Wie immer zum Jahresende, listet das Hamburger Abendblatt
auf welche Jobs sicher sind und wer möglicherweise im nächsten Jahr seinen
Arbeitsplatz verlieren könnte.
Welche Firmen einstellen – und welche dagegen Jobs streichen. Das
Abendblatt hat die Top 200 Unternehmen der Stadt gefragt.
Es entsteht eine gigantische beeindruckende Liste, deren
letzte Spalte „Beschäftigungsprognose 2020“ lautet.
Das Bild ist diesmal nicht besonders ausgewogen. Bei rund
2/3 der 200 größten Arbeitgebern heißt es „mehr“, bei einem knappen Drittel „gleich“
und nur eine Handvoll Unternehmen bauen Stellen ab:
AXA, NDR, Vattenfall, Carlsberg Brauerei und einige Banken.
Bei allen anderen geht es stramm aufwärts. Hamburg boomt wie
verrückt und hat im Gegensatz zu den anderen Millionenstädten Deutschlands seit
Olaf Scholz 2011 Bürgermeister wurde so massiv den Wohnungsbau vorangetrieben,
daß jährlich 10.000 neue Wohnungen entstehen und sogar der Mietenanstieg
deutlich gebremst wurde. In absehbarer Zeit wird die Hansestadt die
Zwei-Millionen-Einwohner-Marke erreichen. Die Arbeitslosenquote ist niedrig wie
nie
Die exzessive Bautätigkeit nervt natürlich die Städter; es
kommt zu Staus, Handwerker sind kaum noch zu bekommen und wer schon eine schöne
Wohnung hat, wehrt sich dagegen, daß gegenüber auf der Grünfläche ein Haus für
die weniger Glücklichen gebaut wird. Wichtiger als Solidarität, ist allemal der
unverstellte Ausblick.
Hier sind die Fähigkeiten des Senats als guter Verwalter
gefragt. Das hochtrabendere Wort „regieren“ kann man sich sparen.
Wird also alles gut? Werden wir Hamburger alle glücklich,
reich und zufrieden?
Das könnten wir doch sein. Die Flüchtlinge sind integriert,
die Kriminalität ist auf dem niedrigsten Stand seit Jahrzehnten, es gibt
weniger Einbrüche denn je, die Aufklärungsquote steigt, es werden Velorouten
gebaut, der ökologische Umbau ist im vollen Gang. Überall gibt es
Leihfahrradstation und elektrisch betriebene MOIA-Kleinbusse lösen gerade die
Taxis ab.
Also auf in die rosige Zukunft des ewigen Wachstums – mit ökologischer
Note?
Wohl eher nicht, denn wir erleben gerade den Luxus der Quasi-Vollbeschäftigung.
Natürlich sieht der Arbeitsmarkt für völlig Unqualifizierte immer
noch böse aus, aber jeder, der im weitesten Sinne „Fachkraft“ genannt werden
kann, hat inzwischen die freie Auswahl.
Seit Jahren hemmt der Nachwuchsmangel alle Gewerke des
Handwerks; nahezu alle Betriebe müssen regelmäßig Aufträge ablehnen, weil sie
nicht genügend Personal haben.
Das ist auch ein der Hauptursachen für den Baustellenärger
in Hamburg – selbst die Stadt, also ein Auftraggeber, der sicher zahlt und den
besten Leumund hat – schafft es nicht mehr zeitnah Tiefbau-Unternehmen zu
finden, um all die Brücken, Bahnhöfe, Bushaltstellen und Straßen zu sanieren.
Das Geld ist da, der Wille ist da, aber die Bau-Unternehmer
haben so prallvolle Auftragsbücher, daß sie nichts mehr annehmen können.
Die historische Krugkoppelbrücke, vor 100 Jahren von dem
legendären Oberbaudirektor Fritz Schumacher entworfen, ist bis heute das
Nadelöhr, um nördlich um die Außenalster zu fahren. Vier Millionen Euro stellte
der Senat für die dringend notwendige Sanierung bereit. Vier Millionen, die
lange Zeit niemand haben wollte.
[……] Baustellen-Posse in Hamburg. Diese Alster-Brücke wird einfach nicht
fertig!
[…..] Eigentlich sei die Sanierung vom Januar bis Oktober 2018 geplant gewesen.
