Dienstag, 16. Juni 2020

Medienspreizung.

Mal abgesehen von Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern, können sich die meisten Deutschen darauf einigen im öffentlich rechtlichen Radio, sowie den Nachrichtensendungen von ARD und ZDF neutrale und recht seriöse Informationen geliefert zu bekommen.

In den USA gibt es keine vergleichbar starke öffentlich finanzierte Sendergruppe.
Die Rolle des neutralen Berichterstatters versuchte über viele Jahre CNN zu übernehmen.
Teilweise gelingt das immer noch.
CNN Breaking News ist mit 58 Mio. Followern einer der erfolgreichsten Twitteraccounts weltweit.
Aber die Einschaltquoten sind nicht mehr überragend seit ihnen erst rechts mit FOX und dann links mit MSNBC Konkurrenz gemacht wurde.
Hasan Minhaj sezierte 2017 beim ersten White House Correspondents Dinner ohne den amtierenden US-Präsidenten (weil das kleine Baby Trump beleidigt war und schmollend zu Hause blieb) das Dilemma eines „neutralen Senders“.
 Zu jedem Thema werden gleich viele rechte und linke Pundits geladen – unabhängig von deren Seriosität.
So konnten die notorischen Trump-Fans immer in epischer Breite live auf CNN lügen. Die heutige White House-Pressesprecherin Kayleigh McEnany, Kellyann Conway, Jeffrey Lord oder Corey R. Lewandowski konnten dabei beispielsweise behaupten Trump habe noch nie gelogen.
So wurden aber Fakten zunehmend zu einer Frage der Meinung.
CNN traute sich schließlich kaum noch die Trumpschen Spinner einfach auszuladen. Es waren ja auch immer so lebhafte Diskussionen – gut für die Quote.

[….] All you guys do is stoke up conflict. Don, every time I watch your show, it feels like I am watching a reality-TV show. “CNN Tonight” should just be called “Wait a Second. Now Hold On. Stop Yelling at Each Other,” with Don Lemon. […..]
(Hasan Minhaj)

Mit dieser elenden Methode, immer alternierend linke und rechte Gäste einzuladen, machten die ARD- und ZDF-Talkshows auch die AfD groß ab 2015, weil sie ihnen die Möglichkeit gaben in epischer Breite Gift zu streuen. Dabei handelte es sich um ein Totalversagen der Öffentlich-Rechtlichen mit tödlichen Folgen für die Opfer der rechten Gewalttäter.

Ebenso in den USA, wenn links und rechts immer brav nebeneinander gestellt werden, als ob es irrelevant wäre, wer die Wahrheit sagt und wer Lügen verbreitet.

Tatsächlich zeigt sich in all diesen Links-Rechts-Texten der vergangenen Wochen eine entpolitisierte Sicht auf Politik, die gewollt ist und eingeübt: Statt um Argumente geht es um Geometrie, statt um Inhalte geht es um Mehrheiten, statt um Visionen geht es um Verteidigung dessen, was man hat.
Es gibt sie aber immer noch, die Unterschiede zwischen rechten und linken Argumenten.
Und so ist Trump eben das Gesicht eines radikalen, dummen und egoistischen Kapitalismus und Sanders das Gesicht eines durchaus bescheidenen und wenig revolutionären Versuchs, diesen Kapitalismus wieder gerechter zu machen.
Wie, um Himmels Willen, kann man die zwei auf eine Art und Weise vergleichen? Wo am Ende sogar rauskommt, dass sie beide vor allem eines seien: Populisten?
Das ist das Gegenteil von gutem Journalismus, das ist Nebelwerferei.

Im Jahr 2017 fühlte sich Minhaj von dieser Positionsvermeidung, die immer links, rechts und Umfragen zeigte, so genervt, daß er sich beim Nachrichtengucken an Schularbeiten erinnert sah.

