Mittwoch, 27. Oktober 2021

Antizyklisch besetzen

Auch in der linksliberalen politischen Szene gibt es leider den Hang zu populistisch-bekloppten Vereinfachungen.

„Kann man ein Klimakanzler sein, wenn der 12 Zylinder Dienstwagen ca. 20 l auf 100 km rausbläst?“ fragte heute ein Spaßvogel auf Facebook. Sofort stiegen Tausende Kommentatoren ein, die allesamt das Bild des Karriere-geilen, auf Dienstprivilegien bestehenden Heuchelpolitikers zeichneten.


Dabei ist die Frage natürlich selten dämlich; kein Kanzler kann sich selbst aussuchen, wie der Dienstwagen gepanzert ist. Personen der Gefährdungsstufe 1 (dazu gehören unter anderem Kanzler, Innen-, Außen- und Verteidigungsminister) müssen besonders beschützt werden. Überall in den westlichen Demokratien werden Politiker getötet. Vor weniger als zwei Wochen wurde der britische Parlamentarier David Amess umgebracht. Der Mord am hessischen CDU-Politiker Walter Lübcke geschah am 1. Juni 2019 in Istha. Ende 2019 überstand Hamburgs Innensenator Grote nur durch die Panzerung seiner Limousine zusammen mit seinem zweijährigen Sohn unverletzt einen Anschlag. Außenminister Joschka Fischer riss das Trommelfell, weil er mit derartiger Wucht von einem Farbbeutel am Kopf getroffen wurde.

Wolfgang Schäuble und Oskar Lafontaine überlebten bei nur sehr knapp Mordanschläge. Schäuble ist seither querschnittsgelähmt.

Also, ja, selbstverständlich müssen Kanzler in schweren Panzerlimousinen fahren. Auch ein Linker oder Grüner Kanzler hätte so ein Fahrzeug. Die Klimapolitik hat damit nichts zu tun.

Der nächste forderte, einen General zum Kriegsminister zu machen.


Ahnung vom Job zu haben, wäre in der Tat nicht schlecht. Man sollte nicht völlig Fachfremde ernennen, die sich wie Gröhe, von der Leyen, Kramp-Karrenbauer, Glos, Guttenberg, Dobrindt, Scheuer, Westerwelle, Niebel oder Karliczek überhaupt noch nie vorher mit dem Sujet ihres Ministeriums beschäftigt haben.

Deswegen sollte unbedingt Lauterbach Gesundheitsminister werden und nicht Esken. Leider stehen die Chancen für den Fachmann heute noch schlechter!  Es sollte aber auch kein Apparatschik sein, wie zB ein Ärztekammerfunktionär, weil der Minister das Gesamtbild übersehen soll.

Ein General als Verteidigungsminister wäre völlig falsch. Militärs, die immer an militärische Lösungen denken, nein Danke. Der Boss auf der Hardthöhe muss eine zivile Person bleiben.  Auch Zivilisten können sich mit Verteidigungspolitik beschäftigt haben. Das müssen nicht zwangsläufig korrupte Karriere-affine Fehlbesetzungen wie von der Leyen oder AKK sein.

Neben Schmidt und Leber gilt Peter Struck als bester Verteidigungsminister, den es in Deutschland je gab. Er war in der Bundeswehr extrem beliebt, hatte selbst aber noch nicht mal Grundwehrdienst abgeleistet, nie als Rekrut eine Kaserne von innen gesehen.

Es ist ein großes Missverständnis, ein Ministeramt wäre am besten mit einem Lobbyisten besetzt, der sich stets darum bemüht, möglichst viel Geld für seinen Bereich rauszuschlagen.

Julia Klöckner ist ein abschreckendes Beispiele für die Fehlbesetzung eines Ministeramts. Statt das Gesamtbild im Auge zu haben, an klimatische Auswirkungen, Umweltschutz, die Gesundheit der Verbraucher, Nachhaltigkeit oder gar das Tierwohl zu denken, lobbyierte sie fleißig für die klassische flächenverbrauchende, tierquälende, grundwasserverseuchende monokulturelle Agrar-Großindustrie.

Landwirtschaftsminister sollte lieber eine Person wie Renate Künast sein, die eben nicht schon immer auf der Payroll des Bauernverbandes steht und schon in Jugendjahren als Weinkönigin für die uralten konservativen Winzer warb.

Es ist ein ähnliches Sumpf-Problem wie in den klassischen Zeitungsredaktionen.

Kaum ein deutsches Medienhaus, das es wagt die Kirche mit einem Atheisten oder gar Kirchenkritiker zu belästigen. Die Kirche wird stets in Watte gepackt. Nur fromme Journalisten dürfen über die Frommen im öffentlichen Auftrag sprechen.  Das ist einer der von mir immer wieder beklagten Presse-Missstände. Alle Kirchenthemen werden von frommen Gläubigen behandelt. Dafür hat Springer Badde und Englisch, der Tagesspiegel die unvermeidliche Claudia Keller, die Zeit Frau Finger und die SZ eben Matthias Drobinski.

(……) Man stelle sich vor über die CDU würden nur noch CDU-Mitglieder schreiben. Oder nur noch Soldaten über die Bundeswehr. 

Geht es um die Grundfrage des Christentums in Deutschland – was geht da eigentlich so sagenhaft schief, daß jedes Jahr Hunderttausende aus der Religionsgemeinschaft flüchten, während aus anderen Kontinenten ein reger Zulauf herrscht – wird es bei den großen Zeitungen ganz gediegen.

(Weinen mit Robert – 06.08.2013)

Die zukünftigen Ampel-Minister sollen klug und möglichst auch Fachpolitiker sein.

Aber es ist keine ausreichende oder gar hinreichende Qualifikation, so wie Christian Lindner auf Platz 1 der Kurzwahlliste der reichsten Industrie- und Finanzlobbyisten zu stehen, bereitwillig die Wünsche der FDP-Großspender von der Automatenlobby (Paul Gauselmann) oder Hotellobby (Baron von Finck) oder Privatkassenlobby (Deutsche Krankenversicherung) zu erfüllen.

Christian Lindner, der Fanboy der Reichen und Adligen, der Börsianer und Großindustriellen, ist stolz auf seine Verbindungen zu den finanzkräftigen reichsten 1% Deutschlands. Daher fordert die FDP auch ungeniert Steuerentlastungen für die Superreichen, lehnt Sozialausgaben ab und setzt auf die seit 40 Jahren widerlegte Wirkung von Trickle-Down-Wirtschaftspolitik.

Die Affinität zum großen Geld qualifiziert Porsche-Fahrer und Luxusuhrensammler Lindner aber eben gerade nicht für den Job des Finanzministers.

Wer wirklich etwas von internationaler Finanzpolitik und Ökonomie versteht, beispielsweise weil er als renommierter Experte schon den Wirtschaftsnobelpreis gewonnen hat, warnt daher ausdrücklich vor einem Finanzminister Lindner.

[….]  Wirtschaftsnobelpreisträger warnt vor Christian Lindner als Finanzminister!

In einem Gastbeitrag für die »Zeit« werfen die Ökonomen Joseph Stiglitz und Adam Tooze dem FDP-Chef eine »vorsintflutliche haushaltspolitische Agenda« vor. Sie plädieren dafür, dass die Grünen den Finanzminister stellen. [….]

(Spon, 27.10.2021)

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