Mittwoch, 28. Februar 2018

Ab in die Groko.

Dieses ist ein persönlicher Blog und keine auf Neutralität angelegte Internet-Zeitung. Seit elf Jahren blogge ich jeden Tag; bis auf ganz wenige Ausnahmen, wenn mich das Internet im Stich ließ und ich zwangsweise offline war.

Der ein oder andere fühlt sich ermuntert schon mal nachzutreten.



 
Internet eben.
Nun gab es eine ganz anders verursachte Pause; ich verbrachte sie letzten acht Tage im Krankenhaus in der Unfallchirurgie.
Es gibt hier zwar ein Krankenhaus-WLAN und ich habe auch mein Notebook dabei, aber bisher reichte es nur für ein paar Emails und ein kurzes Checken der Nachrichtenseiten.
 Ein paar Tage ohne Trump sind ganz schön, aber wann immer man sich rein zufällig wieder in die Medienwelt einklinkt, ist diese unfassbare orange Peinlichkeit wieder da und hat so sicher wie das Amen in der Kirche soeben wieder einmal sein eigenes Niveau selbst unterschritten.

Ein neues Schoolshooting? Wäre nicht passiert, wenn viel mehr Waffen da wären und bis an die Zähne bewaffnete Lehrer sofort zurückgeballert hätten.
Wäre auch nicht passiert, wenn Trump persönlich anwesend gewesen wäre, weil er so unfassbar mutig ist, daß er auch unbewaffnet dem Schützen entgegen gestürmt wäre.


Bei dem Fototermin mit den Überlebenden  und Angehörigen der Opfer hält Trottel Trump seinen „I hear you“-Spickzettel in die Kamera. You cannot make this shit up – der Mann ist so ein soziopathischer Egomane, daß er nie von selbst auf die Idee kommen könnte, daß andere Menschen auch irgendeinen Wert haben

Ich nehme das nur dosiert wahr, da ich die üblichen fünf mentalen Phasen des Krankenhausaufenthaltes in Reinkultur durchlebe:

1.) Helfen sie mir! Tun sie was!

2.) Fatalistische Ergebenheit in die Umstände. Ist mir egal, ob ich aus der Narkose aufwache. Pieksen, schneiden, hämmern sie doch wie sie wollen.

3.) Erkennen wie dramatisch unangenehm es ist bei seinen biologischen Grundfunktionen nicht mehr selbstständig zu sein.

4.) Besserwisserische Analyse der Handlungsabläufe, überall Fehler und Missstände entdecken, die man aber großzügig ohne Beschwerden und ohne zu klingeln hinnimmt, weil man ja nicht die Art von Patient sein will. Die Angestellten hier haben es schwer genug.

5.) Aufbrauchen der eigenen Geduld. Kann der nicht einmal die Vene sofort treffen beim Blutabnehmen? Muß ich jedes Mal betteln um die Schmerzmittel? Ist auch eine längere Visite als 25 Sekunden möglich? Könnte man mal ein paar Fragen beantwortet bekommen? Und wieso stimmt das Klischee mit diesem absolut ungenießbaren Fraß immer noch? Wie schwer kann es sein Brot, Käse und eine Tomate aufzutreiben, sie nicht aus Fensterkitt bestehen und womöglich sogar über Eigengeschmack verfügen?

Zwischendurch war jemand in meiner Wohnung, hat mir Bücher, Unterhosen, T-Shirts und die SPD-Mitgliedervotum-Wahlunterlagen gebracht.
Es hilft ja nichts.
Deutschland braucht eine Regierung und die letzte Groko setzte im internationalen Vergleich mit 80% sogar extrem viel ihrer eigenen Versprechungen um. Wieso also nicht glauben, daß gute Leute wie Scholz und Maas auch in der mutmaßlich nächsten Regierung etwas Richtiges tun?

[….] SPD und Uni­on ha­ben ei­nen Ko­ali­ti­ons­ver­trag aus­ge­han­delt, der eine or­dent­li­che Grund­la­ge für Re­gie­rungs­ar­beit böte und die Hand­schrift der So­zi­al­de­mo­kra­tie trägt. Na­tür­lich war es ty­pisch für die Ge­nos­sen, sich un­mit­tel­bar nach die­sem Er­folg wie­der in Schar­müt­zeln zu er­ge­hen. Aber ge­nau das zeigt, dass die Pro­ble­me in der Par­tei selbst lie­gen. Es wäre un­reif, die ei­ge­nen Schwie­rig­kei­ten auch wei­ter­hin auf an­de­re zu schie­ben. Nicht die Kanz­le­rin ist für die jüngs­te Kri­se der SPD ver­ant­wort­lich. Die So­zi­al­de­mo­kra­ten müs­sen sich also mit sich selbst be­schäf­ti­gen, rei­fen. War­um soll­te dies leich­ter in der Op­po­si­ti­on sein als in ei­ner Re­gie­rung? Op­po­si­ti­on ist kei­ne Reha-Zone. Das Ei­ge­ne lässt sich in der Ver­ant­wor­tung bes­ser ein­brin­gen. Und in der Ver­ant­wor­tung lässt sich bes­ser prü­fen, ob das Ei­ge­ne rea­lis­tisch ist, ob es Be­stand hat.
Die Gro­ße Ko­ali­ti­on ist der Gro­ße Kom­pro­miss. Aber die De­mo­kra­tie ist nun mal die an­spruchs­volls­te Staats­form. Sie for­dert zu­gleich Lei­den­schaft und die Fä­hig­keit zu prak­ti­scher Ver­nunft, zum Kom­pro­miss. Was muss, das muss. [….]
(Susanne Beyer, Spiegel-Leitartikel, 23.02.2018)

Gern würde ich noch genauer analysieren, wie nach der CDU auch die SPD ihre Personalien in der Groko lösen wird.
Das neue Kabinettsmotto bedeutet offensichtlich einen katholischen Durchmarsch und das Entfernen aller Ossis aus der Regierung.

Aber staunend stelle ich fest, daß mein Körper nicht wie der von Actionhelden in Hollywoodstreifen ist, die angeschossen, aufgeschlitzt, überfahren und zerbrochen immer weiterrennen.

Sind es die Nachwirkungen der OP? Nebeneffekte der Narkose und des Analgetika-Cocktails? Oder wehrt sich mein bisher völlig Tattoo-, Piercing- und Schmuckfreier Körper gegen all das Metall, das in meine Beinknochen gehämmert und geschraubt wurde?

Es regt mich gar nicht so auf wie es eigentlich sein sollte, wenn Medien und Politiker einhellig die tiefe katholische Gläubigkeit der CDU-Generalin preisen.
Religiotie wird immer noch zu 99% positiv konnotiert.

