Die USA halte ich eigentlich für unweigerlich dem Untergang geweiht.
Nach der ungeheuerlichen Trump-Präsidentschaft und den noch ungeheuerlicheren Enthüllungen des January6th Committee über den vom Präsidenten angezettelten blutigen Coup-Versuch, bei dem er seine Vize hängen sehen wollte und der bis heute von 99% seiner Partei gedeckt wird, sollten die Republikaner in einer funktionierenden Demokratie, in den Promille-Bereich abrutschen.
Drei Monate vor den US-Parlamentswahlen stehen die 75 Millionen Trump-Wähler aber immer noch zu ihrem orangen Helden. Es wird eine republikanische Mehrheit in House und Senat erwartet.
Joe Biden ist historisch unbeliebt, obwohl er eine beeindruckende wirtschaftliche Bilanz vorweisen kann.
Fakten haben in Trumpmerika allerdings keinen Wert mehr. Der von FOX und Co indoktrinierte Urnenpöbel hängt bizarrsten Verschwörungstheorien und grotesken Lügen an.
In der medialen Welt der roten Staaten gibt es neben messianischer Trump-Verehrung, nur Verachtung für Bidens Demokraten, weil der Präsident einmal vom Rad fiel, sein Sohn Hunter angeblich vor 10 Jahren einen Laptop verlor und die Benzinpreise aufgrund der Ukraine-Krise angestiegen waren. Teuer tanken war eindeutig Bidens Schuld. Als später die Benzinpreise wieder sanken, erklärten dieselben Leute, die ihn zeternd auf FOX für den Anstieg verantwortlich gemacht hatten, der Präsident habe rein gar nichts mit dem Benzinpreis zu tun.
Die Nation ist dysfunktional, die Verfassung nicht zeitgemäß, das Wahlrecht bevorzugt drastisch die Republikaner und die Hälfte des Volkes ist nicht nur vollkommen verblödet, sondern auch bis zum Bersten mit Hass erfüllt.
Daher ist es wider meine Natur, Hoffnungsschimmer aus den USA ernst zu nehmen.
Es gibt nun aber doch zwei homöopathische Dosen, um einen Tick optimistischer drein zu blicken.
Da ist erstens Alex Jones, der selbst für US-Faschisten ultraradikale Hetzer und Lügner. Natürlich ist er ein Verschwörungstheoretiker und Ultra-MAGA, der den lieben langen Tag Dreck und Lügen gegen alles auskübelt, das er als liberal erachtet.
Aber Jones ist bald auch ein um fast 50 Millionen Dollar ärmerer Hetzer, weil sich einige seiner Opfer endlich erfolgreich gegen seine Attacken wehren konnten.
[….] Der rechtsextreme US-Verschwörungstheoretiker Alex Jones ist wegen seiner falschen Behauptungen zu einem Massaker an der Sandy-Hook-Grundschule zu zusätzlichen 45,2 Millionen US-Dollar Schadenersatz verurteilt worden. Er soll nun insgesamt mehr als 49 Millionen US-Dollar Entschädigung an die Eltern eines Opfers zahlen. Das berichteten mehrere US-Medien am Freitag übereinstimmend aus dem Gerichtssaal in Texas. Bereits am Donnerstag war er zu mehr als 4 Millionen US-Dollar Schadenersatz verurteilt worden.
Bei dem Urteil vom Freitag handelt es sich um den sogenannten Strafschadenersatz, der auch zur Abschreckung gedacht ist und häufig deutlich höher ausfällt als der eigentliche Schadenersatz. Jones hatte in der Vergangenheit behauptet, dass der Amoklauf im Dezember 2012 von Schauspielern inszeniert worden sei. Ein 20-Jähriger hatte in Newtown im US-Bundesstaat Connecticut 20 Schulkinder und sechs Lehrer erschossen. Die Eltern eines getöteten, damals sechsjährigen Jungen hatten den rechten Radiomoderator wegen seiner Behauptungen verklagt. Sie hatten zuvor geschildert, welch emotionales Leid die Lügen des 48-Jährigen zur Folge gehabt hätten. [….]
