Dienstag, 14. Juni 2022

No Win-Situation für Trump?

 

Die öffentlichen Anhörungen im US-Kongress zur Erstürmung des Kapitols am 06.01.2021 bringen inhaltlich für alle rationalen Menschen bis hin zum „Team Normal“ unter den Trump-Fans nichts substantiell Neues:

Trump lügt wie gedruckt, Trump hat die Wahl haushoch gegen Joe Biden verloren, es gibt nicht die geringsten Beweise für die von Trump behaupteten Wahlfälschungen, er korrumpierte alle Ebenen des Staatsapparates, setzte einen mordlüsternen Mob in Bewegung, um das Parlament zu stürmen, äußerte Sympathien für den Plan seinen Vize Mike Pence auf der Stelle zu erhängen und verbreitet unter anderem deswegen so hartnäckig die Lüge von seinem Wahlsieg, weil er damit seine fanatisierten Fans dazu bringt, ihm Geld zu schicken.

[….] My God.  They were lying to line their pockets. It was all a grift. [….]

(Ana Navarro-Cárdenas, 13.06.2022)

 Seit seiner Wahlniederlage sammelte er schon über 250 Millionen Dollar ein. Der Geldfluss würde sofort versiegen, wenn er zugäbe, regulär verloren zu haben.

Die sehr konservative Liz Cheney ist eine von gerade mal zwei Republikanern, die diesen Plot öffentlich einräumt und Trump für seinen versuchten Coup anprangert.

[….]"President Trump summoned the mob, assembled the mob and lit the flame of this attack," Cheney said, echoing the statement she made in 2021 when she voted to impeach Trump.

A committee source later provided CNN the following description of the "sophisticated seven-part plan":

"President Trump oversaw a sophisticated seven-part plan to overturn the 2020 election and prevent the transition of presidential power.

1.   President Trump engaged in a massive effort to spread false and fraudulent information to the American public claiming the 2020 election was stolen from him.

2.   President Trump corruptly planned to replace the Acting Attorney General, so that the Department of Justice would support his fake election claims.

3.   President Trump corruptly pressured Vice President Pence to refuse to count certified electoral votes in violation of the US Constitution and the law.

4.   President Trump corruptly pressured state election officials, and state legislators, to change election results.

5.   President Trump's legal team and other Trump associates instructed Republicans in multiple states to create false electoral slates and transmit those slates to Congress and the National Archives.

6.   President Trump summoned and assembled a violent mob in Washington and directed them to march on the US Capitol.

7.   As the violence was underway, President Trump ignored multiple pleas for assistance and failed to take immediate action to stop the violence and instruct his supporters to leave the Capitol.

These are initial findings and the Select Committee's investigation is still ongoing. In addition, the Department of Justice is currently working with cooperating witnesses, and has disclosed to date only certain of the information it has identified from encrypted communications and other sources."  [….]

(CNN, 10.06.2022)

Zwei Dinge sind nun entscheidend.

Wird Attorney General Merrick Garland, der ganz genau die sechs congress-hearings verfolgt, daraus den Schluß ziehen, Trump anzuklagen?

Rein juristisch betrachtet, müsste er das. Schon um Trump, wenn nicht ins Gefängnis, so doch wenigstens von einer erneuten Kandidatur 2024 abzuhalten.

Politisch spricht aber viel dagegen, da die Republikaner im bereits begonnenen –Midterm-Wahlkampf so ein Verfahren als willkommenen Anlass nehmen werden, die schwer angeschlagenen Demokraten, einer Vendetta und Hexenjagd zu bezichtigen.

Die zweite Frage ist, ob diese nie dagewesenen extrem schweren Beschuldigungen gegen Trump, einen Einfluss auf republikanischen Wähler haben. Nach wie vor ist Trump der uneingeschränkte Herrscher der GOP, bis auf zwei einsame Abgeordnete, wagt niemand, ihm zu widersprechen. Alle plappern auch noch die hanebüchensten Lügen nach. Die sogenannten Ultra-MAGAs oder dark MAGAs, werden schon deshalb nicht ihre Bewunderung für Trump überdenken, weil sie von den Kongress-Anhörungen gegen Trump gar nichts erfahren.

[….] Die alternativen Fakten des Ex-Präsidenten waren eine Stunde lang zu sehen - auf Fox News. Tucker Carlson, Sympathisant von Donald Trump und das bekannteste Fernsehgesicht dessen Parteiflügels, redete sich eine Stunde lang ohne Werbeunterbrechung in Rage. Er werde die Wahrheit über den 6. Januar 2021 enthüllen, behauptete er, darüber, was "kein Aufstand war". Die Beteiligten des Kapitolsturms hätten "nicht erwähnenswert wenig" Gewalt angewendet. Vandalismus sei das gewesen, nichts weiter.  Tatsache ist: Mehrere Menschen waren an diesem chaotischen Tag in Washington D.C. gestorben. Hunderte Teilnehmer des Kapitolsturms sind bereits angeklagt und zum Teil schon verurteilt worden. "Ich rutschte im Blut der Menschen", berichtete eine Polizistin dem Untersuchungsausschuss für die Vorkommnisse. Das Gremium im US-Kongress und die Justiz sehen es komplett anders als Fox News und sind damit auch entscheidend näher an dem, was bereits bekannt ist. [….]

