Samstag, 15. April 2023

Wenn die Uhren langsamer als im Vatikan gehen

 

Oh Darwin, diese unerträgliche Langsamkeit in Deutschland!

Bundeswehrumbau, Digitalisierung, Infrastruktur, Baugenehmigungen; nichts scheint voran zu gehen und natürlich werden wir durch diesen immerwährenden Kohl/Merkel-Schlafwagenmodus international abgehängt.

Ich habe das just bei meiner Einbürgerung erlebt, als die ausgesprochen zuvorkommende und sympathische Mitarbeiterin erzählte, daß die von mir in den letzten vier Jahren angebrachten Unterlagen – ein 20 cm hoher Stapel Papier – nun in dem schönen Neubau das Ausländeramtes lägen, aber es für solche Fälle noch keine endgültige Lagerungsmöglichkeit gäbe. Das müssen die sich nun erst noch überlegen, was sie mit den Aktenmassen der „Staatsbürgerschaft durch Erklärung“ anfangen. Tatsächlich sind das alles Informationen, die ich aus anderen Behörden beschafft habe. Geburtsurkunde, Personenstandsurkunden meiner Eltern und Großeltern, Steuererklärungen, Grundbuchauszüge, etc pp.

In einem modernen Staat wäre so etwas digitalisiert. Die Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde könnte das mit ein paar Klicks auf ihrem Bildschirm finden.

Nicht aber in Deutschland. Da müssen diese Papiermassen nun physisch in die anderen Ämter geschleppt werden.

Das Prinzip kennen wir von dem gigantischen Chaos um die neue Grundsteuer, bei dem 35 Millionen Immobilien neu bewertet werden müssen und nun schon 1,5 Millionen Einsprüche vorliegen. Alle Informationen, die die Finanzämter benötigen und von Abermillionen Wohnungsbesitzern auf umständlichste Art angebracht werden mussten, liegen den deutschen Behörden bereits vor. Aber wir leben in einer vordigitalen bürokratischen Steinzeit, in der Amt A keine Möglichkeit hat beim Amt B eine Information zu bekommen.

Die Weimarer Reichsverfassung trat am 14.August 1919 in Kraft. Viele Artikel wurden vom deutschen Grundgesetz übernommen; so auch der berühmt-berüchtigte Art. 138 Abs. 1 Weimarer Verfassung i. V. m. Art. 140 Grundgesetz, der seit nunmehr fast 104 Jahren verlangt, die Staatskirchenleistungen in Höhe von rund 600 Millionen Euro (zusätzlich zu den 13 Milliarden Euro Kirchensteuern) abzuschaffen. Mit nur 102 Jahren Verspätung wollte sich die Ampel laut Koalitionsvertrag an diesen Verfassungsauftrag machen.

[….] Schriftliche Stellungnahme zur Vorbereitung der Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat des Deutschen Bundestages am 12. April 2021 zum Entwurf eines Gesetzes über die Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgesellschaften (BT-Drucksache 19/19649) und zum Entwurf eines Grundsätzegesetzes zur Ablösung der Staatsleistungen (BT-Drucksache 19/19273)

Der in Art. 138 Abs. 1 Weimarer Verfassung i. V. m. Art. 140 Grundgesetz niedergelegte Verfassungsauftrag, die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgemeinschaften abzulösen, besteht seit 101 Jahren. Es ist zu begrüßen, dass die Bundestagsfraktionen, welche nunmehr Entwürfe für ein Bundesgesetz zur Ablösung der Staatsleistungen vorgelegt haben, den Verfassungsauftrag ernst nehmen und ihn erfüllen möchten. Dass seinerzeit das Reich und heute der Bund die Grundsätze für die Ablösung der Staatsleistungen aufzustellen hat, bedeutet, dass den Bundesländern und den ihnen zuzurechnenden Verwaltungsträgern die rechtlichen Maßstäbe an die Hand gegeben werden müssen, mit deren Hilfe sie die Ablösung vornehmen können. [….]

(Univ.-Prof. Dr. Diana zu Hohenlohe, LL.M, 08.04.2021)

Es geht um die bekannten „Säkularisierungsentschädigungen“, die im Zuge des Reichsdeputationshauptschluss von 1803 entstanden.

