Wenn man
wie ich kinderlos ist, steht man immer wieder vor dem Problem, in der
Öffentlichkeit auf Mütter oder Väter zu treffen, die ihre Kinder falsch
behandeln.
Man kann
aber nichts sagen, weil man erstens ja der Kinderlose ist, der nicht weiß wie das ist. Weil es generell sehr verpönt ist sich
in die Erziehung anderer einzumischen und weil allgemeiner Konsens darüber
herrscht, daß Eltern immer am besten für das Kind sind, ihnen auch nur das Beste
wünschen.
Das gehört
insbesondere zur konservativen DNA. Konservative lieben Homeschooling, sehen
Kitas und Kindergärten skeptisch und drängen in Form der CSU darauf eine
Herdprämie für die Mütter zu zahlen, die ihr Blag streng von allen staatlichen
frühkindlichen Bildungsangeboten fernhalten.
Staatliche
Eingriffe in die Kinderbetreuung sind so DDR.
Das mögen
Seehofer und Söder gar nicht.
Offensichtlich
habe ich es auch sehr verinnerlicht mich nicht in anderer Leute Kindererziehung
einzumischen. Ich sehe täglich Mütter auf der Straße, die stundenlang intensiv
auf ihrem Klugtelefon rumtippen, während sie ihr Gör in der Kinderkarre genau
in Höhe der Auspuffgase am Straßenrand parken.
Berufsmütter,
die morgens im Gänsemarsch auf den betreuten Kinderspielplatz gegenüber meiner
Küche marschieren und dann grundsätzlich erst mal anfangen ihre Ableger so laut
anzubrüllen, daß ich mehre geschlossene Türen und Fenster entfernt aus dem Bett
falle.
Hoppla,
jetzt komme ich-Elternteile, die akustisch desensibilisiert stoisch ausharren,
während ihr Kind im Supermarkt sämtliche andere Kunden belästigt.
Oder die
ihren adipösen Nachwuchs coram publico mit ungesündestem Junkfood füttern.
Es gibt
auch das Gegenteil, Mütter, die so overprotective und hysterisch hygienisch
sind, daß man sofort weiß welche unselbstständigen, hypersensiblen Stubenhocker
da generiert werden. Helicoptereltern, die am liebsten noch ihre 20-Jährigen
Kinder zur Uni fahren und wieder abholen. Die ihren armen Kleinen mit Desinfektionsspray
und OP-Handschuhen folgen. Das sind eher die spätgebärenden Eltern, die schon
vor der Geburt mehr als hundert Ratgeber gelesen haben und keinen Raum
betreten, bevor sie nicht jeden Quadratzentimeter nach Gluten, Lactose und Erdnusskrümeln
abgesucht haben – alles tödliche Gefahren für ihren Nachwuchs.
Und ich sage
nie etwas.
Da muss
es schon zu massiven Übergriffen kommen. Aber die kann ich an einer Hand
abzählen. Einmal bat ich eine Mutter ihr Kleinkind zurückzurufen, nachdem
dieses in der Gemüseabteilung gerade Dutzende Schalen mit frischen Himbeeren zerrockert
hatte. Mama verbat sich natürlich die Eimischung.
Ein
anderes mal ging ich, ebenfalls in einen Supermarkt, dazwischen, als eine sehr
junge Mutter, ihr auf dem Boden liegendes, schreiendes Balg (das mich
zugegebenermaßen auch schrecklich genervt hatte) grob verprügelte. Sie holte
mit ausgestrecktem Arm aus und schlug dem circa Dreijährigen mehrfach mit
voller Wucht ins Gesicht.
Auch sie
war wütend über meine Einmischung, murmelte dann aber ob der erregten
Aufmerksamkeit – es hatte sich schon ein Halbkreis aus tumb glotzenden anderen
Kunden um uns gebildet – sie schlüge ihr Kind eigentlich auch gar nicht oft,
aber manchmal wäre der so, da müsse das halt sein. „Sie wissen ja nicht wie das
ist!“
Das ist
jetzt 20 Jahre her. Ich glaube, wir hatten beide Recht. Vermutlich weiß ich
nicht wie sehr einem ein renitentes Kind auf die Nerven gehen kann und wie dünn
das Nervenkostüm werden kann.
Dafür
weiß ich aber trotzdem, daß es erbärmlich ist, wenn ein Erwachsener auf ein Kleinkind
eindrischt.
Ich
hoffe immer, nicht in solche Situationen zu kommen, mache möglichst einen Bogen
um Mütter mit Kindern, achte im Supermarkt immer streng darauf an der Kasse mit
den ältesten Menschen in der Schlange anzustehen. Man bringe niemals seinen
Einkaufswagen in die unmittelbare Nähe eines alles angrabbelnden Kindes. Solche
Kinder sind üblicherweise auch Virenschleudern, husten und niesen, ohne sich
die Hand vor den Mund zu halten, spucken vor sich hin.
