Als ich vor rund 40 Jahren in der Schule im Pubertätsalter war und es sich herausstellte, daß der ein oder andere Mitschüler schwul war, begann es gerade, daß sie sich outen konnten, ohne daß sie drastische Konsequenzen spürten. Ich kann nicht ganz genau sagen, welche Hänseleien sie ertragen mussten, aber als jemand aus der Clique, der mit den „Schulschwulen“ befreundet war, habe ich immerhin das Getuschel miterlebt und mehrfach zu hören bekommen, ich müsse offensichtlich ebenfalls schwul sein – sonst würde ich ja wohl kaum so viel mit denen zusammen sein.
Generell
war es aber in der Großstadt möglich „offen schwul“ zu sein, ohne daß Lehrer
deswegen schlechtere Noten gaben oder verprügelt zu werden.
Es waren aber zumindest noch Rudimente des hanebüchenen Unsinns übrig, man
könne sich gewissermaßen selbst entscheiden schwul oder hetero zu sein, man
könne dahingehend beeinflusst werden und es könnte dementsprechend abfärben.
Nein, man wünschte dem schwulen Sohn des Nachbarn nicht schlechtes, der sollte auch in Ruhe leben können. Aber es wäre schon angenehmer, wenn der eigene Sohn sich nicht mit ihm abgäbe. Die Leute könnten sonst auf komische Gedanken kommen und wer weiß, ob die Leibesfrucht nicht doch verführt werden könnte. Vielleicht nicht aus böser Absicht, aber die Hormone in der Pubertät spielen ja verrückt, der Charakter ist noch nicht so gefestigt, da ging man lieber auf Nummer sicher und war froh, wenn das eigene Kind mit heterosexuellen Freunden zusammen spielte.
Als mittealter Mann beobachte ich mit einer gewissen Genugtuung das Verschwinden dieser grotesken Ängste bei der heutigen Jugend in Deutschland.
Natürlich gibt es immer noch homophobe Kreise unter Konservativen, Religiösen und Ungebildeten. Aber wenn ich durch die Brille meines Teenager-Ichs heutige Teenager in den sozialen Medien beobachte, scheinen Heteros keine Berührungsängste mehr mit Homos zu haben. Man umarmt sich, ist offen mit einander befreundet.
Der schlimmste Alptraum der ersten Elterngeneration, die queere Kinder nicht mehr kriminalisierte, nämlich daß ihr 13- oder 15-Jähriger Sohn vielleicht doch mal aus Neugier mit einem anderen Jungen „rummacht“, hat seinen Schrecken verloren. Tatsächlich kommt das vor, aber wie sich herausstellte, werden die Hetero-Jungs davon nicht schlagartig schwul, sondern lediglich um eine Erfahrung reicher, für die sie sich nicht schämen müssen.
Wer immer noch befürchtet, das offene Zeigen von queeren Verhaltensweisen oder Symbolen, könnte „indifferente Jugendliche“ auf den falschen Pfad bringen, gehört entweder zu einer Hategroup, einem autokratischen Regime, oder ist schwer religiotisch.
Deswegen werden in Polen, Ungarn und Russland LGBTIQ-Menschen verfolgt und diskriminiert. Deswegen macht sich das wahabitische Saudi-Regime so lächerlich.
[…] In Saudi-Arabien herrschen strenge Regeln im öffentlichen Leben, viele Gesellschaftsbereiche sind überwacht. Das gesellschaftliche Leben ist aufgrund der strikten Religionsvorschriften stark eingeschränkt – selbst Bekleidung für Kinder kann ins Visier der staatlichen Aufseher geraten. Nun haben Kontrolleure der Regierung im Land Kinderkleidung und Spielzeug in Regenbogenfarben beschlagnahmt – unter dem Vorwurf, diese könnten Homosexualität »fördern« und die »guten Sitten« gefährden. […] Als problematisch eingestuft wurden dabei etwa bunte Regenbogen-Haarspangen und Rucksäcke für Kinder, aber auch ein Hut mit Regenbogen-Banderole oder ein T-Shirt mit buntem Regenbogen-Motiv. Die Farben könnten Homosexualität bei jungen Menschen »fördern« und würden deshalb gegen islamische Werte und die öffentliche Moral verstoßen, sagte ein Aufseher. […]
Es wirkt verstörend, wenn ein hiesiger Spitzenpolitiker immer noch seine schwer homophoben hanebüchenen Vorurteile durchblitzen lässt, so wie Dampfplauderer Friedrich Merz, der Jahrzehntelang die Homoehe bekämpfte und 2020 erneut zu dem Thema befragt, aus Angst vor den Wählern plötzlich gar nichts mehr gegen Schwule hatte, aber seinen toleranten Sinneswandel in derselben Sekunde als Lüge enttarnte, indem er doch sofort assoziierte, das müsse von Kindern ferngehalten werden.