[….] Annegret Kramp-Karrenbauer spricht, aber im Saal regt sich keine Hand. Schlimmer noch, die knapp 1000 Delegierten des CDU-Parteitags schweigen ihre künftige Generalsekretärin an. Eine solche Situation ist der Albtraum jedes Politikers, erst recht wenn einen diese Delegierten später noch zur neuen Generalsekretärin wählen sollen. In diesem Fall ist es aber nicht so dramatisch, denn Kramp-Karrenbauers erste kurze Rede ist nicht an die CDU gerichtet, sondern an den lieben Gott. Die saarländische Ministerpräsidentin, auch Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, spricht eine der Fürbitten während der ökumenischen Morgenandacht vor Beginn des Parteitages. […..]

Na toll, eine LGBTI-diskriminierende Populistin ist nun der neue Polit-Superstar Deutschlands. Von und zu Guttenberg lässt grüßen. Wie mich diese Hypes von Gottkanzler Schulz bis zum Jammer-Martin nerven.
Aber ich bin immer nur 30 Minuten online, will nach einer Zeitungsseite Lesen wieder schlafen.

Aber an Schlafen oder ausruhen ist natürlich nicht zu denken.
Ich bin einfach ein Psycho. Ich kann diese private Öffentlichkeit nicht ertragen.
Natürlich schlafe ich hier NULL, weil man auf diesen knarrenden Gummimatratzen liegt, die Betten heiß und schwer sind, weil das einfach grundsätzlich nicht geht, wenn ich hier quasi mit Schwingtür liege und ich weiß, daß dauernd fremde Leute reinplatzen.

Die ersten 48 h war ich mit einem Mittsiebziger im Doppelzimmer, der eigentlich ein guter Typ war, ehemaliger Lehrer, der auch viele Jahre in Guatemala und anderen ärmsten Ländern unterrichtete und Kinder liebte. Einer, der mir wieder illustrierte wie unnormal ich bin, indem er sich mir bei offener Badezimmertür unten ohne präsentierte, sich neben mir umzog, rülpste, furzte, schmatzte.
Mich ungefragt, aber umso ausführlicher über seinen Stuhlgang aufklärte, dessen Konsistenz erläuterte.
Das sind im Krankenhaus bei immobilen Menschen tatsächlich nicht völlig irrelevante Themen, aber ich will das weder wissen, noch hören, noch drüber reden! Bitte keine Details über Gerontenexkremente, wenn ich mich ohnehin mies fühle.
Dieser Pflegeazubi, nach meiner Schätzung gerade 12, kommt morgens als erstes in mein Zimmer, misst Blutdruck und Temperatur, fragt nach Schmerzen auf einer Skala von 1 bis 10 und fährt fröhlich fort:

"HATTEN SIE STUHLGANG?"
"Wie oft?"
"Weich oder hart?"

Heute beeindruckt man die jungen Dinger offenbar nicht mehr mit seiner Briefmarkensammlung, sondern mit dampfenden Kackhaufen.
Andererseits: Trump ist Präsident geworden. Da sollte einen nichts mehr wundern.
Die Menschen sind anders als ich und tun Dinge, die ich niemals täte.
Und sie ignorieren Dinge, die mich in den Wahnsinn treiben. Sie nehmen gar nicht war, interessieren sich nicht für andere.

Außerdem ist mein Zimmer gegenüber der „Teeküche“, in der offensichtlich einige Großkobolde auf Speed rund um die Uhr einen infernalischen Lärm machen, wenn sie mit möglichst großer Wucht die Teller ineinander werfen, Schranktüren zudonnern und sich dabei natürlich laut grölend über den ganzen Flur unterhalten. Warum Zimmerlautstärke, wenn man auch mit Achterdeckstimme grölen kann?
Warum piano bei der Morgentoilette, wenn man auch fortissimo possibile allen Kranken auf der Station die Nerven rauben kann?
Mit weniger Tilidin und Dipidolor im Blut würde ich mich mehr aufregen.
(Vollbild „mentale Phase 5 des Krankenhausaufenthaltes“)

Leo Fischer ist aber gerade nicht auf Droge.

[….] »Wenn ich nur mit Sympathie und Netzwerken agieren würde, wäre ich heute nicht hier, wo ich bin«, sagt sie. »Sondern da braucht man auch ein Stück Ellenbogen dazu, um auch eigene Interessen durchzusetzen.« Tatsächlich besteht AKK ausschließlich aus Ellenbogen, und die meisten von ihnen sind direkt nach unten gerichtet. [….]
Homosexuelle gehören letztlich nicht zu uns, zersetzen die Volksgemeinschaft, sind im Grunde eine Gesundheitsgefahr: Sätze, die man AfDlern niemals verzeihen würde, wurden von der CDU, wurden von Merkel billigend abgenickt. Vollstes Verständnis haben bei AKK auch sogenannte Lebensschützer, die Frauen mit Abtreibungswunsch terrorisieren - dein Bauch gehört ihr: »In einer Gesellschaft läuft einiges schief, wenn sich die Öffentlichkeit nicht mit 1278 Abtreibungen allein im Saarland beschäftigt, sondern über eine Kampagne zum Thema aufregt«, ließ sie sich zitieren. Sie griff Kopftücher an, wollte aber Kreuze in Gerichtssälen hängen lassen. Sie kürzte Mittel für Behinderte, Arbeitslose und Familien. Sie drangsalierte Sexarbeiterinnen mit Sperrzeiten und Verboten. Immer weiß sie, den Zugriff der Gesellschaft aufs Innerste des Individuums zu verteidigen; ihre Identifikation mit der Macht ist total. Nachdem bei dem Attentat auf die Redaktion des französischen Satireblatts »Charlie Hebdo« zwölf Menschen ermordet worden waren, fiel AKK nichts Besseres ein, als den sogenannten »Blasphemie-Paragrafen« (§ 166 StGB) zu verteidigen, da »religiöse Gefühle« besonders schutzbedürftig seien. Wieder hatte sie klar erkannt, wo die Macht steht und wo die störenden Individualisten, und sich instinktiv auf die Seite der Macht geschlagen: Dass sie dabei islamistischen Mördern letztlich recht gab, war ihr wurscht. [….]
Woher kommen sie, diese Menschen, die ihr tiefes, tiefes Unglück nicht für sich behalten können, sondern es zwanghaft mit anderen teilen, anderen aufdrücken wollen? Es ist ja nicht so, dass es ihr an Ehrgeiz fehlte: AKK wurde nicht von Merkel geholt oder irgendwie aufgebaut, nach Bekunden beider wollte sie es selbst, das Amt der Generalsekretärin. Doch warum will sie es überhaupt? Was hat sie anzubieten, einzubringen? Was hat jemand wie Kramp-Karrenbauer überhaupt zu erzählen? Dass es manchmal schwierig war, in der CDU an die Fleischtöpfe zu kommen? Dass Staatsräson und katholischer Irrsinn manchmal schwer unter einen Hut zu bringen sind, sie es halt aber doch immer wieder geschafft hat? Dass die Schwulis so gemein sind und sich halt nicht einfach wegregieren lassen wollen? Nichts, nichts, nichts ist da; keine Erfahrung, kein Leben spricht aus ihren Zügen. Bis auf ein halbes Jahr als Nachrückerin im Bundestag hat sie ihre gesamte Karriere im Saarland verbracht, seit ihrer Geburt lebt sie in Püttlingen, einem 18 000-Seelen-Schandfleck, nach Auskunft des »Handelsblatts« sogar in einer »verkehrsberuhigten Zone«. [….]
 FJ Wagner lebt auch noch, wie ich leider erfahren musste. Eine tolle Truppe hat Julian Reichelt mit den Kolumnisten Käßmann und Co um sich geschart, grandiose Texte:


