Wenn ich groß bin, werde ich Wahrsager. Bei der heutigen Landtagswahl kam alles exakt so, wie ich es antizipierte. Aktueller Auszählungsstand um 21.00 Uhr: SPD gut 33%, Grüne gut 14%, CDU 28%, AfD 11%, FDP 4,9%, Linke 2%.
Das FDP-Ergebnis gefällt mir gut, CDU und AfD hätte ich mir selbstverständlich schwächer gewünscht.
In einer Lage, die eine derartige soziale Unsicherheit generiert und alle Menschen, die keine Topverdiener sind, in Sorgen treibt, sollten bei der LINKEN die Korken knallen, weil das eine optimale Ausgangslage für sie ist. Dennoch, wie bei den drei Landtagswahlen zuvor, in die Bedeutungslosigkeit zu krachen, erfordert schon eine außergewöhnliche Dümmlichkeit. Und eben auch Borniertheit, um trotz der für jeden offensichtlichen Desaster-Ursache Sahra Sarrazin, tumb weiter an der Rechtspopulistin festzuhalten. Wagenknecht arbeitet kontinuierlich an ihrer völkischen Querfront, bekommt nur noch von der AfD und faschistischen Bloggern Applaus. Damit ist „die Linke“ selbstverständlich für alle anständigen Menschen des linken Gesellschaftsspektrums unwählbar. Mohamed Ali, Bartsch, Wissler und Schirdewan wissen es und lassen die Wagenknechte gewähren. Die Linke ist unrettbar verloren. Wer nicht hören will, muss fühlen.
Die AfD Niedersachsen ist ein selbst für Faschisten-Verhältnisse extrem unseriöser Haufen. Die bisherige Landtagsfraktion löste sich im Streit selbst auf. Die AfD-Politiker bekämpfen sich gegenseitig mit härtesten Bandagen, werden vom Verfassungsschutz beobachtet.
[…] Zudem störte die niedersächsischen Wählenden nicht, dass der Landesverband der AfD schwerste Krisen hinter sich hat und über lange Zeit ein desaströses Bild abgab: Die Fraktion zerfiel, weil mehrere Mitglieder wegen politischer Differenzen austraten. Dadurch ging der Partei der Fraktionsstatus verloren. Untreuevorwürfe, Graben- und Lagerkämpfe prägten die AfD, in einer Kampfabstimmung riss 2020 der dem radikalen Flügel angerechnete Bundestagsabgeordnete Jens Kestner den Landesvorsitz an sich. Kurz darauf wurde die Landes-AfD von der Bundesebene her zwangsverwaltet, um einen Parteitag einberufen, der endlich Kandidaten für die Landtagswahl aufstellt. Denn eine von Kestner offenkundig aus machtpolitischen Gründen aufgesetzte Briefwahl war für unzulässig erklärt worden. […]
Die AfD ist allerdings die einzige Partei, dessen Wähler sich nicht daran stören, für so offensichtlich inkompetente Kriminelle zu votieren. Sie wollen nur ihren Hass und Hetzbotschaften kanalisieren.
Wenig umstritten dürfte die Deutung des roten und grünen Ergebnisses sein:
Ja, Scholz hat es gerade sehr schwer, die Bundes-SPD ist wieder einmal in turbulenten Fahrwasser, aber die Niedersachsen kennen und schätzen ihren Landesvater Weil. Daher konnte er, wie schon 2017 unmittelbar nach der Schulz-Katastrophe im Bund, auf Landesebene viel besser abschneiden.
Die Grünen haben sich auf 14,5% verdoppelt, weil a) die Grünen Themen Nachhaltigkeit und regenerative Energien höchstaktuell sind und weil b) die Bundesminister Baerbock und Habeck die beliebtesten Minister (und Norddeutsche) sind. Gleichwohl lagen die Umfragen im Sommer stabil bei 22%; acht Prozentpunkte weniger wirken aus der Perspektive wie ein herber Verlust.
Die Erklärung dafür ist neben dem Gasumlage-Desaster, sicherlich der Groll der Basis über das allzu begierige Krötenschlucken der Grünen Bundesminister, die AKW-Laufzeiten verlängern und nun auch noch Waffen an das Scharia-Regime in Saudia-Arabien liefern.
Interessanter ist die Betrachtung der Schwarzgelben.
Friedrich Merz schwor schon vor Monaten endgültig der konstruktiven Mitarbeit ab und betreibt nahezu ausschließlich Rechtspopulismus.
Er wettert gegen Ukrainische Flüchtlinge in Todesangst, indem er perfide Lügen über sie verbreitet. Anschließend holte er zum xenophoben Rundumschlag gegen alle Flüchtlinge aus.
Es war seine Partei, die CDU, die aus der Kernkraftgewinnung ausstieg, die Abhängigkeit von Putins Gas verstärkte und die einstige Weltmarktführung Deutschlands in der Photovoltaik und Windenergiegewinnung vernichtete.