[….] You know you’re news right? Come on. But every time I watch CNN, it feels like you’re assigning me homework. “Is Trump a Russian spy? I don’t know. You tell me. Tweet us @AC360.” No, you tell me. I’m watching the news. But it feels like I’m watching CNN watch the news. Please just take an hour, figure out what you want to say. Then go on the air.
But whenever I turn you guys on, it feels like a little kid just ran into the room and is trying to tell you a story. You’re just like: “There’s a wall. [Inaudible]Paul Ryan.” Breathe. Take a minute. Drink some milk. Then tell us the story, Wolf. [….]

Immerhin ist CNN aber offensichtlich lernfähig.
Alle Mutmaßungen aus dem 2016ner Wahlkampf, Trump würde sich im Amt schon seriös, zumindest seriöser als im Wahlkampf verhalten, sind zerstoben.
Das Gegenteil ist der Fall.
IQ45 steuert auf 20.000 Lügen im Amt zu und stachelt ununterbrochen und systematisch zum Hass von Amerikanern auf Amerikaner auf.
Es gibt nun zwei Amerikas, die keinerlei Berührungspunkte mehr haben. Man hasst Trump oder liebt Traum.
Man ist Rassist oder BLM-Aktivist.
Man guckt MSNBC oder FOX.
Fox muss keinerlei Rücksicht auf demokratische Wähler, liberale Zuseher oder gebildete Menschen nehmen, weil es die in ihrem Publikum schlichtweg nichts gibt.
Amerika teilt sich auf in zwei Medienblasen. Die linkere von beiden versucht sich immer noch strikt an Fakten zu orientieren und versucht geradezu rührend Trump und die GOP-Politik zu widerlegen, zu „debunken“, Lügen zu entlarven.
Als ob irgendjemand, der Trump wählt einen Sender einschaltete, auf dem er kritisiert wird.
Die rechte Blase hingegen hat das Universum der Tatsachen längst verlassen, schürt Hass auf Minderheiten und verbreitet ungeniert die abstrusesten Verschwörungstheorien.
Es ist kein Platz mehr für Neutralität.
Also wieso sollte noch irgendwer die links/rechts-Schema-Sendungen auf CNN gucken? Es gibt keine politische Mitte mehr in den Vereinigten Staaten.

CNN tat in dieser Situation das einzig Richtige.
Der Sender nimmt in seinen abendlichen Hauptsendungen – AC360° mit Anderson Cooper, Cuomo Prime Time und CNN Tonight with Don Lemon – kein Blatt mehr vor den Mund und bezieht sehr klar Position.
Und zwar pro Demokratie, pro Verfassung, pro Fakten – also contra Trump.


[….] CNN hat bemerkt, dass es in der Mitte zwischen Fox News und MSNBC nichts zu holen gibt, weil es kaum noch eine Mitte gibt in diesem Land. Also wurden die Primetime-Moderatoren Chris Cuomo und Don Lemon zu Trumps bissigen Chefkritikern und überholten so die MSNBC-Konkurrenten Maddow und Chris Hayes. Fox News rückt indes, auch nach Kritik von Trump, noch ein bisschen näher an den Präsidenten heran.
Es geht auch für die TV-Sender ums Gewinnen, sie müssen bei den Zuschauern punkten. Und das können sie derzeit am besten mit spektakulären Bildern und markigen Statements. [….]

Der angenehme Nebeneffekt: Es macht wieder großen Spaß Cooper, Cuomo und Lemon zu gucken.
Ich bemühe mich insbesondere Don Lemon nie zu verpassen und empfehle insbesondere seinen inzwischen schon legendären Übergabe-Flirt mit Chris Cuomo („I love you, D-Lemon“ – Chris Cuomo) und das ausführliche Lemon-Eingangsstatement „Don’s Take“.
Das ist lebendiger Journalismus. Mal ruhig, mal sezierend, mal engagiert, mal wütend – Lemon macht aus seinem Herzen keine Mördergrube.
Trump-Fans are not amused.



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