Sonntag, 4. September 2016

Anbiedern bringt nichts.


Man hört heute etwas unterschiedliche Angaben zu der Anzahl der Flüchtlinge in MeckPomm. Im Jahr 2016 wurden scheinbar bisher 6.000 Menschen aufgenommen.
Das genau herauszufinden, ist erstaunlich einfach.
Die Landeszentrale für politische Bildung unterhält eine Website, auf der alle Kenndaten leicht zugänglich sind.

[…..] Im vergangenen Jahr wurden 23.080 Menschen in Mecklenburg-Vorpommern registriert. 2016 sind es bislang 3.180 (Stand Ende Februar). Das Land muss exakt 2,03 Prozent aller Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen. Das sieht der „Königsteiner Schlüssel“ vor, eine Quote, die sich nach Bevölkerungszahl und Steueraufkommen richtet. Zum Vergleich: In Berlin kamen 2015 insgesamt 79.034 Flüchtlinge an, 54.325 konnten bleiben, die anderen wurden auf die Bundesländer verteilt. […..]
Die meisten ziehen weiter. In andere Länder, in die großen Städte. 2015 ist nur jeder dritte Flüchtling in Mecklenburg-Vorpommern geblieben. In ihre Heimat jedoch werden viele Menschen vorerst nicht zurückkehren können. Dort herrscht Krieg. Sie müssen ein neues Leben beginnen. Für MV ist das eine Chance. Seit 1990 hat das Land etwa 300.000 Einwohner verloren. Und schon einmal wurden hier Flüchtlinge aufgenommen – fast eine Million nach dem Zweiten Weltkrieg. […..]

Matthias Höhn, der Bundesgeschäftsführer DIE LINKE merkte zum heutigen Wahlergebnis in MeckPomm zutreffend an, „wir“ führten eine „angstgesteuerte Diskussion, obwohl die Menschen in den meisten Landkreisen noch nie einen Migranten gesehen haben“.
So wie Antisemitismus in Abwesenheit von Juden gedeiht, koten sich auch die Vorpommerer xenophob ein, obwohl es bei ihnen kaum Flüchtlinge gibt.

Wie das passieren konnte?

Dazu muß man sich nur die Aussagen der Scharfmacher in der CSU anhören und dann das Gegenteil dessen formulieren.

Seehofer, Scheuer, Dobrindt, Söder und die CDU-Innenminister besorgen das Geschäft der AfD, indem sie seit Monaten ein mediales „Flüchtlingsproblem“ inszenieren, auch wenn es wie in großen Teilen Mecklenburg-Vorpommern gar kein reales Flüchtlingsproblem gibt.

Da wurde die abstruse Burka-Debatte angezettelt, als ob man nicht mehr anziehen dürfe was man wolle und als ob irgendwo in MeckPomm schon mal eine Burka auf der Straße gesehen wurde. Türken wurde von der Kanzlerin persönlich eine mangelnde Staatsloyalität unterstellt und bei der Gelegenheit gleich noch angedacht die bestehenden Doppelstaatsbürgerschaften abzuerkennen.
Es wurde das Rucksackverbot auf öffentlichen Veranstaltungen diskutiert, unmittelbar vor der Wahl noch mal richtig im Angstkübel gerührt, indem de Maizière sein Volk aufforderte Wasser, Nudeln und Reis zu hamstern, als ob die Zombi-Apokalypse unmittelbar vor der Tür stünde. Die CDU-Länderinnenminister übertrafen sich immer wieder mit neuen, noch abstruseren Idee für mehr Sicherheit.  Immer radikaler will de Maizière Flüchtlinge abschieben; zum Beispiel nach Griechenland und der Grüne Rechtsaußen Boris Palmer will Menschen sogar nach Syrien ausfliegen lassen. Software auf Flughäfen und Bahnhöfen soll Terrorgesichter erkennen.