Als ich
vor zwei Dekaden hier einzog und fassungslos über den vormittäglichen Kinderlärmpegel
in der Küche stand, habe ich erst mal abwechselnd meine Eltern eingeladen und
sie peinlich genau befragt: „War ich in dem Alter eigentlich auch so?? Habe ich
so rumgeschrien?“
Beide
Eltern, aber auch andere Verwandte meiner Elterngeneration schworen zu meiner
Beruhigung, ich hätte mich als Kind nie so renitent benommen.
Das hört
man gerne.
Womöglich
stimmt es sogar, weil ich tatsächlich eher kontemplativ und still veranlagt
bin. In meinen Grundschulzeugnissen waren das Standardbewertungen: „ist leider
noch zu still.“ – das schrieben in Abwandlungen alle Lehrer über mich.
Womöglich
stimmt es auch, daß ich ruhiger als heutige Gören war, weil alle Kinder vor der
Erfindung des Internets mehr Aufmerksamkeit ihrer Eltern bekamen.
Kinder
wurden überhaupt weniger separiert und viel mehr in den Alltag der Erwachsenen
integriert.
Der Spielplatz-Designer
Günter Belzig hält Spielplätze eigentlich für pervers, weil sie Kinder vom Rest
der Gesellschaft ausschlössen; schöner wäre es Kinder in der ungestalteten
Wildnis spielen zu lassen, oder gar wie er selbst in der Nachkriegszeit in den
Trümmern der Stadt zu toben.
In der
heutigen Mopo spricht sich die Kulturwissenschaftlerin Darijana Hahn vom
Deutschen Kinderhilfswerk dementsprechend auch gegen mehr Spielplätze aus.
Wir
sollten uns vielleicht alle von der Vorstellung verabschieden, daß Mütter schon
am besten wüsten was gut für Kind ist.
Warum
sollten sie?
Es gibt
keinerlei Qualifikationstest vor einer Schwangerschaft.
Ich bin fast geneigt zu sagen, daß im Sinne des Antinatalismus‘ eher
diejenigen, die keine Kinder bekommen, wissen was gut ist für die Welt.
[….] Es ist kühl draußen, frühlingskühl:
frösteln im Schatten, leichte Wärme in der Sonne. Ich öffne die Tür zum Café
und setze mich direkt ans Fenster ins Licht. [….] Die Chefin geht in die Küche und kommt mit der Quiche zurück. Sie
fragt: Jehts jut?
Wat schreibense? Ein
Buch? Na da fragense die Richtige. Mir stehts nämlich bis hier mit den Weibern
hier im Prenzlauer Berg. Eins im Wagen, eins am Wagen, eins im Bauch, so
schettern die hier die Straße runter. Schön is dit nich! Die Weiber hier denken
doch, die sind was Besseres. Weil sie Kiiiiinder haben! Huch! Is ja ganz was
Neues, dass man sich fortpflanzen kann. Gucken Se, da draußen, schon wieder
zwei Rinder. Wie die aussehen! Man könnte würgen, wer geht denn über so wat
noch drüber? Friseur? Braucht so eine nich. Mal wat anderet als ne
Jack-Wolfskin-Jacke? Nee, is nich. Der Alte zahlt ja, den haben se sicher mit
dem Blag.
Die kommen hier rein
in mein Café, drei Kinderwagen auf dreißig Quadratmeter. Dann is hier dicht.
Na, sag ich, einen könnse mit reinnehmen, aber die andern Wagen bitte draußen
lassen. Was mir einfällt, macht mich die Olle an, das wäre ja Diskriminierung!
Ja, sag ich, wenn Sie hier alle reinrollen, gibt's keinen Platz mehr für andere
Gäste. Na hallo, sagt das Rind, das werd ich jetzt überall rumerzählen, dass
man hier mit Kindern diskriminiert wird. Ja, sag ich, denn erzählnse dit mal
weiter, dann bleiben solche wie Sie endlich weg.
Oder neulich, da kommt
eine rein, Mittagszeit. Bei mir gibt's Salate, Bagels, Baguettes. Sagt se: Die
Hackfleischsuppe hätt ich gern ohne Fleisch. Icke: Jeht nich, aber bestelln Se
doch wat anderet. Sie: Entschuldigung, mein Baby ist hoch allergisch, können
Sie verantworten, wenn das Kind einen Schock über die Muttermilch kriegt? Die
hab ick rausgeschmissen, klar, is immer noch mein Café. Und dann wieder das
Geseire: Ich zeig Sie an, ich wohne hier, und ich werde alle meine Freundinnen
davor warnen, zu Ihnen zu kommen. Machense dit, machense, hab ick noch gesagt.
