Montag, 22. August 2022

Die deutschen Wähler sind verrückt

 

Als 2008 mit der Lehmann-Pleite die größte Weltfinanzkrise seit 80 Jahren eingeläutet wurde und das Jahr 2009, das totale Scheitern der neoliberalen Deregulierungs-Ideologie offensichtlich machte, weil Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert wurden, dachten sich die Wähler, „geil, Neoliberalismus! Deregulierung! Wie das die Welt in den Abgrund rauschen lässt!“ und wählten die Westerwellesche Partei der Besserverdienenden mit einem Rekordergebnis von 15% in die Bundesregierung.

Es kam, wie es kommen musste. Die schlechteste Bundesregierung seit 1949 scheiterte in jeder Hinsicht und belastet uns bis heute insbesondere mit den katastrophalen Entscheidungen gegen die Photovoltaik und Windkraft.

2022 zeigt sich nun in frappierender Deutlichkeit das totale Scheitern all dessen, wofür der Blackrock-CumEx-Multimillionär Friedrich Merz steht: Die Staatsverachtung führte zu einem grotesk unterfinanzierten Bildungssystem.

Die schwarze Privatwirtschaftsideologie mit 16 Jahren Glos/Guttenberg als Technologie- oder Ramsauer/Dobrindt/Schauer als Verkehrsministern, führte dazu, daß Deutschland digital den Anschluss an die Welt verlor. Rumänen, Ukrainer oder Montenegriner, die es nach Deutschland verschlägt, sind fassungslos über das schwache und lückenhafte Internet, begreifen nicht, wieso die Verwaltung hierzulande immer noch auf Zetteln basiert.

Migrantenfeindliche Einwanderungs- und Staatsbürgerschaftsregeln bedingen den tödlichen Fach- und Arbeitskräftemangel.

Dafür wurden die oberen 10.000 astronomisch reich. Milliardäre konnten durch intensives Chillen und Nichtstun jedes Jahr weitere Milliarden anhäufen.

2021 traten drei Parteien dafür an, Steuern für die Superreichen zu erhöhen und das Zweiklassen-Gesundheitssystem in eine gemeinsame Bürgerversicherung zu transformieren: SPD, Grüne und Linke.

„Ih Gitt“, dachten sich die Wähler und schickten wieder die FDP mit Rekordergebnis in die Bundesregierung. Damit waren Reichensteuer vom Tisch. Die Privilegien der Superreichen (Privatversicherung, Dienstwagenprivileg, Energiesteuerfreiheit für Flugbenzin, um Merz Privatjets zu subventionieren) werden hingegen erbittert verteidigt.

Lindner, der ideologische Merz-Zwilling, betrachtet jeden, der sich keinen Porsche leisten kann, als minderwertig.

Mit dem 9-Euro-Ticket würden nur Antifaschisten in die Bahn gelockt, warnte der Finanzminister am Wochenende.

 [….] Das 9-Euro-Ticket hat keine Zukunft – zumindest, wenn es nach Finanzminister Christian Lindner geht. Das hat er in einem Interview am Sonntag noch einmal bekräftigt. Aufsehen löste der FDP-Chef aber mit einer Äußerung aus, die suggerierte, es seien vor allem linke Gruppen wie die Antifa, die sich für das Ticket einsetzten. Clips des Zitats gingen bei Twitter viral. [….] Lindner: »Es wurde vor der FDP-Parteizentrale demonstriert. Das waren viele linke Gruppen, Antifa zum Beispiel und andere. Und die setzen sich dafür ein, dass das 9-Euro-Ticket verlängert wird. Das würde 14 Milliarden Euro kosten. Geld, das uns fehlt für die Bildung. Geld, das uns fehlen würde für das Schienennetz, also die Modernisierung.« [….]

(Florian Pütz, 22.08.2022)

Für die Millionäre Lindner und Merz bedeutet der Begriff „Wirtschaftlichkeit“ immer noch Lohndumping. Belastung der Ärmsten und Entlastung der Reichsten.

Immer noch wundern sich Unternehmer, daß sie keine LKW-Fahrer, Flughafengepäck-Schlepper, Verkäuferinnen oder Pfleger finden, wenn sie diese aber selbst nichts ausbilden wollen, sie bei Krisen als lästige Verhandlungsmasse behandeln und immer noch grotesk unterbezahlen.

