Freitag, 15. Oktober 2021

Bei mir piept’s!

Mein Anwalt sagt immer: „Nur dumme Menschen mieten“.

Statt jeden Monat das Geld aus dem Fenster zu werfen, solle man es doch lieber „für’s Alter“ in die eigene Tasche stecken.

Philosophisch betrachtet, finde ich es allerdings nicht erstrebenswert, mein monatliches Geld zu horten. Was ich für Lebensmittel, Strom, Versicherungen etc ausgebe, ist schließlich auch unwiederbringlich „weg“. Das heißt, Geld ist ja bekanntlich nie „weg“, sondern es gehört nur jemand anderem. So funktioniert Wirtschaft.

Praktisch betrachtet, gibt es erhebliche Hürden dabei, sich vom Mieter-Dasein zu verabschieden.

Gucken wir doch mal ins Netz; ja es gibt mit meiner vergleichbare Wohnungen zu kaufen.  60 qm, 2 Zimmer, 1.OG an einer schön lauten Straße für lumpige 752.000,-.  Mit Grunderwerbsteuer, Courtage, Notarkosten kommen noch mal knapp 100.000,- drauf. Macht 850.000,-. Das gilt aber nur, wenn man die 850.000 Euro so auf dem Girokonto liegen hat. Mit einem Kredit, muss man auch noch die Zinsen berappen und ist dann bei Gesamtkosten von einer Million.


Wenn ich also 165.000 Eigenkapital einfach so rumliegen hätte, müsste ich nur noch monatlich 1.700 Euro Zinsen/Tilgung bezahlen. Hinzu kommen noch Hausgeld und Nebenkosten. Mutmaßlich läge man also bei monatlich 2.500 Euro Fixkosten für die Wohnung. Und wie lange läuft der Kredit? Welche Restschuld bleibt übrig?

Ob nun dumm oder nicht dumm; es soll ja Menschen unter uns geben, die nicht eine Millionen Euro cash rumliegen haben.  Für die ist mieten eine annehmbare Alternative, die auch Vorteile hat. Immerhin kann man sich auf die Wohnungs-Fixkosten verlassen. Wenn irgendetwas kaputt ist, ruft man den Vermieter an und der bezahlt die Reparatur. Der Vermieter kümmert sich auch vorrausschauend um alle Sanierungen. Dachrinnen, Siele, Elektrik, Dämmung.

Mein Vermieter teilte mir im Juli voller Emphase mit, daß wir mit den modernsten Verbrauchszählern ausgestattet werden.

Heizung, Wasser, Rauchmelder – alles der neueste Scheiß. Ablesung erfolgt über Funk. Austausch nur noch alle zehn Jahre.

Erstens freue ich mich über die zukünftig entfallenden Ableser-Termin und zweitens übernimmt mein Vermieter die lästige Beschäftigung mit diesem Ableser-Mafia-Oligopol. In meinem Fall ist es also Kalorimeta.

Der Einbau vor wenigen Wochen war schnell erledigt, weil die einen genetisch so optimierten Kalorimeta-Mann schickten, daß er ohne Leiter oder Tritt an die Decke langen konnte, um die Rauchmelder-Halterungen anzuschrauben.

Nun hängen in jedem Zimmer unter der Decke Qundis Rauchwarnmelder Q smoke 5.5 R; Hurra. Sie sehen aus wie von Roddenberry entworfene Raumschiffe mit drei Augen. Q55R guckt sich sogar die Umgebung an.


[…..] Mit einem regelmäßigen Funktionsselbsttest prüft das Gerät verschiedenste Parameter und übermittelt die Ergebnisse, mittels des integrierten Funks, an die bewährten QUNDIS Fernauslesesysteme (Q AMR und Q walk-by).

Somit kann der Gerätezustand jederzeit bequem aus der Ferne abgefragt werden. Die jährliche Prüfung vor Ort entfällt. Das vereinfacht Prozesse und spart Kosten.

Nach dem Eindrehen in den Sockel geht der Rauchwarnmelder automatisch in Betrieb und sendet Installationstelegramme an das Q AMR-Funknetzwerk bzw. die Q walk-by-Testauslesetelegramme.

Mittels Ultraschall überwacht der Q smoke 5.5 R das Umfeld auf Hindernisse und erfasst bzw. erlernt entsprechende Abweichungen bei Erstinbetriebnahme.

Dank der Überwachung der Raucheintrittsöffnung, Selbsttest des Warnsignals und der Verschmutzungskompensation arbeitet der Melder absolut autark und zuverlässig. [….]

(Qundis 5.5r)

Die Batterie kann man nicht austauschen, aber das Gerät hält schließlich bis 2029 durch.

