Heute mußte ich mir eine 15-minütige Tirade einer Dame anhören, die just in Rente ging, in ihrer eigenen 1-Zimmerwohnung lebt, die sie pünktlich zum Ende ihres Berufslebens abgezahlt hatte und nun auf der Wohnungseigentümerversammlung (ETV) einen Schock erlebte. Der neue Wirtschaftsplan sieht vor, statt wie letztes Jahr knapp 10.000 Euro für die Heizkosten (Gas) nun 13.000 Euro einzuplanen. Das wären schließlich satte 30% mehr. Sie müsse als Alleinstehende allerdings auf ihren Geldbeutel achten und die Rente werde sicherlich nicht um 30% erhöht. Was für ein unverschämter Beschluss. Vielleicht könnten die anderen Eigentümer in der WEG sich das Geld aus den Rippen schneiden; sie nicht.
Willkommen in der Realität, liebe Hamburger Neu-Rentnerin.
Über die 30% mehr Heizkosten-Planung werden sie bei der nächsten ETV herzlich lachen. Privathäuser oder eben kleine WEGs werden sich auch ganz andere Preissteigerungen gefasst machen müssen.
Die Preisexplosion beim Erdgas ist am Größten, weil die Abhängigkeit von Putin beim Gas am höchsten ist.
Übrigens, liebe Atomkraft-Fans, sieht es fast genauso beim Uran aus.
[….] Die Preise für fossile Energieträger steigen und steigen – das lässt Atomkraft als verlässliche Alternative wirken. Doch der Eindruck täuscht: Russland kontrolliert fast 50 Prozent des Marktes. […]
Alle Gründe, die schon in den 1980ern einen Ausstieg aus der Kernenergiegewinnung notwendig machten – a) Millionen Jahre strahlender Abfall, darunter das stärkste Gift des Alls: Plutonium, b) kein Endlager, c) Krebserkrankungen, d) SuperGAU-Gefahr, e) nicht versicherbares Betreiber-Risiko – bestehen weiter. Nach Tschernobyl und Fukushima kommen aber weitere Gründe dazu, die den Betrieb von AKWs ausschließen; f) Terrorgefahr (deutsche AKWs sind nicht gegen Flugzeugabstürze à la 9/11 gewappnet. Eine Passagiermaschine auf Isar II und ganz Deutschland wäre unbewohnbar), g) die Sicherheitszertifikate der AKW sind abgelaufen, alle Anlagen sind überaltert und Störfall-anfällig, h) die Rekordhitze macht den AKW-Betrieb durch fehlendes Kühlwasser vielerorts unmöglich und schließlich i) die Abhängigkeit von Putin bleibt bei Uranbrennstäben bestehen. Dann können wir auch gleich Nordstream 2 öffnen.
Leider hat sich die Hoax, man könne/sollte/müsste alle deutschen AKW einfach wieder hochfahren – gern in Kombination mit einer überheblichen Belehrung an die angeblich so ideologischen Grünen – verselbstständigt. Man bekommt diese Ansicht auch in jedem zweiten Kommentar der seriösen Zeitungen präsentiert.
Wer eine moderne Pellet-Heizung einbauen ließ und sich angesichts der Gas/Öl-Preistreiberei schon freute, unabhängig von Lieferungen aus Russland zu sein, erlebt gerade sein blaues Wunder. So wie Kohlbriketts und Kaminholz für Privathaushalte entweder ausverkauft oder nur noch zu absoluten Mondpreisen erhältlich sind, sind auch Pellets Mangelware.
