Den Presseclub, bzw die Ausweichsendung „internationaler Frühschoppen“ sollte man Sonntagabend zur Primetime zeigen und dafür „Anne Will“ mittags um 12.03 Uhr, wenn niemand einschaltet.
Der Informationsgehalt der Runde mit den Fachjournalisten ist erheblich höher, als die mit den Parteipolitikern.
Zudem ist Anne Will leider eine sagenhaft schlechte Moderatorin, die völlig unabhängig vom Inhalt des Gesagten in vorgegebener Reihenfolge jeden mal dran nimmt, sich aber nicht für die Antworten interessiert.
Die Presseclub-Moderatoren Ellen Ehni und insbesondere Susan Link sind viel besser informiert, ordnen thematisch.
Unglücklicherweise teilen sie sich die Moderation mit ihrem Chef Jörg Schönenborn, dem Programmdirektor des WDR. Ihm fällt es sichtlich schwer, seine persönlichen erzkonservativen Ansichten zu unterdrücken.
Da müssen die Gäste oder das Thema schon außerordentlich interessant sein, um sich die Sendung anzusehen, wenn er moderiert.
Am 12.11.2023 leitete er den Presseclub zum Thema „Kurswechsel in der Asylpolitik“ und hatte die ebenfalls erzkonservativen Herren Ulrich Reitz, Chefkorrespondent beim rechtspopulistischen „Focus online“ und Gordon Repinski, designierter Deutschland-Chef bei SPRINGERS „Politico“, geladen. Normalerweise möchte man sich das nicht antun, aber als Gegengewichte fungierten taz-Korrespondentin Dinah Riese und die von mir höchstgeschätzte Ärztin und Politikwissenschaftlerin Gilda Sahebi.
Offensichtlich fürchtete Schönenborn die Kraft der Argumente und deckte die Runde a priori mit düsteren Zahlen der xenophoben Stimmung in der Bevölkerung ein. Eine überwältigende Mehrheit der Bundesbürger wünsche sich, die Migranten loszuwerden und so schuf er als Diskussionsgrundlage einen Konsens gegen Flüchtlinge. Es ging nur um Maßnahmen, der Abschreckung, Vertreibung, Grenzschließungen, Drangsalierung, Härte und Grausamkeit.
Daß Migranten möglicherweise gute Gründe haben zu fliehen, daß Deutschland für die Fluchtgründe Mitverantwortung trägt, daß wir ein Grundgesetz haben, daß wir Menschenwürde achten sollten und daß wir schließlich auch dringend Zuwanderung brauchen, sollte gar nicht erst erwähnt werden, um die geifernden AfD-Zuschauer, die sich in den Kommentarspalten austobten, nicht zu verwirren.
Alle Deutschen sind gegen Ausländer, alle Parteien sind gegen Ausländern und alle Ebenen, von Kommunal bis EU, sind gegen Ausländer. Wir sind alle überfordert und können den Ansturm nicht bewältigen. Das war der Rahmen, den Schönenborn zwischen BILD und AfD absteckte.
Die Herren wiesen vor Empörung schnaubend immer wieder auf die Kommunen hin. Anders als die nach Wokistan abgedrifteten Ampelspitzen, leisteten die Landräte und Provinzbürgermeister die eigentliche Integrationsarbeit und sie könnten schlicht nicht mehr. Die Bundespolitik müsse nun endlich auch die Warnungen der Basis, also der Kommunalpolitiker hören, denn sonst marschiere die AfD bei den nächsten Wahlen zur absoluten Mehrheit.
Bedauerlicherweise schlägt dieses, die AfD legitimierenden Narrativ, tatsächlich Wurzeln bei den linkeren und liberaleren Parteien. Alle fürchten sich so sehr vor dem Groll der Wähler, daß sie gar nicht erst Argumente und Fakten einbringen, sondern in vorauseilendem Gehorsam die Politik umsetzen wollen, die von den „HAUT AB“-grölenden ungewaschenenen Wutbürgern auf Ossistans Straßen gefordert wird.
