochmals klar: 

Im Rahmen der geplanten Partnerschaft erwirbt COSCO Shipping Port Limited (CSPL) keine Anteile am Hamburger Hafen. Die Beteiligung betrifft maximal 35% der Anteile an der HHLA Tochter Container Terminal Tollerort GmbH (CTT).

Im Rahmen der notwendigen Investitionsprüfung untersucht die Bundesregierung, ob die Beteiligung Gefahren für die Sicherheit des Landes birgt. Dies ist aus Sicht der HHLA nicht der Fall:

1.   CSPL erlangt keinen Zugriff auf den Hamburger Hafen oder die HHLA. Die Transaktion betrifft nur eine Minderheitsbeteiligung an der HHLA Betriebstochter CTT GmbH.

2.   Die CTT GmbH ist letztlich eine Betriebsstätte. Die HHLA AG behält die alleinige Kontrolle über alle wesentlichen Entscheidungen. COSCO hat am CTT keine Exklusivitätsrechte - der Terminal bleibt für Containermengen aller Kunden offen.

3.   CSPL erhält keinen Zugriff auf strategisches Know-how. Die Hafeninfrastruktur verbleibt im Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg. IT- und Vertriebs-Daten bleiben allein in der Verantwortung der HHLA AG.

Die Zusammenarbeit zwischen HHLA und COSCO schafft keine einseitigen Abhängigkeiten. Im Gegenteil: Sie stärkt die Lieferketten, sichert Arbeitsplätze und fördert Wertschöpfung in Deutschland. Eine reibungslos funktionierende Logistik ist Grundvoraussetzung für weltweite Handelsströme und Wohlstand. Für Klimaschutz wie für Logistik gilt: Fortschritt und Sicherheit gibt es nur auf der Grundlage von Zusammenarbeit, gemeinsamer Ziele und Interessen.

Die Zusammenarbeit beider Partner stärkt auch die Position der Freien und Hansestadt Hamburg als Logistik-Hub im Nord- und Ostseeraum sowie der Bundesrepublik Deutschland als Exportnation.  [….]

(HHLA, 21.10.2022)

4.)

Die in Hong Kong ansässige Cosco ist keineswegs neu in dem Business und dirigiert  drei Dutzend Häfen und hunderte Terminals weltweit.

[….]  COSCO SHIPPING Ports Limited (Stock Code: 1199.HK) is a leading ports operator in the world; its terminals portfolio covers the five main port regions in Mainland China, Southeast Asia, the Middle East, Europe, South America and the Mediterranean. As at 30 September 2022, CSP operated and managed 367 berths at 37 ports worldwide, of which 220 were for containers, with a combined annual handling capacity of 122 million TEU. […]

(Cosco)

Die chinesische Mega-Reederei hält bereits europäische Beteiligungen an den Seehäfen Piräus (Griechenland, 100%), Zeebrügge (Belgien, 90%), Antwerpen (Belgien, 20%), Euromax Rotterdam (Niederlande, 17.85%), Valencia (Spanien, 51%), Bilbao (Spanien, 39.51%), Vado Reefer Terminal (Italien, 40%), Vado Container Terminal (Italien, 40%) und Kumport Terminal Istanbul (Türkei, 26%).

Hinzu kommen Beteiligungen an Binnenhäfen, wie Duisburg.

Die Chinesen investieren dort kräftig.

[….] COSCO an Bord: Duisburg bekommt Europas größten Hinterland-Hub

Logistik folgt auf die Kohle: der Duisburger Hafenbetreiber duisport baut zusammen mit COSCO, Hupac und der HTS Group ein neues trimodales Containerterminal. Geplantes Investitionsvolumen: 100 Mio. €.

Damit reagiert duisport nach eigenen Angaben auf den stark abnehmenden Kohleumschlag infolge der Energiewende. Das neue Terminal soll auf der Kohleinsel entstehen und insbesondere für die Zugverkehre der Neuen Seidenstraße zum zentralen europäischen Gateway-Hub ausgebaut werden. Er soll »Duisburg Gateway Terminal« heißen, 100 Mio. € kosten und 2022 in Betrieb gehen.

Bereits jetzt laufen rund 30% des gesamten Handels auf der Schiene zwischen China und Europa über den Duisburger Hafen. Wöchentlich fahren derzeit zwischen 35-40 Züge zwischen duisport und einem Dutzend verschiedener Destinationen in China. Mit dem neuen »Duisburg Gateway Terminal« könne die Zahl auf bis zu 100 Züge wachsen, heißt es. Dazu kämen Bahnverkehre zu europäischen Zielen, insbesondere nach Ost- und Südosteuropa, sowie Binnenschiff-Dienste in die Seehäfen.

Nach dem Endausbau entspreche dies einem Umschlagvolumen von rund 850.000 TEU/Jahr. Vor- und Nachlauf der Güter an dem trimodalen Terminal sollen vorrangig über Wasser und Schiene erfolgen  [….]