Das Bündnis Altrechtliche Staatsleistungen abschaffen (BAStA) informiert ausführlich über alle Hintergründe.


Inzwischen sind die Kirchenmitglieder eine Minderheit in Deutschland und man fragt sich, wieso insbesondere die Bundesländerchefs so eisern daran festhalten, eine antidemokratische, misogyne Kinderfic**erorganisation großzügig mit Geld zu überschütten, das mehrheitlich von Konfessionsfreien erwirtschaftet wird. Die Kirchen erhielten bisher rechnerisch fast das 200-Fache des Wertes, der ihnen im Jahr 1803 entzogen wurde.

[…] Der Staat zahlt zum Beispiel für den Unterhalt und die Renovierung kirchlicher Gebäude, für Kirchturmuhren, Orgeln und Glocken. […] Den weitaus größeren Teil der Staatsleistungen machen laut Haushaltsplan des Bayerischen Kultusministeriums bei beiden Kirchen Zuschüsse für die Pfarrbesoldung aus.

Bleibt die Frage, wie viel Spielraum das Grundgesetz weniger kostspieligen Lösungen lässt. Der emeritierte Münsteraner Staatsrechtler Bodo Pieroth hält die anvisierte Großzügigkeit, also die Ablösung mit dem Faktor 18, für "geradezu verfassungswidrig". Schließlich verspreche das Grundgesetz den Kirchen ja gerade keine "immerwährenden" Leistungen, sondern fordere im Gegenteil deren Ablösung. Also könne man den Bewertungsfaktor locker halbieren, sagte Pieroth der Zeitung Die Welt. Ähnlich sieht es Christian Walter, Professor für öffentliches Recht in München: "Der formulierte Verfassungsauftrag ist der einer Ablösung der Staatsleistungen, nicht einer Fortzahlung."  Hinzu kommt, dass der Staat die Verluste der Kirchen eigentlich längst ausgeglichen hat. Pieroth zitiert ein Gutachten, wonach die Kirchen das 194-Fache des ursprünglich entzogenen Wertes erhalten hätten, wenn man eine dreiprozentige Verzinsung zugrunde legt.  […]

(Wolfgang Janisch, Annette Zoch, 12.04.2023)

Natürlich könnte eine derartig steinreiche Organisation wie die Kirche, deren Bistümer Milliarden-schwere Bistümer immer wieder Millionen-Überschüsse erwirtschaften, auch auf die Zahlungen verzichten, nach dem sie dem Staat schon die 194-fache Entschädigung abgepresst haben. Finanziell geht es ihnen so blendet, daß die 600 Millionen Euro kaum ein Rolle spielen.

[….] Ein einseitiger oder ein vertraglich festgelegter Verzicht der Kirchen auf die weitere zukünftige Zahlung wäre die eleganteste und schnellste Lösung der Staatsleistungsfrage. Es darf daran erinnert werden, dass für die katholische Kirche Papst Benedikt XVI. bei seinem Deutschlandbesuch im Jahr 2011 bei seiner Freiburger Rede die Bedeutung der „ihres weltlichen Reichtums entblößten“ Kirche betont hat. Er fügte hinzu: „Die von ihrer materiellen und politischen Last befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein.“ Ein solcher Verzicht würde die Gesetzgebungsprozesse und komplizierte Anhörungen von Expertenkommissionen zu den im Jahr 1919 bestehenden Rechtsgründen und zur Höhe der bereits gezahlten Staatsleistungen sowie zur Berechnung etwaiger Ablösungsentschädigungen überflüssig machen. Das hundertjährige Jubiläum der Weimarer Verfassung wäre dafür ein guter Zeitpunkt. Da die Staatsleistungen nach eigenen Angaben der Kirchen auch nur 2 – 3 Prozent ihrer laufenden Einnahmen ausmachen, wäre ein Verzicht für die Kirchen auch alles andere als ruinös. […]

(BaSta)

Aber die nie endende finanzielle Raffgier ist nun einmal die einzig wahre Konstante der christlichen Kirchen.

