Heute ist für die USA einer der besonders dunkelschwarzen Tage - in der Flut der schwarzen Tage, die Republikaner und Donald Trump dem Land in den letzten beiden Dekaden bescherten.
50 Jahre Bürgerrechte einfach weg. Rücksturz ins Mittelalter. Tödliche Konsequenzen für Myriaden Frauen.
Mit kaum vorstellbarer Perfidie treiben die sechs ultraradikalen Menschenhasser des Supreme Courts einen weiteren Keil in die Gesellschaft; scheinen direkt auf einen blutigen Bürgerkrieg hinzuarbeiten.
[…] Der Spruch des Supreme Court ist dazu angetan, das ohnehin tief gespaltene Land weiter auseinanderzutreiben. Die fünf konservativen Richterinnen und Richter haben ihre drei liberalen Kollegen überstimmt. Der Vorsitzende Richter, John Roberts, wollte nur einen Teil der Entscheidung mittragen[…] Trotzdem ist das alte Grundsatzurteil »Roe versus Wade« aus dem Jahr 1973, das Frauen im ganzen Land das Recht auf Abtreibung bis zur 24. Schwangerschaftswoche zusprach, damit Geschichte. […] Einige von den Republikanern beherrschte Staaten, etwa Missouri, verfügen über sogenannte »Trigger Laws«, die für den Fall einer aus ihrer Sicht positiven Supreme-Court-Entscheidung das sofortige Abtreibungsverbot vorsehen. […] Eine konkrete Folge dieser Einschränkungen: Frauen in diesen Staaten, vor allem aus ärmeren Schichten, müssten wie vor hundert Jahren Abtreibungen künftig in der Illegalität unter medizinisch gefährlichen Bedingungen durchführen lassen. Für die Reise in andere Staaten, in denen Abtreibungen erlaubt bleiben, fehlt ihnen oftmals das Geld. […] Tatsächlich wird mit dem Urteil ein alter Traum der stramm konservativen, religiösen Rechten in den USA wahr. Viele Katholiken sowie evangelikale Christen im Süden und Mittleren Westen des Landes kämpfen seit Jahrzehnten gegen das Abtreibungsrecht nach Roe v. Wade. Die Tür, um dies zu ändern, hat dabei ausgerechnet Donald Trump aufgestoßen: In seiner Amtszeit konnte er drei konservative Richter für den Supreme Court ernennen und so die Mehrheitsverhältnisse an dem Gericht drastisch zugunsten der religiösen Rechten verändern. […] Die Republikaner sehen sich derweil auf der Siegerstraße. Vor allem viele stramm konservative Trump-Unterstützer dürften nun darauf setzen, dass das Verfassungsgericht ihnen weitere Erfolge beschert. […]
Weniger abgebrühte Zeitgenossen als ich, mögen sich über die höchstrichterliche Indolenz gegenüber den tödlichen und brutalen Konsequenzen ihres Handelns wundern. Könnten erstaunt sein, wie völlig mitleidslos sich gerade mal sechs Menschen über die riesige Mehrheit der 165 Millionen US-amerikanischen Frauen hinwegsetzen.
Aber es handelt sich bei allen Sechs um Religioten und damit anmaßende Ideologen, die schon bei der Waffengewalt, der jedes Jahr an die 40.000 Menschen zum Opfer fallen, voller Verachtung für die Würde des Menschen zeigten.
Als Trumpisten kennen sie ohnehin nicht den Gedanken an das gemeinsame Wohl aller Amerikaner, sondern hassen die bunte Mehrheit, die Atheisten, die Queeren und insbesondere die Nicht-Weißen.
Es bereitet ihnen Freude, den „anderen“ zu schaden.
In der Folge sind nun Urteile zu Gunsten der Rassentrennung und ein Verbot der „Ehe für alle“ zu erwarten. Die Ultrarechten führen einen Kampf gegen die eigene Bevölkerung und sie scheinen zu gewinnen.
