Intelligenz und Bildung sind sehr hilfreich, um sich vor Idiotologien, Aberglauben, Religion, Radikalismus und Verschwörungstheorien zu schützen.
Deswegen gehen die US-Republikaner so rabiat gegen Universitäten und Colleges vor: Bildung schadet ihren Wahlchancen.
Deswegen wehrte sich die Katholische Kirche so vehement gegen Luthers Bibelübersetzung und nicht lateinische Gottesdienste: Die Schäfchen sollten dumm bleiben. Wenn sie erst verstehen, was gepredigt wird, fangen sie womöglich an Fragen zu stellen und selbst nachzudenken. Verhaltensweisen, die aus religiöser Sicht hochgefährlich sind, weil man dadurch vom Glauben abfallen kann.
2023 gewinnt die katholische Kirche global betrachtet immer mehr Mitglieder. Sie rekrutieren sich aber genau dort, wo die Menschen arm und ungebildet sind. In Afrika, in den asiatischen Elendsvierteln, den südamerikanischen Favelas.
In Nordamerika und Nordeuropa passiert bei steigendem Bildungsgrad genau das Gegenteil: Die Menschen treten massenhaft aus.
Unter den US-amerikanischen Universitäts-Absolventen gibt es die größte Atheisten- und die niedrigste Republikaner-Quote.
Das ist ein in sich logischer und selbsterklärender Zusammenhang.
Schwerer zu erklären ist hingegen, wieso ein Doktortitel oder ein IQ über 120 nicht völlig ausschließen erzkonservativ oder religiös zu sein.
[….] Ich glaube nicht, dass die wissenschaftlichen und philosophischen Erkenntnisse, die wir gewonnen haben, schwerer zu verstehen sind als die seltsamen Geschichten, die uns von religiöser Seite nahegebracht werden. Ich frage Sie: Was ist schwerer zu verstehen? Die wissenschaftliche Erkenntnis, dass wir Teil eines evolutionären Prozesses sind, der aus einfachen einzelligen Lebensformen allmählich komplexere Organismen hervorbrachte? Oder der Glaube an einen Gott mit multipler Persönlichkeitsstörung (Dreifaltigkeit), dessen erster Teil (Gottvater) sich mit seinen Geschöpfen verkrachte, worauf er den zweiten Teil seiner selbst (Heiliger Geist) aussandte, um eine Jungfrau auf nichtsexuelle Weise zu schwängern, wodurch der dritte Teil seiner selbst (Jesus Christus) als aufrechtgehender Trockennasenaffe geboren wurde, um von einer historischen Besatzungsmacht hingerichtet zu werden und – ätsch – am dritten Tag wieder von den Toten aufzuerstehen? Man muss sich doch mal überlegen, welche intellektuellen Verrenkungen solche Glaubensinhalte den Menschen abverlangen. Leider lernen die Kinder in Deutschland schon in der Grundschule den biblischen Schöpfungsmythos, während die Evolution als eigenständiges Thema erst im 10. Schuljahr auf dem Lehrplan steht. Hier werden die Prioritäten völlig falsch gesetzt und deshalb muss man sich auch nicht darüber wundern, dass es vielen Menschen so schwerfällt, die Mechanismen der Evolution zu begreifen. [….]
(Michael Schmidt-Salomon)
Solche Menschen müßten doch auf den ersten Blick die Absurdität abrahamitischen Glaubenslehren erkennen.
(….) Es gibt eindeutig Korrelationen zwischen Bildung und IQ einerseits und Spiritualität und Religiotie andererseits.
Unzählige Umfragen zeigen, daß die Religiosität mit höherer Bildung abnimmt. Typischerweise sind die amerikanischen Eliteunis Hochburgen des Atheismus, während die Highschool-Dropouts im Biblebelt, die auch glauben in Brasilien spreche man brasilianisch und der Kanzler von Deutschland hieße Hitler, jedes Wort der Bibel ernst nehmen.
Unter Intellektuellen gibt es die höchste Atheistenquote. Aber genauso wie einige Atheisten dennoch Idioten sein können, gibt es auch Hochgebildete, die trotzdem sehr überzeugte Christen/Juden/Moslems sind. Warum bloß?