(….) Während der prunkverliebte Ratzi wenigstens so ehrlich war, sich ständig in den teuersten Golddurchwirkten und edelsteinbesetzten, hermelinumhüllten Tand zu werfen, gibt der Jesuit Bergoglio eine Meistervorstellung der Heuchelei, indem er mit billigen Tretern im Fiat umherfährt und die Armen bejubelt. Während er natürlich andererseits auf den größten und wertvollsten Schätzen der Menschheitsgeschichte hockt und gar nicht daran denkt, den im Mittelmeer ersaufenden Flüchtlingen, Obdach in seinen Myriaden Immobilien zu geben oder mit seinen Vatikanbank-Milliarden Kinder vorm Hungertod zu retten.

Geld abzugeben kommt überhaupt nicht in Frage. Erst Recht nicht, wenn der Vatikan als reichste Organisation, wie gewöhnliche Multimilliardäre Steuern zahlen soll, mit denen dann Sozialleistungen finanziert werden.

Niemals! Selbst fressen, macht fett! (….)

(Limes, Rubikon und Rote Linie des Vatikans, 28.03.2023)

Die frommen Süd-Bundesländer blockieren das Ampel-Vorhaben besonders strikt.

Der Grüne MP Kretschmann und der schwarze MP Söder gaben ein gemeinsames NJET aus.

[….] Die Verhandlungen sind nun, wie der hpd unter Auswertung verschiedener Presseberichte schreibt, wohl vorerst am Veto der Länder gescheitert.

Deutlich Worte zum Scheitern der Verhandlungen findet ifw-Beirat Bodo Pieroth im breit rezipierten Interview mit der WELT. Er hält die diskutierten Ablösesummen "nicht nur für viel zu großzügig gegenüber den Kirchen, sondern für geradezu verfassungswidrig."

Hintergrund des Scheiterns scheinen dabei gerade die sehr hohen im Raum stehenden Ablösesummen gewesen zu sein. Friedrich Coradill (Sprecher von BASTA) erläuterte im Januar 2023 in dem Zusammenhang: "Das Nichts-Tun bzw. die Nicht-Ablösung hat die deutschen Länder seit 1949 bis jetzt 21 Milliarden Euro gekostet und die zu erwartende Ablösung könnte nach Schätzungen zusätzliche 11 Milliarden Euro kosten. Wenn die Ablösezeiträume wieder 5 + 20 Jahre sein sollen, kommen im Worst-Case weitere 21 Milliarden Euro an Weiterzahlungen dazu, also fast das Doppelte der Ablösung! Und das alles hinter verschlossenen Türen. Dagegen war das Maut-Desaster Scheuers geradezu eine Petitesse." Ifw-Beirat Rolf Schwanitz erteilte der diskutierten Milliardenablöse bereits Anfang des Jahres in seinem sehr lesenswerten ifw-Aufsatz eine klare Absage: "Es ist deshalb weder vermittelbar noch gerechtfertigt, diesem milliardenschweren einhundertjährigen Geldregen weitere Entschädigungszahlungen folgen zu lassen. Alle vorstellbaren Ausgleichsansprüche sind dadurch bereits abgegolten. Alles andere wäre einfach unverhältnismäßig. Deshalb sollte bei der Bemessung der Ausgleichszahlungen die Anrechnung der Staatsleistungen seit 1919 zwingend in das Grundsätzegesetz aufgenommen wer- den. Die fiskalischen Belastungen der öffentlichen Hände dürften in diesem Bereich deshalb nahezu bei null liegen."

Kritisch kommentierte diese Woche ferner ifw-Beirat Johann-Albrecht Haupt gegenüber dem Deutschlandfunk das Scheitern der Verhandlungen: "Es sieht derzeit danach aus, als wollten die Länder überhaupt nicht mehr mitmachen. Das könnte der Vorwand für den Bund sein, ganz auszusteigen. Dann braucht auch er sich nicht weiter mit den Kirchen anzulegen. Und die Kirchen können damit rechnen, dass sie bis zum Ende aller Tage in wachsendem Maße staatliche Gelder bekommen [….]

(ifW, 06.04.2023)

Also zahlen wir vielleicht noch mal 100 Jahre im Land der Langsamkeit.

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