Ob man nun noch Kekse essen oder Dropse lutschen muss; Olaf Scholz wird noch nicht nächste Woche Bundeskanzler.
Ich bin viel zu abergläubisch, um ihn heute schon zum nächsten Regierungschef auszurufen. Jamaika ist für die meisten FDP- und viele Grünen-Unterhändler immer noch die beliebtere Option, weil die Union so inhaltsleer und verzweifelt ist, daß sie den beiden kleineren Koalitionspartnern mutmaßlich viel mehr Zugeständnisse, als der beinharte Verhandler Scholz machen würde. Drei Gründe gegen Jamaika scheinen aber gewichtiger zu sein.
1. Die grüne Basis,
2. die katastrophalen demoskopischen Zahlen für Laschet, die CDU und Jamaika und
3. die fehlende Prokura und Durchsetzungskraft des CDU-Vorsitzenden.
Olaf Scholz, die SPD-Basis und die SPD-Vorsitzenden sind im Moment kaum auseinander zu dividieren.
[....] Selbst SPD-Ko-Chefin Saskia Esken, die lieber die Linkspartei als die FDP als Partner gesehen hätte, sagt, es gehe jetzt darum, einen "neuen Aufbruch" zu wagen. Wer in die Partei hineinhört, erfährt Bemerkenswertes: Scholz und sein Verhandlerteam haben nahezu freie Hand bei den Sondierungen. So großes Vertrauen setzen die Genossen in die Parteispitze, in Olaf Scholz vor allem. In Vorstandskreisen ist sogar von "großer Beinfreiheit" die Rede, die Scholz sich nehmen dürfte. Als sich die SPD im Wahlkampf befand, war das noch eine verpönte Formulierung, weil sie ja bedeutet hätte, Scholz hätte alle Macht. Nun hat er sie offenbar tatsächlich. [....]
Auf Unionsseite das diametrale Gegenteil. Der CSU-Parteichef und sein Landesgruppenführer haben Jamaika beide bereits eine Absage erteilt.
Laschet hofft immer noch, die Ampel-Verhandlungen könnten implodieren, so daß sich Lindner und Baerbock an den prinzipienlosen flexiblen Armin erinnern. Er könnte in die Rolle eines Pontifex Laschimus hineinwachsen, um als großer Parteienversöhner ein Kabinett der Harmonie zu bilden. Das ist eine schöne Hoffnung, aber eben auch ein nahezu irreales Szenario. Wie sollte Armin L. aus A. vier Parteien am Kabinettstisch integrieren, wenn ihm schon die vergleichsweise homogene CDU allein um die Ohren fliegt, weil jede noch so kleine Maus auf seinem Tisch tanzt? Wie sollte er schmerzhafte Zugeständnisse an die Ökos in seiner Partei durchsetzen, wenn nahezu alle CDU-Granden an seinem Stuhl sägen?
[….] Das ist kein gutes Omen: Zahlreichen
Beobachtern zufolge kreist bereits seit mehreren Tagen Friedrich Merz über dem
Kopf von CDU-Parteichef Armin Laschet. Dies könnte ein Hinweis auf dessen baldiges
politisches Ende sein. "Es ist gruselig. Egal, wo Armin hingeht, immer wieder fällt ein
Schatten auf ihn", so ein Vertrauter Laschets. "Schaut man dann nach
oben, sieht man Friedrich Merz stumm und geduldig über ihm kreisen." Nur
gelegentlich stoße der Sauerländer dabei einen spitzen Schrei aus. Einmal, am Donnerstag, als Laschet seinen
baldigen Rückzug aus der Politik andeutete, sei Merz besonders nah gekommen und
habe versucht, ein Stück Fleisch aus dem Rücken seines Parteivorsitzenden zu
reißen. [….]
In seinem verzweifelten Bemühen, die CDU unbedingt koalitionsfähig zu halten, macht Laschet eine so traurige Figur, daß selbst sein ganz großer politischer Freund Lindner beklagt, wie wenig regierungsfähig der Union sei.
Sozialdemokraten müssen den CDU-Granden Laschet, Bouffier und Schäuble jeden Tag für die effektive Scholz-Wahlkampfhilfe dankbar sein.
Diese Woche konnten wir aber mustergültig erleben, daß nicht nur Laschets grandiose Unfähigkeit, Unbedarftheit und mangelnde Intelligenz sehr hilfreich für den SPD-Sieg waren. Das perfide bayerische Intrigantentum, die permanente Söder Ego-Show, die seine persönlichen Interessen grundsätzlich über das Wohl des Volkes stellt, ist ebenfalls ein Stützpfeiler der Ampel.
[…..] Der zu Laschets Zukunftsteam zählende Sicherheitsexperte Peter Neumann macht Söder für das schlechte Abschneiden bei der Bundestagswahl mitverantwortlich. "Einer der wunden Punkte in der Union war immer, dass die Partei Armin Laschet nicht geschlossen unterstützt und Markus Söder ihn jeden zweiten Tag unterminiert hat", sagte Neumann der "Augsburger Allgemeinen". Auch der frühere CDU-Politiker Wolfgang Bosbach machte fehlenden Teamgeist von CDU und CSU als einen der Gründe für die Wahlniederlage verantwortlich. [….]
