Nicht
daß ich als besonderer Fan der Intelligenz des Urnenpöbels bekannt bin, aber es
gibt durchaus in einigen Bundesländern gelegentlich große Verschiebungen, wenn
eine regierende Partei einen richtig heftigen Skandal verursacht oder generell
beim Regieren versagt.
1987
wurde auf diese Weise die 40 Jahre regierende CDU Uwe Barschels erdrutschartig
aus der Kieler Regierung vertrieben. 2011 verlor die taumelnde CDU, die zehn
Jahre in Hamburg regiert hatte 22 Prozentpunkte bei der Bürgerschaftswahl und
die SPD zog mit absoluter Mehrheit direkt aus der Opposition in die
Alleinregierung.
Im
selben Jahr passierte das Ungeheuerliche in Stuttgart, als der Grüne Winfried
Kretschmann die seit Adam und Eva regierende Schwaben-CDU in die Opposition schickte.
Barschel,
Ahlhaus und Mappus zusammen haben es aber nicht auf eine Skandaldichte wie die
CSU in Bayern gebracht: Persönliche Bereicherung, Korruption, Verzocken von
hunderten Millionen Steuergeldes, peinliche Ausfälle auf bundesdeutscher und
europäischer Ebene, gagaeske tägliche politische Richtungswechsel,
kontinuierliche Lügen, sowie derbe rechtsradikale Sprüche sind das tägliche
Brot des psychotischen Ministerpräsidenten in München.
Wären
die Bayern normale Menschen und keine Bayern, wäre die CSU längst in der
Opposition marginalisiert.
Stattdessen
regiert Crazy Horst mit absoluter Mehrheit und ist weit überproportional der
Bedeutung Bayerns als eins von 16 Bundesländern mit 3 von 15 Bundesministern
vertreten.
Gegenwärtig
ist die Performance der Bayern in Berlin allerdings derartig miserabel, daß
bundesweit Journalisten aus ihrer stoischen Hinnahme der Bayernmacht
aufwachen und öffentlich kundtun, welch ein Ärgernis diese Partei darstellt.
Man kann dazu beinahe beliebig Zeitungen aufschlagen; es hageln einem die
Stichworte „Herdprämie“, „Ausländermaut“, „Haderthauer“, „Gauweiler“ und „Schmidt“ entgegen.
Manchmal
stelle ich mir vor, ich wäre uralt geworden und würde für eine
Guido-Knopp-artige Dokumentation über das Deutschland der Jahrtausendwende als
einer der letzten lebenden Zeitzeugen interviewt.
Es säßen
einige aufgeweckte Geschichtsstudenten vor mir, die sich intensiv mit dem
Filmmaterial aus der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts befasst hätten. Und
dann gingen die peinlichen Fragen los:
„Wie konnte es denn dazu kommen, daß Deutschland damals seine Zukunft verspielte, indem es trotz der damaligen Informationsmöglichkeiten 30 Jahre Merkel zur Kanzlerin wählte?
„Wie konnte es denn dazu kommen, daß Deutschland damals seine Zukunft verspielte, indem es trotz der damaligen Informationsmöglichkeiten 30 Jahre Merkel zur Kanzlerin wählte?
Und
diese CSU! Was ging damals im deutschen Volk vor, daß es trotz der auch in
Bayern geltenden formalen Demokratie noch bis ins frühe 21. Jahrhundert den
korrupten Ausländerfeinden der CSU absolute Mehrheiten verschaffte?“
Das
wären dann richtig schwere Fragen und ich würde voller Verständnis antworten,
daß das natürlich heute überhaupt nicht mehr zu verstehen wäre, aber damals
wäre es eben eine völlig andere Zeit gewesen. Die Idee, daß die eigene
Wahlentscheidung Konsequenzen hat, daß man nicht nur nach Gewohnheit und ohne
nachzudenken irgendwas ankreuzt, war noch nicht geboren.
Die
Studenten von 2050 würden mich fragend ansehen und irgendein Nerd mit dem
neuesten Google-Implantat würde mir triumphierend historische Zeitungsartikel auf
die Retina projizieren: „Sagen Sie nicht, man hätte das damals nicht wissen können!
Die Informationen waren trotz der damaligen primitiven Vorform der Globalhirnvernetzung
schon für jeden zugänglich.
