Freitag, 10. November 2023

Bundestag ohne AfD

 Ohne die morgige Titelgeschichte im SPIEGEL über ein mögliches AfD-Verbot gelesen zu haben, bin ich durchaus ein Anhänger der Idee.

[….]  Es ist nur ein Szenario. Ein Blick in die Zukunft, wie es in Deutschland einmal aussehen könnte. Im September 2024 wird ein neuer Landtag in Thüringen gewählt. Für die Grünen und die FDP sehen die Umfragen nicht gut aus. Es könnte sein, dass sie knapp an der Fünfprozenthürde scheitern, sie wären dann nicht im Parlament vertreten. Davon würde vor allem eine Partei profitieren – die AfD.

Angenommen, die sonstigen Parteien erreichten einen Stimmenanteil von zehn Prozent, dann brauchte die AfD nur 40 Prozent der Stimmen, um die absolute Mehrheit zu erringen. Sie könnte dann in Thüringen allein regieren. So hat es der Informatiker Matthias Moehl für den SPIEGEL errechnet. Er betreibt in Hamburg die unabhängige Plattform election.de, die auch auf Wahlprognosen spezialisiert ist.

Der AfD-Landesvorsitzende aus Thüringen, Björn Höcke, wäre in diesem Szenario wohl der neue Ministerpräsident. Jener Mann also, den der Verfassungsschutz als rechtsextrem einstuft, der eine »erinnerungspolitische Wende um 180 Grad« fordert, von einer künftigen Politik der »wohltemperierten Grausamkeit« spricht und die »Altparteien« als »entartet« bezeichnet, im reinsten Jargon der Nationalsozialisten.  Er könnte in seiner neuen Rolle eigenmächtig den Staatsvertrag mit dem MDR und mit dem ZDF kündigen und sich eine eigene Rundfunkanstalt aufbauen. Er könnte vollziehen, was in seinem Buch »Nie zweimal in denselben Fluss« steht: »Die Schutthalden der Moderne beseitigen«, wie er es nennt. »Auch wenn wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen.« Thüringen würde von einem Mann regiert, dessen Auftreten an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte erinnert.

Es ist nur ein Szenario, aber kein Fantasma. In einer Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des MDR vom Juli 2023 landete die AfD in Thüringen bei 34 Prozent Zustimmung. Wäre heute Bundestagswahl, bekäme die Partei in dem Bundesland nach einer Prognose von election.de sogar 37 Prozent der Stimmen. Das düstere Szenario – es liegt nicht mehr so weit von der Realität entfernt. [….]

(DER SPIEGEL 46/2023, 10.11.2023)

Eins ist nach den letzten Jahren sicher: Die Ossis sind keine verlässlichen Demokraten. Die Ossis sind zivilgesellschaftlich zu unterentwickelt, um sich für Schwächere und humanistische Werte einzusetzen. Den Ossis nachzuweisen, wie rassistisch, verfassungsfeindlich und Nazi-artig die AfD agiert, verstanden einige liberale Westler (wie ich einst), fälschlicherweise als Argument gegen die Wahl der AfD. Inzwischen wissen wir es aber besser: Die Ossis wählen nicht „trotzdem“ AfD, sondern „gerade deswegen.“ Wir haben bei Pandemie und Ukrainekrieg gelernt, daß die Ossis nicht mit Fakten und Argumenten einzufangen sind. Sie leben in ihren braunen „alternative-facts“-bubbles und plappern Telegram-Verschwörungstheorien nach, statt sich mit seriösen Informationen zu belasten.

Zu allem Übel, leben dieses AfD-Ossis nicht nur in Ossistan, sondern haben sich längst auch bei den Wessis; insbesondere in den Süd-Bundesländern; festgesetzt. 30% bekamen die antisemitischen Schwurbelparteien AfD und FW bei den Bayerischen Landtagswahlen am 08.10.2023.

Ich bin kein Verfassungsjurist. Aber in den letzten zwei Jahren habe ich so viele Experten zum Thema AfD-Verbot gehört, daß ich deren Einschätzung als „schwierig, aber durchaus möglich“ zusammenfassen möchte.

Natürlich verschwinden durch ein Verbot der Partei weder ihre Wähler, noch ihre problematischen rechtsradikalen Einstellungen.

Die schlimmsten rechtsradikalen Spinner des Schlages David Berger, werden im Falle eines Verbots sicherlich all ihre Wahnvorstellungen, „Deep State – Systempresse – Linksgrünversiffte Meinungsdiktatur – Great Reset“, bestätigt sehen. Aber, so what? Bei ihnen ist der galoppierende Wahnsinn so weit fortgeschritten, daß sie ohnehin nicht auf den Boden der Verfassung zurück zu holen sind.

Außerdem mag es unter den Weidel-Wählern auch eine spontane Fraktion geben, die sich von einer klaren Einstufung der AfD als „verfassungswidrig“, doch beeindrucken lässt und so eine Partei nicht wählen würde.

