Mittwoch, 10. Mai 2023

Wer will zu den Ossis?

 

Heute wollte mich jemand in seine Wohnung locken und da festhalten.

Das kam so: Bei meinem Besuch in einem Altersheim, lernte ich einen freundlichen Mitt-90er kennen, der zu seinem Glück frei von jeden Demenzanzeichen lebt. Er zeigte mir Bilder seiner beiden ererbten liebevoll restaurierten Gründerzeithäuser. Jeweils mit drei Wohnungen, die alles bieten, das sich das heutige Hipster-Herz wünscht. Parkett, Erker, große Räume, 140 – 170 qm, hell, Blick auf die Elbe. Das alles zu einem lächerlichen Mietzins von vier Euro kalt. Huch? Hatte er da eine Null vergessen? Eine der Wohnungen steht zum Missfallen des alten Herren seit mehreren Jahren leer. Da er sie nicht verkommen lassen möchte, lässt er im Winter ein bißchen heizen und bezahlt einen Hausmeister, um regelmäßig zu lüften und nach dem Rechten zu sehen. Ob ich nicht da einziehen wolle? Er würde mir auch die ersten beiden Monatsmieten erlassen.

Die Wohnung ist dreimal so groß und doppelt so schön wie meine jetzige Bude und deutlich günstiger. Ich war schon in den Startlöchern, um sofort meinen Haushalt in Kisten zu packen, als mir einfiel, doch lieber noch mal genau nach der Lage der Häuser zu fragen. Leider doch nicht nur leicht außerhalb Hamburgs, ein Stück die Elbe hinaus, sondern in Mühlberg.

Mühlberg? Elbe-Elster-Kreis. Südbrandenburg. Zwischen Halle und Cottbus.  Da wollen offenbar noch nicht mal die Mühlberger leben.

Mühlberg/Elbe

Von 4.700 Einwohnern im Jahr 2005 verließen bis heute 1.200 Menschen die Stadt.

Wenig überraschend, daß Wohnungen leer stehen, wenn ein gutes Viertel der Bevölkerung in so kurzer Zeit verschwindet.

Im recht ausführlichen Wikipedia-Eintrag zu Mühlberg findet man viele Informationen zur Gliederung, zur Historie und Kommunalpolitik. Die Punkte „Wirtschaft“ oder „Kultur“ gibt es allerding gar nicht.

Das Stadt-Webportal listet einen einzigen Supermarkt, einen EDEKA, sowie eine Hausärztin auf. Dazu gibt es auch einen gastronomischen Betrieb, die Gaststätte "Seeblick".

Natürlich; so ein Ort, so pittoresk er auch sein mag, ist für Jugendliche oder Karriere-Orientierte weniger attraktiv als Fußpilz. Die fliehen aus Mühlberg, als wäre es die katholische Kirche.

Aber wieso ziehen eigentlich nicht Typen wie ich dahin? Also semi-vergreiste Prä-Geronten in der Post-Party-Phase, die vom Lärm und den Quadratmeterpreisen der Großstadt genervt sind und zufrieden sind, wenn sie einen Internetanschluß und üppigen Platz für Bücher haben?

Man kann sich ja alles schicken lassen heutzutage und die Kommunikation über das Word Wide Web abwickeln. Ich gehe ohnehin nicht (mehr) auf die Reeperbahn feiern und fühle mich von den allwöchentlichen Giga-Events in Hamburg nur belästigt. Letztes Wochenende Hafengeburtstag, davor Hansemarathon, jeden Freitag gewaltige Feuerwerke. Alle paar Tage rotten sich Hunderttausenden Feierbiester im Bratwurst- und Jever-Wahn vor meiner Bude zusammen, während ich doch nur meine Ruhe will. Also lieber ab ins ländliche Brandenburg?

Aber nein, das tue ich natürlich nicht und zahle lieber doppelt so viel Miete für ein Drittel so viel Wohnung, nehme lieber Parkplatzsuche, Lärm und Stau in Kauf.