Beispiel bayerische Kitas. In Kirchlicher Trägerschaft. Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ist obsolet, weil der Fachkräftemangel in Kitas und Horten so eklatant ist. So jammert auch die katholische Ordensschwester Christine Gindhart, Leiterin des Theresia-Gerhardinger-Kinderhaus in Neunburg vorm Wald. Während ihre Bischöfe zwischen 12.000 und 15.000 Euro monatlich bekommen, abschlagsfrei mit derselben Summe in Rente gehen, Dienstwagen, Personal, Kost und Logis gestellt bekommen, sollen für eine gelernte Erzieherin 1.000 Euro netto reichen.

[….] In Großstädten wie München hängen in beliebten Vierteln an jeder zweiten Kita Zettel mit Hilferufen und Jobangeboten. Die Situation ist ernst. So ernst, dass die Kommunalen Spitzenverbände sich mit einem Hilferuf an Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) gewandt haben. Von einer "eskalierenden Lage" ist darin die Rede, von einem "drastischen Mangel an Fachkräften", einem "frühkindlichen Betreuungsnotstand" und "drohenden Schließungen von Betreuungseinrichtungen". Dem noch von der schwarz-roten Bundesregierung beschlossenen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern erteilen die Kommunen sogar eine Absage. Von 2026 an soll er gelten. Nicht zu schaffen, heißt es. [….]  Schon jetzt werden Betreuungszeiten gekürzt, teilweise müssen Gruppen schließen, weil Erzieher krank sind oder Stellen unbesetzt. [….]  Die Bertelsmann-Stiftung geht in ihrem aktuellen "Fachkräfte-Radar" davon aus, dass bis 2030 in Grundschulen und Kitas bundesweit 67000 Fachkräfte fehlen.  [….] Ein Vorschlag der Kommunalen Spitzenverbände lautet, die Betreuung mit "Assistenzkräften" oder "angelernten Kräften" sicherzustellen. Hauptsache die Kinder sind betreut. Uwe Kriebel seufzt tief und sagt: "Das ist zwar besser als nichts, aber ich habe Bauchschmerzen damit." Diese Idee der Kommunen stütze allein die Quantität, nicht die Qualität der Betreuung, sagt der Vorsitzende des Gesamtelternbeirats der Nürnberger Kitas. Außerdem seien angelernte Kräfte nicht gleichzusetzen mit Fachkräften, die fünf Jahre lernen - "und dann als Einstieg nur 1000 Euro netto bekommen." [….]

(Anna Günther, 08.08.2022)

Eigenartig, wieso finden sich wohl in Bayern so schlecht neue Erzieher? Der durchschnittliche Mietpreis in München liegt bei 21,46€/m². Das sind für eine kleine 50 m2-Wohnung also 1.050 Euro. Wie das wohl klappt mit einem Nettogehalt von 1.000 Euro?

In vielen Branchen wird bei gegenwärtig diskutierten Lohnerhöhungen noch nicht mal die 8%-Inflation ausgeglichen. Das sind de facto Lohnkürzungen, schon bevor Gasumlage und Energiepreise voll durchschlagen. Tatsächlich müssten die Löhne aber eher verdoppelt oder verdreifacht werden.

Das ist eine klassische soziale Frage. Das wäre auch zu bezahlen, wenn man einige der absurd teuren Privilegien für die Superreichen streichen würde.

Das geht aber nicht mit der FDP in der Bundesregierung und all den mit Rekordergebnissen gewählten neuen CDU-Ministerpräsidenten, die im Bundesrat keine sozialen Umverteilungen nach unten zulassen.

Der Urnenpöbel will es so. Neuwahlen würden den CumEx-Mann Merz zum Bundeskanzler machen.

[….] In einer aktuellen Umfrage ist die Ampelkoalition auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. [….] Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Ampelkoalition fallen auf die schlechtesten Beliebtheitswerte seit Amtsantritt Anfang Dezember. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa für "Bild am Sonntag" sind 62 Prozent der Menschen in Deutschland mit der Arbeit von Scholz unzufrieden, so viele wie nie zuvor. [….] Die Unionsparteien können unterdessen in der Wählergunst weiter zulegen. CDU/CSU kommen laut Insa auf 28 Prozent, das ist ein Prozentpunkt mehr als in der Vorwoche.  […]

(dpa, 21.08.2022)

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