CSU
versinkt in Affären
Drei Stunden
Krisensitzung hat es diese Woche wegen Christine Haderthauer in der
Staatskanzlei gegeben. Gegen die 51-Jährige, die Seehofers Regierungssitz
managt, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Betrug und
Steuerhinterziehung.
[….]
Aber da ist ja auch
noch ein anderes Problem. Der stellvertretende CSU-Chef Peter Gauweiler macht
nicht nur bester Nebenverdienstler des Bundestags von sich reden – und als der
größten Abstimmungs-Schwänzer des Parlaments. Er ist auch Figur in einem dubiosen
Ärzte-Abrechnungsskandal: Gauweiler vertritt als Rechtsanwalt den
Laborunternehmer Bernd Schottdorf, gegen den immer mal wieder wegen Betrugs-
und Bestechungsvorwürfen ermittelt wurde, etwa wegen Rabattsystemen für Ärzte.
Einen Untersuchungsausschuss des Landtags versucht Schottdorf mit einer
Verfassungsbeschwerde zu verhindern. Für ihn klagt der Parlamentarier
Gauweiler. [….] 325.000
Euro Sozialversicherungsbeiträge soll sich der ehemalige
CSU-Landtagsfraktionschef Georg Schmid gespart haben, als er seine Ehefrau als
Sekretärin beschäftigte. Die Staatsanwaltschaft hat deswegen nun Anklage gegen
den früheren CSU-Landtagsfraktionschef Georg Schmid erhoben – eine Folge der
Verwandtenaffäre vom Sommer 2013. [….] Dobrindt
ist [….] so etwas wie der Problembär des Kabinetts.
[….]
Nein,
ich werde mich nicht damit rausreden können von allem nichts gewußt zu haben.
Denn schon wird der nächste Schlaumeier, der sich im Nebenfach auf
zeitgeschichtliche Comedy spezialisiert hat, mir die treffenden CSU-Satiren des
Jahres 2014 in den Kopf schießen.
Ralf
Husmann schreibt als Alexander Dobrindt einen Brief an Seehofer:
Lieber Horst,
die Kollegen im
Ministerium haben in den Zuschriften zu unserer Maut sehr oft die Begriffe
"Doofbrindt", "Straßendieb", "Arschloch" und
"Politiker" gefunden, was mich zur Annahme bringt, dass die
Vorschläge eher verhalten aufgenommen wurden. Ich würde deswegen gern folgende
Optionen prüfen lassen:
Wenn ich dich damals
richtig verstanden habe, ging es dir darum, in Ermangelung richtiger Themen,
unseren Leuten in Bayern wenigstens das Gefühl zu geben, dass die Österreicher
es nicht besser haben dürfen als wir. Nachdem die EU-Deppen das als Argument
nicht anerkennen, könnten wir die Maut auch abblasen und stattdessen Bier und
Brezen für Ausländer teurer machen oder die Eintrittspreise für Schloss
Neuschwanstein.
Sollte es womöglich
aber so sein, dass in Europa Diskriminierung von Ausländern nicht nur auf
Straßen, sondern generell nicht gern gesehen ist, könnten wir das ohne Probleme
Brüssel in die Schuhe schieben und dafür eine Art EU-Soli einführen, was nicht
nur Geld bringt, sondern bei der nächsten Wahl auch Argumente gegen die EU,
also Stimmen für uns.
Wir können auch
einfach die Maut durchziehen wie geplant und darauf bauen, dass die Ösis eh
keine Lobby in Brüssel haben. Der Nachteil ist, dass jetzt auch schon die
Holländer eine Maut wollen, und so was wird schnell ein Fass ohne Boden.
Andererseits trifft eine holländische Maut hauptsächlich NRW und damit die
Sozen, insofern: drauf geschissen.
Alternativ wäre zu
überlegen, ob man in jeder deutschen Gemeinde eine Sackgasse nach dir benennt,
für die jährlich eine saftige Abgabe fällig wird. Das klingt erst mal
hanebüchen, aber denk an die Hotelier-Steuer der FDP. [….]
Etwas
mehr Ernst; würde an dieser Stelle der deutlich nach 2014 geborene Geschichtsprofessor
anmahnen.
