Die
erste Stunde unseres Lebens ist auch die erste Stunde unseres Sterbens
(Seneca 4 v. Chr. – 65 n. Chr.)
Heute
habe ich endlich mal die beiden letzten DGHS-Hefte
durchgelesen und wundere mich mal wieder wie außerordentlich vorsichtig da
formuliert wird.
Der
Bundesgesundheitsminister will ja offensichtlich alles verbieten lassen, das
irgendwie mit Sterben zu tun hat. Passive, indirekte, aktive Sternehilfe,
Beilhilfe zum Suizid und palliative Sedierung.
Da ich
meine Meinung zum Thema, die diametral in jeder Hinsicht der CDU widerspricht,
schon oft klar gesagt habe, will ich an dieser Stelle nur auf die grandiose Ingrid Matthäus-Maier verweisen,
die nicht nur zum Kirchenarbeitsrecht, sondern auch zum Thema Sterbehilfe
vorbildlich engagiert ist.
Wichtig
erscheint mir aber, die Begriffe einmal genau zu klären.
Sterbebegleitung
Psychische,
soziale und medizinische Zuwendung. Letztere besteht zunächst in der
Grundpflege des Schwerstkranken und Sterbenden und greift nicht in den
Sterbeprozess ein. Gegebenenfalls palliativmedizinische Maßnahmen, die der
indirekten Sterbehilfe zugeordnet werden: Schmerztherapie und terminale
Sedierung (Dämpfung von Funktionen des zentralen Nervensystems, künstliches
Koma) (erlaubt).
Sterbehilfe
Eingreifen
in den Sterbeprozess, in der Weise, dass der Tod eines Menschen herbeigeführt
oder nicht hinausgezögert wird, in der Regel mit dem Einverständnis
beziehungsweise gemäß dem Wunsch der betroffenen Person.
Passive Sterbehilfe
Bei
Menschen, die bereits im Sterben liegen, werden lebenserhaltende oder lebensverlängernde
Maßnahmen eingestellt oder unterlassen, unter Beibehaltung von Grundpflege und
schmerzlindernder Behandlung. Bei Menschen, die nicht im Sterben liegen, kann
das Überleben von bestimmten Medikamenten oder Behandlungen (z. B. der Dialyse)
abhängig sein, die eingestellt werden. Seit dem Urteil des 3. Strafsenates des Bundesgerichtshofes
vom Mai 1991 zulässig. Therapieabbruch, Abschalten von Geräten oder Unterlassen
einer Therapie (erlaubt).
Indirekte Sterbehilfe
Bei
Menschen, die bereits im Sterbenliegen, ist die Gabe von Schmerzmitteln erlaubt,
die starke Schmerzen lindern und dadurch die momentane Lage des Patienten
verbessern, aber insgesamt lebensverkürzend wirken können. Voraussetzung ist,
dass der frühere Todeseintritt nicht das Ziel, sondern eine nicht vermeidbare
Nebenwirkung ist (erlaubt).
Palliative Sedierung
Herstellung
eines komatösen Zustandes bei schwer belastenden Symptomen wie Atemnot oder
Übelkeit. Die palliative Sedierung führt nicht von sich aus zum Tod und kann
auf Wunsch des Patienten unterbrochen werden. Wird sie bis zum Todeseintritt
aufrechterhalten, spricht man von terminaler Sedierung. Bei dieser wird in der
Regel auch auf künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr verzichtet (erlaubt).
Beihilfe zum
Suizid/ärztlich assistierter Suizid
Beihilfe
zum Suizid stellt nach dem Strafgesetzbuch keinen Straftatbestand dar, sofern
die Tatherrschaft beim erwachsenen, entscheidungsfähigen Sterbewilligen liegt.
Beim ärztlich assistierten Suizid verschreibt der Arzt das todbringende
Medikament (erlaubt, aber: Garantenpflicht, Betäubungsmittelgesetz und
Standesrecht als Hindernisse).
Aktive direkte
Sterbehilfe
Der
Tod wird beabsichtigt, um ein Leiden zu beenden, und durch ein Handeln herbeigeführt,
das weder eine Therapie darstellt (wie bei der indirekten Sterbehilfe) noch den
Abbruch einer Behandlung (wie bei der passiven Sterbehilfe). Im Gegensatz zum
(ärztlich assistierten) Suizid, also der Selbsttötung und der Beihilfe dazu, führt
hier nicht der Betroffene selbst, sondern ein anderer die tödliche Handlung aus
(strafbar gemäß § 216 StGB.)
Der Nationale Ethikrat hat 2006 vorgeschlagen,
diese häufig verwendeten Begriffe (aktive, passive und indirekte Sterbehilfe)
aufzugeben und durch folgende zu ersetzen:
1.