Trotz der nicht möglichen Rückkehr in die Kernenergiewirtschaft, fordert Merz stoisch längere Laufzeiten, der inzwischen maroden deutschen AKWs. Er will damit von dem Versagen seiner Partei ablenken, die Grünen piesacken und populistisch punkten – offenbart aber gleichzeitig mal wieder groteske Wissenslücken.
Merz, der noch nie eine Wahl gewann und noch nie regierte, glänzt auch heute wieder mit mangelnder Solidarität. Bei CDU-Wahlverlusten lässt sich der Egoist nicht öffentlich blicken, weil es ihm nur um die eigene Popularität geht.
Beeindruckend ist die Lernunfähigkeit der Unions-Oberen, die immer und immer wieder versuchen, populistisch zu punkten, indem sie AfD-Hetze nachplappern und dann immer und immer wieder, bei Wahlen das gleiche erreichen: Absturz der CDU und Rekordzuwächse bei der AfD. Die Leute wählen das Original. Siehe 2017*
Punkten können hingegen CDU-Politiker wie Daniel Günther, die eben nicht AfD-Sprüche kloppen.
*(…) Es ist ein tiefsitzender Reflex des rechten Randes der CDU/CSU beim Auftauchen Rechtsextremer selbst auch rechtsextremer werden zu wollen.
Wie
Pawlowsche Hunde schworen heute Herrmann, Dobrindt, Seehofer und Scheuer nun
aber die „offene rechte Flanke“ zu schließen und noch mehr Härte gegen
Einwanderer zu praktizieren. Was
dieses Heranwanzen an die AfD wahlpolitisch bringt, konnten wir gestern sehen
Von allen ostdeutschen Bundesländern hat Sachsen das höchste AfD-Ergebnis. In Sachsen konnte die AfD auch am stärksten zulegen, nämlich um ungeheuerliche 20,2 Prozentpunkte, von 6,8% auf 27%. Mit 27% ist Gaulands faschistoide Gang sogar stärkste Kraft in Sachsen. Die CDU verlor sagenhafte 15,7 Prozentpunkte, stürzte von 42,6% auf 26,9%.
[….]Die AfD ist die strahlende Siegerin der Bundestagswahl in Sachsen. Für die seit der Wende dominierende CDU setzte es dagegen eine schallende Ohrfeige der Wähler. Denn sowohl bei den Erststimmen als auch bei den Zweitstimmen feierte die AfD Erfolge. [….] Sowohl im Wahlkreis Sächsischen Schweiz-Osterzgebirge (SSOE), als auch in Görlitz und Bautzen holten sich AfD-Kandidaten Direktmandate. Am deutlichsten setzte sich AfD-Chefin Frauke Petry durch. Sie erzielte im Wahlkreis (SSOE) 37,4 Prozent der Stimmen und deklassierte damit ihren Konkurrenten, den bisherigen CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus Brähmig. [….] Auch aus den Wahlkreisen Bautzen I und Görlitz schicken die Wähler AfD-Kandidaten direkt in den Bundestag.[….]
In Westdeutschland erzielte die AfD ihren größten Zugewinn in Bayern. Die CSU verlor 10,5 Prozentpunkte, stürzte von 49,3% auf 38,8%. Die AfD gewann in Bayern seit 2014 ungeheuerliche 632.594 Wählerstimmen hinzu und holte mit 12,4% ihr bestes Ergebnis aller westdeutschen Bundesländer. Den größten Absturz gab es im Wahlkreis Ingolstadt, der Heimat Seehofers, mit Einbußen von 13,9 Prozentpunkten.
Wenn das in dem Bundesland passiert, dessen Regierungschef sich so brutal und unversöhnlich wie niemand anders gegen Merkels Flüchtlingspolitik stellte, bestätigt das die simple Regel „man wählt lieber das Original“. Die AfD nachzuäffen hat Tillich und Seehofer die höchsten Verluste an die AfD beschert.
[….] Dann muss sich Joachim Herrmann aber auch die Frage nach seiner eigenen Rolle und der Ausrichtung der CSU in den vergangenen Monaten gefallen lassen. Nur wenige Tage vor der Bundestagswahl hat sich der bayerische Innenminister mit falsch interpretierten Zahlen zu Sexualdelikten und Flüchtlingen heftige Kritik eingehandelt, weil es ein misslungener Annäherungsversuch an AfD-Sympathisanten war. [….]
(Ingrid Fuchs, SZ, 25.09.2017)
Es bleibt das Geheimnis der CSU wieso sie nach diesem wuchtigen Aufprall von Kopf auf Wand diese gescheiterte Strategie weiter ausbauen zu wollen. Auf die Frage, wie er sich eigentlich eine Koalition mit der CSU vorstelle, die unisono ankündigte weiter nach rechts zu rücken, sagte Jürgen Trittin gestern in der ARD, diese Strategie sei eben „genau falsch“.
Recht hat er, der Trittin. Ganz offensichtlich. (…)
(Dummerhafte Dümmlinge in Süd- und Ostdeutschland, 25.09.2017)
Als Sozialdemokrat könnte ich mich über die sagenhafte taktische Unfähigkeit des Merz freuen, weil er damit der CDU schadet. Aber der Preis – in diesem Fall 18 Faschisten im Niedersächsischen Landtag – ist viel zu hoch. Shame on you, Merz.Bernd Althusmann fing heute buchstäblich an zu heulen, kann sich aber bei seinem eigenen Bundesvorsitzenden für die krachende CDU-Niederlage bedanken.