Wenn alte Männer über die verweichlichten Jugendlichen hetzen. Früher in der Wehrmacht wurde auch nicht gejammert.


Dienstag, 20. Februar 2018

Alternativlos

Seit heute halte ich also die Unterlagen zum SPD-Mitgliedervotum in der Hand.
Das ist in vielerlei Hinsicht teuer für die Partei.
Finanziell haut diese innerparteiliche Demokratie, die sich CDU und CSU ersparen können, weil deren Mitglieder ohnehin niemals aufmucken würden, richtig rein.
1,5 Millionen Euro mindestens. Das wundert mich wenig, wenn ich die farbig bedruckten Seiten, die Hochglanz-Stimmkarte und all die bunten Umschläge betrachte, die mir heute ins Haus flatterten.


Politisch wird es ebenfalls brutal.
Ein großer Teil der Mitglieder wird ob des Ergebnisses beleidigt schmollen.
Die richtig Linken werden während der mutmaßlichen nächsten Groko unablässig Munition in die Hände bekommen und von der Ununterscheidbarkeit der „großen“ Parteien reden.

Anders als die in dieser Hinsicht von 2009-2013 als Generalsekretärin und von 2013-2017 als Ministerin total versagende Andrea Nahles werden die SPDler in den kommenden Jahren intensiv darauf hinweisen müssen, weswegen sie in der Regierung sind, was sie konkret erreichen und insbesondere was die Alternative wäre.
Sie müssen mindestens wöchentlich mit großem Tamtam erklären welche Entscheidungen die Bundesregierung traf, wie entschieden worden wäre, wenn die SPD allein zu bestimmen hätte und insbesondere auch, was geschehen wäre, wenn CDU/CSU/FDP/AFD ihre rechte Bundestagsmehrheit genutzt hätten.

Man kann Teil der Regierung sein, vertrauensvoll mit den Partnern zusammen arbeiten und dennoch offen kommunizieren worin die Kompromisse bestehen, weil die Unionsseite mit ihrer koalitionsinternen 3/5-Mehrheit blockiert.

Ja, es gibt keine Bürgerversicherung und keinen Familiennachzug.
So ist das in einer Koalition. Aber die SPD muss das den Bürgern ununterbrochen unter die Nase reiben: Seht her, wir behalten eine Zweiklassenmedizin gegen den ausdrücklichen Willen der Sozis, weil die Unionsseite verbissen für die Privilegien weniger und die Gewinne der Versicherungskonzerne kämpft, statt sich dem Bürger verpflichtet zu fühlen.

(Wenn man nicht steinreich ist, hat man als Privatversicherter auch nichts zu lachen.
Meine Privatversicherung hat mir meinen monatlichen Beitrag gestern um 80 EURO erhöht! Nach 60 Euro Erhöhung im Jahr 2017. PLUS 140 Euro jeden Monat. Das können sie, weil ich ohnehin nicht wechseln kann, weil es keine Bürgerversicherung geben wird und weil sie sich heute über ihre CDU freuen.
Nun liegt mein monatlicher Krankenkassenbeitrag höher als meine Monatsmiete in der Hamburger Innenstadt. Als Selbstständiger muss ich das natürlich immer zahlen. Auch wenn ich keine Aufträge habe oder krank bin. Krankheit kann ich mir nicht leisten. Irgendjemand muss schließlich diese monatlichen Fixkosten verdienen.)

Ich verzeihe der SPD, daß sie keine Bürgerversicherung durchdrücken konnte, die es mir ermöglicht hätte, meine Rückstellung bei der PKV in eine andere Versicherung zu überführen und zu wechseln.
Das ist Realpolitik. Ich zürne mit der Union.
Ich würde es aber der SPD nicht verzeihen, wenn sie zukünftig den Eindruck machte, sie wäre sich einig mit der Union und verfolge das Ziel einer einheitlichen und gerechten Krankenversicherung nicht mehr.

Die SPD kann in der nächsten Groko sehr konkret einiges für bedürftige Menschen verbessern.

 […..] Für den Alltag vieler Menschen allerdings würden die Vereinbarungen in einer Reihe von Punkten echten Fortschritt bedeuten, sie würden handfeste Erleichterungen mit sich bringen. Nicht selten tragen sie genau dort die Handschrift der Sozialdemokraten. Die Einigung will Geringverdiener entlasten, Sozialleistungen ausbauen, Familien unter die Arme greifen, Rentner unterstützen, ein Zeichen gegen die Wohnungsnot setzen, kräftig in Kitas und Ganztagsschulen investieren, die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen erschweren. Die möglichen Koalitionspartner machen sich außerdem um Europa verdient, indem sie es ausbauen möchten und auf Distanz zur bisherigen rigiden Sparpolitik Berlins gehen.
Jene Genossen, die an die Einigung den Anspruch haben, sie möge ein Glanzstück sein, werden den Vertrag wohl ablehnen. Wer aber nüchterner an die Sache herangeht, der kann guten Gewissens mit Ja stimmen. Denn das Papier taugt als Grundlage für eine solide arbeitende Regierung mit etwas geschärftem Blick für den sozialen Zusammenhalt. Und dass die SPD, eine Partei, die bei der Bundestagswahl auf knapp über 20 Prozent abgesackt ist, neben anderen Ministerien die Riesen-Ressorts Außen, Finanzen und Arbeit und Soziales bekommen soll, ist ein nahezu atemberaubender Verhandlungserfolg der Sozialdemokraten. [….]