Die Bauarbeiten an der Straße Krugkoppel/Fernsicht sollten, daran anschließend,
Ende August vergangenen Jahres beginnen. Das Problem: Es fand sich kein
Bauunternehmen, dass die Straßenbauarbeiten durchführen wollte. [……] Christian Füldner, Pressesprecher der
Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovationen (BWVI). „Die Auftragsbücher
der Firmen sind voll, daher hat sich erst im zweiten Versuch eine Firma für die
Straße gefunden“. [……]
Den kleineren Privatunternehmen geht es noch wesentlich
schlechter.
Längst sind die Zeiten vorbei, in denen sie sich unter einer
Vielzahl Bewerber den Geeignetsten aussuchen konnten.
Die Verhältnisse haben sich umgekehrt, Ausbildungswillige
und erst echt Fachkräfte kennen ihren Wert für den Arbeitsmarkt und lassen die
Chefs um sie buhlen.
Das Problem besteht in vielen Branchen bundesweit, wenn auch
unterschiedlich ausgeprägt.
[….] An diesem Montag kommt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit
Spitzenvertretern aus Regierung und der Wirtschaft zum Fachkräftegipfel im
Kanzleramt zusammen. „Die Sicherung des Fachkräftebedarfs ist eine der größten
Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, sagte
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vor dem Treffen. „Klar ist: Nur
mit ausreichend gut qualifizierten Fachkräften werden unsere Unternehmen ihre
Innovationskraft bewahren, weiterhin im globalen Wettbewerb bestehen und
letztlich unseren Wohlstand sichern können.“
In ganz Deutschland fehlen Fachkräfte. Das ist im Gesundheits- und
Pflegebereich der Fall, in technischen Berufen, aber auch im Handwerk und der
Bauwirtschaft, wie die Engpass-Analyse der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigt.
Aktuell werden bundesweit Klempner genauso gesucht wie Altenpfleger und
Physiotherapeuten, Fachkräfte in der Energietechnik ebenso wie Lkw-Fahrer. Bei
IT-Spezialisten sieht die Lage – je nach Bundesland – anders aus. […..]
In den ökonomisch schwächeren Ost-Bundesländern und Berlin
gibt es kaum Personal-Probleme für die Unternehmer.
Aber in der Boomtown Hamburg und in Baden Württemberg sind
nahezu alle Firmeninhaber betroffen: Händeringend suchen sie nach Mitarbeiten,
werben mit immer ausgeklügelteren Methoden um Mitarbeiter.
[…..] Größter Fachkräftemangel in Hamburg
Zugleich verschärft sich aber der Fachkräftemangel – insbesondere in
Hamburg erreicht er in der Metall- und Elektrobranche mittlerweile dramatische
Ausmaße. 30 Prozent aller befragten Unternehmen wollen zwar zusätzlich
Mitarbeiter einstellen, finden aber nur noch sehr schwer geeignete Fachkräfte.
Oder gar nicht. In der Hansestadt beklagen das aktuell mehr als drei Viertel
(77 Prozent) der Unternehmen. Bei der Frühjahrsumfrage 2016 waren es erst knapp
41 Prozent gewesen.
Im Bundesländer-Vergleich ist der Expertenmangel damit in Hamburg am
höchsten. [….]
Schon die rotgrüne Bundesregierung 1998-2005 sah das Problem
kommen und engagierte sich intensiv für ein modernes Einwanderungsgesetzt. Gerd
Schröder ließ Rita Süßmuth ein wegweisendes Gesetzeswerk erarbeiten, welches
von nahezu allen Seiten – Gewerkschafter, Unternehmer, Ökonomen, Kirchen,
Parteien – begrüßt wurde.
Nur die CDU/CSU verweigerte sich in ihrer schmollenden
xenophoben Haltung total und ließ sowohl das neue Einwanderungsgesetzt wie das
geplante Staatsbürgerschaftsrecht platzen.
Merkels zutiefst bornierte „Ausländer-Raus“-Attitüde siegte
über jede soziale und ökonomische Vernunft.
Unnötig zu erwähnen, daß in Merkels 15. Regierungsjahr immer
noch kein Einwanderungsgesetz verabschiedet wurde, weil konservative Bundesinnen-
und Wirtschaftsminister immer nur danach trachteten Ausländern den Weg nach
Deutschland zu blockieren, Einwanderung exzessiv zu erschweren und möglichst
Viele abzuschieben.