Denn
abgesehen von der Anfang des Jahrhunderts einsetzenden deutschlandweiten
Volksverdummung, ginge es schließlich um die schwerste deutsche Schuld, nämlich
die technische Ermöglichung des dritten Weltkriegs von 2016-2036, bei dem
zwischen Afghanistan und Marokko immerhin 100 Millionen Menschen durch konventionelle
Waffen getötet wurden.
Bevor
der letzte Zeitzeuge wegsterbe, müsste ich unbedingt gefragt werden, wie es
möglich war, daß sich Deutschland zum ganz großen Weltwaffenexporteur
aufschwang. Wieso wählte man damals Politiker, die dieses zutiefst amoralische Handeln offensiv forcierten?
Und
wieder säße ich in der Klemme und wüßte keine einfache Antwort. Es war eben
immer dieser Merkel/Bayern-Wahn gewesen, also offensichtlich eine kollektive
Inselverdummung.
Der Wohlstand
Deutschlands hängt nicht von der Rüstungsindustrie ab. Wieso also nationalen
Herstellern helfen, die nur durch den Export in Krisengebiete überleben? [….] Der bayerische Ministerpräsident
hat mal wieder in bester Tradition von CSU-Chefs einen Grundsatzstreit vom Zaun
gebrochen. Der Landeschef stört sich daran, dass die Bundesregierung -
namentlich SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel - zu zögerlich sei bei der
Genehmigung von Waffenexporten. Für den Herbst hat Seehofer gleich mal eine
große Debatte über die Branche angekündigt, die in Bayern besonders stark
vertreten ist. [….]
Eine Bundesrepublik,
die zu den drei führenden Waffenexporteuren der Welt gehört, schadet ihrem
Ansehen in der Welt. Das Aufsehen, das die Branche regelmäßig erzeugt, steht in
keinem Verhältnis zu ihrer Größe. In Deutschland arbeiten rund 200 000 Menschen
in der Waffenindustrie - nicht viel im Vergleich zu rund zwölf Millionen
Arbeitsplätzen in der Industrie insgesamt. [….] Noch immer tun viele Politiker so, als hinge
von dieser Branche das Heil der Republik ab. Das stimmt aber nicht. Zum
Wohlstand tragen Maschinenbauer, Chemie- und Autoindustrie viel mehr bei als
die Waffenschmieden. Auch für die Förderung neuer Technologien taugt die
Waffenbranche nicht. Das können andere Branchen besser. [….]
Während
in Gaza, Libyen, der Ostukraine, Syrien und dem Irak die heißen Kriege
hochkochen, war es einmal mehr Horst Seehofer, der sich für die perverseste Option
stark machte: Mehr deutsche Waffen in die Krisengebiete!
Wie
hätten wir erwachsenen Menschen von 2014 das denn nicht zur Kenntnis nehmen
können??
Die Sorge um Arbeitsplätze rechtfertigt für Horst Seehofer tödliche Exporte: So unverfroren wie der bayerische Ministerpräsident hat schon lang niemand mehr moralische Bedenken beiseitegeschoben.
[…]
Er will, dass Deutschland seinen
Spitzenplatz bei den Waffenlieferanten der Welt behält; es stört ihn nicht,
dass ein großer Teil der Waffenexporte an zwielichtige Regimes geht. Es stört
ihn deshalb nicht, weil an diesen Exporten einige Zigtausend bayerische
Arbeitsplätze hängen. Das rechtfertigt, angeblich, die tödlichen Exporte.
[…]
Alles soll so bleiben, wie es sich unter
maßgeblicher Beteiligung der CSU entwickelt hat. Vor zwanzig Jahren hatte sie im Bundestag
gefordert, "die vielfältigen Bremsen" beim Rüstungsexport zu lockern
- mit Erfolg. Die Folgen tragen nicht Seehofer und die CSU, sondern die
Menschen, die dann (wenn sie Glück haben), vom Roten Kreuz und ihren Schwesterorganisationen
verarztet werden. […]
Dabei
war die deutsche Geldgier auf dem Rücken von Millionen Erschossenen und
Verletzten doch sogar schon 2014 auch in den BAYERISCHEN Zeitungen verurteilt
worden.
Nein,
ich werde es vermutlich nicht erklären können, was damals los war.
Seehofer
tat was er wollte und der Urnenpöbel nickte es ab.