Unerfreulich ist das sprachliche Niveau des Koalitionsvertrages. Die vagen Worthülsen und der Pathos im Anschreiben der SPD-Verhandler.


Aber geschenkt. Das sind Politiker und nicht Herta Müller oder Goethe.
Außerdem ist ein Groko-Vertrag keine einklagbare Garantie für Regierungshandeln, sondern eine Absichtserklärung, welche die Richtung vorgibt.

Wir sehen schließlich jeden Tag was unvorhergesehen auf Deutschland zukommt.
Die Bundesregierung muß oft ad hoc reagieren und in dem Fall habe ich lieber sechs Sozi-Minister an der Front als noch mehr Ausfälle à la Dobrindt und Scheuer.

Auch wenn es SPON verächtlich eine „Angstentscheidung“ nennt….

[….] Aus Angst in die GroKo
Die SPD stürzt in Umfragen immer weiter ab. Das trifft die ohnehin schon verunsicherten Genossen schwer. Beim Mitgliedervotum über die GroKo könnte das Stimmungstief der Parteiführung allerdings sogar helfen. […..]

… bleibt richtig, daß bei einem „Nein zur Groko“ politisch konkret gar nichts erreicht werden könnte.

Dann blieben nur noch zwei Möglichkeiten:

·        Entweder eine Minderheitsregierung, die de facto ein radikaler Rechtsschwenk wäre, weil sich CDU/CSU dann auf die gemeinsame Mehrheit mit der AfD stützen würden.

·        Oder Neuwahlen, bei denen die SPD als erwiesenermaßen regierungsunfähige Partei hinter die AfD zurück fiele.

Beides ist klar noch unerfreulicher als eine Groko-IV.

Montag, 19. Februar 2018

Homophob in die Zukunft

Auf die verschiedenen um die künftige Macht ringenden CDU-Strömungen hatte ich gerade erst hingewiesen.
Schneller als vermutet traf Merkel eine Richtungsentscheidung, weil der kränkelnde Parade-Hipster Peter Tauber seinen Posten als CDU-General zur Verfügung stellte.

Neue Generalsekretärin wir ein wenig überraschend die Saarländische Ministerpräsidentin, die also doch nicht mit einem Bundesministerjob versorgt wird, um Regierungserfahrungen zu sammeln.

 [….]  Vom Dschungelcamp ins Konrad-Adenauer-Haus: Katy Karrenbauer soll Peter Tauber als neue CDU-Generalsekretärin beerben. Damit setzt die Partei ein deutliches Zeichen im Hinblick auf die Nachfolge Angela Merkels in spätestens vier Jahren.
"Ich habe im Dschungelcamp Kamelblut getrunken und einen echt zähen Hirschpenis verzehrt", so Karrenbauer selbstbewusst bei ihrer offiziellen Vorstellung in der CDU-Parteizentrale. "Ich bin mehr als bereit für das politische Tagesgeschäft in Berlin."
Um sich voll auf ihren neuen Posten konzentrieren zu können, steht Karrenbauer, die durch ihre Rolle in der RTL-Serie "Hinter Gittern – der Frauenknast" bekannt wurde, vorerst für keine weiteren TV-Projekte zur Verfügung, heißt es aus ihrem Management. [….]

Kramp-Karrenbauer, geboren 1962, also gerade mal acht Jahre jünger als Angela Merkel, wird schwerlich als Neuanfang oder Generationenwechsel taugen.
Sie steigt nun also mit knapp 56 Jahren in die Bundespolitik ein.
Merkel wurde mit 36 Bundesministerin, mit 44 CDU-Generalin, mit 46 CDU-Bundesvorsitzende und mit 51 Jahren Kanzlerin.

Als innovative Denkerin und Strategin war die Saarländerin bisher nicht aufgefallen. Nur selten geriet sie in bundespolitische Schlagzeilen.

Erst als sie die am 6. Januar 2012 aufgrund der Auflösungserscheinungen der völlig korrupten Saar-FDP die Jamaika-Koalition platzen ließ und spektakulär die folgenden Neuwahlen gewann. Gleich zwei kleine Chaos-Parteien in die Opposition zu treten und anschließend gemütlich als Groko-Chefin zu amtieren, imponierte der Kanzlerin offensichtlich.

Noch bekannter wurde „AKK“, die tief gläubige Katholikin mit ihrer dezidiert homophoben Haltung zur Ehe für alle. Gleiche Rechte für alle? Nicht mit Kramp-Karrenbauer.
Das war schon ziemlich ekelhaft, wie sie unterstellte nur Heterosexuelle könnten gute Eltern sein, während Studien eher das Gegenteil beweisen, daß nämlich Kinder von Schwulen oder Lesben mindestens genauso glücklich sind und sich sogar besser entwickeln, weil sie logischerweise allesamt Wunschkinder sind, während Mann und Frau bekanntlich auch „aus Versehen“ Kinder bekommen, die sie eigentlich gar nicht wollen.

[…..] Kramp-Karrenbauer: Seit Jahren heißt es, dass für die Entwicklung von Kindern Vater und Mutter die beste Konstellation ist. In der Kita oder in der Grundschule beklagen wir, dass es zu wenige männliche Vorbilder gibt. Mir will nicht ganz einleuchten, dass das im engsten Umfeld, in dem Kinder geprägt werden, gar keine Rolle spielen soll. Gerade diese Frage dürfen wir nicht daran festmachen, ob sich jemand diskriminiert fühlt oder nicht - sondern allein am Kindeswohl.

Frage: Wenn man die Diskriminierung beseitigt hat, was spricht dann noch dagegen, eine eingetragene Lebenspartnerschaft auch als Ehe zu bezeichnen? Das ist doch eher eine symbolische Frage.

Kramp-Karrenbauer: Das ist mehr als Symbolik. Es stellt sich die Frage, ob wir grundlegende Definitionen unserer Gesellschaft verändern wollen, und zwar mit womöglich weitreichenden Folgen. Wir haben in der Bundesrepublik bisher eine klare Definition der Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau. Wenn wir diese Definition öffnen in eine auf Dauer angelegte Verantwortungspartnerschaft zweier erwachsener Menschen, sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen. Wollen wir das wirklich? [….]

Alle anderen Parteien außer CSU und AfD waren entsetzt von AKKs „Entgleisungen“.