[….] Vieles wird momentan teurer. Lebensmittel, Strom, Gas - und auch Holz. Genauer gesagt: Holzpellets. Die kleinen, stäbchenförmigen Pellets sind aktuell besonders gefragt. Und besonders teuer. Holzpellets werden vor allem als Brennstoff genutzt, in Pelletöfen- oder kesseln. Sie werden aus Holzresten hergestellt, aus Spänen oder Hobelrückständen, die dann in die typische Zylinderform gepresst werden. Früher ein Abfallstoff, heute Grundlage für einen klimafreundlichen Energieträger, so preist es zumindest das Deutsche Pelletinstitut an. Der Interessenverband erhebt auch die Preise für den deutschen Pelletmarkt. Dabei zeigte sich jetzt: Im August ist der Pelletpreis im Vergleich zum Vormonat um 35 Prozent gestiegen, im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Preis sogar fast verdreifacht. Während eine Tonne Pellets im August 2021 noch rund 220 Euro kostete, zahlen Verbraucherinnen und Verbraucher im August 2022 rund 669 Euro. Für ein Einfamilienhaus werden im Schnitt sechs Tonnen Pellets pro Jahr benötigt. Hochgerechnet wären das also etwa 4000 Euro im Jahr allein für den Brennstoff. Der hohe Preis erklärt sich vor allem durch die gestiegene Nachfrage. [….] Doch vor allem die Hamsterkäufe überfordern die Branche. "Pellets sind das neue Klopapier", sagt Beate Schmidt-Menig, Geschäftsführerin von Ökofen. [….]
(Patrizia Tensing, 30.08.2022)
Meine Wohnung wird mit Fernwärme beheizt. Ich selbst heize zwar gar nicht. Da aber 50% der Heizkosten umgelegt werden, zahle ich für die anderen Mieter mit. Das ist auch fair, da ich zwar mit niedrigeren Temperaturen als die meisten Menschen lebe, aber meine Wohnung hat kaum Außenwände, wird also ohnehin nicht eiskalt, weil Nachbarn oben, unten, links und rechts heizen.
Fernwärme ist günstig und ökologisch. Sie bietet sich in Hamburg an, weil gewaltige Fabriken wie zB die Aurubis, eine monströse Kupferhütte mit 2.000 Mitarbeitern, mitten in der Stadt steht und entsprechend gewaltige Menge Abwärme produziert.
Während meines Studiums habe ich die Anlage (damals noch „Norddeutsche Affinerie“) besucht und kann bestätigen, daß es in den Hallen mit den galaktisch großen Hochöfen irre heiß wird. Als Mieter in Hamburg profitiere ich also von dieser stetigen Wärmequelle.
Aber wird die alte „Affi“ überhaupt weiterlaufen können im Winter?
[….] Aurubis gehört zu den größten Energieverbrauchern
Die Kupferhütte auf der
Veddel gehört zu den größten Energieverbrauchern in der Hansestadt und setzt
dabei zu fast 40 Prozent Erdgas ein. Im vergangenen Jahr waren dies knapp 473
Millionen Kilowattstunden, also annähernd 40-mal mehr als bei Hobum
Oleochemicals. Wegen der aktuellen Entwicklungen arbeite Aurubis „bereits seit
einigen Monaten intensiv am Umstieg auf alternative Energieträger an unseren
europäischen Standorten“, erklärt das Unternehmen. Je nach Standort gebe es
verschiedene Szenarien, welche Gasmengen eingespart oder durch Strom, LPG
(Flüssiggas) oder Öl ersetzt werden könnten – im besten Fall komplett. [….]
(HH Abla, 22.07.2022)
Sagenhaft, im Sommer 2022 beginnt der größte Gasabnehmer Hamburgs nun doch auch mal darüber nachzudenken, was eigentlich passiert, wenn das russische Gut mal nicht mehr unbegrenzt und billig zu CO2 verfeuert werden kann.
Damit wären wir beim Heizöl. Diejenigen, die ihre alte Ölheizung in den letzten zehn Jahren noch nicht durch umweltfreundlichere und günstigeren Gasheizungen ersetzt haben, lachen jetzt. Galt man gestern noch als Umweltsau, kann man nun frohlocken, weil der Öleinkauf weltweit in vielen Nationen möglich ist und nicht so stark an Russland hängt.