Sahebi und Riese hatten es schwer durchzudringen.
Den Drittstaatenweg über Ruanda, wie ihn Großbritannien gehe, priesen Repinski und Reitz als Königsweg. Dann würden sich viele Flüchtlinge gar nicht auf den Weg machen, wenn sie damit rechnen müssten, in Ruanda festzusitzen. Die Damen mahnten an, die Methode sei mutmaßlich illegal, dazu entscheide der britische Highcourt erst noch. Aber über solche Einwände konnten R&R nur verächtlich lachen; das Gericht werde das Sunaksche Vorhaben schon erlauben.
Drei Tage nach der Ausstrahlung der Sendung sollten Sahebi und Riese Recht behalten; der Oberste Gerichtshof in London erklärte die Ruanda-Regelung für illegal.
Das Framing als „irreguläre“ oder ,“unkontrollierte“ Migration ist gesetzt.
Dabei ist es gerade die grausame Abschottungspolitik, die gar keine legale Möglichkeit offen lässt, legal in Deutschland Asyl zu beantragen; die um ihr Leben laufende Menschen zwingt auf „irreguläre“ Schlepper zurück zu greifen.
Taz-Frau Riese erwähnte, die Afghanen, denen Deutschland versprochen hatte hierher zu kommen, weil sie nun von den Tailban ermordet werden, nachdem sie der deutschen Bundeswehr geholfen hatten. Nur 14 wurden tatsächlich aufgenommen.
Annalena Baerbock sollte sich in Grund und Boden schämen, weil sie alle ihre Versprechen gebrochen hat.
[…..] Rund ein Jahr nach dem Start des Bundesaufnahmeprogramms warten immer noch Tausende gefährdete Afghanen auf ihre Ausreise nach Deutschland. Nach der Rückkehr der Taliban wollte Deutschland 1000 Menschen pro Monat die Flucht auf diesem Weg ermöglichen. Bisher sind allerdings nur 14 Menschen über das Bundesaufnahmeprogramm in Deutschland angekommen. Hilfsorganisationen berichten von chaotischen Zuständen und einer überforderten deutschen Bürokratie.
[…..] Annalena Baerbock (B'90/Grüne), Bundesaußenministerin, 23.12.2021: "Sie sind nicht vergessen. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, alle in Sicherheit zu bringen." […..] Das Ziel der Bundesregierung, im Monat rund 1.000 besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen aufzunehmen. Jetzt, nach einem Jahr, hätten mit dem Bundesaufnahmeprogramm somit rund 12.000 Menschen aus Afghanistan nach Deutschland kommen sollen. Tatsächlich darüber eingereist sind bis heute gerade einmal 14. […..] Tatsächlich aber hätten sich mehrere zehntausend Menschen für das Programm gemeldet, berichten verschiedene Hilfsorganisationen. […..]
Clara Bünger (Die Linke), Bundestagsabgeordnete: "Zum einen müsste erst mal der politische Wille dafür tatsächlich da sein, dass man Menschen aus Afghanistan aufnehmen möchte. Ich sehe zwar nette Worte von Politikerinnen, aber ich sehe kein politisches Handeln, kein tatsächliches Handeln im politischen Bereich, dieses Aufnahmeprogramm auch wirklich umzusetzen, das ist das eine. Das andere ist, dass wir natürlich im letzten Jahr sehr viele bürokratische Hürden auch hatten bei der Etablierung des Programms."