[…] Sissy Kraus, Rechtsanwältin und Strafverteidigerin sowie Mitglied im Vorstand des CSD Berlin, hat deswegen nun rechtliche Schritte gegen Kramp-Karrenbauer eingeleitet. In einem Facebook-Post schreibt Kraus am Mittwochabend:
"Irgendwann ist es genug! Deshalb habe ich Strafanzeige wegen Volksverhetzung gegen die Ministerin des Saarlandes erstattet."
Dazu postete Kraus drei Fotos mit der entsprechenden Anzeigenschrift: drei Seiten, adressiert an die Berliner Staatsanwaltschaft, mit dem Briefkopf der Rechtsanwaltskanzlei "Schulz Kluge Partner".
In diesem Schreiben führt Kraus auch die Gründe ihrer Anzeige aus. Ihrer Ansicht nach stellt Kramp-Karrenbauer
 "Menschen, die in einer Lebenspartnerschaft leben bzw. diese eingehen möchten und allein eine Gleichbehandlung als Ehe [...] in die Reihe von Inzucht und Vielehe."
Des Weiteren sieht die Anwältin in den Aussagen Kramp-Karrenbauers grob diffamierende Tatbestände und zieht auch Parallelen zu den Diskriminierungen Homosexueller während der Zeit der NS-Diktatur, was sie im weiteren Schriftverlauf präzisiert:
"Diese Äußerung ist nicht mehr nur homophob sondern menschenverachtend, und in ihrem Gehalt gleichzusetzen mit den ähnlich verachtenden Äußerungen 1933-1945." [….]


Von erheblicher geistiger Schlichtheit zeigt auch Kramp-Karrenbauers Gleichsetzung der rechtsradikalen Hetzer von der AfD mit den Linken.

[….] Ich rate dazu, mit der AfD umzugehen wie mit jeder anderen Partei auch. Sie ist in ihren Forderungen populistisch, aber das ist nichts Neues. Bei uns im Saarland gibt es die Linkspartei mit Oskar Lafontaine an der Spitze, da kennt man sich mit Populismus aus. Manche Forderungen von AfD und Linkspartei sind sich auch verblüffend ähnlich. Ich traue der AfD nicht zu, konstruktive und tragfähige Vorschläge für die Zukunft unseres Landes zu machen. [….]

Frau Klöckner und Herr Spahn empfinden es vermutlich als schmerzlich nun eine Generalsekretärin vorgesetzt zu bekommen, die gelegentlich genauso rechts klingt wie sie selbst, aber 20 Jahre älter ist und der Kanzlerin offensichtlich deswegen besser gefällt, weil sie ihr nicht widerspricht.

Es ist nun offensichtlich, wen Merkel als Nachfolgerin wünscht und wen nicht.
Und selten war ich mit der Kanzlerin so einig wie in der Ablehnung von Jens Spahn.
Das einzige, daß ich Spahn nicht vorwerfe ist sein Schwulsein. Die Kanzlerin hingegen, die selbst auch gegen „die Ehe für alle“ gestimmt hatte, wird ihre Freude daran haben den Schwulen nun durch eine Homophobe zu ersetzen.

[….] Lieber Annegret Kramp-Karrenbauer als Jens Spahn: Das dachte sich wohl Bundeskanzlerin Angela Merkel und schlug sie als CDU-Generalsekretärin vor.
[….] Die Idee für den Wechsel von der Saar an die Spree sei von Kramp-Karrenbauer selbst gekommen. [….] Im Präsidium und Vorstand der CDU sei der Vorschlag auf „große Zustimmung“ gestoßen, so Merkel. Dass es auf dem Bundesparteitag am kommenden Montag Widerstände gegen die Wahl der beliebten Kramp-Karrenbauer zur Nachfolgerin des gesundheitlich angeschlagenen Peter Tauber geben könnte, gilt als ausgeschlossen. [….] Wenn es passt, bedient Kramp-Karrenbauer auch ansonsten gerne mal konservative Reflexe. Zum Beispiel kündigte sie im März 2017 kurz vor der Landtagswahl an, Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsmitglieder im Saarland zu verbieten. Dabei waren in dem Mini-Bundesland solche Auftritte gar nicht geplant. Solche populistischen Volten kommen in der CDU gut an, da wird es durchaus goutiert, wenn jemand aus Nicht-Themen Funken schlägt. [….]  Die Kanzlerin ist darum bemüht, die Weichen für ihre Nachfolge zu stellen. Die Inthronisierung Kramp-Karrenbauers ist der offenkundige Versuch, sicherzustellen, dass ihr Erbe nicht an den forschen Konservativen Jens Spahn fällt. [….]

AKK also ab 2021 die neue Merkel?
So deuten fast alle Medien Merkels heutige Entscheidung.

Ich bin hingegen zwar durchaus überrascht wie leicht Kramp-Karrenbauer ihren eher gemütlichen Posten als Saar-MP aufgibt, um ins Konrad-Adenauer-Haus nach Berlin zu ziehen.
Gerade hatte Martin Schulz bewiesen wie unerfreulich das Hauptstadtpresse-Klima sein kann, wenn man von außen plötzlich dazu stößt.
Vermutlich lockt sie tatsächlich die Aussicht eines Tages Bundeskanzlerin zu werden.
Ich wage aber zu bezweifeln, daß diese Hoffnungen sehr berechtigt sind.
Das große Zeitalter der Denker-Generalsekretäre ist seit 20 Jahren vorbei.
Zwar ist es tatsächlich möglich sich vom General zum Vorsitzeden aufzuschwingen, wie die Beispiele Lindner, Merkel und mutmaßlich Nahles zeigen.
Aber in all diesen Fällen gab es eine riesengroße Parteikrise.
Die allermeisten Generalsekretäre erweisen sich als kapitale Fehlbesetzung, die bald in der Versenkung verschwinden.
So wie Merkel generell keine Personalien kann und ihr schlechtes Händchen dabei eine legendäre Kette von Totalausfällen verursachte, versagt sie insbesondere auch immer wieder bei ihrer Auswahl von Generalsekretären.

Legendär ihre innerparteilichen Fehlgriffe - die von Merkel ausgesuchten Generalsekretäre Polenz, Meyer und Pofalla entwickelten sich allesamt zu Satireopfern, die die Partei demobilisierten und schnell wieder abgelöst werden mußten.
Wir erinnern uns gerne an den Oktober 2000 als der hoffnungslos überforderte Generalsekretär Polenz nach nur sechs Monaten die Brocken hinwarf und sein Nachfolger Laurenz Meyer verkündete, daß sich Merkel einen "zweiten Fehlgriff nicht leisten“ könne.
Nach wenigen Wochen - die berühmten Schröder-Verbrecher-Fahndungsplakate stellte er im Januar 2001 vor, erwies sich auch Meyer als Missgriff.  […]

Mit dem Noch-General Peter Tauber verhielt es sich genauso.
Er übernahm den Job im Augenblick eines CDU-Rekordwahlergebnisses und führte die CDU in vier Jahren systematisch zu einem ihrer schlechtesten Ergebnisse, setzte dem Entstehen der AfD rein gar nichts entgegen und verursachte größte Unzufriedenheit in der Partei.
Tauber, 12 Jahre jünger als AKK, steht nun mit 43 Jahren schon am Ende seiner politischen Karriere.
Sicherlich wird man ein schönes Pöstchen finden, um ihn finanziell zu versorgen, aber er wird in der CDU nichts mehr werden und als der Berliner Super-Hipster, der nicht wußte wie die Partei tickt, in Erinnerung bleiben.