Ob es
nun perfide Persönlichkeiten waren…..
Soll nun das die alte
Herrlichkeit sein, zu der Horst Seehofer seine CSU zurückgeführt hat? Nicht
einmal ein Jahr regiert die Partei Bayern wieder alleine, da sieht sie sich
wohl schon mit zwei Untersuchungsausschüssen und einem Ermittlungsverfahren
gegen Staatskanzleichefin Christine Haderthauer konfrontiert. Von den
U-Ausschüssen wird der eine durch CSU-Vize Peter Gauweiler in der Arbeit
blockiert. Der zweite erscheint unausweichlich, nachdem Haderthauer in
fragwürdige Geschäfte ihres Mannes mit Modellautos verwickelt ist. Diese haben
psychisch kranke Straftäter gefertigt.
Der Vorgang ist nicht
nur erstaunlich, weil Haderthauer das ernsthaft für das Normalste der Welt
hält, wenn von Straftätern gefertigte Produkte die Haushaltskasse aufbessern.
Er ist existenzbedrohend für die Politikerin aus Ingolstadt, seitdem der
Vorwurf im Raum steht, sie und ihr Mann könnten einen früheren Geschäftspartner
dabei übers Ohr gehauen haben. Viel zur Aufklärung hat Haderthauer bisher nicht
beigetragen. […]
Oder abartige
Moral:
Die CSU hat eine neue
Front in der großen Koalition aufgemacht, dieses Mal auf dem Gebiet der
Wirtschaftspolitik. Nach seinen umstrittenen Plänen für eine Pkw-Maut, sorgt
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer jetzt mit einer Attacke gegen die von
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) verantwortete Politik für
Rüstungsexporte für Streit in Berlin.
[….] Das klingt, als sei in der Waffenbranche, die
1990 noch rund 400000 Menschen beschäftigte und heute nur noch die Hälfte
davon, eine akute Krise ausgebrochen, weil der Berliner Wirtschaftsminister
sich in den Kopf gesetzt hat, die Exporte von Kriegswaffen schärfer zu
kontrollieren. [….] Merkwürdig ist nur,
dass die Waffenindustrie die Dinge gelassen sieht. „Seehofer braucht offenbar
eine Entlastungsdebatte, um von der Maut-Diskussion wegzukommen“, sagt ein
Vertreter der Waffenindustrie. Beim Airbus-Konzern, der zu den großen
Unternehmen in Bayern zählt, wo unter auch wesentlich Teile des Kampfflugzeuges
Eurofighter gebaut werden, herrscht ebenfalls völlige Ruhe. „Es ist nichts
passiert, was die Aufregung von Seehofer erklären könnte“, sagt ein
Airbus-Manager. Auch der Branchenverband BDSV gibt sich unaufgeregt. [….]
Seehofer will mit
seinen Attacken auf die Rüstungspolitik weitermachen. Für den Herbst plant er
„eine große Debatte“ über die Verantwortung von Deutschland in der Welt. „Wir
müssen auch unsere nationalen Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen im Auge
haben“, so der Ministerpräsident. Wer redet dann noch von der Maut.
Oder
Volksverdummung:
Am Freitag ist
Zahltag. Dann gibt es wieder Betreuungsgeld. Pünktlich zum Monatsanfang landen
bislang 100 Euro auf dem Konto von Eltern, die ihre Kleinkinder nicht zur
Krippe bringen und zu Hause hüten. Seit einem Jahr geht das so. Und anstatt mit
diesem Unsinn sofort aufzuhören, gibt es zum 1. August sogar noch 50 Euro
drauf. 150 Euro beträgt dann diese Familienleistung, die von Anfang an ein
Missgebilde war. Das Betreuungsgeld ist ein Beispiel dafür, wie politischer
Stursinn Familien verstören kann, die Gesellschaft spaltet und Menschen
aufeinander herabschauen lässt. Die jüngsten Opfer – das muss man nach einem
Jahr Betreuungsgeld bitter resümieren – sind Menschen ohne Abitur und manche
Familie mit ausländischen Wurzeln. Sie werden willentlich in mitunter
schwieriger sozialer Situation gehalten.
(Ulrike
Heidenreich, SZ, 29.07.14)
Alles
was die CSU anfasst ist schlecht.
Aber dem
Wähler gefällt es offensichtlich.
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