[….] Dann sagt Althusmann den entscheidenden Satz, auf den viele im Saal bereits gewartet haben: »Ich werde dem Landesvorstand morgen vorschlagen, dass ich für das nächste Amt des Landesvorsitzenden nicht mehr zur Verfügung stehe. Das ist meine persönliche Konsequenz aus diesem Wahlergebnis.« Der unterlegene Spitzenkandidat bedankt sich bei seinen Freunden und bei seiner Familie für die Unterstützung. Seine Stimme bricht, Tränen schießen ihm in die Augen. [….]
Genauso plump und vergeblich wie die CDU, setzte auch die FDP auf den vermeidlichen Wahlkampfschlager „Atomkraftwerke.“ Damit schob Lindner gleich mal 40.000 FDP-Wähler von 2017 direkt zur AfD.
Sie landete bei 4,7 Prozent. Die vierte krachende FDP-Niederlage in vier Landtagswahlen seit sie in die Ampel eintrat.Das freut mich, damit wird die Rotgrüne Sitzmehrheit komfortabler.
Das freut mich aber auch nicht, denn nun werden Lindner und Kubicki noch eiserner in der Ampel blockieren, was getan werden muss, noch verbissener das dringend notwendige Tempolimit verhindern, noch hartnäckiger die Superreichen vor Steuererhöhungen schützen.
Im Oktober gab es diese Zitrus-Liebesbilder zwischen FDP und Grünen. Noch bevor die Ampelkoalitionsverhandlungen begannen. Die FDP setzte sich besser als die anderen Partner durch, schien geradezu übermächtig. Davon berauscht, verteilte der Porsche-Minister Milliarden an die ohnehin in Gewinnen schwimmende Ölindustrie (Tankrabatt) und ließ sich mit seiner WELT-Franka wochenlang als Königs-Hochzeitspaar auf der Superreichen-Insel Sylt feiern, während er das 9-Euroticket abschaffte und vor Gratismentalität warnte.
In den Medien wurde das Bild von den rivalisierenden kleinen Ampelpartnern ventiliert. Habeck gegen Lindner. Die FDP konnte dabei nie von ihrem hohen Ross herunter, geht ganz selbstverständlich davon aus, „die Wirtschaftspartei“ zu sein. In dieser Lesart kann ein Grüner als Bundeswirtschaftsminister nur eine Fehlbesetzung sein.
Die Kollision mit der Realität ist für die Hepatitisgelben natürlich hart: Habeck ist Lindner beim Beliebtheitsranking haushoch überlegen – schon das muss nahezu unerträglich sein, für die Inkarnation der Eitelkeit Lindner. Aber dazu kommt der demoskopische Abschwung der FDP, während die Grünen nun die stärkste Ampelpartei sind. Vier Landtagswahlen, vielmal schwere FDP-Verluste, viermal kräftige Grüne Gewinne. Das nervt die Lindneristen!
Es gibt zwei mögliche Erklärungen, die sich gegenseitig ausschließen:
A) Die Wähler mögen die FDP nicht, weil sie sich in der Ampel viel zu wenig gegen die beiden linken Partner durchsetzt. Sie betreibt zu wenig Lobbypolitik für ihr Klientel.
B) Die Wähler mögen die FDP nicht, weil sie sich in der Ampel viel zu viel durchsetzt und konstruktive Regierungspolitik verhindert. Sie betreibt zu einseitig Lobbypolitik – Porsche, EFuels, kein Tempolimit, keine Reichensteuer – für ihre Klientel.
Die extremen Pole sind einerseits FDP-Fraktionschef Christian Dürr, der richtigerweise auf die staatspolitische Verantwortung der FDP verweist, die in dieser Superkrise zu gemeinsamen Regierungshandeln verdamme. Er ist Anhänger der Erklärung B.
Populist Wolfgang Kubicki ist Team A und kündigt äußerst verantwortungslos an, zukünftig noch mehr innerhalb der Regierung zu opponieren zu blockieren. Auch Lindner schlägt sich auf Seite A und wettert gegen die beiden LINKEN Parteien in der Regierung, beklagt sich darüber, daß seine geliebte CDU der FDP schade.
Meine Güte, die FDP kündigt als Konsequenz aus der #Niedersachsenwahl jetzt an, dass sie noch mehr "linke Projekte" in der Ampel verhindern will. Als würden sie einfach nie verstehen wollen, dass genau diese destruktive Verhinderungspolitik dahin geführt hat, wo sie jetzt steht.
FDP-General Bijan Djir-Sarai ist Gruppe AB, steht äquidistant zwischen Lindner und Dürr.
Das könnte zu wenig sein.
Es steht zu befürchten, daß die FDP in den nächsten Wochen noch mehr AfD und CDU nachläuft und damit dem Ampel-Erfolg schadet.
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