[….] Du
lieber Himmel, der Prenzlauer Berg war mal underground, schwul-lesbisch, alles,
ich komm ja von hier. Jetzt setzen die sich hier im Pulk hin, holen ihre Euter
raus und stillen die Kinder. Nicht dass die da mal 'ne Decke drüberlegen oder
so - neeeein, das soll jetzt aber auch wirklich jeder mitkriegen, dass sie ihr
Baby ernähren können, dass sie das hinkriegen mit vierzig oder wie alt die
sind. Großes Getöse. Ick meine, das Wort "stillen" kommt ja wohl von
STILLE. Aber dit raffen die einfach nicht, die Rinder. Ich hab schwule
Stammgäste, die sehen das und sagen: Entschuldige, Tanja, mir wird schlecht,
ich kann nicht mehr zu dir kommen, wenn die hier ihr ganzes Gehänge rausholen.
Kann ick verstehen. Ick hab selber noch mal was Kleines bekommen, der ist jetzt
fünf. Sie glauben ja nicht, was bei
den Elternversammlungen im Kindergarten abläuft. Da kommen die alle
angelatscht, die Kinder natürlich dabei, und dann geht das los: Mein Sohn
braucht Spanischunterricht, meine Tochter musste neulich alleine spielen, warum
gibt's hier eigentlich kein Bioessen, die Erzieherin hat neulich so
unfreundlich geguckt … Die Leiterin, die kenn ich noch von meiner großen
Tochter, die ist heulend rausgerannt. Die drohen ja alle gleich mit dem Anwalt
- mit dem sind sie ja praktischerweise auch verheiratet. [….]
Wie mich
1985 Stings Russians-Text ärgerte.
There is no monopoly on common sense
On either side of the political fence.
We share the same biology, regardless of ideology.
Believe me when I say to you,
I hope the Russians love their children too
Natürlich
lieben Russen ihre Kinder.
Ich
glaube, die ganz große Mehrheit der Eltern liebt ihre Kinder.
Dafür
sorgt vermutlich auch die Hirnchemie, die hormonell entsprechend einstellt. Es
wäre ja übel, wenn ein dummes oder häßliches Kind nicht von seinen Eltern
geliebt würde.
Ein Kind
großzuziehen und teuer und sehr aufwändig, man muss es also lieben.
Man
sollte aber nicht denken, daß alle Kinder geliebt werden.
[…..]
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
geht von rund 18 Millionen Minderjährigen aus, die in Europa von sexueller
Gewalt betroffen sind. Das sind auf Deutschland übertragen rund eine Million
Mädchen und Jungen. Dies bedeutet, dass etwa 1 bis 2 Schülerinnen und Schüler
in jeder Schulklasse von sexueller Gewalt durch Erwachsene betroffen sind.
[…..]
In
Amerika gehören über 50% der obdachlosen Kinder zur LGBTI-Gemeinde.
Sie alle
wurden von ihren Eltern auf die Straße geworfen, als sie sich outeten.
Auch da
kann es mit der Liebe wohl nicht so weit her sein.
Zudem
kann man ein Kind aus Unwissenheit sehr schlecht behandeln.
Die
Bibel schreibt es sogar seit 2000 Jahren ausdrücklich vor Kinder zu misshandeln
und grausam zu schlagen. In den Schlägen zeige sich die Liebe.
Der
jetzt so allgemein adorierte Papst Franziskus spricht sich auch für das
Schlagen von Kindern aus – wenn es denn in Würde geschehe.
1,4
Milliarden Menschen hält es offenbar nicht davon ab katholisch zu sein, daß ihr
Papst von der Würde der Kindesmisshandlung faselt.
Millionen
Kinder werden jedes Jahr an den Genitalien verstümmelt. Vermutlich nicht, weil
die Eltern sie hassen, sondern weil die Eltern schwer fehlgeleitet sind.
Schon
vor Jahrzehnten gruselte ich mich, als ich erstmals TV-Berichte über
Pädophilenwettbewerbe sah, die offensichtlich in der gesamten USA verbreitet
sind.
Eltern,
die ihre Zwei-, Drei- oder Fünf-Jährigen Töchter schminken, als
Edelprostituierte ausstaffieren und dann kreuz und quer durchs Land fahren, um
die Little Miss Sunshines in Schönheitswettbewerben vorzuführen.
Und da
wundert sich jemand, daß die USA das Land mit der höchsten
Psychotherapeutendichte sind?
Vermutlich
lieben auch NRA-Anhänger ihre Kinder.
[…..]
In den USA sind in diesem Jahr mehr
Schulkinder erschossen worden als Soldaten im Dienst. In einer Schule in Ohio
dürfen deshalb Lehrer ihre Klassen mit Pistolen schützen. […..]
Die
Waffenwahnsinnigen bilden
schon ihre Vier- und Fünf-Jährigen an automatischen Gewehren aus.
Ich habe
keine Kinder, wie gesagt. Aber ich bin dennoch sicher es
besser zu wissen. Das ist nicht gut für Kinder:
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