Gut möglich, daß es Kramp-Karrenbauer dereinst auch wie ihre Noname-Vorgänger in Vergessenheit geraten wird.

Sonntag, 18. Februar 2018

Einfach schlechte Menschen

Heute Morgen im Presseclub sagte der dpa-Journalist Sven Gösmann über die SPD, sie habe es auch schwerer als die anderen Parteien, weil sie eingeklemmt wäre zwischen einer nach links rückenden CDU, den neuen linkeren Parteien und der AfD, die ungebildete und Arbeitslose auffinge.
Das ist natürlich nicht ganz von der Hand zu weisen.
Es gibt zwar große programmatische Unterschiede zwischen Union und Sozis, aber zu viele Wähler leben inzwischen in ihren „die sind doch alle gleich“-Infoblasen und sind mit Fakten kaum noch zu erreichen.

Das führt dazu, daß die xenophobe AfD in den Bundesländern am stärksten ist, in denen es die wenigsten Ausländer gibt. Die Sachsen und Thüringer fühlen sich von Flüchtlingen „überrannt“, machen die Braunen zur stärksten Partei, während in Hamburg mit einem um 1000 Prozent höheren Migrantenanteil die AfD das schwächste Ergebnis aller Bundesländer erzielte.
 Wie kann das sein, daß wir in Hamburg zehn Mal so viele Ausländer wie in Ostdeutschland haben, sich hier aber keine AfD-Pegida-Bachmann-Horden bilden, welche die Agenda bestimmen?

Ganz offensichtlich kann man die ultrarechten Hass-Ossis, die sich als pöbelnder Mob armen Heimatvertriebenen in den Weg stellen nicht mit echten Argumenten und Fakten beikommen.

Um nicht immer nur auf die Sachsen einzudreschen, sei heute mal auf Thüringen verwiesen.


Auch wenn man sich ihren abstrusen menschenfeindlichen Forderungen weitgehend anschließt, so wie es die CSU und die Sachsen-CDU im letzten Bundestagswahlkampf taten, erreicht man nichts.
Die AfD wurde in Sachsen stärkste Partei vor der CDU und von allen westdeutschen Bundesländern erlitt die CSU die größten Unionsverluste.

Xenophoben hinterher zu rennen, ist also erwiesenermaßen falsch.
Andrea Nahles hat es versucht, als sie Flüchtlingen in Not die Sozialleistungen kürzte.
Sigmar Gabriel hat es sogar mehrfach versucht, indem er sich unter die Pegidioten mischte oder zuletzt, als er im SPIEGEL seiner Partei empfahl auf Nation und Heimat zu setzen.

Wenig überraschenderweise half das der SPD gar nicht.

Sich aus Angst vor dem Wähler den vermeidlichen Mehrheitsmeinungen anzupassen und Stimmungen nachzuplappern funktioniert gelegentlich bei Konservativen. Für Sozis ist das aber kontraproduktiv.
Wir Sozis sollten nicht darüber grübeln was die Wähler hören wollen, sondern unsere Energie dafür verwenden möglichst viele Wähler von unseren Vorstellungen zu überzeugen.
Dabei ist es wichtiger richtige Pläne zu vermitteln als mehrheitsfähige Pläne zu haben.

[…..] Es darf jetzt nicht dar­um ge­hen, über­kom­me­ne Struk­tu­ren zu ver­tei­di­gen, son­dern für Wer­te ein­zu­ste­hen: für die li­be­ra­le De­mo­kra­tie, das Grund­ge­setz und die In­sti­tu­tio­nen des Staa­tes. Es gibt Grün­de da­für, dass vie­le Bür­ger sich nach Er­neue­rung seh­nen. Wenn sich da­bei neue Par­tei­en und For­men der Be­tei­li­gung her­aus­bil­den, bleibt das po­li­ti­sche Sys­tem le­ben­dig, im bes­ten Fall wird es widerstän­di­ger. Die Wäh­ler zu fürch­ten ist im­mer falsch, sie über­zeu­gen zu wol­len im­mer rich­tig. [….]
(Mathieu von Rohr, SPIEGEL-Leitartikel, 17.02.2018)

Selbst wenn man an die AfD verloren gegangene ehemalige SPD-Wähler mit ausländerfeindlicher Politik zurückgewinnen könnte (was ich bezweifele), wäre es falsch das zu tun, weil diese Art Wähler nicht zur SPD passen.
Ich habe lieber weniger Prozentpunkte am Wahltag als einen braunen Wähleranteil.

Lieber eine kleine SPD-Fraktion, als diese Leute zufriedenzustellen.


Wie die AfD tickt erkennt man dieses Wochenende an den Reaktionen auf die Freilassung von Deniz Yücel.


Schon Meuthen und Weidel, die halbwegs als gemäßigt gelten, sprudeln über vor xenophoben perfiden Hass auf Türken. Einige AfDler wünschen ihm öffentlich noch länger in Haft zu bleiben. Sie alle reißen einen einzigen Yücel-Satz aus einer SATIRE von 2011 so aus dem Zusammenhang, daß ausländerfeindliche Aggressionen schüren können.


[…..] Die AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel, hat den aus türkischer Haft freigelassenen Journalisten Deniz Yücel einen "antideutschen Hassprediger" genannt. Auf Facebook schrieb Weidel am Samstag, Yücel als "deutschen Journalisten" zu bezeichnen, seien "zwei Fakenews in einem Satz".
Weiter heißt es: "Ein unser Land regelrecht hassender "Journalist", der nicht nur einmal die Grenzen des guten Geschmacks verließ, sollte eigentlich keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen." [….]