(……) Selbstverständlich gehört auch Multifunktionär Friedrich Merz, der selbst mit multiplen Shitstorms kämpft zur Ludwig-Erhard-Stiftung.
Es wäre eine Gelegenheit von seinen eigenen schwulenfeindlichen Sprüchen abzulenken. Aber der Mann ist nicht lernfähig. Einer der Merzschen Helden, Donald Rumsfeld, dem damals die CDU-Größen Merkel, Schäuble, Merz und Pflüger begeistert in den Irak-Krieg folgen wollten, sagte im Jahr 2002 an die Adresse der Kriegsgegner „Wenn du in einem Loch sitzt, solltest du aufhören zu graben“. Friedrich Merz nimmt sich den Ratschlag allerdings nicht zu Herzen und gräbt sich nach seiner schwulenfeindlichen Attacke tiefer in sein Loch der Uneinsichtigkeit.
Obwohl man ihm bundesweit erklärte, wie diskriminierend, missachtend, falsch und ungehörig seine gedankliche Verknüpfung von Homosexualität und Pädophilie ist, gibt sich der renitente Multimillionär absolut beratungsresistent und unterstreicht tags darauf noch einmal explizit diesen angeblichen Zusammenhang.
[…..] Merz sagte der “Welt” weiter: “Die Toleranzgrenze ist immer überschritten, wenn Kinder betroffen sind, und da haben wir nun genug abscheuliche Dinge gesehen in letzter Zeit.” Das werde er auch in Zukunft so sagen, “selbst wenn es offenbar dem einen oder anderen nicht gefällt”. [….]
Das ist schon interessant; der Mann, der so gern Kanzler werden will ist nicht nur ganz offensichtlich intellektuell nicht in der Lage seinen Irrtum zu bemerken, sondern ihn verlassen auch alle politischen Instinkte. Selbst wenn er anderer Meinung ist, sollte er doch erkennen sich total verrannt zu haben, weil ihm niemand, auch nicht aus seinem engsten Umkreis beispringt. Kein CDUler will ihn noch verteidigen.
[…..] Friedrich Merz hat sich „verplappert“. Okay, das kann passieren. Zumal, wenn man zu verbaler Inkontinenz neigt, die Worte einem mitunter unkontrolliert entgleiten. Doch statt sich zu entschuldigen, behauptet er jetzt in der „Welt“, da sei etwas „bösartig konstruiert“ . Um dann nochmals sein eigentliches Motiv zu unterstreichen: „Die Toleranzgrenze ist immer überschritten, wenn Kinder betroffen sind, und da haben wir nun genug abscheuliche Dinge gesehen in letzter Zeit.“ Was es fast noch schlimmer macht. Denn wieder konstruiert er diese merkwürdige Assoziation zwischen Homosexualität und Pädophilie. Und profiliert sich darüber hinaus als selbstloser Tugendwächter, dem es doch nur um das Wohl der Kinder geht. Damit begibt sich Merz in schlechteste Gesellschaft: Donald Trump hatte Hillary Clinton unterstellt, als Mitglied einer „Pizza-Connection“einem Pädophilenring anzugehören. […..][…..]
(H. Stutte, Mopo.de, 23.09.2020) (…..)
(Und noch einmal CDU-Sexismus in Reinkultur, 23.09.2020)
Friedrich Merz ist lebenslang für seine perfide homophobe Einstellung bekannt und offenbar hat er nie dazu gelernt. Eine erschreckende Tatsache, daß so einer zum Bundesvorsitzenden einer demokratischen Partei gewählt werden konnte und diese Partei auch noch in der Wählergunst vorn liegt.
