Sonntag, 23. April 2023

Das Ende der US-Debattenkultur.

 

Rechte, konservative, christliche Politiker waren auch in den USA immer Ideologen.

Vor 40 Jahren hieß der unumstrittene Führer der Republikaner Ronald Reagan und begegnete Herausforderungen wie dem HI-Virus natürlich nicht auf humanitärer oder wissenschaftlicher Basis, sondern mit seiner ideologisch-homophoben Brille.

Auch die nach ihm benannten „Reaganomics“, also die Kombination von „Trickle Down“ und „deficit-hawk-politics“ entsprangen ideologischen Wunschvorstellungen: Massive Steuerentlastungen für Superreiche und Unternehmer. Den dadurch entstehenden Billionen-Lücken im Staatshaushalt begegnete man durch massive Kürzung der staatlichen Ausgaben: Soziales, Bildung, Gesundheitsvorsorge, Infrastruktur, Umweltschutz – alles wurde gestrichen.

Heute steht zweifelsfrei fest; Trickle-down-economics funktionieren nicht. In der Folge wurden nur die Superreichen noch superreicher, die Ärmsten noch Ärmer, die Infrastruktur zerfiel und die Bevölkerung verblödete.

Allerdings war es zu Reagans Zeiten noch möglich, über Sozialausgaben, Schulpolitik zu streiten. In den Wahlkämpfen war Wirtschaftspolitik ein großes Thema. Die gewaltigen Staatsschulden, die republikanische US-Präsidenten immer wieder anhäuften, führten zu landesweiten Debatten. Zwischendurch wurden die demokratischen Präsidenten Clinton und Obama gewählt, die reparierten, mit Sozialprogrammen einiges abfederten und die von den Republikanern ruinierten Finanzen wieder in Ordnung brachten.

Es wurde ebenfalls über ideologische Vorbehalte der Rechten in gesellschaftspolitischen Angelegenheiten debattiert. Die US-Gesellschaft insgesamt bewegte sich voran. Schwule durften erst in die US-Army eintreten, wenn sie wenigstens nicht sagten, schwul zu sein („Don’t ask, don’t tell“), später durften sie sogar ehrlich sein und noch später heiraten. Ähnlich lief von den 1980ern bis in die 2010er Jahre beim Umweltschutz, Creationismus, Klimawandel, der Drogenpolitik oder Verhütung. Wie überall auf der Welt waren die konservativen Ansichten blanker antiwissenschaftlicher Unsinn und wurden mit der zunehmenden Aufklärung der Bevölkerung peu à peu geräumt.

Schon mit George W. Bush begannen sich die Republikaner aber den nationalen Debatten zu entziehen. Eine aus ihrer Sicht sinnvolle Entscheidung, da sie Diskussionen immer verloren, wenn Fakten und Argumente ins Spiel kamen.

Es gab keine Gründe dafür, nach dem 11.09.2001 den schiitischen Iran, der seine Hilfe bei der Strafverfolgung anbot und ein Gegner der sunnitischen Saudis war, welche die Flugzeuge in die Türme flogen, zum „Empire of Evil“ zu erklären. Es gab keine sachlichen Gründe dafür, ausgerechnet mit Riad zu kuscheln, während man angeblich den Saudi-Araber Osama Bin Laden verfolgte. Es gab keine Argumente, bizarrerweise den Irak, der nun wirklich überhaupt nichts mit den 9/11-Attentaten zu tun hatte anzugreifen. Es gab keine Beweise für Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins. Die US-Republikaner jener Zeit; GWB, Cheney, Rumsfeld, Wolfowitz; lernten damals, wie man den bei Fakten und Argumenten überlegenen Demokraten entkommt: Lügen.

Einfach behaupten, Saddam stecke hinter 9/11, einfach jedem erzählen, er hätte Massenvernichtungswaffen, einfach den Krieg anfangen!

Das führte zwar zu der (von jedem mit Fakten und Argumenten operierenden) Experten prognostizierten Katastrophe im Nahen Osten, zu Millionen Toten und viel mehr Terror, war aber in den USA sensationell erfolgreich: Präsident Bush wurde 2004 triumphal wiedergewählt und Vizepräsident Cheney verdiente ein Vermögen durch seine Halliburton-Beteiligungen.

Mit John McCain und Mitt Romney scheiterten die letzten beiden Republikaner, die wenigstens nicht vollständig die Existenz von Fakten leugneten, bei den Präsidentschaftswahlen 2008 und 2012 an Barack Obama.

2016 machten sie es besser, indem sie sich gar nicht erst auf inhaltliche Debatten einließen und den größten Lügner aus ihren Reihen nominierten.

Heute wirkt es ein bißchen so, als sei Trump, wie Kai aus der Kiste, plötzlich aufgetaucht und habe mit seiner einzigartigen Lügenkampagne alle anderen republikanischen Kandidaten geschockt. Das ist aber falsch. Die meisten anderen 2016ner Kandidaten - Mike Huckabee, Ben Carson, Ted Cruz, Marco Rubio oder Rick Santorum – waren genauso irre und verlogen. Carson behauptete, Obamacare sei Sklaverei, alle bekannten sich zum Creationismus, wollten nicht, daß Schulen Evolution lehren dürfen und hielten Autismus für einen Impfschaden.