Sterbebegleitung
2.
Therapie
am Lebensende
(indirekte
Sterbehilfe)
3.
Sterben
zulassen
(passive
Sterbehilfe)
4.
Beihilfe
zur Selbsttötung
5.
Tötung
auf Verlangen
[….]
Wer es
ganz genau wissen will, lese
hier nach.
In der
öffentlichen Diskussion suggerieren die fanatischen Christen nämlich ganz
gerne, daß nach DGHS-Vorstellungen die Krankenhäuser zukünftig von Ärzten
überflutet werden, die alle schon die Zyankalispritze aufgezogen haben und
alles totspritzen, das nicht bei drei auf dem Baum ist.
Dabei
ist die Gewissheit im Notfall legale Hilfe zu bekommen sogar suizidpräventiv.
Kriminalisierung ist genau wie bei Abtreibungsregeln der falsche Weg, wenn man
Abtreibungen verhindern will.
In
Panik, Not und Zeitdruck, auf der Suche nach einem Ausweg, führen einige eher
eine Schwangerschaftsunterbrechung durch, weil sie gar nicht die Muße haben
über die andere Option nachzudenken.
Genau
das wird auch bei Suizidabsichten beobachtet.
Die Befürworter einer
Kriminalisierung der Suizidhilfe argumentieren, es komme ohne neue Regelung zu
einem „Dammbruch“. Die begleiteten Suizide würden erheblich zunehmen, auch
wegen eines möglichen Drucks auf alte, hilfsbedürftige Menschen, ihr Leben zu
beenden.
Diese Befürchtung
findet allerdings in den Erfahrungen anderer Länder, die eine liberalere
Rechtslage haben, keine Grundlage. Diese zeigen im Gegenteil, dass die
Gewissheit, bis ans Ende des Lebens das Heft in der Hand zu behalten, beruhigt:
Ein Großteil der offiziell erlaubten Suizidhilfen wird überhaupt nicht
wahrgenommen, weil der Betreffende weiß, dass, wenn es ganz schlimm kommen
sollte, Hilfe da ist. Auch meine Gespräche mit dem einzigen Arzt, der sich zur
Sterbehilfe offiziell bekennt und der auch das genannte
Verwaltungsgerichtsurteil erfochten hat, bestätigt, dass immer wieder Menschen,
die seine Hilfe erbeten haben, nach langen Gesprächen den eigentlich geplanten
Freitod über Jahre verschoben oder ganz unterlassen haben.
In diesem Sinne hat
die Sicherheit „Wenn es ganz schlimm kommt, hilft mir jemand!“ sogar eine
suizidalpräventive Wirkung. Und deswegen wäre es auch falsch, die, wie es
manche wollen, „organisierte Sterbehilfe“ durch einen neuen
Strafrechtsparagraphen zu verbieten.
Gröhe
und seine christlichen Freunde sind also nicht nur überheblich und mitleidslos,
sondern auch noch dumm und desinformiert.
Sie
treiben Menschen nicht nur in Ängste und Verzweiflung, sondern würden mit ihrer angestrebten
Total-Kriminalisierung auch die Zahl der Suizide erhöhen.
Die
gemeinsam mit der DGHS formulierten Leitsätze der Initiative „Mein Ende gehört
mir“ (und nicht Frau Käßmann oder Herrn Gröhe) sind vorsichtig formuliert.
1. Die Beihilfe zur Selbsttötung
(Suizidbeihilfe) ist in Deutschland straffrei (oder »keine Straftat«), wenn der
Entschluss zur Selbsttötung
freiverantwortlich ist. Wer hingegen Suizidbeihilfe leistet, wenn der
Tatentschluss des Suizidenten aus einer krankhaften Störung entspringt, macht sich
nach geltendem Strafrecht wegen Tötung strafbar.
2. Es besteht keine Notwendigkeit, an dieser
geltenden Rechtslage etwas zu ändern.
3. Nicht urteilsfähige Suizidenten bedürfen
keiner Hilfe zur Selbsttötung, sondern fachärztlicher Behandlung.
Palliativmedizinische Fähigkeiten und hospizliche Betreuung müssen weiter
gelernt und ausgebaut werden, damit sie allen Patienten zur Verfügung stehen,
die diese benötigen.
4. Es gibt aber Patienten, für die palliative
Leistungen und hospizliche Betreuung keine Optionen sind, weil diese entweder
am Krankheitsverlauf und den damit
verbundenen Beeinträchtigungen nichts ändern können oder weil diese Angebote
von den Patienten abgelehnt werden.