Markus Söder, der Hinterhältige, der Mann der „Schmutzeleien“, will Kanzler werden.
Ihm wäre es gar nicht Recht gewesen, wenn sein Schwester-Vorsitzender Laschet die Bundestagswahl strahlend gewonnen hätte. Denn dann wäre für ihn kein Platz geblieben. Auch eine wackelige Jamaika-Koalition könnte ihm bei der Bayernwahl 2023 gefährlich werden, da sich der Frust über irrlichternde C-Minister an den bayerischen Wahlurnen abladen könnte. Außerdem könnte sich Söder nicht in seinen Parade-Disziplinen der Häme und Hetze ausleben, wenn er fortwährend zur Solidarität mit der Berliner Jamaika-Truppe gezwungen wäre.
[….] Die Angriffe aus dem Hinterhalt. Das „wir haben es doch gesagt“, als dann wirklich alles den Bach runterging im Unionswahlkampf. Und doch scheint selbst besonders hartnäckigen Söder-Fans in der CDU zu dämmern: Dem Politiker aus Bayern ging es nie wirklich um das gemeinsame Ziel, sondern immer nur um sich selbst. Für das Kanzleramt fehlt ihm schlicht das menschliche Format. [….]
(G. Tangermann, Mopo-Leitartikel, 08.10.2021)
Für Söder wäre in den nächsten vier Jahren eine schwächliche Ampel-Regierung mit großen ökonomischen Problemen wünschenswert, so daß er nach Herzenslust gegen Grüne, SPD und FDP hetzen könnte.
Dazu gäbe es idealerweise einen überforderten CDU-Chef, den er mit Sticheleien und Gerüchten so weich klopfen könnte, daß ihm die nächste Kanzlerkandidatur für die Union einfach in den Schoß fiele.
Ich wünsche mir auch eine Ampel-Regierung in Kombination mit einem CDU-Chef-Kaspar auf Laschet-Niveau.
Allerdings nehme ich nach den Scholz-Erfahrungen in Hamburg eher an, daß eine SPD-geführte Bundesregierung sehr erfolgreich sein wird.
Scholz gilt den Deutschen jetzt schon als der aktuell
kompetenteste Politiker. Kommt 2025 noch der Amtsbonus hinzu, sollte der dann
67-Jährige Scholz wiedergewählt werden und dabei die SPD-Zahlen im Vergleich zu
2021 noch einmal deutlich verbessern. In
seiner zweiten Amtszeit sollte der Bundeskanzler dann einen der jüngeren Sozis
auf die Kanzlerkandidatur 2029 vorbereiten.
Wer das sein wird, kann ich noch nicht sagen, aber der Bundestag ist jetzt voll
mit ganz neuen ganz jungen SPD-Abgeordneten. Davon wird sich schon der ein oder
andere als tauglich herausstellen.
Sollte Scholz 2025 einen sehr starken Eindruck machen; seine Wiederwahl also wahrscheinlich sein, wird Markus Söder sicherlich in Bayern sitzen bleiben. Er ist von Natur aus feige und scheut die offene Konfrontation. Eine blutige Nase will er sich nicht holen.
Wer wird dann aber Unionskanzlerkandidat? Merkel und Laschet, Scheuer und AKK werden dann vergessen sein. Laschet wird schließlich schon deswegen bald vom Hof gejagt werden, weil die Partei CDU reformunfähig und intellektuell zu verarmt ist, um eine Analyse- und Programmdiskussion zu führen. Armin Laschet wird also als Sündenbock gebraucht; als Schwarzer Peter und Hofnarr in der Personalunion. Als der Golem von Aachen, dem man auch noch Jahren noch alles in die Schuhe schieben kann.
Wer also soll es machen?
In Frage kommen nach derzeitigem Wissenstand am ehesten die vier usual suspects: Brinkhaus, Röttgen, Merz und Spahn.
Hans und Günther wären ebenfalls gern CDU-Chef, verfügen aber auf Bundesebene über viel zu wenig Gewicht, um die chaotischen Laden zu sanieren.
Als Sozialdemokrat wünsche ich mir natürlich den Serienversager Merz, der bisher noch jede Wahl verloren hat und kaum einen Auftritt pannenfrei absolviert. Kaum vorstellbar, daß er 2025 auf Bundesebene mit seinen Ansichten aus dem letzten Jahrtausend reüssiert: Frauen in die Küche, Schwule sind pädophil, alle Macht den internationalen Finanzheuschrecken, Klimaschutz ist nicht so wichtig, Gendern ist Teufelszeug.
Spahn hat sich in seinem letzten Jahr als hoffnungslos überforderter Gesundheitsminister und glühender Laschet-Unterstützer viele Feinde gemacht. Außerdem werden seine ultrakonservativen Ansichten in einer sich weiter liberalisierenden Welt immer weniger auf Begeisterung stoßen.
Der ultrafromme Brinkhaus dürfte ähnlich unvermittelbar sein, wenn es um die Kanzlerschaft geht.
Bleibt Norbert Röttgen, der von allen Vieren der intelligenteste und telegenste ist. Er wäre vermutlich der härteste Gegner für Kanzler Scholz. Allerdings genießt der einst von Merkel wegen Unfähigkeit gefeuerte Umweltminister a.D. in der Fraktion den geringsten Rückhalt.
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