Im Gegensatz zu allen anderen Rauchmeldern, die ich bisher hatte, nervte mich Q55R aber schnell mit seiner Blinkerei. Eins dieser Spaceships landete nämlich direkt über meinem Bett – und auch wenn es nur eine kleine Leuchtdiode ist: In völliger Dunkelheit kann sie ordentlich nerven  Vor etwa zehn Tagen wurde er aber richtig fickerig, blinkte auf Teufel komm‘ raus. 

Ich wußte, es war ein Fehler, den leptosomen Kalorimeta-Lulatsch mit „die brauchen Sie nicht“ davon kommen zu lassen, als ich nach einer Bedienungsanleitung fragte. Also musste ich das Teil abschrauben, um überhaupt festzustellen, was das für ein Typ ist und das Users Manual googeln.

Blinken ist scheinbar echt sein Ding. So kommuniziert es und die Blinkfrequenzen sagen dem Q55R-Kenner wonach es ihm gelüstet.

Sorgfältig gestoppt, stellte ich also den „Ein Blinken alle 5 Sekunden“-Modus fest. Allerdings ohne „Reduzierter Signalton 3X alle 5s“

Mein Schlafzimmer Q55R macht im Gegensatz zu seinen Freunden etwas, das es gar nicht gibt.

Das Gute ist: Man kann QRR5 deaktivieren, indem man ihn aus der Einrastung der Montageplatte zieht:

[….] Bevor Sie den Rauchwarnmelder transportieren, versenden oder entsorgen wird, aktivieren Sie den Transport-Modus wie folgt:

1.  Lösen Sie den Rauchwarnmelder für mindestens 1 Minute von der Montageplatte.  k Das Gerät wird in den Demontagezustand versetzt. [….]

Ich wollte ihn zwar nicht „entsorgen wird“, aber stilllegen, also nahm ich ihn ganz aus der Montageplatte.  Mein Q55R findet das aber nicht gut, blinkte immer hektischer und fing dann auch noch an zu piepen. Drei Pieptöne alle fünf Minuten.

Selbstverständlich passierte das mitten in der Nacht auf Samstag. Als Wohnungseigentümer hätte ich ihn nun spätestens aus dem Fenster geworfen, da Q55R, aber meinem Vermieter gehört, kam er in meinen Kleiderschrank in das Schmutzwäschefach unter meine gebrauchte Unterwäsche.

Fortan hörte ich nur noch sehr gedämpft alle fünf Minuten piep piep piep.

Den Hausmeister erreichte ich nicht am Montag, nicht am Dienstag. Piep piep piep. Nicht am Mittwoch. PIEP PIEP PIEP. Aber endlich heute. Seine Auskunft: „Jo, da kann ich auch nichts machen!“  Rufen Sie doch mal die Kalorimeta-Hotline an:  0800 400 1018

Dort landete ich tatsächlich ohne Wartezeit bei einer freundlichen Dame, wollte ihr meine Probleme kundig und bündig mitteilen. ‚Es handelt sich um einen Qundis Q5.5R, der..‘

–MOOOMENT, unterbrach sie mich, woher ich überhaupt anriefe.

Und die Fragen gingen weiter. Ich bin verblüfft, daß sie nicht noch meine Blutgruppe und Schuhgröße wissen wollte. Dabei möchte ich doch eigentlich nur wissen, ob sie mir ein Austauschgerät schicken könnte. Ich kann das Ding schließlich auch selbst in die Montageplatte einrasten.

 „Wo denken Sie hin?!“ – Nein, also das ginge aus rechtlichen Gründen und der Gewährleistung gar nicht. Dazu müsse ein Fachmann zu mir kommen.

‚Also schön, wann kann der denn kommen‘ begehrte ich zu wissen.

Wie naiv von mir, denn dafür ist selbstverständlich jemand anders zuständig. Das kann dauern.

Aber was, verdammt tue ich nun mit dem Ding, das über so viele Funktionen verfügt, aber leider keinen Aus-Knopf?

Immerhin, da konnte sie mir weiterhelfen: Ich solle das Gerät in den Kühlschrank legen. Da sterbe die Batterie und in zehn Minuten wäre Schluss mit der Pieperei.

Sieh mal einer an, als Laie wäre ich gar nicht auf so eine technisch-ausgefeilte-Lösung gekommen.

Heute Morgen lag Q55R nun also unter meinen Blattsalaten im Kühlschrank.

Und piept. Alle fünf Minuten. Piep piep piep.

Nach zwei Stunden zog ich die Samthandschuhe aus, verfrachtete ihn von dem 5°C-Salatfach ins -19°C-Tiefkühlfach. Aber der Gute stammt wohl von einem Eisplaneten. Es stört ihn gar nicht Piep piep piep. Mein Kühlschrank piept.

Heute Nacht kommt der Tiefkühlgeselle dann wieder ins hintere Zimmer in den Schrank unter die Schmutzwäsche.

Morgen wieder Hotline anrufen und nach dem Techniker fragen.

Schöne neue Welt.

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