Donnerstag, 20. Juli 2023

Täglich grüßt das braune CDU-Murmeltier – Teil II

Meine gestrige Frage danach, ob Friedrich Merz versehentlich oder absichtlich, systematisch der AfD hilft, scheint beantwortet zu sein.

(….) Was ist eigentlich schlimmer?

 Variante 1:
Entweder ist Friedrich Merz unfassbar verblödet und begreift einfach nicht, daß er mit seinem kontinuierlichen rechtspopulistischen Gerede nur die Rechtspopulistischen stärkt, weil er deren hetzerischen Talkingpoints salonfähig macht, damit dem Brüllplebs bestätigt, berechtigte Anliegen zu haben; diese Faschistenfreunde aber doch immer das Original wählen, also die AfD stärken und die CDUCSU schwächen.

Variante 2:

Oder die andere Möglichkeit, daß der CDU-Doppelchef klug genug ist, um zu begreifen, wie man die AfD systematisch stärkt und aus ideologische Übereinstimmung fortfährt genau dies zu tun, weil er deren antisemitische, homo-und xenophobe Ansichten schätzt und auf eine AfD-CDU-Koalition hinarbeitet?  (….)

(Täglich grüßt das braune CDU-Murmeltier, 19.07.2023)

Aber die schiere Frequenz des Merzschen AfD-Sprechs, spricht für die zweite Deutungsmöglichkeit.

Der braune Fritz ist unfähig auch nur 24 Stunden vergehen zu lassen, ohne erneut seine Partei an den rechtsfaschistischen Rand zu rücken.

Heute befand er ungeniert, die CDU sei eine „AfD mit Substanz“.

[….] Politiker:innen von Grünen und SPD finden die Aussage des CDU-Chefs „irre“. Zuletzt erhob Merz die Grünen noch zum „Hauptgegner“. Unterdessen gewinnt die AfD in Umfragen. [….]  „Bitte lieber Gott, mach, dass das ein Deepfake ist …“, schreibt etwa Konstantin von Notz, Bundestagsabgeordneter der Grünen, zu Merz’ Aussage.  Wenn es sich die CDU gefallen lasse, sich von ihrem Parteichef als „AfD mit Substanz“ bezeichnen zu lassen, wisse er auch nicht mehr weiter, twittert von Notz weiter. „Dass die Union im Bund die breite Mitte preisgibt, um Rechtsdraussen irgendwelche ideologischen Verrücktheiten auszufechten, ist komplett irre.“

Jürgen Trittin, ebenfalls Grüner Bundestagsabgeordneter, teilt die Verwunderung seines Parteikollegen: „Kommt jetzt die Umbenennung der CDU in AFDSubstanz?“.

„Es ist irre, wie Merz den Diskurs immer weiter nach rechts schiebt“, twittert die Berliner SPD-Politiker Sawsan Chebli. „Jeden Tag ein bisschen mehr.“ [….] Zuletzt hatte bereits die Aussage für Empörung gesorgt, dass Merz die Grünen zum „Hauptgegner“ der CDU erklärte. Die beiden Parteien koalieren in mehreren Bundesländern. Derweil erreicht die AfD in Umfragen immer neue Spitzenwerte. [….]

(Daniel Krause, TS, 20.07.2023)

#Merz degradiert seine gesamte Partei zur "Alternative für Deutschland mit Substanz" und ich denke 2/3 Mitglieder der Union gehen in den Keller, weinen und wünschen sich inniglich #Merkel zurück.

(C.Storch, 20.07.2023)

Christian Storch, der frühere Sprecher der Grünen in Berlin, ist ein Optimist. Ein großer Optimist, wenn er glaubt, daß zwei Drittel der 380.000 Mitglieder mit ihrem Partei- und Fraktionschef hadern.

Im Gegenteil, gerade die Jungen in der CDU, die sich als Personal der Zukunft im Bundestag etablieren, sind durch die Bank stramm rechts und AfD-affin. Christoph Ploß, Tilman Kuban, Philipp Amthor, Carsten Linnemann, Thorsten Frei, Jens Spahn – von der jungen Garde hat er keinen Widerspruch zu befürchten. Heiner Geißer ist tot, Ruprecht Polenz ist Rentner, Marco Wanderwitz kaltgestellt und der erzkatholische Daniel Günther gibt sich nur im Moment liberaler, weil es ihm nutzt, so lange er auf die Grünen angewiesen ist. Aber der Kieler Ministerpräsident ist ein Opportunist, der im Wahlkampf mit antisemitischen Tönen (Schweinefleisch-Zwang!) und sexistischen Aussetzern (Leyla grölen!) zeigt, wie wenig liberal er eigentlich ist.