Der Grund ist ganz einfach: Der Elbe-Elster-Kreis lockt nämlich nicht nur mit lieblicher Landschaft und idyllischen Kleinstädten, sondern beinhaltet leider auch jede Menge Ossis als Bewohner.

Nein, natürlich sind nicht alle Ossis schlecht. Aber die Netten sind unglücklicherweise meistens genau das Viertel, das bereits dort weggezogen ist, während sich im DDR (Der Doofe Rest) ein untergebildeter und nicht vermittelbarer Männerüberschuß konzentriert, der sich darüber grämt, keine Frau und keinen Job abzubekommen. Unglücklicherweise bleibt es nicht beim Grämen, sondern geht ins Zündeln, Prügeln und Morden über.

[….] Die Zahl der Fälle politisch motivierter Kriminalität im Land Brandenburg hat im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Insgesamt wurden 4.384 Straftaten verübt, ein Anstieg um ein Fünftel gegenüber dem Vorjahr. Die Aufklärungsquote lag bei 48,2 %. Das geht aus der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität (PMK) für das Jahr 2022 hervor, die Innenminister Michael Stübgen und Polizeipräsident Oliver Stepien heute in Potsdam vorgestellt haben. [….] Stepien: „Ursächlich für den Anstieg der politisch motivierten Kriminalität sind auch Straftaten rund um die Corona-Pandemie. Allein im ersten Quartal des letzten Jahres hatte die Polizei beispielsweise über 1.400 Versammlungslagen zu bewältigen, wovon der überwiegende Teil nicht angemeldet war und somit eine Strafanzeige zur Folge hatte. Die größte Gefahr aber geht weiterhin von Rechtsextremisten aus, denn fast die Hälfte aller politisch motivierten Straftaten war rechtsmotiviert. [….] Insgesamt wurden 4.384 politisch motivierte Straftaten registriert. Davon entfallen 2.046 Fälle auf den Phänomenbereich PMK -rechts- (2021: 1.813; + 13%). 232 Fälle sind der PMK -links- (2021: 386; -40 %) zuzuordnen. [….] Wie bereits im Jahr 2021 gibt es einen erheblichen Anstieg bei den politisch motivierten Gewaltdelikten auf 300 Fälle (2021: 179; +68 %). [….] Allein im Bereich der fremdenfeindlichen Gewaltdelikte aller Phänomenbereiche ist ein Anstieg um 69 auf 143 Fälle zu verzeichnen. Bei den Gewaltdelikten vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit dem jeweiligen politischen Gegner gab es eine Zunahme von 49 auf 151 Straftaten. [….]

(Innenministerium Brandenburg, 13.04.2023)

Sorry Restossis, bei Euch möchte ich nicht wohnen.

[….] Taten im Zusammenhang mit Corona

Die politisch motivierte Kriminalität lag 2022 auf dem höchsten Stand seit Einführung der Statistik im Jahr 2001: 24.080 Straftaten entfielen auf den Phänomenbereich „PMK nicht zuzuordnen“. [….] Ein wesentlicher Teil der Straftaten steht im Zusammenhang mit den Protesten gegen Einschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie.

[….] Die zweitmeisten politisch motivierten Straftaten wurden 2022 im Phänomenbereich „PMK rechts“ begangen. Die Fallzahlen sind um rund sieben Prozent auf 23.493 Straftaten angestiegen. Das bestätige erneut, was für eine große Bedrohung von Rechtsextremisten ausgeht, so Faeser.

„Besondere Sorge macht mir, dass Angriffe auf Geflüchtete stark zugenommen haben“, so die Bundesinnenministerin. Es sei in höchstem Maße menschenverachtend, Menschen zu attackieren, die bei uns Schutz vor Krieg und Terror suchen würden. Im vergangenen Jahr haben auch die Straftaten gegen Geflüchtete wieder zugenommen. Die Polizeibehörden registrierten 1.420 Straftaten gegen Schutzsuchende. Auch Asylunterkünfte werden immer häufiger zum Ziel von Straftaten. Hier ist ein Anstieg auf 120 zu verzeichnen.