Wer letztes Jahr für ein paar Tausend Liter Heizöl knapp 60 Cent/Liter zahlte, ist nun mit mindestens 1,80 Euro dabei. Die Teuerung lässt sich nicht allein mit dem Weltmarktpreis erklären, aber wer mit 30% Mehrkosten rechnet, erwartet dann einen Einkaufspreis von gut 80 Cent. Es sind aber mehr als 1,80 Euro. Für alle, die in der Schule nur Klatschen und Singen belegt haben: 180 Cent > 80 Cent.
Die Frage ist, wieso irgendjemand in so einer Situation Minister sein möchte.
Die Deutschen stören sich wenig an Pegida, an verrotteten Schulen, fehlender digitaler Infrastruktur und xenophoben Mordserien. Solange sie es zu Hause gemütlich warm haben und über einen Flachbild-TV, bzw PC verfügen. Hieß es immer. 10% Inflation und dann auch noch frieren, wird sie aber wohl doch auf die Straße treiben. Schon jetzt ist die Ampel historisch unbeliebt. Sören Pellmann, in Leipzig direkt gewählter Bundestagsabgeordnete der LINKEN, gibt bereits die Sahra Sarrazin und ruft zur Querfront-Demo auf: Montags gemeinsam mit AfD und Pegida und AfD gegen die etablierten Parteien.
Das Hufeisen des Grauens könnte die Bundesrepublik im Winter ordentlich durchschütteln, da es keine seriöse Opposition im Bundestag gibt, sondern de facto nur noch Populisten. Schlimmer noch; mit der Lindner-Liste sitzen sogar Populisten im Kabinett.
Da wird sich ordentlich Wut entladen, wenn in Prekariatistan die Raumtemperatur bei 10°C liegt und der Strom abgeschaltet wird.
Das werden glückliche Zeiten für Putin, wenn im Westen das Volk gegen die eigene Regierungen marschiert. Gut möglich, daß die EU doch noch Gerd Schröder zum offiziellen Emissär benennt und in Moskau um Nordstream2-Gas betteln lassen wird.
Die Ampel kann es, insbesondere aufgrund der katastrophalen Merkel-Versäumnisse bei der Energiewende, Photovoltaik und Windenergie, gar nicht allen recht machen.
Es gibt nur schlechte Alternativen, wie der SPIEGEL hier sehr schön nüchtern durchdekliniert.
Es wird auf jeden Fall Ungerechtigkeiten geben. Schon allein, weil die FDP nicht zurechnungsfähig ist und manisch alles Vernünftige blockiert. Der Urnenpöbel wird sauer werden. Aber was soll denn die Alternative sein? Sechs Millionen Leute haben FDP gewählt. Lindner hat sich nicht ins Amt geputscht. Und der Urnenpöbel ist dermaßen verblödet, dass er nach allen Umfragen bei Neuwahlen mit riesigem Abstand Blackrock-Cum-Ex-Mann Merz zum Kanzler machen würde. Damit wäre die ärmere Hälfte der Bevölkerung völlig verloren, wenn es keinen Sozialminister Heil mehr gibt, der von einem Sozi-Kanzler gedeckt wird. Die FDP-Minister sind natürlich ein Alptraum, aber eine bessere Mehrheit gibt es nicht im Bundestag. Würde die Regierung platzen, gäbe es erst mal gar keine Hilfen bei explodierenden Preisen im Winter (Wahlkampf = totale Blockade der aktuellen Politik) und nach Neuwahlen wäre es noch viel schlimmer, weil Merz und Lindner dann gemeinsam an das obere 1% umverteilen. Bestenfalls käme es zu Schwarzgrün, aber die Grünen machen ohnehin schon Klientelpolitik für die Gutverdiener. Das wäre nicht besser, wenn Sozialminister Scheuer, Wirtschaftsminister Spahn und Finanzministerin Klöckner neben Bundeskanzler Merz am Tisch säßen. Scholz ist angesichts solcher Alternativen leider dazu verdammt, die Koalition nicht platzen zu lassen und der FDP eine lange Leine zu lassen. Also bleibt einem nur zu hoffen, dass der Meseburgtrip wenigstens etwas bringt.
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