Seit 2012 gibt es zwar die EU Blue Card, die einen
vierjährigen Aufenthaltsstatus gewährt, aber die damalige schwarzgelbe
Bundesregierung bürdete der blauen Karte so viele Bedingungen auf, daß es nach
wie vor unattraktiv ist als Arbeitskraft aus einem Drittstaat nach Deutschland
zu gehen.
Niemals verstand Merkel, daß es ein Irrweg ist Zuwanderung möglichst
zu behindern und den Weg nach Deutschland zu erschweren.
Mittlerweile sind gut 25.000 Blue Cards im Umlauf – ein Tropfen
auf den heißen Stein, wenn man bedenkt, daß allein im Bereich der Pflege
100.000 Stellen nicht besetzt sind. Die beliebteste Ausbildung ist die zur Sozialpädagogischen Assistenz (SPA) –
ein durch die Scholz’sche Kitareformen ebenfalls boomender Beruf. Bei
steigenden Geburtenraten und der inzwischen unglaublichen Anzahl von über 1.100
KITAs in Hamburg, wächst auch der dortige Personalbedarf exponentiell.
Bei den Einzelhändlern herrscht regelrechte Verzweiflung.
[….] Besonders
kleinere Geschäfte leiden unter dem Arbeitskräftemangel.
„Verkäufer gesucht.“ Auch in Zeiten fortschreitender Digitalisierung
greifen zahlreiche Hamburger Einzelhändler auf eine ziemlich altmodische
Methode zurück, um Mitarbeiter zu finden – mit einem Schild im Schaufenster
ihres Geschäfts. Nicht selten verbunden mit dem Versprechen, dass man über die
Arbeitszeiten auch reden könne. „Kommen Sie doch einfach herein.“ Wo noch vor
einigen Jahren die Bewerber Schlange standen, melden sich heute immer weniger
Arbeitswillige. Manchmal gar keine. Viele Unternehmen im Einzelhandel haben
inzwischen ernsthafte Probleme. „Der Personalmangel wird sich weiter
verschärfen“, sagt Brigitte Nolte, Hamburger Geschäftsführerin des
Handelsverbands Nord. […..]
Die Politik der Merkel-Regierung schadet dem Wirtschaftsstandort
Hamburg massiv. Die xenophoben Unionsminister müssen ihre nationalistischen
Scheuklappen dringend abstreifen, oder noch besser, geschlossen abtreten.
[……] Es ist bereits heute das größte Problem der Hamburger Wirtschaft – und
es wird sich in den nächsten elf Jahren noch deutlich verschärfen: Industrie,
Handel und Dienstleistungen brauchen dringend Fachkräfte.
Bis 2030 werde sich der Engpass von aktuell 58.000 auf 77.000 fehlende
Fachkräfte erhöhen, sagte Sandra Hofmann vom Darmstädter Forschungsinstitut
WifoR am Mittwoch bei der Vorstellung einer Analyse im Auftrag der
Handelskammer Hamburg: „Die Generation der Baby-Boomer geht in Rente; Azubis
und Studenten können das nicht durch ihren Eintritt in den Arbeitsmarkt
ausgleichen.“
Um den Mangel zu bekämpfen, nannte Hofmann vier Maßnahmen:
Digitalisierung, eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen, die längere Teilnahme
am Arbeitsmarkt und Zuwanderung. [……] Stark
betroffen ist zum Beispiel das Hotel- und Gaststättengewerbe, wo mehr als 4000
Arbeitnehmer fehlen. Jeder zehnte Arbeitsplatz ist nicht besetzt, bis 2030 wird
es jeder achte sein.
„Wir können manche Veranstaltung nicht annehmen“, sagte Niklaus Kaiser,
der im Hamburger Fachverband Dehoga für das Hotelgewerbe spricht. Bei den
Auszubildenden hätten mittlerweile rund 60 Prozent einen Migrationshintergrund,
viele seien Flüchtlinge. [……]
Welch bittere Ironie – ausgerechnet die migrationspolitischen
Ereignisse von 2015, die der nun zuständige Innenminister Seehofer so massiv
bekämpfte, die AKK verdammt und im Fall der Wiederholung Grenzen schließen lassen will
und die Merkel selbst in den Folgejahren rückgängig machte – sind inzwischen
überlebenswichtig für die deutsche Wirtschaft.