(Hansa Online, 23. Oktober 2019)

Der Hamburger Hafen ist extrem wichtig, weil er exzellent an den Rest des Landes angebunden ist. Container aus Asien landen direkt auf der Schiene oder einem LKW und werden in Windeseile an Firmen in ganz Deutschland und Nordeuropa weiter verteilt.

Allein die HHLA bewegt 6,9 Millionen Standardcontainer (TEU steht für das englische Twenty-Foot Equivalent Unit) pro Jahr an den Terminalanlagen der HHLA und transportiert jährlich 1,7 Millionen TEU mit der Bahn, dem Lkw und Binnenschiffen weiter.

Nachdem wir alle im Februar 2022 ganz plötzlich aufwachten und feststellten „Huch, wir sind ja ganz abhängig von russischem Gas, Öl und Uran“ und dann auch noch merken, wie irrsinnig teuer und schwierig es ist, sich aus dieser Infrastruktur-Abhängigkeit zu lösen, mag sogar die marktradikale FDP nichts mehr von internationalem Freihandel wissen, schreit nach protektionistischen Maßnahmen. Die Chinesen dürften keinen Zugriff auf Hamburg bekommen.

Aber der Vergleich mit Russland hinkt insofern ganz gewaltig, als Russland lediglich Rohstoffe liefert und mit 1,5 Billionen Euro BIP die elftgrößte Volkswirtschaft der Erde stellt. (Zahlen von 2021, inzwischen dürfte Russland abgerutscht sein.)

China ist mit 15 Billionen Euro BIP zehnmal so groß (Nr.2 der Welt nach der USA mit 19 Billionen Euro BIP) wie Russland.

Sich ökonomisch von Russland zu lösen, verursacht schon eine europaweite Rezession und Inflation. Wir werden diesen Winter frieren und heulen.

China ist aber ökonomisch so mächtig wie zehn Russlands und keineswegs bloß Rohstofflieferant, so daß man diese Güter womöglich auch mit viel Mühe in anderen Ländern einkaufen könnte. Nein, China ist ein Hightechland, von dem wir nicht nur bei Chips und Handys abhängig sind, sondern auch bei Öko-Technologie wie Solarzellen.

Sich von Russland zu entkoppeln, bricht uns fast das Genick. Entkopplung von China geht nicht.

Insofern sind die Warnungen des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Thomas Haldenwang, es könne durch den 35%-Cosco-Einstieg am Terminal Tollerort „zu Abhängigkeiten kommen“ ein guter Witz. Das Kind ist längst im Brunnen. Wir SIND vollständig abhängig von China.

Der Hamburger Hafen ist mit 9-10 Millionen TEU der 17tgrößte Containerhafen der Welt. Antwerpen (12 Mio TEU, Platz 13) und Rotterdam (15 Mio TEU, Platz 10) sind aber mächtiger und größer, weil sie günstiger liegen.  Die Schiffe können dort immer einlaufen und müssen nicht über 100 km durch  die viel zu flache Elbe schippern, so daß die 400m-Riesen nur halb beladen und nur bei Flut einlaufen können.

Anfang 2022 hatte Hamburg mit gewaltigem finanziellen Aufwand und gegen enorme Widerstände, sowie ökologische Bedenken, die Elbfahrrinne ausgebaggert. Alles für die große chinesischen Schiffe, von denen wir abhängig sind. Es ist ein Desaster – der Fluss ist nach neun Monaten bereits wieder mit Schlick vollgelaufen, die dicken Pötten können kaum mehr ankommen. Es wird wieder gebaggert. Das kostet täglich Millionen und niemand weiß mehr, wohin mit dem Schlick. Drei große Baggerschiffe müssen rund um die Uhr baggern.

Es ist also durchaus naheliegend anzunehmen, daß chinesische Reedereien den Umstand zukünftig vermeiden, ihre Container in Rotterdam abwerfen und wir zusehen können, wie wir das Zeug nach Deutschland bekommen. Cosco verdient durch die Beteiligung am Rotterdamer Hafen ohnehin mehr.

Das wären dann zehn Millionen LKW-Fahrten zusätzlich. Also unmöglich.

Rein ökonomisch betrachtet, macht es also aus HHLA-Sicht Sinn, die Cosco ein Drittel von Tollerort übernehmen zu lassen. Damit hätten die Chinesen ein eigenes Interesse Hamburg auch zukünftig anzulaufen.

Das Bundeskanzleramt hat gewichtige Gründe, diesen bereits vor einem Jahr abgeschlossenen Deal zu genehmigen. Ob das politisch klug ist, darf man dennoch bezweifeln. Ich bin aber sicher: Ein „Nein“ aus Berlin wird verdammt teuer für Deutschland.

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