[….] Schon am Tag der Freilassung von Deniz Yücel nach einem Jahr in Haft in Istanbul haben AfD-Politiker gegen den WELT-Journalisten gehetzt - und die Kampagne geht weiter.
So erklärt AfD-Chef Jörg Meuthen im ARD-Interview, er hoffe, Yücel sei im Gefängnis in der Türkei "zur Besinnung gekommen". [….]
(Euronews, 17.02.2018)

Wähler, die solche Parteien wählen – auch wenn sie früher einmal für die SPD gestimmt haben mögen, will ich nicht zurück in den Sozi-Reihen.
Da sind zu viele Grenzen überschritten.


https://t.co/bZnpfhrkJi
— Markus Frohnmaier (@Frohnmaier_AfD) 27. Februar 2017

Die SPD kann und darf nicht darüber nachgrübeln, wie man auf die angeblichen Ängste, die dazu führen so einen üblen Hass zu unterstützen “eingeht”.
Es sind nicht einzelne AfDler, die ausfällig werden, sondern die gesamte Partei präsentiert sich von ihrer schlimmsten Nazi-Seite.
Ich behaupte, man muss ein schlechter Mensch sein, um diesen rechten Abschaum zu wählen.


Erreicht die SPD diese Wähler nicht mehr, ist es ein Zeichen dafür, daß sie etwas richtig macht und nicht für eine falsche Politik.




Samstag, 17. Februar 2018

Schwarze Löcher bei den Schwarzen.

Alle SPD-Vorsitzenden haben „Probleme“ mit ihren eigenen Anhängern.
Das liegt in der DNA von links denkenden Menschen, daß sie nicht devot der Obrigkeit folgen. Sie wollen immer etwas ändern und sind leidenschaftlicher politisch interessiert als Konservative.
Es erfordert nun mal mehr Energie etwas umzustürzen, als etwas zu erhalten.
Es erfordert mehr Emotionalität mit den Schwachen zu fühlen und Ungerechtigkeiten zu spüren, als immer nur an sein eigenes Wohl zu denken.

Die CDU gilt seit ihrer Gründung als Kanzlerwahlverein. 1949 war es noch eine sensationelle Notwendigkeit Nationalkonservative, Wirtschaftsfreunde und Vertreter beider Konfessionen zusammenzuführen, um gemeinsam einen starken anti-sozialen Block zu bilden.
Norddeutsche Protestanten, Wirtschaftsbosse, die NSDAP-Überbleibsel und ehemalige Zentrumspolitiker bildeten die Machtbasis Konrad Adenauers.
Es funktionierte wunderbar. Man blieb 20 Jahre ununterbrochen an der Macht und setzte eine USA-orientierte Politik durch.
Adenauer, der vielen bis heute als Ikone gilt, war privat ein ziemlicher Prolet, der von Demokratie nicht sehr viel hielt.
 Ungeniert setzte er Geheimdienste ein, um den politischen Gegner, aber auch innerparteiliche Widersacher auszuspionieren.
Gewaltenteilung bedeutete ihm nicht sehr viel. Als der aufmüpfige Rudolf Augstein es wagte kritisch über Strauß zu schreiben, ließ Adenauer wie ein früher Erdoğan die Staatsanwaltschaft los, sperrte den SPIEGEL-Chef ein und wollte kritischen Journalismus einfach verbieten.
Warum auch nicht? Hatte er doch wichtige NSDAP-Ideologen wie Hans Globke (1953-1963 Adenauers CDU-Kanzleramtsminister), Theodor Oberländer (CDU-Bundesminister 1953-1961) oder auch Hans Filbinger (12 Jahre CDU-Ministerpräsident Baden-Württembergs) an seiner Seite.
Diese ehemaligen Top-Nazis wußten wie man mit der SPD-Opposition umgeht.
Der braune Sumpf konnte auch nach Adenauers Tod unbehelligt in der CDU weiter existieren.
Bundeskanzler Helmut Kohl war ein Unterstützer der Waffen-SS.

[….] Als junger Politiker spendete Helmut Kohl Geld an ein Hilfswerk, das für inhaftierte NS-Verbrecher und deren Angehörige sammelte. Nach Informationen des SPIEGEL hielt er den Generaloberst der Waffen-SS Paul Hausser für einen "anständigen Mann". [….]
(SPON, 03.02.2018)

Insbesondere in den CDU-Landesverbänden Hessen („Dreggers Stahlhelmfraktion“, Martin Hohmann, Erika Steinbach, Kristina Schröder, Koch, Kanther) und Baden-Württemberg („Studienzentrum Weikersheim“) konnten sich Ultrakonservative bis in die jüngste Zeit austoben. Sie bildeten eine Allianz mit den revanchistischen Vertriebenenverbänden.
Seit dem Zusammenbruch der DDR kam mit dem CDU-Landesverband Sachsen ein weiterer nationalkonservativer Hotspot dazu.

Daneben entwickelte sich in der CDU auch eine Süßmuth-Geißler-Blüm-Fraktion, die durchaus ein Gespür für soziale Fragen entwickelte und sich nicht mehr für Kriegsrhetorik erwärmen konnte.

Eine dritte Fraktion formte sich aus ultraklerikalen sogenannten Lebensschützern, die radikal gegen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen, gegen Schwule und Lesben, aber auch gegen alle anderen Formen gesellschaftlicher Liberalisierungen vorging. Mechthild E. Löhr, Martin Lohmann, die teilweise auch in den noch radikaleren „Christdemokraten für das Leben“ engagiert sind, bilden zusammen mit Johanna Gräfin von Westphalen (tot), Hubert Hüppe, Sophia Kuby und Hildegard Regensburger immer noch eine Macht.

Bei CDU-Parteitagen sitzen alle diese Parteiflügel üblicherweise andächtig zusammen.
Vorher wird etwas gemurrt, aber dann werden alle Vorschläge des Parteivorstandes mit gewaltigen Mehrheiten abgesegnet.
Sie alle halten sie Klappe solange die Chefin, oder der Chef den Machterhalt garantiert.
Nie würden sie mit offenem Visier gegen die eigene Parteispitze vorgehen.
Natürlich würden sich viele nicht unbedingt für eine geschiedene ostdeutsche Protestantin als Chefin erwärmen, wenn sie auch einen konservativeren westdeutschen katholischen Mann haben könnten.
Aber den gab es nicht, als Kohl und Schäuble die CDU 1999 in eine Existenzkrise ritten und seit 2005 stellte sich die Frage, ob man Merkel eigentlich mag, nicht mehr für CDU-Mitglieder.
Die Kanzlerin gewinnt seit Äonen alle Kanzlerfragen, würde jeden Gegenkandidaten ausstechen und sichert seit über 12 Jahren die Regierungsmacht.
Konservative mucken nicht gegen Mächtige auf; das liegt eben auch in ihrer DNA. Da muß schon sehr viel passieren. CDU-MdB Martin Hohmann ging erst zur AfD nachdem er so antisemitisch gehetzt hatte, daß ihn sogar die rechte Hessen-CDU ausschloss.
Homohasserin Erika Steinbach trat aus der CDU aus und wirbt nun für die AfD, weil sie mit 74 ohnehin keine Zukunft mehr als Unionsparlamentarierin hat.
Aber das sind Ausnahmen.
Einer CDU-Führung, die zuverlässig Mehrheiten generiert und andere Parteien niedermacht, tritt kein CDUler in den Weg.
2017 schien es nach den Flüchtlingsirritationen wieder bestens zu laufen.
Merkels CDU jagte die SPD-Ministerpräsidenten von NRW und Schleswig-Holstein aus dem Amt und behauptete sich überraschend stark im Saarland.
Aber die minus 8,6 Prozentpunkte bei der Bundestagswahl taten weh. Ganz offensichtlich setzt bei den Wählern eine Merkelmüdigkeit ein. Und jeder weiß, daß sie nach 12 Jahren nicht ewig weitermachen kann. Anderseits weiß niemand, wer ihr nachfolgen könnte und in welche Richtung es dann geht.