Die einzige Erklärung, die ich bisher für dieses scheinbare paradox habe ist die gewissermaßen neurologische Argumentation Michael Schmidt-Salomons. Stichwort „Inselverarmung“
Solange nämlich Religioten das Sagen auf unserem Planeten haben - und das haben sie leider, Mensch sei’s geklagt, in vielen Teilen der Welt -, sind alle Versuche, das Zusammenleben der Menschen vernünftiger, freier, gerechter zu gestalten, notwendigerweise zum Scheitern verurteilt. (Denken Sie nur an die muslimischen Extremisten in Somalia, die 2011 dringend benötigte internationale Hilfe für die hungernde Bevölkerung nicht zuließen.) Versuchen wir also angesichts der Bedeutung dieses Phänomens eine kurze Definition des religiotischen Syndroms:
Religiotie ist eine selten diagnostizierte (wenn auch häufig auftretende) Form der geistigen Behinderung, die durch intensive Glaubensindoktrination vornehmlich im Kindesalter ausgelöst wird. Sie führt zu deutlich unterdurchschnittlichen kognitiven Leistungen sowie zu unangemessenen emotionalen Reaktionen, sobald es um glaubensrelevante Sachverhalte geht.
Bemerkenswert ist, dass sich Religiotie nicht notwendigerweise in einem generell reduzierten IQ niederschlägt: Religioten sind zwar weltanschaulich zu stark behindert, um die offensichtlichen Absurditäten ihres Glaubens zu erkennen, auf technischem oder strategischem Gebiet können sie jedoch (siehe Osama bin Laden) hochintelligent sein. Wie es „Inselbegabungen“ gibt (geistig behinderte oder autistische Menschen mit überwältigenden mathematischen oder künstlerischen Fähigkeiten), so gibt es offensichtlich auch „Inselverarmungen“ (normal oder gar hochintelligente Menschen, die in weltanschaulicher Hinsicht völlig debil sind).
Religiotie sollte daher als „partielle Entwicklungsstörung“ verstanden werden – ein Begriff, den der Entwicklungspsychologe Franz Buggle schon vor Jahren vorgeschlagen hat, um die spezifischen Denkhemmungen religiöser Fundamentalisten zu erfassen.
(Keine Macht den Doofen, s.42f) (….)
Die Begeisterung gutbürgerlicher schwäbischer Kreise für Esoterik und Homöopathie ist ebenso eine Tatsache, wie die Affinität wohlhabender Grüner für den sagenhaften Unsinn der Rudolf-Steiner-Lehren, oder die hochdebilen Demeter-Methoden.
Es müsste so leicht und für jeden Abiturienten einsichtig sein, daß Globuli und bei Vollmond eingepflanzte Demeter-Kack-Hörnchen purer Humbug sind.
Offenbar sind aber auch Menschen mit Bachelor-Abschluß und sogar veritable Landesministerinnen anfällig dafür, diesen gefährlichen Schwachsinn zu verbreiten, ja, sogar fest daran zu glauben.
Bildung allein schützt nicht vor Doofheit.
Offenbar können auch Hedonismus, Egoismus, Selbstüberschätzung, Denkfaulheit, übertriebene Selbstsicherheit zu einer starken Schwurbel-Affinität führen.
Bis vor ein paar Jahren neigte auch ich dazu anzunehmen, daß die bekanntesten Verschwörungsgroteskheiten – Reptiloiden, flache Erde, Chemtrails, Aldebaraner, Adenochromkinder – nur etwas für wirklich debile Spinner des Formates Naidoo und Hildmann wären.
Aber Corona und der Ukraine-Krieg haben mich eines Besseren belehrt. Völlig normale, ja moralisch integre und gebildete Menschen unterschreiben das putineske Wagenknecht-Schwarzer-Manifest, scharen sich um General Vad, dem jede öffentliche Aussage um die Ohren flog, weil immer das Gegenteil des von ihm Prophezeiten eintritt. Millionen Menschen sterben lieber, als sich impfen zu lassen, negieren das Offensichtliche: 685 Millionen bestätigte Covid-Infektionen und sieben Millionen Tote.
Sicher, genau wie bei Homöopathie und Religion, sind es eher sächsische Prekariatler ohne Rechtschreibkenntnisse, die Putin als Opfer des Westens sehen und glauben via Biontech von Bill Gates ferngesteuert zu werden. Aber zu den Hohlbirnen gesellen sich leider auch Anwälte, Dentisten oder Apotheker, die es eigentlich besser wissen müssten.
