Montag, 24. Februar 2020

Zahlen zum Genießen

Es gab gestern bei den Bürgerschaftswahlen eine kleine Zählpanne; der Wahlkreis Langenhorn verwechselte Grüne und FDP.

Das offenbar viel zu hohe FDP-Ergebnis fiel sofort auf, aber es handelte sich ohnehin nur um die sogenannte „vereinfachte Zählung“. Jeder Hamburger hatte zehn Stimmen und die wurden erst im Laufe des heutigen Tages exakt gezählt.
Das vorläufige amtliche Endergebnis brachte einige kleine feine Änderungen:
Die FDP bekommt nun doch 4,9%. CDU-Spitzenkandidat Markus Weinberg schafft es nicht in die Bürgerschaft.
Die FDP-Spitzenkandidatin Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein, geb. von der Decken, ist die Initiatorin des fatalen Gucci-Protests von 2010, die ihrem reichen Nachwuchs das Privileg sicherte nicht mit gewöhnlichen Arbeiterkindern zusammen in eine Schule gehen zu müssen.
Sie erreichte durch ein sensationelles Ergebnis im steinreichen Blankenese und Othmarschen am nördlichen Elbstrand trotz des Debakels ihrer Partei ein singuläres Mandat in der Bürgerschaft.


[….] Wie das Landeswahlamt weiter mitteilte, schaffte die AfD den Wiedereinzug in die Bürgerschaft mit 5,3 Prozent (2015: 6,1 Prozent). Stärkste Kraft wurde die SPD von Bürgermeister Peter Tschentscher mit 39,2 Prozent (45,6). Auf Platz zwei landeten die Grünen mit 24,2 Prozent (12,3). Auf die CDU entfielen 11,2 (15,9), auf die Linke 9,1 Prozent (8,5). Das endgültige Ergebnis soll am 11. März feststehen. Die konstituierende Sitzung der neuen Bürgerschaft ist für den 18. März geplant. […..]


Durch das zusätzliche FDP-Mandat gibt es ein Ausgleichsmandat, so daß die neue Bürgerschaft 123 statt 121 Abgeordnete haben wird.

 
SPD und Grüne verfügen über 87 von 123 Sitzen. Das ist eine 70,7%-Mehrheit.

Sogar SPD und Linke hätten mit 67 Sitzen eine absolute Mehrheit von 54,5% der Mandate im Parlament.

Den linken Durchmarsch zeigt eindrucksvoll die Addition von SPD, Grünen und Linken, die zusammen auf 100 von 123 Mandaten kommen. Das entspricht 81,3 % der Sitze.

Es ist eine Wonne sich durch die interaktive Karte der Wahlkreise zu klicken. Alles rot bis auf die beiden grünen Gewinner „Altona“ und „Harvestehude-Rotherbaum-Eimsbüttel Ost“.


Hier zeigt sich auch sehr deutlich wie sich das Grüne Klientel gewandelt hat. Waren sie einst die Partei der Jungen und Alternativen, sind ihre Wähler inzwischen eindeutig Diejenigen mit höchsten Einkommen. Folgerichtig gewannen sie die mit Abstand teuersten Villen-Stadtteile Hamburg-Rotherbaum und Hamburg-Harvestehude direkt an der Außenalster, wo die Wohnungspreise über 10.000 Euro/m2 liegen und sich die Söhne in weißen maßgeschneiderten exklusiven Segelvereinen amüsieren, die immer noch keine weiblichen Mitglieder zulassen. Wo das Durchschnitteinkommen bei 111.000,- liegt, hat nicht nur die alte Partei der Besserverdienenden, die FDP, ihre Hochburg, sondern nun auch die neue Partei der Besserverdienenden; die Grünen.

Die differenziertere Karte der Wahlbezirke zeigt diese Entwicklung noch deutlicher, da sich hier zeigt wo die ärmsten Menschen leben.


Auf der Veddel, St. Pauli und in Wilhelmsburg gibt es einige pinke Flecken – hier wurde die Linke stärkste Partei wie zum Beispiel im Wahlbezirk 13702.