Da knallten bei der AfD jeden Tag die Sektkorken ob der kostenlosen Werbung, welche die CDU für die Rechtsaußen lieferte.
Boris Palmer und der CDU-phile Winfried Kretschmann gaben derweil ihr Mögliches, um die Grünen in MeckPomm aus dem Landtag zu kegeln.
Erfolgreich. Die 5%-Hürde verfehlten die Nordost-Ökos.
Einen ähnlichen Effekt dürften Sahra Wagenknechts AfD-freundlichen Töne gehabt haben: Die Linke sackte in MeckPomm dramatisch auf gerade mal noch 13% ab und fuhr damit das schlechteste Ergebnis aller Zeiten ein. Bei der Bundestagswahl 2009 hatte die Linke in Meckpomm noch fast 30% geholt.

Ja Frau Wagenknecht und Herr Palmer, ja CDU, die Menschen wählen das Original, wenn andere Parteien beginnen braun zu reden.

Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte es dem Ex-Doktor Scheuer so: „Ihr Ranwanzen an die AfD hat nur der AfD geholfen.“
Recht hat er, der Kellner. So wie die Debatten auf bundespolitischer Ebene in den letzten Monaten geführt wurden, hilft man der AfD.
Das gilt sogar insbesondere für die CSU, die bei jeder Gelegenheit quasi im Petry-O-Ton Grüne, Linke und SPD dafür angreift im Bundesrat schärfere Abschiebungs- und Desintegrationsgesetzte zu blockieren.

Auch irgendwie ekelig, aber bei weitem nicht so verantwortungslos und hetzerisch wie die CSU versucht es Sigmar Gabriel, der neuerdings immer wieder die Abstiegsängste und Verunsicherungen der AfDphilen aufgreift und kritisiert, der Eindruck entstünde, daß immer nur Geld für Banken und Flüchtlinge da wäre, aber in der Provinz Grundschulen verrotten und Menschen mit Minirenten abgespeist würden, weil es immer hieße, dafür sei kein Geld da.
Das stinkt ein bißchen, weil damit auch Gabriel einen Zusammenhang zwischen Flüchtlingen und sozialen Härten für Deutschlands Ärmste herstellt. Das freut die AfD.
Dabei generieren Flüchtlinge sogar mehr Wirtschaftswachstum, helfen also der Ökonomie. Sie sind auch schon gar kein Grund dafür, daß in der Steuer- und Abschreibungspolitik die Superreichen so extrem bevorzugt werden.
Es ist nicht die Schuld der Flüchtlinge, daß Deutschland ein dreistelliger Milliardenbetrag verloren geht, weil die Bundesregierung sich weigert Steuerflüchtlinge zu verfolgen und keine Steuerfahnder einstellen will.
Man muß stattdessen ein positives Narrativ über die Flüchtlinge anfangen.
Man muß erklären, daß der Westen wesentlich zu dem Bürgerkrieg in Syrien beiträgt, daß Deutschland sich eine goldene Nase daran verdient, weil wir Waffen an beide Kriegsparteien in Syrien liefern.

Gabriel mäandert, mischt alles zusammen. Er könnte auch ganz klar aufzeigen wie Herr Schäuble im Geld schwimmt und wofür die SPD diese gewaltigen Summen gern ausgeben würde, wenn Frau Merkel das nicht blockierte.

Frau Merkel sitzt beim G20 -Treffen in Hangzhou und bekommt nun symbolträchtig am Jahrestag ihres „Wir schaffen das“-Satzes ausgerechnet in ihrem Heimatlandesverband die Superdemütigung hinter die AfD auf Platz drei zurückzufallen und sich damit noch mehr Häme aus München anhören zu müssen.
Muß sie einem nun leidtun? Da wollte sie vor einem Jahr mal nett sein, muß sich dafür gerade in Hangzhou erneut das Innere des Mastdarmes von Freund Erdogan ansehen und wird dafür vom Wähler so betraft?

Nein, auch Merkel spielt mit dem braunen Feuer.

