Samstag, 13. August 2022

Falsche Richtung

 

In den USA bricht die heiße Wahlkampfphase an, der demokratische Präsident kämpft mit historisch schlechten Zustimmungswerten, während die destruktiven Republikaner sich vollständig ihrem multikriminellen Messias verschrieben haben und gegen „law and order“ kämpfen. Sie attackieren, Polizei, Richter, FBI, Staatsanwälte, kreischen „Defund the FBI“ und veröffentlichen Adressen von FBI-Beamten, um ihnen Attentäter auf den Hals zu hetzen. Dafür wird ihnen ein Wahlsieg in House und Senat prognostiziert.

 

Die demokratische Partei agiert notorisch zurückhaltend, traut sich nicht, gegenzuhalten, glaubt immer noch an „common sense“ und Vernunft des Wahlvolkes, während Aktivisten, pundits, Experten sich wieder einmal den Mund fusselig reden, man möge endlich die Samthandschuhe ausziehen und die Wokeness-Themen vergessen.

Stattdessen sahen sie tatenlos zu, wie in den republikanischen Bundesstaaten die Wahlgesetze so vergewaltigt wurden, daß demokratische Kandidaten zukünftig kaum noch Siegeschancen haben.

Schon vor zwei Jahren rieten Demokratische Aktivisten wie Brian Tyler Cohen und David Pakmann, dringend der Biden-Regierung, ihre (knappen) Mehrheiten in beiden Kammern zu nutzen, um den Filibuster zu beerdigen. Um den Obersten Gerichtshof personell aufzustocken, so daß die absurde rechtsextreme Mehrheit der Richter gebrochen wird. Außerdem sollten Washington DC (700.000 Einwohner) und Puerto Rico (3,2 Millionen Einwohner) zu Bundesstaaten erklärt werden, damit vier zusätzliche (mutmaßlich demokratische) Mitglieder in den US-Senat geschickt werden, um die abstruse republikanische Dauerherrschaft gegen die überwiegende Mehrheit des Volkes abzuschwächen. Der erzrepublikanische Staat Wyoming hat 570.000 Einwohner und schickt immer zwei GOP-Senatoren nach Washington, die dasselbe Stimmengewicht haben, wie die beiden Kalifornischen Senatoren, die für 40 Millionen Einwohner sprechen.

Der arme fehlgeleitete Joe Biden glaubt aber immer noch an die Möglichkeit überparteilicher Zusammenarbeit in den USA. Der DNC schiss sich unterdessen ein, weil „expand the court“ womöglich Unfrieden bringe und die GOPer sauer machen könne.

Man kann nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen bei so viel demokratischer Naivität. Die GOP ist die Partei, die sich für einen Rassisten begeistert, einen blutigen Coup-Versuch nicht strafrechtlich verfolgen lassen will, unverhohlen dazu aufruft, FBI-Agenten zu ermorden, Kinder in Käfige sperrt und verbissen dafür kämpft, noch mehr als 40.000 Menschen jedes Jahr in den USA erschießen zu lassen.

Selbstverständlich werden Hawley und Cruz, die hochkriminellen Lügner und Hetzer, vollkommen ausflippen, wenn die Demokraten vier zusätzliche Sitze im Senat bekämen. Aber so what? Die rasten genauso aus, wenn in Alaska ein homosexuelles Karibu gesichtet wird. Außerdem wären sie immer noch vom Wahlrecht bevorzugt.

Wozu die Demokratische Partei offenbar nicht fähig ist, nämlich endlich in einen aggressiven Angriffsmodus zu gehen, versuchen progressive Gruppen wie „Meidastouch“ oder „Occupy Democrats“ zu kompensieren.

Sie fluten ihre Social Media Kanäle mit Informationen über die erfolgreiche Regierungsarbeit Bidens.

Die US-Demokraten sind genau wie die deutsche SPD völlig unfähig, ihre eigenen Erfolge zu bewerben, Talkingpoints vorzugeben und die öffentliche Diskussion zu prägen. Beide Parteien lassen sich lieber von rechten Schreihälsen vorführen und versuchen anschließend auf traurige Weise, die falschen Vorwürfe richtig zu stellen.

So dominiert beispielsweise Markus Söder die politische Diskussion für die Energieversorgung, setzt die SPD unter Druck.

Dabei ist es natürlich Söders völlig falsche Politik, die Bayern in so eine katastrophale Lage gebracht hat.

[….] Immer wenn der bayerische Ministerpräsident Markus Söder mit dem Rücken zur Wand steht, fährt er eine Attacke. Frei nach dem Motto: Wer laut ist, kann nicht gleichzeitig völlig im Unrecht sein. Er hat den Mechanismus oft genutzt. Auch, weil der sogar funktioniert, wenn das Publikum den Braten riecht. Und das wiederum liegt daran, dass Söder ein Meister einer ganz speziellen Disziplin ist: der Aufmerksamkeitsablenkungstrickserei.   In dieser Woche konnte man das wieder mal exemplarisch beobachten. Da schaffte es Söder mit einem Besuch im bayerischen Kernkraftwerk Isar 2 bei Landshut am Mittwoch in fast alle Medien. Ein dpa-Foto dokumentiert, wie er mit dem CDU-Chef Friedrich Merz irgendwo zwischen grünen Bäumen langläuft (Subtext: zwei ernsthafte Staatsmänner ins Gespräch vertieft). Ein anderes zeigt ihn auf einer Bühne vor dem Kühlturm (Subtext: Wir kümmern uns um eure Energieversorgung). Hören oder lesen kann man dann, wie Söder fordert, dass die deutschen AKW weiterlaufen sollen. An Neuigkeiten produziert die Pressekonferenz also genau nichts, null, niente. Der Politiker wiederholt, was er schon seit Wochen sagt, nur vor einer neuen Kulisse. Und trotzdem berichten viele Medien.  […]

(Zeit, 05.08.2022)

Söder schafft Probleme, aber keine Lösungen. Sozialdemokraten und Grüne arbeiten an Lösungen. Die gesamte Medienaufmerksamkeit greift aber Söder ab, dessen CSU 30 Punkte vor der bayerischen SPD liegt.

Wo ist eigentlich Kevin Kühnert geblieben? Von dem habe ich seit Wochen nichts gehört. Sollte er nicht als SPD-Generalsekretär Merz und Söder jeden Tag für ihre Unverschämtheiten abwatschen?

Wieso gibt es in Deutschland keine wirkungsmächtigen „SPD-pundits“, die wie Brian Tyler Cohen oder Meidastouch in den USA für die Demokraten, hierzulande SPD-Werbung betreiben?

Selbst die liberalsten Aktivisten der USA prahlen nun mit „Bidens“ niedrigen Benzinpreisen. Das ist verständlich, weil sich die Wähler offensichtlich mehr für ihre Tankrechnung, als für gay rights oder Umweltschutz interessieren.

Die Grünen haben das ebenfalls begriffen, und werfen erfolgreich alle ihre ökologischen Essentials über Bord. Nun plädieren sie für Kohlekraftwerke, liebäugeln mit Laufzeitverlängerungen für Atomanlagen und kaufen Fracking-Gas ein.

Wahlkampftechnisch ist das ein Fortschritt.

Für den Fortbestand der Fauna und Flora auf diesem Planeten ist das natürlich ein Rückschritt.

Die Apokalypse ist in vollem Gange. Benzinverbrauch und Kohlevertromung sollten nicht billiger, sondern unbezahlbar werden, damit endlich die CO2-Emissionen verringert werden.

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