Angesichts dieser Zahlen verfällt die AfD sofort in das was sie (nach Hetzen) am zweitbesten kann – das große Mimimimi. Keine Partei generiert so ein Selbstmitleid und suhlt sich so gern in der Opferrolle wie Bernd Höckes Faschisten:

[…..] Was in Hamburg schwierig gewesen sei, sagte dann Gauland am Montag: Die AfD sei „in einer Weise ausgegrenzt“ worden, es sei gegen sie „eine Hetze betrieben“ worden, „wie ich das bisher nicht für möglich gehalten habe“. Von einer „maximalen Ausgrenzung der AfD“ sprach der Hamburger Spitzenkandidat Dirk Nockemann. [….] „Überall tauchte Greta auf“, fügte Nockemann mit Blick auf die schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg hinzu. [….]

Kann man sich nicht ausdenken. Die Partei, die rund um die Uhr ganze Bevölkerungsgruppen verhetzt und ausgrenzt, beklagt sich lautstark über Hetze und Ausgrenzung. Und dann auch noch Greta!

Diametral entgegengesetzt der AfD, aber auch anders als die Bundes-SPD neigen die Hamburger Genossen überhaupt nicht zum Jammern, sondern sind schon seit Helmut Schmidts Senatorenzeiten die klassische Partei der Tat. Die Macher.
Das muss auch der Chefradeakteur des Berliner Tagesspiegels neidlos anerkennen.

[….] Ein Triumph für konsequente Stadtpolitik
Geheimnis des Erfolgs: Rot-Grün in Hamburg siegt mit Wohnungsbau und moderner Verwaltung. Das schafft stabile bürgerliche Verhältnisse. Ein Kommentar. [….] Statt Meckrigkeit und wachsendem Demokratie-Misstrauen, prägt die politische Kultur der Hansestadt eine geradezu mustergültige Liberalitäts-Coolness. Warum ist in dieser Stadt die Welt noch in Ordnung? [….] Die hanseatische SPD verfolgt eine Politik, die konträr zu vielem steht, was die Genossen im Rest des Landes für richtig halten. [….]  
Die Hansestadt ist eine der wohlhabendsten Städte Europas, die Löhne liegen rund 15 Prozent höher als in Berlin. Gerade Sozialdemokraten haben das Fundament ihrer prosperierenden Heimat verstärkt. Es war der SPD-Mann Henning Voscherau, der das Konzept für die HafenCity entwickelte, das moderne Gesicht Hamburgs, wo die Mieten nach Berliner Deckel-Maßstäben um die Hälfte abgesenkt werden müssten.
Gleichzeitig hat Tschentschers Vorgänger Olaf Scholz ein Bauprogramm mit hohen Sozialverpflichtungen entwickelt. Seit Jahren bauen die Hamburger was das Zeug hält und haben es so geschafft, den Mietanstieg ohne Dirigismus unter die Inflationsmarke zu drücken. Kein Wunder, dass sie über die Berliner Wohnungspolitik den Kopf schütteln.
[….] Schließlich hat der Senat einen Grundsatz verinnerlicht: Effiziente Verwaltung schafft zufriedene Bürger. Das heißt auch, sich nicht mit Zukunftsgeklingel zufriedenzugeben. Die Verwaltung glänzt mit Modellprojekten in Sachen Digitalisierung und Mobilität. Von den kurzen Wartezeiten und Online-Zugängen können die Berliner nur träumen. [….]

Die weit überwiegende Zahl der Bürger Hamburgs sieht es ebenso ist daher verständlicherweise hoch zufrieden mit der Arbeit des rotgrünen auf Olaf Scholz‘ Spuren wandelnden Tschentscher-Fegebank-Senates.
Rotgrün ist die Mitte, rotgrün ist bürgerlich.
Christian Lindner, die FDP, die AfD und die CDU, die nun gemeinsam den „Verlust der Mitte“ und das „Schrumpfen der Bürgerlichen“ beklagen, haben schon wegen dieser Wortwahl ihre Verluste verdient.
Natürlich sind Anhänger der Linken, Grünen und SPD ebenfalls Bürger und insofern bürgerlich. Sie sind keineswegs irgendein extremer Rand.
An den extremen Rand und zu den Verfassungsfeinden gesellten sich hingegen Schwarz und Gelb in Erfurt.


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