Noch erschreckender ist freilich, was sich in den USA abspielt. Jener Nation, die schon 2015, also zwei Jahre vor Deutschland, die Ehe für alle einführte und auch ein viel liberaleres Fortpflanzungsrecht als Deutschland praktiziert (Abtreibung, Leihmutterschaft). Mit Trump, seiner Ernennung hunderter erzkonservativer Bundesrichter, sowie der Verschiebung der sehr konservativen republikanischen Partei weit über den rechten Rand der Verfassung hinaus, werden Frauenrechte abgeschafft, Schwangere diskriminiert und LGBTIQ zunehmend entrechtet.
Trumps Lieblings-Gouverneur Ron Desantis führte ein ganz auf der ungarisch-saudischen Linie liegendes DON’T SAY GAY-Gesetz ein.
Floridas Regierungschef ist seine eigene Hategroup und macht seinen Bürgern weiß, schon die laute Aussprache des Wortes „gay“ können die armen labilen Schulkinder in Amerikas Südosten massenhaft verschwulen.
Im Gegensatz zu automatischen Massenvernichtungswaffen und Schulmassakern, ist die „schwule Gefahr“ ein Grund zu handeln für Trumps GOPer.
Andere republikanische Politiker finden auch das noch viel zu lasch und fordern gleich die Todesstrafe für Schwule.
Mark Burns, Pastor aus North Carolina, einer der treuesten Trump-Prediger, will nun mit seiner Agenda in den Kongress einziehen:
[….] I BELIEVE: [….] If we don't fix these elections NOW, America will be lost [….]
Life begins at conception.
Marriage is defined as between one man and one woman.
Our right to bear arms is INHERENT, given to us by God almighty -- NOT by any man. [….].
Vaccine and mask mandates are medical tyranny, and have no place in America.
The Pelosi budget opens the door wide open to full-blown communism. [….]
Der Mann ist kein irrer Außenseiter mehr in den USA, sondern diese Typen sind Stars der Partei.
[….] Der 42-jährige Republikaner Mark Burns, ein Kandidat für den US- Kongress aus South Carolina, hat vergangene Woche mit einer martialischen Forderung in der Online-Sendung "The Stew Peters Show" für Entsetzen gesorgt: Der evangelikale Pfarrer sprach sich gegen die Akzeptanz von trans Menschen aus und erklärte, dass Eltern, die ihre trans Kinder in ihrer Geschlechtsidentität bestärkten, exekutiert werden sollten.
"Ich werde nicht nur dafür stimmen, dass sich diese Eltern wegen Kindesmissbrauchs verantworten müssen", so Burns. "Es gibt keine trans Kinder. Das sind Missbrauchseltern! Punkt." LGBT würden Kinder "groomen", so wie einst der deutsche Diktator Adolf Hitler die Jugend indoktriniert habe: "Das ist eine Wiederholung von Nazi-Deutschland 1922, als die Kinder indoktriniert wurden, bevor Hitler 1933 die Macht übernahm", behauptete der Politiker. "Das selbe geschieht jetzt in Amerika." [….] Eltern wie auch schulische Lehrkräfte, die mit Kindern über LGBT-Themen redeten, seien eine "Bedrohung der nationalen Sicherheit" und wollten das Land "destabilisieren". Wenn er gewählt werde, werde er daher "Leute für Verrat an der amerikanischen Verfassung zur Rechenschaft ziehen". [….] Burns weiter: "Wir müssen öffentliche Anhörungen durchführen und beginnen, Leute zu exekutieren, die schuldig befunden worden sind für verräterische Aktivitäten gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika[….]
Mark Burns ist der Mitbegründer des christlichen Fernsehsenders NOW Television Network und machte sich vor allem als Fernsehprediger einen Namen. Das Nachrichtenmagazin "Time" beschrieb in als "Trumps Lieblingspastor". 2016 sprach er das offizielle Gebet während des Bundesparteitages der Republikaner. Dabei beschrieb er den damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump als "Mann Gottes" und Gegenkandidatin Hillary Clinton als "Feindin".[….]
In welchem Jahrhundert leben wir? Ich dachte vor 40 Jahren, wir wären weiter.
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