(ntv, 12.06.2022)

Gerade im heutigen, zweiten Hearing verstanden es die Ausschuss-Mitglieder allerdings sehr geschickt, sich a priori ausschließlich auf Quellen zu stützen, die beim besten Willen nicht als „liberals“ oder „socailists“ abgestempelt werden können.

Es wurden lauter Zeugen aus dem innersten Trump-Kreis, von ihm selbst handverlesene Mitarbeiter, Anwälte, Analysten, Staatsanwälte und Minister zitiert, die Trump treu ergeben waren, in keinerlei Hinsicht verdächtig sind, Sympathien für Biden zu empfinden und die ihm dennoch alle dasselbe sagten: Du, Trump, hast die Wahl klar verloren. Alle Anschuldigungen des Wahlbetruges haben wir akribisch untersucht, da ist nichts dran.

[….] It’s simply amazing how many people around Trump, including Barr, other Cabinet Secretaries, and Senior White House staff, knew Trump was completely off-his rocker, paranoid, delusional and making insane claims, putting the country in danger AND they didn’t invoke 25th Amendment. [….]

(Ana Navarro-Cárdenas, 13.06.2022)

Da Trump nicht gerade die hellste Kerze auf dem Kuchen ist, verwendeten seine engsten Vertrauten deutliche Worte, um ihm zu erklären, was an seinen Wahlfälschungs-Vorwürfen dran ist:

"completely bogus" “completely nuts" “definitely intoxicated Rudy Giuliani”  "idiotic," "rubbish," "nonsense," "crazy," "stupid," "silly" "annoying" "Out of the box on election night, Trump claimed there was fraud and this happened before there was any potential evidence,” Barr testified on camera, adding later that he “told the president it was bullshit."

(NBC, 13.06.2022)

Es ist juristisch bedeutend, ob Trump begriff, daß er verloren hatte und dennoch bewußt die Lügen verbreitete, die zum Sturm auf das Kapitol mit mehreren Toten führte. Dann hätte er vorsätzlich gehandelt und ein schweres Verbrechen begangen.

[….] Bereits in seiner ersten öffentlichen Sitzung in der vergangenen Woche hatte das Gremium Videomitschnitte einer Befragung Barrs gezeigt, in denen dieser Trump belastete. Nun folgten weitere kraftvolle Aussagen des Ex-Ministers. »Ich hatte das Gefühl, dass es vor der Wahl möglich war, mit dem Präsidenten vernünftig zu reden«, sagte Barr etwa. Nach der Wahl habe Trump aber nicht mehr zugehört. »Ich war etwas demoralisiert, weil ich dachte: Junge, wenn er wirklich an dieses Zeug glaubt, hat er den Kontakt zur Realität verloren«, sagte Barr über Trumps Wahlbetrugsbehauptungen.  Barr bezeichnete diese als »kompletten Schwachsinn« und »dumm«. Er betonte: »Ich habe ihm gesagt, dass das Zeug, das seine Leute der Öffentlichkeit auftischen, Schwachsinn (Original: »Bullshit«) ist.« Auch der frühere amtierende Vize-Justizminister Richard Donoghue sagte, er habe dem Präsidenten mehrfach gesagt, dass an den Wahlbetrugsvorwürfen nichts dran sei. [….] Auch Trumps damaliger Wahlkampfberater Jason Miller sagte, er habe dem Präsidenten dazu geraten, keinen Sieg zu erklären, bis es eine bessere Übersicht über die Zahlen gebe. Miller berichtete von verschiedenen Szenen in der Wahlnacht im Weißen Haus. Als der Sender Fox News einen kritischen Sieg für Biden im Bundesstaat Arizona verkündete, habe sich Wut und Enttäuschung breit gemacht und die Sorge, »dass unsere Zahlen vielleicht nicht korrekt waren«. [….]

(SPON, 13.06.2022)

Trump selbst bekräftigt seine Lügen, zieht über alle Zeugen her und bekräftigt seine Aussagen „by a lot“ gewonnen zu haben. Wenn er selbst den Unsinn geglaubt hat, dürfte es für ihn juristisch etwas rosiger aussehen.

Aber andererseits hieße das, Trump wäre komplett der Realität entkoppelt, ignoriere alle Fakten und höre auf keinen seiner eigenen Mitarbeiter, wäre komplett in eine Wahnwelt abgedriftet. Es wäre der Beweis für etwas, daß alle Nicht-QtrumpliKKKans schon lange vermuten; Trump ist nicht zurechnungsfähig, ein gefährlicher Irrer.

Ob das so viel besser ist, als einer bewußten Lüge überführt zu werden?

Es ist die klassische NoWin-Situation.

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