Montag, 17. Februar 2020

Cum-Ex, Genossen!



Die Finger habe ich mir wund geschrieben in den acht Jahren, die Wolfgang Schäuble Bundesfinanzminister war (2009-2017).
Diese komplette Arbeitsverweigerung, diese Chuzpe trotz großer parlamentarischer Mehrheiten jede Veränderung des Steuersystems dreist auszusitzen. Keine Unternehmenssteuerreform, keine Ent-Chaotisierung der Mehrwertsteuersätze, keine Aktienspekulationssteuer, keine Tobinsteuer, kein Gedanke daran irgendein Steuerschlupfloch zu schließen.
Der Mann verharrt nunmehr mit dieser grotesken Kombination aus herrischem Auftreten und radikalem Aussitzen seit fast einem halben Jahrhundert ununterbrochen im Bundestag. Seit 1972 ist er Bundestagsabgeordneter, 48 Jahre – wahrlich Zeit genug, um ihn nach all seinen dreisten Lügen (Stichworte Kofferspendenlüge, Schreiber/Baumann-Lüge, Spendenaffäre) zu durchschauen, aber der deutsche Michel liebt ihn immer noch.
Es war der heutige SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans, der als NRW-Finanzminister im März 2011 einen Brandbrief an Bundesfinanzminister Schäuble schickte, um auf die ungeheuerlichen Cum-Cum- und Cum-Ex-Betrügereien der DekaBank hinzuweisen.
Es ist der größte Steuerbetrugsskandal der Bundesrepublik. Mindestens 32 Milliarden Euro ergaunerten sich die kriminellen Banker.
Was sind das nur für Typen, die so einen gewaltigen Steuerraub geschehen lassen? Nun, im Fall DekaBank wissen wir es: Sie wurde unmittelbar vom Bundesfinanzminister Schäuble beaufsichtigt, der weiterhin versuchte den Giga-Betrug auszusitzen. Im Juni 2011 platze dem Münchner SPD-Oberbürgermeister Ude der Kragen; er ging persönlich zu Schäuble, um ihn zu konfrontieren.
Aber erst ein volles Jahr später ließ Schäuble die Cum-Ex-Geschäfte unterbinden; ließ sich bei dem Verbot von Cum-Cum-Geschäften sogar bis 2016 Zeit.
Und nun, in der AKK-Krise rufen sie wieder nach Wolfgang Schäuble. Er könne ein guter Übergangsvorsitzender und Kanzler der CDU sein.

Neben den politischen Rahmenbedingungen, die nach Lindners feiger Flucht vor Jamaika eine erneute „Groko“ erzwangen, ist schon allein die Tatsache, daß Schäuble endlich aus dem wichtigsten Bundesministerium entfernt wurde und ein fleißiger, kundiger Sozialdemokrat – Olaf Scholz – Finanzminister wurde, Grund genug die aktuelle Koalition zu begrüßen.
Niemand zweifelt an, daß die SPD eine viel härtere Linie gegen Banker fährt und es war ausgerechnet das zuvor von Olaf Scholz regierte Hamburg, das im Bundesrat am meisten Druck gemacht hatte die Cum-Ex-Banker an die Kandare zu nehmen.

Da war es schon sehr merkwürdig zehn Tage vor der Hamburger Bürgerschaftswahl ausgerechnet bei der außerordentlich seriösen NDR-Sendung PANORAMA eine Breitseite auf den ehemaligen Hamburger Regierungschef und heutigen Vizekanzler Scholz, sowie den aktuellen Hamburger Regierungschef und ehemaligen Hamburger Finanzsenator Peter Tschentscher präsentiert zu bekommen.
Der Chef der altehrwürdigen Hamburger Warburg-Bank, die mutmaßlich auch 47 Cum-Ex-Millionen ergaunert hatte, traf sich mit Scholz und Tschentscher und plötzlich soll die Rückforderung der Millionen vom Tisch gewesen sein?
Kann das sein? Wieso sollten Sozis einem steinreichen Privatbanker entgegen kommen? Und wieso wird die Geschichte unmittelbar vor den Landtagswahlen im betreffenden Bundesland lanciert?
Die hoffnungslos abgeschlagene Opposition wittert Morgenluft und schreit rund um die Uhr „Cum Ex“!

[….] In der „Cum-Ex“-Affäre um angeblich verschenkte Millionen Euro Steuergeld in Hamburg gerät die SPD zunehmend unter Druck. Am Montag demonstrierten rund 100 Menschen vor der Finanzbehörde am Gänsemarkt. Mit dabei war auch der Hamburger Linken-Bundestagsabgeordneter Fabio De Masi (39). [….]

Scholz und Tschentscher, beide von der Sohle bis zum Scheitel seriös und persönlich zutiefst bescheiden, sollen sich wegen einer 40.000 Euro-Spende des Bankers an die SPD kompromittiert haben?

Der Zusammenhang mit der Spende lässt sich leicht widerlegen. Oberbanker Christian Olearius spendete in Hamburg nämlich regelmäßig an alle Parteien.
Also was haben die Panorama-Journalisten eigentliche für Belege für ihre Story?
Es lohnt sich also den Originalbericht nachzulesen, bzw den TV-Clip anzusehen.


Dabei wird ganz klar, daß sich alle Spekulationen nur auf die privaten Tagebucheinträge des Herrn Olearius stützen.
Es gibt keinen Beleg für Fehlverhalten oder gar Bestechlichkeit der Sozis.