[….] Trotzdem hat sie in dieser Woche jenen rätselhaften Satz gesagt, dass „wir“, wer immer das sei, „von den Türkischstämmigen, die schon lange in Deutschland leben, erwarten, dass sie ein hohes Maß an Loyalität zu unserem Land entwickeln“.
Wer den Satz zweimal liest, dreimal, erkennt das Gift, das in ihm steckt: Die Kanzlerin spaltet. Da ist ein Wir, und da sind die anderen, letztlich fremden „Türkischstämmigen“. Und von denen dürfen wir, also die irgendwie einheimischeren, echteren Bürger, irgendwas erwarten.
Merkels Spruch gehört zu den Versuchsballons, die die Union in diesen Wochen in den Sommerhimmel steigen lässt, um zu testen, wie sie in aktuellen und künftigen Wahlkämpfen mit Ausländer- und Islamthemen punkten kann. Auf den Ballons standen bislang Burkaverbot und Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, dazu gab es ein paar Schutzbunkertipps vom Bundesinnenminister; seit Anfang der Woche ist der Ballon mit dem wolkigen Wort von der Loyalität am Start. [….]
(Ulrich Fichtner, Spiegel-Leitartikel, 27.08.2016)

Nein, Mitleid ist hier fehl am Platze.
Die jetzigen Probleme sind direktes Resultat ihrer Arbeitsverweigerung.
Natürlich hätte sie in den letzten zehn Jahren auf europäischer Ebene einen funktionierenden Asylmechanismus schaffen müssen, natürlich hätte sie Schäuble längst feuern müssen, um für eine nachhaltigere Finanzpolitik zu sorgen. Die Kommunen in den ärmeren Landstrichen hätten längst mit Investitionsprogrammen in Infrastruktur, Bildung und Soziales bedacht werden müssen, statt daß der Zerstörer der EU-Solidarität seinem Fetisch von der „schwarzen Null“ frönt.
Man kann nicht sagen „wir schaffen das“ und damit aber nur „ihr“ meinen. Sollen doch Kommunalpolitiker zusehen, wie sie das hinbekommen, während Berlin hineingrätscht, Familiennachzug blockiert, das Bamf arbeitsunfähig macht, kein Einwanderungsgesetz gestaltet, Integration blockiert, indem keine Sprachkurse gestellt werden und Personen ohne gesicherten Status (auf den sie aber möglicherweise Jahre warten) gar nicht erst für Integrations- und Sprachkurse zugelassen werden.
Hätte Merkel ihr „wir schaffen das“ ernst genommen, könnte sie nicht den Mann im Amt belassen, der immer und immer wieder durch infame Lügen und radikale Unfähigkeit auffällt.
Sich fein überall raushalten, de Maizière gewähren lassen und selbst Sprüche klopfen, die Flüchtlinge als Gefahr und Menschen deutscher Staatsbürgerschaft aufgrund falscher Abstammung als illoyal anzuprangern, geht nicht, Frau Bundeskanzlerin.
So bekommt man im Heim-Landesverband eben 19% reingedrückt und landet auf Platz Drei.

Am Schluß noch meine völlig subjektiven Ansichten:

·        Gut, daß der von den Medien immer wieder gehypte Christian Lindner eins auf den Decke bekam und weit unter der 5%-Hürde landete.
·        Gut, daß die NPD aus dem Landtag flog.
·        Gut, daß die SPD wenigstens die 30%-Hürde knackte und somit immerhin deutlich vor der AfD liegt.
·        Boh, ist Frauke Petry abstoßend. Was für eine fürchterliche Frau!
·        Erwin Sellering ist einer der sympathischeren SPDler. Ich mag den Mann.
·        Für die nächsten vier Jahre wünsche ich mir in Schwerin natürlich eine rot-rote Koalition. Die ist rechnerisch möglich und es ist für die SPD überlebenswichtig sich auch einmal nicht als der ganz große Loser aus einer GroKo zu verabschieden.
·        Erfreulich wäre es, wenn in Berlin in zwei Wochen die Desaster-CDU der Hauptstadt ebenfalls aus der Regierung flöge und eine Koalition links von ihr zustande käme. So könnte wenigstens ein klein bißchen Hoffnung für die Bundestagswahl 2017 generiert werden.

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