Ein zweites Argument für ein AfD-Verbot, ist die Zerschlagung ihrer finanziellen Infrastruktur. Die braune Vogelschiss-Partei von Putins Gnaden wird über Diäten, Fraktionsgelder und Wahlkampfkostenerstattung mit zig Millionen Euro aus der Steuerkasse finanziert. Geld, unter anderem aus meiner Tasche, das beim durchaus teuren und schwierigen Aufbau einer legalen Nachfolgepartei fehlt, so daß es zumindest Jahre dauert, bis der braune Wahlmob wieder eine politische Heimat gefunden haben wird – falls es überhaupt funktioniert, wenn ihre hetzenden Promis nicht mehr wie gegenwärtig dauernd im TV auftauchen, um kostenlose Werbezeit auszunutzen.

Drittens würde der Ausschluss der AfD-Pest aus den Parlamenten, ihr dort ihre PR-Show zu Werbezwecken nehmen und darüber hinaus den Parlamentsbetrieb nicht mehr durch Gaga-Anfragen und Hetze blockieren.

Der vierte Punkt betrifft die anderen Parteien, auf die der AfD-Stil bedauerlicherweise abfärbt und die daher alle schon mehr als bedenklich weit nach rechts gerückt sind.

Die extreme räumliche Nähe zwischen CDU und den Faschisten, die es in den Landtagen und im Bund gibt, führte bereits zu einer debilisierenden Ansteckung bei der CDU und CSU.

Längst dominiert Hetze und nicht etwa Bemühungen um Problemlösung, die Agenda der Merz/Söder-Union.

Ihre Positionen sind zu erklecklichen Teilen nicht mehr von denen der AfD zu unterscheiden.

Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU, Stefan Müller, hetzt im schönsten AfD-Sprech gegen den „woken Staatsfunk“, der seiner Ansicht nach nur noch Programm für Schwule und Transsexuelle macht.

[….] CSU-Politiker: ARD und ZDF sollen "Journalismus für normale Zuschauer" machen. Aus der CSU-Führungsriege kommen nun Forderungen, Programme für Menschen, die als nicht "normal" eingestuft werden, zu verbieten.

Stefan Müller, der CSU-Parlamentsgeschäftsführer im Bundestag, hat laut "Merkur" von ARD und ZDF gefordert, mehr "Journalismus für normale Zuschauer" zu machen. Anlass ist Kritik des Mainzer Politikwissenschaftlers Jürgen Falter an der Objektivität der öffentlich-rechtlichen Sender.

"Jetzt warnt auch die Wissenschaft davor, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Menschen nicht informieren, sondern bekehren will", polterte Müller. "Linke Journalisten bei ARD und ZDF fördern mit ihrer Agenda die Spaltung der Gesellschaft. Der nächste Rundfunkstaatsvertrag muss endlich sicherstellen, dass Journalismus für normale Zuschauer gemacht wird. Berichterstattung mit Weitsicht statt weltfern und woke."  [….]

(Queer.de, 08.11.2023)

Genauso queerfeindlich, wie die AfD hetzt auch CDU-Frau Caroline Bosbach.

[….] Caroline Bosbach [….] arbeitete unter anderem im Wahlkampfteam des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier und ist seit 2021 Bundesvorsitzende des Jungen Wirtschaftsrats der CDU.

Im Mai sorgte sie mit ihrem Auftritt in der Bild-TV-Sendung "Viertel nach Acht" für Schlagzeilen, als sie mit Blick auf die queere Community erklärte: "Deutschland wird immer irrer." Sie beklagte sich etwa über den Verkauf eines Kinderbuches über eine trans Person und erklärte, diese Publikation stehe für einen gesellschaftlichen Trend, "der Ordnung und Werte, so wie wir sie kennen, abschaffen möchte". "Umerziehungsfantasien" würden Kindern aufgedrängt, so Bosbach weiter. "Warum müssen wir unseren Kindern immer Angst machen?", fragte die 33-Jährige. Außerdem machte Bosbach den CSD-Monat dafür verantwortlich, dass Kinder nicht mehr wüssten, was Pfingsten sei: "Der Queer Pride Month steht vor der Tür. Das kennen sicher alle. Ich wage aber ganz stark zu bezweifeln, dass irgendeiner von denen weiß, wann Pfingsten ist, was Pfingsten ist und was das Ganze überhaupt soll." Die Äußerung ist insbesondere angesichts von unter Kindern populären Pfingstferien unverständlich – für den Pride-Month gibt es schließlich keine freien Tage.  Bosbach fasste ihre Haltung so zusammen: "Deutschland wird immer irrer. Wenn ich persönlich jetzt Kinder hätte, die würden an keine normale Schule mehr gehen. Die würde ich einpacken, würde sie in irgendein katholisches Internat packen, am besten in Bayern oder sonstwohin, wo die Welt noch in Ordnung ist. Und ansonsten kann ich nur hoffen, dass wir diesem Trend Einhalt gebieten, weil wir sind immer noch in der absoluten Mehrheit. Es gibt vielleicht ein Prozent in der Bevölkerung, die das nicht hochgradig irre finden." Zustimmung für ihre Thesen erntete Bosbach von den anderen queerfeindlichen Gästen Birgit Kelle und Sahra Wagenknecht. [….]

(Queer.de, 06.11.2023)

Ich habe eine (kleine) Hoffnung, daß bei einem parlamentarischen Verstummen der AfD, die Christenunion nicht mehr ganz so eifrig, die menschenfeindlichen Thesen der Höckepest nachplappern würde.

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