[….] Dies geht aus bei Durchsuchungen beschlagnahmten Tagebüchern von Christian Olearius hervor. [….]

Eine recht zweifelhafte Quelle. Gut für CDU, Grüne und Linke, die nun unmittelbar vor der Wahl auf den in Umfragen haushoch führende Peter Tschentscher eindreschen können. Er kann sich nämlich nicht wehren, da er sich mit konkreten Aussagen zum Fall Warburg/Olearius strafbar machen würde.

[….] Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) wies auf Twitter die Vorwürfe zurück: Das Steuergeheimnis würde ihm verbieten, auf den Einzelfall einzugehen und gegebenenfalls richtigzustellen. "Grundsätzlich gilt: Wir stellen sicher, dass es keine politische Einflussnahme auf steuerliche Verfahren gibt und diese nur nach Recht und Gesetz entschieden werden!" Es gebe im Steuerrecht keine Deals.
Tschentscher sagte am Donnerstag in Berlin: "Ich darf aus Gründen des Steuergeheimnisses zu einzelnen Sachverhalten nichts sagen. Aber es gilt ganz klar: Es gibt keine politische Einflussnahme auf Entscheidungen von Finanzämtern." Insbesondere in Hamburg könne man sicherstellen, dass es solche Einflussnahmen aus der Politik auf Finanzämter nicht gebe. Im ZDF-Morgenmagazin sagte er am Freitag: "Wir sind hinter jedem Steuer-Euro her, den wir zurückerhalten können." Hamburg sei als erstes Bundesland konsequent gegen Cum-Ex-Geschäfte vorgegangen. "Ich habe persönlich mit keinem Vertreter der Warburg-Bank über ihre Steuerangelegenheiten gesprochen", betonte Tschentscher gegenüber dem NDR am Freitag. [….]

Aber aufgrund des Wahlkampfes dreschen Linke, konservative Zeitungen und CDU in vollendeter Gemeinsamkeit auf die angeblichen Cum-Ex-Sozis ein.
Ein guter Wahlkampfvorwurf, da er den Kern des SPD-Selbstverständnisses trifft. Da wird schon irgendetwas von dem Dreck hängen bleiben. Die meisten Wähler können sich ohnehin kein Urteil bilden, weil die Materie viel zu kompliziert ist.
Auch neun Jahre nachdem SPD-Politiker die Cum-Ex-Methoden öffentlich anprangerten und Dutzende Milliarden Euro Schaden später, können mindestens 99% der Bürger immer noch nicht genau erklären was Cum-Ex und Cum-Cum sind, wer dafür verantwortlich ist.

Aber Dr. Joachim Seeler, geb 1964, ein entfernter Verwandter Uwe Seelers und seit fünf Jahren SPD-Bürgerschaftsabgeordneter kann es recht gut erklären.

[…..] Seit vielen Jahren verhandeln deutsche Finanzgerichte Straftatbestände in Sachen sog. CumEx Geschäfte. Dabei geht es um die mehrfache Rückerstattung von Kapitalertragsteuern auf Aktiendividenden, obwohl nur ein Rückerstattungsanspruch bestand. Diese Rückerstattungen wurden von einigen Fonds und Banken bei den jeweiligen Finanzämtern aufgrund einer Gesetzeslücke im deutschen Steuerrecht zwischen 2001 und 2012 eingereicht. Allein die Hamburger Finanzverwaltung hat insgesamt 18 Strafverfahren wg. Steuerhinterziehung aufgrund von CumEx Geschäften initiiert.

Die von der Hamburger Opposition jetzt kurz vor der Wahl gemachten Vorwürfe gegen den Hamburger Senat im Fall des Bankhauses M.M. Warburg entbehren allerdings jeder Grundlage:
• Der Haushaltsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft hat sich Anfang 2018 ausführlich mit dem Vorgang befasst. Neu ist der Vorgang in keiner Weise.
• Ob eine Steuerforderung gegen M.M. Warburg besteht wird aktuell in einem Verfahren vor dem Landgericht Bonn verhandelt. Erst mit der Vorlage eines Urteils kann die Hamburger Finanzverwaltung eine mögliche Nachforderung gerichtsfest begründen.
• M.M. Warburg selbst gibt an, die in Rede stehenden Dividenden zuzüglich der strittigen Steuerforderung i.H.v. EUR 47 Mio. an die Deutsche Bank überwiesen zu haben, die
diese aber nicht an das zuständige Finanzamt abführte. Auch das wird in dem laufenden Verfahren geklärt.
• Die Verjährung einer Steuerforderung wird durch ein laufendes Strafverfahren gehemmt. Das hat der Bundesfinanzhof kürzlich klargestellt. Anders als von der Opposition dargestellt ist eine mögliche Forderung eben nicht verjährt.
• Dass der Senat Einfluss auf das Handeln der Hamburger Finanzverwaltung genommen haben soll ist rechtlich gar nicht möglich und vollständig abwegig.

„Die Opposition der Hamburgischen Bürgerschaft hätte gut daran getan, sich im Vorfeld mit dem Sachverhalt vertraut zu machen. Es ist wohl kein Zufall, dass die Opposition wenige Tage vor der Bürgerschaftswahl versucht, dieses Thema zu Lasten des Senates zu thematisieren. Dass auch die Grünen als Koalitionspartner versucht haben, auf diesen Zug aufzuspringen, ist besonders bemerkenswert, passt aber ins Bild.“
Mit freundlichen Grüßen
(SPD Landeslistenplatz 21)

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