Im Themenfeld „Reichsbürger/Selbstverwalter“ sind die Fallzahlen erheblich auf 1.865 Straftaten angestiegen. Dies entspricht einer Zunahme um fast 40 Prozent. Die Landesbehörden haben zwischen 2016 und dem Ende des vergangenen Jahres 1.100 waffenrechtliche Erlaubnisse von „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ entzogen. „Wir werden weiter mit aller Härte gegen Reichsbürger und anderer Extremisten fortgehen“, bekräftigte Faeser.

Im Bereich der Hasskriminalität hat sich eine deutliche Zunahme um rund zehn Prozent auf 11.520 gezeigt. Drei von vier dieser Straftaten sind dem Bereich „PMK rechts“ zuzuordnen. Die Zahl der Gewalttaten ist noch deutlicher um 33 Prozent auf nun 1.421 gestiegen.  [….]

(Bundesinnenministerium, 09.05.2023)

Wer äußerlich erkennbar kein Eingeborener ist, muss in Ossiland damit rechnen angegriffen zu werden.

[….] Hakenkreuz und Hitlergruß in der Schule, Angriffe im Ferienlager: In Brandenburg machen gerade rechtsextreme Vorfälle Schlagzeilen. Doch es sind keine Einzelfälle. "Wir haben regelmäßig damit zu tun", sagt einer, der es wissen muss.

Das Ferienlager Kiez Frauensee liegt kaum eine Autostunde von Berlin entfernt, aber es ist eine andere Welt. Holzhütten an einem blauen See, drum herum Moore und der Brandenburger Wald. Jugendliche kommen für "Naturbildung" und "die Förderung von Toleranz und Akzeptanz" hierher. Doch das, was die Schüler der Berliner Lina-Morgenstern-Schule am Wochenende erleben mussten, war das genaue Gegenteil davon. [….] Die Schüler der zehnten Klasse aus Berlin-Kreuzberg waren am vergangenen Freitag angereist. Sie wollten sich über ein verlängertes Wochenende auf eine Matheprüfung vorbereiten, wie die B.Z. zuerst berichtete. Viele der Schüler haben einen Migrationshintergrund, einige Mädchen tragen Kopftuch. [….] Die teils vermummten jungen Angreifer gehörten zu einer Gruppe von 28 Gästen aus der Gegend südlich von Berlin, die auf dem Gelände einen 18. Geburtstag feierten. Inzwischen ermittelt der Berliner Staatsschutz gegen sie. [….]  Die Linke mahnte, Brandenburg könne nicht zur "No-go-Area" werden. [….] Der Vorfall am Frauensee ist bereits der dritte in den vergangenen Wochen, bei dem Brandenburger Jugendliche rechtsradikale Parolen skandierten und auch Menschen attackierten. Ende April wurde ein anonymer Brief mehrerer Lehrer von der Gesamtschule in Burg bei Cottbus bekannt. Darin schildern sie, wie sie fast täglich "Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie" erlebten. Eine Gruppe von zehn bis zwölf Schülern aus einer neunten Klasse beschmiere Schultische mit Hakenkreuzen, höre auf den Gängen Musik rechtsextremer Gruppen und zeige den Hitlergruß. Doch die Schulleitung unternehme viel zu wenig, so die Briefschreiber. An diesem Dienstag demonstrierten deshalb Schüler, Eltern und Lehrer vor dem Schulamt in Cottbus. [….] Wie tief die Rechten besonders im Süden Brandenburgs verwurzelt sind, zeigte sich im vergangenen September. Da musste sich in Cottbus der SPD-Kandidat als Bürgermeister in einer Stichwahl gegen einen offen rechtsextremen Bewerber von der AfD durchsetzen. Das gelang nur, weil neben den Grünen auch die CDU schließlich für den Sozialdemokraten warb. [….]

(Jan Heidtmann, SZ, 09.05.2023)

So leid es mir tut, für den netten Vermieter. Aber da will ich nicht hin.

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