Es wäre Zeit für große Unruhe in der CDU. Was tun mit der AfD einerseits und der extremen urbanen Schwäche andererseits – die lahme SPD stellt fast alle Großstadtbürgermeister.
Hätte die SPD mit Nahles, Schulz und Gabriel nicht eine nie dagewesene Tölpelhaftigkeit an den Tag gelegt und jeder anderen Partei durch ihre täglichen Schüsse ins eigene Knie die Show gestohlen, wäre der Blick frei für Unions-interne Kabale.

Einige wollen ganz nach rechts.
Diese Leute bewundern Donald Trump, bepöbeln gern Minderheiten und haben durchaus Schnittmengen mit der AfD.

Eine zweite Gruppe um Friedrich Merz, Hans Georg Michelbach und Norbert Röttgen ist sehr Industrie-affin, möchte „mehr Kapitalismus wagen“ und ärgert sich über jedes soziale Zugeständnis, welches die Kanzlerin der SPD macht.
Sie wollen wieder reine Arbeitgeberpolitik durchsetzen.

 [….]  "Noch nie in der Geschichte der CDU" habe es einen solchen Verlust von Vertrauen in die Führung der Partei gegeben [….] Mit Norbert Röttgen meldet sich ein nun ein weiterer prominenter CDU-Politiker mit Kritik an der Parteiführung zu Wort - er fährt eine harte Attacke gegen Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel.
[….] Dem "Tagesspiegel" sagte Röttgen nun, die Befassung mit Inhalten sei die notwendige Folge aus der breiten Kritik der Partei an der Ressortverteilung innerhalb einer möglichen neuen Regierungszusammenarbeit mit der SPD. [….] Die CDU müsse Antworten auf die drängendsten Fragen der Zeit geben, sagte Röttgen. In den Bereichen Integration von Flüchtlingen, der Sicherheits- und Europapolitik, der Migration und der Digitalisierung müsse die Parteispitze eigene Grundsatzpositionen erarbeiten, die dann in der Partei diskutiert und danach in politisches Handeln umgesetzt würden. [….]

Zu guter Letzt gibt es noch den Laschet-Günther-Flügel, der eher gemäßigt auftritt und befürchtet in den Städten weiter abzuschmieren, wenn sich die Spahn-Crew durchsetzt. Für urbane, jüngere Frauen wäre so eine braun-CDU nicht mehr wählbar.

[….]  Die SPD hat ihre Probleme - aber auch in der CDU rumort es. "Die Union darf sich nicht nach rechts orientieren", fordert Daniel Günther. Parteikollegen jedoch wollen verstärkt AfD-Wähler ins Visier nehmen.
"Es gibt ein Bedürfnis, unsere gewachsenen Werte stärker zu betonen", sagte der CDU-Politiker Daniel Günther im Interview der Zeitung "B.Z. am Sonntag". "Dem müssen wir Rechnung tragen. Aber das darf nicht dazu führen, dass sich die Union nach rechts orientiert." Der Kurs der Mitte tue der CDU gut.   Konservativ sein bedeutet für den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten, "auf Werten zu beharren, die in unserem Land gewachsen sind - wie Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit oder die Gleichberechtigung von Frauen".  [….] "Ich sage aber auch: Die CDU hat nicht nur einen konservativen Flügel, sondern auch einen wirtschaftlichen und einen liberalen. Das muss austariert sein."
[….]  Bouffier lobte den Wortführer des konservativen Flügels der Partei, CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn. Dies sei "ein Name, der eine wichtige Wählergruppe an die CDU bindet".
Auch Parteivize Thomas Strobl forderte gegenüber dem SPIEGEL, den Wählerkreis zu erweitern. Mit Blick auf die Stärke der AfD erklärte er: "Wir müssen feststellen, dass sich manche Menschen nicht abgeholt fühlen." Die CDU brauche ein neues Grundsatzprogramm, "um unsere Positionen, unsere Marschrichtung klar zu definieren". [….]

Falls also eines nahen Tages die SPD aufhören sollte mit ihren Torheiten nicht allen die Show zu stehlen und die Blick der Öffentlichkeit mehr auf das Post-Merkel-Vakuum in der CDU fiele, könnte es auch für die Konservativen ungemütlich werden.

[….]  Nicht allein das neue Führungsduo, befreit vom Laienspieler Martin Schulz und Springinsfeld Sigmar Gabriel, schenkt der SPD Hoffnung, sondern auch die schwierige Lage der Union. Die hat bei der Bundestagswahl ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 eingefahren und sich seither in den meisten Umfragen noch verschlechtert. Das fällt nur keinem auf, weil sich die SPD nach der Wahl selbst zerlegte und ständig mit neuen Peinlichkeiten in die Schlagzeilen drängte. Doch was, wenn die SPD sich nun wirklich befriedet?
[….] Nicht nur langjährige CDU-Mitglieder fragen sich, was aus der Partei Ludwig Erhards geworden ist: Wenn die CDU diese überfällige Debatte offen führt, werden die Wähler diesen Streit kaum honorieren. Unterbleibt die Debatte aber, dürfte sich das Problem für die Union zuspitzen. [….] Strategisch sitzt die Union in einem Dilemma. Sie müsste nach rechts rücken, um zur AfD abgewanderte Wähler zurückzuholen – das gäbe der 16-Prozent-SPD neue Spielräume. Oder sie besetzt beharrlich sozialdemokratische Positionen und entfremdet sich weiter von sich selbst und gefährdet zudem die Fraktionsgemeinschaft mit der CSU. Noch hält der Erfolg von Merkel den Laden zusammen – aber was, wenn die Kanzlerin geht? [….]