Ich bezweifele, daß alle diesen Unsinn, den sie von sich gaben, selbst glaubten, aber sie wußten wie man bei der komplett von FOX in die Verblödung gesendeten GOP-Basis punktet.

Mit dem Amtsantritt Trumps hatten auf Sachargumenten basierende Debatten ausgedient. Alle Wahlkampfversprechen wurde ignoriert, Trump plauderte Staatsgeheimnisse an die Russen aus, schwärmte von Xi und „verliebte“ sich in Kim Jong Un. Die während der Obama-Zeit als extreme deficit-hawks agierenden Republikaner erhöhten das US-Staatsdefizit drei mal um mehrere Trillionen Dollar. Mit dem Amtsantritt Bidens sind sie aber plötzlich wieder extreme Gegner der Erhöhung des Staatsdefizits.

Aber heute sind inhaltliche Debatten über Wirtschaft, Finanzen oder Bildung in den USA irrelevant geworden. Es geht nur noch um maximal Hassattacken, Angstkampagnen und Diskriminierung von Minderheiten.


Die Religion ist zurück. Die Feinde der Republikaner sind nun Schwule, Schwarze, Transpersonen und Dragqueens, Bücher, Aufklärung und Bildung.

Hass, Ideologie, Rassismus und purer Wahnsinn treiben Trumps Jünger Desantis und MT Green an. Demokratische Pundits, Aktivisten, Wahlkämpfer und Factchecker sind leider nur noch traurige Gestalten. Es ist geradezu putzig, wie sie immer noch Republikaner der Lüge, der Heuchelei oder auch Verbrechen überführen. Sie denken immer noch nicht über ihren demokratischen Tellerrand hinaus und nehmen daher an, ein Trump-Anhänger könnte ins Grübeln gebracht werden, wenn sein GOPer sich in Widersprüche verstrickt, offensichtlich lügt oder gar als Kinderf**ker überführt wurde.

Aber es handelt sich bei den QTrumpliKKKans eben gerade nicht mehr um eine politische Strömung, sondern Mitglieder eines Todeskults, für die Fakten längst keine Rolle mehr spielen.

[….] In den USA haben die Republikaner ein neues Lieblingsthema entdeckt: Bücher über Rassismus und Genderthemen verbieten. [….]

In Michigan stimmten in dieser Woche neun republikanische Senatoren gegen die Abschaffung eines Gesetzes von 1931, dem zufolge nur Männer und Frauen zusammenwohnen dürfen, die verheiratet sind. [….] In Florida unterschrieb Gouverneur Ron DeSantis am Donnerstag ein Gesetz, das es erheblich erleichtert, die Todesstrafe zu verhängen. Selbst wenn vier Mitglieder der jeweiligen Jury die Todesstrafe ablehnen, kann diese ausgesprochen werden. DeSantis ist dabei, Florida zum restriktivsten und konservativsten Bundesstaat des Landes umzubauen, was angesichts der diesbezüglich ambitionierten Konkurrenz aus Texas eine anspruchsvolle Aufgabe ist. [….] Beim neuen Lieblingsthema der Republikaner hinkt er dagegen überraschend noch etwas hinterher: Seit Beginn des Jahres werden in immer mehr Bundestaaten Gesetze erlassen, die Auftritte von Dragqueens erschweren. In Tennessee dürfen solche Veranstaltungen nicht mehr in öffentlichen Gebäuden oder in der Gegenwart von Minderjährigen stattfinden. Im angeblich so freiheitsliebenden und zugleich so verbotsaffinen Texas fallen Veranstaltungsorte von Drag-Shows künftig in den gleichen Rang wie Pornokinos und Stripclubs.

Ein zweites, ebenfalls vergleichsweise neues Lieblingsthema der Republikaner ist das Verbieten von missliebigen Büchern. An diesem Donnerstag hat der Autorenverband PEN America, der sich für die Freiheit der Rede und für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzt, seinen jüngsten Report dazu veröffentlicht. Darin heißt es: „Das Schuljahr 2022/2023 zeigt eine Eskalation von Bücherverboten und Zensur in Klassenzimmern und Schulbibliotheken in den Vereinigten Staaten.“ Ganz vorne dabei: DeSantis’ Florida und Texas. [….][….] Welches Erregungspotenzial diese Themen mittlerweile im Land haben, zeigt eine Posse, die Anfang des Monats ihren Anfang nahm und „Das große Bud-Light-Debakel“ getauft wurde. [….]  


Diese bizarre Episode illustriert bestens, dass die Republikaner offensichtlich glauben, neben Abtreibung und Schusswaffen ein weiteres Thema gefunden zu haben, das die Basis vereint und vor allem mobilisiert: die Ablehnung von LGBTQ-Themen aller Art und besonders von Menschen uneindeutigen Geschlechts.
[….] [….]

(Christian Zaschke, SZ, 21.04.2023)

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