[…..] In Hamburg wurde vor wenigen Monaten ein neuer Stellenrekord erzielt,
erstmals in der Geschichte der Hansestadt gibt es seitdem mehr als eine Million
sozialversicherungspflichtige Jobs. Doch tatsächlich könnte diese Zahl noch
viel höher liegen, wenn die zusätzlich vorhandenen offenen Stellen besetzt
werden könnten. Das funktioniert aber gerade für Berufe mit
Qualifizierungsanforderungen nicht, eine Entwicklung, die schon länger als
Fachkräftemangel bekannt ist. Die Handelskammer Hamburg hat nun in einer
Umfrage herausgearbeitet, welche Folgen diese Situation für die Unternehmen und
deren Mitarbeiter hat.
Demnach kann mehr als die Hälfte der Unternehmen offene Stellen
längerfristig nicht besetzen, so eines der Ergebnisse des
Arbeitsmarktbarometers der Handelskammer. Als gravierendste Folgen des
Fachkräftemangels nennen die Unternehmen eine Mehrbelastung der vorhandenen
Belegschaft sowie steigende Arbeitskosten zur Haltung bestehender und Anwerbung
neuer Fachkräfte. Im Herbst 2019 sehen sechs von zehn Unternehmen den
Fachkräftemangel als größten Risikofaktor bei der wirtschaftlichen Entwicklung
an. [….]
(Die Welt, 20.12.2019)
Ohne Flüchtlinge und Migranten bräche die Ökonomie zusammen.
Sie baden jetzt die Versäumnisse der Ausländerschrecks Seehofer, Altmaier,
Merkel, Schäuble, AKK, Söder und Bosbach aus. Die braunen Damen und Herren
versündigen sich an Deutschlands Zukunft.
Zum Glück haben wir wenigstens die Flüchtlinge. Sie sind ein
Segen.
[…..] Hamburgs
Arbeitsamt-Chef „Ohne Flüchtlinge funktioniert unser Arbeitsmarkt nicht“ [……]
Gerade verkündet die Hamburger Hochbahn,
dass sie im kommenden Jahr allein 300 Busfahrer neu einstellen will. Und auch
bei der U-Bahn und in der IT werden 150 Stellen beim Unternehmen geschaffen.
Die Hochbahn setzt dabei gezielt auf Einwanderer. Wie Hamburgs
Arbeitsagentur-Chef jetzt gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“ sagte, würde es
ohne Flüchtlinge gar nicht mehr funktionieren.
Alle suchen händeringend nach Fahrern, nicht nur die Hochbahn. Auch der
Fahrdienst Moia braucht zusätzliche Fahrer. Die Hochbahn umwirbt dabei gezielt
Einwanderer. Dazu Sprecherin Constanze Dinse: „Die Einstellung und Ausbildung
von Einwanderern für den Busfahrdienst bleibt fester Bestandteil der
Personalgewinnung.“ 70 Mitarbeiter konnten so seit 2017 bereits gewonnen
werden. [……] Der Chef der Arbeitsagentur Sönke Fock [……]
Fock betont [……], wie wichtig die hier lebenden Flüchtlinge sind. „Ohne Flüchtlinge
würde Hamburgs Arbeitsmarkt nicht funktionieren. Sie werden gebraucht“, so
Fock. Ohne sie würden viele Firmen ihre Arbeit nicht leisten können.
Mittlerweile gehen in Hamburg 13.500 Flüchtlinge einer
sozialversicherungspflichtigen Arbeit nach. Davon 60 Prozent als Fachkräfte,
die weiteren in Helfertätigkeiten. [……]
Hätten wir uns politisch in den letzten Jahren nach AfD und
CSU ausgerichtet, wäre Deutschland jetzt in einer schweren Wirtschaftskrise.
Aber auch so ist es noch schwer in Hamburg.
[…..] Zahl der Stellenanzeigen hat sich verdoppelt. Gesucht werden
Ingenieure, Ärzte, Pädagogen, Juristen und Sachbearbeiter. [….]
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