Eins ist im Jahr 2023 sicher; nichts ist mehr sicher. Man kann sich bei den vertrauten Menschen nicht mehr sicher sein.
Tobias Haberl zum Beispiel. Er ist mir als SZ-Magazin-Autor sehr geläufig; seit Jahren lese ich gern seine Kolumnen und Reportagen.
[….] Tobias Haberl, geboren 1975 im Bayerischen Wald, hat in Würzburg und Großbritannien Latein, Germanistik und Anglistik studiert. In den Jahren 2001 und 2002 war er freier Journalist in Berlin, besuchte dann die Henri-Nannen-Schule Hamburg und ist seit 2005 Redakteur im Magazin der »Süddeutschen Zeitung«. 2016 erhielt er den Theodor-Wolff-Preis. Zuletzt legte er die Streitschrift »Die große Entzauberung - Vom trügerischen Glück des heutigen Menschen« vor (2019). Von Tobias Haberl erschienen außerdem »Wie ich mal rot wurde« (2011) und, als Herausgeber zusammen mit Alexandros Stefanidis, »Wir, Ritter der Ehrenrunde« (2016). Der Autor lebt in München. [….]
Der Mann ist offensichtlich nicht blöd und sehr belesen.
Zu Ostern amüsierte er mich mit einem Feuilletonartikel wider die pauschale Vergötterinnung von Frauen in Führungspositionen.
[….] Zuletzt haben Frauen erfolgreich imitiert, was ihnen Männer 5000 Jahre lang vorgemacht haben: Annalena Baerbock hat ihren Lebenslauf aufgeblasen, Franziska Giffey ihre Doktorarbeit mit unautorisierten Sätzen anderer dekoriert. Die frühere Umweltministerin Anne Spiegel hat sich nach der Flutkatastrophe im Ahrtal mehr Sorgen um ihr Ansehen als um die Opfer gemacht. Der früheren RBB-Intendantin Patricia Schlesinger wurde ihr Hang zu luxuriösen Dienstfahrzeugen und ihr sorgloser Umgang mit Spesenabrechnungen zum Verhängnis. Die frühere britische Premierministerin Liz Truss trat angesichts einer verheerenden Regierungsbilanz gleich von selbst zurück. Die frühere Vizepräsidentin des EU-Parlaments Eva Kaili sitzt wegen des Verdachts auf Bestechung im Gefängnis. Und Christine Lambrecht hat, man muss es leider so deutlich sagen, während ihrer kurzen Amtszeit eigentlich nur ihren Rücktritt einigermaßen hinbekommen.
Diese Liste ist gemein. Eine Liste peinlicher, fragwürdiger, gefährlicher Männer wäre länger. Trotzdem sollten wir uns daran gewöhnen, dass Frauen in solchen Aufzählungen auftauchen. Dass sie es jahrhundertelang nicht getan haben, liegt vor allem daran, dass sie Macht nicht missbrauchen konnten, weil sie keine hatten. [….]
Aber was musste ich kurz davor feststellen?
Der Mann ist katholisch und religiös, beklagt das Fehlen von Jesus Christus im Ampel-Koalitionsvertrag.
Ich bin schockiert. Wie kann ein kluger Menschen solche Ansichten vertreten?
[….] Ich meine die ungläubig-angewiderten Blicke, die einen treffen, wenn man erklärt, dass man am Sonntagvormittag leider nicht in dieses neue Café zum Frühstücken kommen kann, weil einem der Besuch der Heiligen Messe wichtiger ist. Ich meine, dass man sich, nur weil man zu spüren meint, dass dem spätmodernen Menschen in seiner Haltlosigkeit so etwas wie göttlicher Trost gut täte, anschauen lassen muss, als hätte man Kampfjets gefordert, und zwar für Russland. Ich meine, dass im Koalitionsvertrag der Ampelregierung die Buchstabenfolge »Christ« auf 178 Seiten nur ein einziges Mal vorkommt – in der Unterschrift des Finanzministers.
Neulich ließ ich in einem Gespräch mit einem Bekannten das Wort »Eucharistie« fallen. Er sah mich irritiert an: Eucharistie?! Ich könne nicht davon ausgehen, dass normale Menschen wüssten, was das ist. Ich war ein bisschen geschockt, [….]
Ich muss mich damit abfinden. Ich muss es wohl tolerieren. Auch unter den Klugen gibt es Partial-Idioten. Auch nichts und niemanden ist Verlass.
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