Es gibt tausende weitere Alex Jones‘ in der rechten Medienszene der USA, aber wenn diese befürchten müssen für ihre bösartige hetze, ihr sadistisches Rumtrampeln auf Opfern von Gewalt, zur Kasse gebeten werden zu können, mag es ihre Lautstärke etwas dämpfen.
Noch interessanter ist aber scheint die gesellschaftliche Rezeption des totalen Abtreibungsverbotes zu sein, welches die GOPer als größten politischen Erfolg seit einem halben Jahrhundert bejubeln.
Möglicherweise zieht das frauenverachtende Weltbild an den Wahlurnen aber weniger, als sich das die rechtskonservativen Trump-Christen vorstellen. Ausgerechnet in einem der konservativsten Bundesstaaten überhaupt, Kansas, das so weit wie nur irgend möglich von allen liberalen Küsten und Außengrenzen entfernt ist, zeigten die Bürger bei der Volksabstimmung über eine Verschärfung des Abtreibungsrechtes der GOP den Mittelfinger.
[…] Mit überwältigender Mehrheit haben die Wählerinnen und Wähler es in einer Volksabstimmung in dem Bundesstaat abgelehnt, dass das in der Verfassung von Kansas verankerte Recht auf Abtreibung eingeschränkt wird. Die meisten Umfragen hatten einen Sieg der Abtreibungsgegner vorhergesehen. Manche Erhebungen prophezeiten immerhin ein enges Rennen. Doch als die Stimmen in dieser Woche ausgezählt waren, stand fest, dass die Befürworter des Rechts auf Abtreibung einen Erdrutschsieg errungen hatten. Beinahe 60 Prozent der Wählerinnen und Wähler sprachen sich dafür aus, das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch nicht anzutasten. Dieses vollkommen unerwartete Ergebnis erfüllt die Demokraten mit neuer Hoffnung in Hinsicht auf die Zwischenwahlen in diesem November, bei denen ihnen nach bisheriger Lage der Dinge ein Desaster drohte. Doch nach Kansas, so scheint es, ist nichts mehr, wie es war. […] Bei den Wahlen im Jahr 2020 hat Donald Trump den Staat mit 15 Prozentpunkten Vorsprung gewonnen. Die Republikaner stellen im lokalen Senat fast dreimal so viele Vertreter wie die Demokraten. Sie haben sich mit aller Macht hinter das Vorhaben geworfen, das in der Verfassung des Staats verankerte Recht auf Abtreibung zu entfernen. Kirchliche Gruppen warben dafür, das Erzbistum Kansas City in Kansas spendete der entsprechenden Kampagne namens "Value Them Both" fast 2,5 Millionen Dollar. Dazu kam, dass die Frage im Referendum so gewunden formuliert war, dass man sie schon sehr genau lesen musste, um sie zu verstehen. Nicht zuletzt hatten die Republikaner die Abstimmung in den August gelegt, in der Erwartung, dass die Wahlbeteiligung niedrig sein würde. Dennoch haben sie eine krachende Niederlage erlitten. Die Wahlbeteiligung war fast doppelt so hoch wie bei den Vorwahlen im Jahr 2018, die zur gleichen Jahreszeit stattfanden. Im Meade County, in dem lediglich 14 Prozent der Wählerinnen und Wähler 2020 für Joe Biden gestimmt hatten, lehnten jetzt 70 Prozent eine Änderung des Rechts ab. Aus Sicht der Demokraten bedeutet das: Sie haben ein Thema gefunden, mit dem sie die Leute mobilisieren und Wahlen gewinnen können. […] Der demokratische Abgeordnete Sean Patrick Maloney sagte der Washington Post: "Das ändert alles. Kansas ist das Erdbeben, das alle Annahmen darüber durchrüttelt, was im Herbst passieren wird." Bisher war die allgemeine Annahme, dass die Demokraten auf jeden Fall das Repräsentantenhaus verlieren, womöglich auch den Senat. Das ist immer noch möglich, aber die Parameter haben sich verschoben. […]
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