[…] Die drei Demokraten im Richtergremium erheben in ihrer Minderheitsmeinung schwere Vorwürfe gegen ihre konservativen Kolleginnen und Kollegen: Die missbrauchten ihre Übermacht für politische Entscheidungen. "Die amerikanische Öffentlichkeit sollte nie zu dem Schluss kommen, dass ihre Verfassungsrechte an einem Faden hängen, dass eine neue Mehrheit, die einer neuen Doktrin anhängt, einfach durch ihre zahlenmäßige Übermacht verfassungsmäßige Rechte auslöschen kann", schreiben Stephen Breyer, Sonia Sotomayor und Elena Kagan. […]
(Fabian Fellmann, SZ, 24.06.2022)
Der erschreckendste Aspekt des heutigen Unrechts ist aber wieder einmal das desinteressierte Volk, welches sehenden Auges in diese Katastrophen stolpert.
Die Richter-Ernennungen waren schon das ganz große Argument im Wahlkampf Trump versus Clinton aus dem Jahr 2016. Aber nur 54,8% der wahlberechtigten 249 Millionen Amerikaner konnte sich überhaupt aufraffen, die Stimme abzugeben. Dabei wählten die Alten und Weißen mit 65% überdurchschnittlich, während Afroamerikaner, Hispanics und Asian Americans eher zu Hause blieben.
Die Quittung sind nun Trumps drei ultrarechten Supremecourt-Richter, die ihnen Stück für Stück die Rechte beschneiden werden.
Als ich am 11.September 2001 mit offenen Mund auf die CNN-Bilder aus New York starrte, war ich ehrlich geschockt. Kaum jemand außerhalb der Geheimdienste hatte mit so einem gewaltigen Terroranschlag gerechnet.
Die Zahl von 3.000 Todesopfern machen die USA Dank der republikanischen Partei inzwischen jeden Monat voll – erschossenen von den eigenen Landsleuten. Es fehlt aber der schockierende Aspekt, weil alles absehbar, erwartet und einkalkuliert ist. Die Amerikaner wollen es entweder so oder sind zu desinteressiert, um etwas zu ändern.
Sie tapsen sehenden Auges in die Katastrophe.
Demokratische Aktivisten hoffen nun, die Abtreibungs-Entscheidung und die Insurrection-Hearings könnte die über 100 Millionen apathischen Wahlberechtigten, denen alles egal ist, doch dazu bringen bei den Midterms im November zu wählen und den Demokraten zum Sieg verhelfen.
Ich bin Pessimist. Der amerikanische Urnenpöbel war zu oft, zu drastisch gewarnt worden, schickte aber dennoch auch noch 2020, nach den vier Jahren Trump und dem blutigen Coup-Versuch, die rechtsradikalen Hetzer und skrupellosen Lügner wieder in den Kongress. Mitch McConnell und Lindsey Graham und Ted Cruz - die neben Trump und Death Santis vielleicht den übelsten menschlichen Abschaum der Welt bilden, wurden alle wieder gewählt.
Gewalt, Ungerechtigkeit, Krieg, Klimawandel, über eine Million Covid-Tote, ungezählte Obdachlose, mehr als zehn Millionen in den USA hungernde Kinder interessieren die Wähler nicht genug. Das Thema sind die Benzinpreise, die unter Trump niedriger waren. Daher wird ein republikanischer Durchmarsch erwartet.
Die guten US-Amerikaner haben ganz offensichtlich nicht die Kraft gegen die Massenverdummung zu stemmen. Sie gehen in eine düstere Zukunft. 29 Bundesstaaten werden unbewohnbar für anständige Menschen.
[….] Zurück in eine repressive Vergangenheit[…] Neunundvierzig Jahre lang hatten amerikanische Frauen das Recht, eine ungewollte Schwangerschaft beenden zu lassen, wenn sie das wollten. Am Freitag wurde ihnen dieses Recht genommen. […] Die Entscheidung vom Freitag ist das Ergebnis einer sehr gezielten, vollkommen offenen und mit viel Energie betriebenen politischen Kampagne. […] In gesellschaftlicher Hinsicht ist das Urteil ein gewaltiger Rückschritt. Man kann Abtreibungen aus allerlei Gründen befürworten oder ablehnen. Aber ein Verbot verhindert ja nicht alle Abbrüche, es macht sie zunächst einmal nur strafbar und gefährlicher. Es ist gut denkbar, dass dieses Urteil, das werdendes Leben schützen soll, das Leben von Müttern kosten wird. Und ein Verbot entmündigt Frauen, weil es so tut, als seien diese nicht fähig oder zu leichtfertig, um die schwierigen Abwägungen zu treffen, die mit einer Abtreibung verbunden sind. Das ist eine herablassende, bevormundende Haltung, die nichts mit der Realität zu tun hat. […]
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