Es gibt keinerlei ernsthafte liberale Opposition innerhalb der CDU gegen einen täglich rechtsextrem blinkenden Vorsitzenden.

So macht Merz die CDU klein und die AfD groß. Immer wieder. Jeden Tag.

Fast die gesamte CDUCSU-Fraktion hat sich in der Migrationsfrage inzwischen auf das AfD-Niveau radikalisiert, sympathisiert mit den menschenfeindlichen Thesen ihres erzkonservativen Hardliners Thorsten Frei.

[……] Friedrich Merz machte den Anfang, als er in einer Talkshow Söhne von Migranten als »kleine Paschas« bezeichnete. Ein paar Monate später fragte der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn, ob die Flüchtlings- und die Europäische Menschenrechtskonvention »so noch funktionieren«. Offenbar war da ein Wettbewerb um die rechtspopulistischste Position entbrannt. Die Ampelkoalition produzierte Chaos, aber in den Umfragen profitierte davon nicht die Union, sondern die AfD. Beging die CDU also nun politischen Selbstmord – aus Angst vor dem Tod? [….] Ruud Koopmans, der als Professor für Migrationsforschung an der Berliner Humboldt-Universität: [….] »Mit ihrem Vorschlag, das individuelle Recht auf Asyl ganz abzuschaffen, schießt die Union weit übers Ziel hinaus. [….]  Die CDU weckt damit bei den Wählern Erwartungen, die nicht erfüllbar sind. [….] So schürt sie Frust, von dem am Ende die AfD profitiert«[….]   [….] Frei will das individuelle Asylrecht auf europäischer Ebene abschaffen. Rechtlich und politisch hätte ein solcher Vorstoß wohl kaum eine Chance. Die Verpflichtung der EU, Schutzbedürftige aufzunehmen, ist in der Charta der Grundrechte und im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verankert. [….]

(SPON, 20.07.2023)

Das Deutschland des Jahres 2023 ist wieder leicht entflammbar. Auf kommunaler Ebene übernehmen die AfD-Faschisten erste Regierungsämter. Die CDU steht begeistert daneben und zündelt. Bis alles braun verbrannt ist.

 [….] Für das diesjährige Sommerloch machte der neue CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann den Auftakt, mit seinem Vorschlag der Schwimmbadgewalttäterschnellverfahren – das heißt: Wer morgens im Freibad brutal rangelt, der soll bereits abends vor einen Richter. Das ist so realistisch wie heißes Eis am Stiel.

Nun präsentierte ein weiterer CDU-Politiker eine ebenso abwegige Sommerlochperle: Thorsten Frei möchte das individuelle Asylrecht abschaffen. Nein, Verzeihung: Er möchte es »ersetzen«. Mal abgesehen von den ethischen Implikationen und der Geschichtsvergessenheit, die sich hier offenbaren, ist auch dieser Vorstoß hinsichtlich seiner Umsetzbarkeit eher eine Fata Morgana. Seine Realisierung stünde im Konflikt zur Genfer Flüchtlingskonvention, zur Europäischen Menschenrechtskonvention und zur EU-Grundrechtecharta. [….] Frei [….] weiß, dass solch eine Anregung nicht nur Aufregung produziert, sondern nicht realistisch ist.

Jeden Sommer sind es dieselben Arschbomben, mit denen der Diskurs verwässert wird. [….] In der Mischung aus saisonalem Opportunismus und schwitziger Anbiederung an die Wählerschaft entsteht ein Sommerlochpopulismus, der so erfrischend ist wie Sonnenbrand.

Beim Versuch, die politische Leere der parlamentarischen Pause zu füllen, erzeugen Sommerlochpopulisten aber vor allem etwas, mit dem Wähler:innen nicht wirklich was anfangen können: leere Signifikanten – wie das der argentinische politische Theoretiker Ernesto Laclau bezeichnet hat.

Solche leeren Signifikanten sind ein Grundelement einer jeden populistischen Kommunikation zu jeder Jahreszeit. Sie haben an sich keinen festen Inhalt, sondern sind schon beim Aussprechen »wie Flasche« leer. Wenn jemand beispielsweise in Reaktion auf negative Nachrichten mehr »Ordnung« oder mehr »Gerechtigkeit« fordert, so ist die konkrete soziale Umsetzbarkeit zweitrangig. [….]

(Samira El Ouassil, DER SPIEGEL, 20.07.2023)


 

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