Bürokratische Hürden, die auch Maryam Mozaffari überwinden muss. Warten, hoffen, bangen, das alles mache sie krank. Die Aussichten, dass sie es bald nach Deutschland schafft sind gering. Der Weg dahin – ein bürokratischer Marathon, an dem zahlreiche Bundesbehörden beteiligt sind: Sie muss eine Hilfsanfrage bei einer ausgewählten NGO stellen, es folgt dort erst einmal eine Überprüfung. Ein aufwändiger Fragebogen geht an die Koordinierungsstelle im Auftrag des Bundesinnenministeriums. Wieder wird geprüft. Dann eine Auswahlrunde deutscher Behörden, Innenministerium, Außenministerium. Es folgt eine Dokumentenprüfung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dann braucht sie ein Visum für Pakistan und einen Termin beim Deutschen Konsulat in Islamabad, mit langen Wartezeiten. Dort überprüfen deutsche Sicherheitsbehörden noch einmal. Und erst dann vielleicht wird ein Visum erteilt, wenn es so weit kommt. […..]
Ähnlich verzerrt auch die Schönenbornsche Darstellung der totalen Überforderung aller Kommunen mit den Flüchtlingen.
Tatsächlich gibt es Städte und Gemeinden, die sehr gut mit den Flüchtlingen zusammenarbeiten, die froh sind Fachkräfte und Neubürger zu bekommen. Aber diejenigen, die sich um Migranten kümmern sind nicht laut und auffällig. Dort, wo Integration funktioniert, brennen keine Unterkünfte. Es ziehen keine AfD-Gröl-Mobs durch die Straßen. Diese Beispiele werden von Rechtspopulisten wie Merz und Spahn und Söder nie erwähnt. Monitor nennt einige, insbesondere von CDU-Bürgermeistern verantwortete positive Fälle.
Diese Berichte kommen zwar aus seinem eigenen WDR-Haus, aber davon will Schönenborn offenkundig nichts wissen. Das passt nicht in sein Ausländer-Raus-Narrativ.
[….] Seit Monaten beklagen Städte, Landkreise und Gemeinden in Deutschland eine massive Überforderung bei der Aufnahme von Geflüchteten. Aber es gibt einige Kommunen in Deutschland, die mit den steigenden Zahlen von Geflüchteten erstaunlich gut klarkommen – sei es bei der Verteilung von Wohnraum oder der Integration in den Arbeitsmarkt. Was machen diese Städte anders? Ist die Überlastung vielerorts hausgemacht?
Georg Restle: "Plötzlich ist allerorten von Überforderung die Rede, von Kommunen vor allem, die alle längst über dem Limit seien. Dass das so nicht stimmt, darüber hatten wir in unserer letzten MONITOR-Ausgabe berichtet. Über eine kleinere Gemeinde in Oberbayern, die mit den steigenden Zahlen von Geflüchteten erstaunlich gut klarkommt. Darauf gab es jede Menge Reaktionen. Das sei ja wohl nur ein Einzelfall, nach dem wir lange gesucht hätten. Deshalb haben wir uns entschieden, nochmal loszuziehen und zu schauen, ob es da nicht doch noch weitere Positivbeispiele gibt. Und so viel kann ich Ihnen schon verraten, lange suchen mussten wir nicht. Herbert Kordes, Lutz Polanz und Julius Baumeister." […..]
In das Schönenbornsche Ausländer-Raus-Narrativ passen weder gelungene Integration, noch die dringende Notwendigkeit von Zuwanderung nach Deutschland, noch der Hinweis, wieso es ein Asylgrundrecht in Deutschland gibt.
Es waren die grausamen Erfahrungen des mörderischen deutschen Antisemitismus, der zwischen 1933 und 1945 viele Millionen Deutschen – Juden, Sozialdemokraten, Regimegegner, Sinti, Kommunisten, Roma, Schwule, Menschenrechtler, Gewerkschaftler – das Leben kostete. Sie hatten schon deswegen keine Möglichkeit ihr Leben zu retten, weil niemand sie aufnehmen wollte.
Deswegen schufen die Väter des Grundgesetzes das Asylrecht. Damit Menschen, die in durch ihre eigene mörderische Regierung bedroht werden, legal zu uns kommen dürfen. Das ist keine Kleinigkeit, die Merz, Weidel und Co nun mit einem Federstrich wegwischen wollen.
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