5. Die Menschen müssen darauf vertrauen dürfen,
dass die legale passive und indirekte Sterbehilfe nach ihrem geäußerten oder
mutmaßlichen Willen oder nach ihrer Patientenverfügung überall praktiziert
wird. Es darf nicht sein, dass Menschen sich das Leben nehmen, weil sie heute
immer noch Angst haben müssen, dass am Lebensende gegen ihren Willen ein
Leidensweg künstlich verlängert wird.
6. Urteilsfähige Erwachsene sollten also in
Zukunft ausreichende Unterstützung bei einem selbstbestimmten Lebensende
erhalten. Voraussetzung muss immer sein, dass die Suizidenten selbst ihren
bevorstehenden letzten Lebensweg in Kenntnis der Angebote von palliativer oder
hospizlicher Versorgung als für sie unerträglich oder nicht lebenswert
einstufen.
7. Die Lebenswertbestimmung darf auch in
Zukunft niemandem außer den betroffenen Menschen selbst zustehen! Das gebieten
die Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes.
8. Es ist daher begrüßenswert, dass viele
Landesärztekammern den Vorschlag der Bundesärztekammer des strikten
standesrechtlichen Verbots der Suizidbeihilfe nicht übernommen haben.
9. Das Recht der Ärzte, nach eigenem Gewissen
und ihrem ärztlichen Ethos Suizidwilligen zu helfen, steht unter dem Schutz der
Verfassung und darf nicht eingeschränkt werden. Sie sind jedoch
selbstverständlich nicht verpflichtet, diese Hilfe zu leisten.
10. Die Achtung der Menschenwürde gebietet, dass
in den hier genannten Fällen eines freiverantwortlichen Suizids die Menschen in
ihrer existentiellen Not nicht auch noch ihre Selbstbestimmung verlieren und in
grausame oder gar Dritte gefährdende Suizide getrieben werden.
Natürlich
unterstütze ich diese Initiative.
Persönlich
würde ich aber noch deutlich weiter gehen.
Das
fällt mir immer auf, wenn ein Selbstmord eines Menschen bekannt wird, der für
die oberflächlich denkende Öffentlichkeit jung und gesund war. Jennifer Nitsch,
Silvia Seidel, Robert Enke sind solche Beispiele.
Dann rasen die Bischöfe los in die
Öffentlichkeit und inszenieren sich als große Mitfühlende. SIE wissen ja genau
was der Tote sich gewünscht hätte.
[Ich] habe ich in der Predigt auch gesagt, dass
Robert Enke gerne gelebt hat, aber krank war. Dass er sicher wollen würde, dass
seine Fans alle weiterleben. Also unter dem Strich würde ich sagen, die
Umgehensweise mit diesem Trauerfall war eine grenzwertige Herausforderung. Im
Rückblick insgesamt ist es mit Ruhe und Würde bewältigt worden. Aber das
Phänomen Fußball, Männlichkeit, Idole schaffen - das hinterlässt bei mir schon
auch Fragen.
[…] Die
Botschaft des Glaubens ist ja: Du bist eine angesehene Person, weil Gott Dich
ansieht und nicht weil Du so leistungsstark bist, so klug, so schön oder so
reich. Diesen schönen Schein nicht alles sein zu lassen, sondern auch die
tieferen Werte im Leben zu sehen - das wäre für mich eine neue Nachdenklichkeit,
die ich gerne sehen würde.
Frau
Käßmann begreift nicht, daß jedes Leben nur dazu führt zu sterben.
Jeder
muss sterben und kann das Problem nicht verdrängen.
Auch
alle unsere Angehörigen und Freunde müssen den Tod durchstehen und wir werden
es miterleben – sofern wir nicht vorher selbst gestorben sind.
Für mich
als Atheist ist das Tot-Sein an sich natürlich völlig natürlich und
unproblematisch. Wenn die rund 110 Milliarden Menschen, die schon auf der Erde
gelebt haben, alle noch lebendig wären hätten wir aber auch ein echtes Problem.
Mit 7 Milliarden ist es ja schon recht voll, man streitet sich um Anbauflächen,
Wasser und die letzten fossilen Rohstoffe.
Der
Prozess des Sterbens ist aber leider oft sehr unangenehm.
Das habe ich in meinen Leben schon mehrfach
über Monate und Jahre in direkter Nähe mitbekommen.
Daher
bin ich froh über jeden, der es hinter sich hat.
Über die
Hürde müssen wir nun einmal alle rüber.
Wie
albern ist es doch, diese Tatsache an sich zu beklagen.
Vorgestern
hat es wieder ein Fußballer, Herr Biermann, „geschafft“, obwohl er dank der
Christlichen Bundespolitiker keine Hilfe bekommen hat und völlig im Stich
gelassen wurde. Technisch ist so ein Suizid nicht leicht und es ist erbärmlich,
daß man Sterbewilligen auch noch die Brutalität von gescheiterten
Suizidversuchen aufzwingt. Biermann hat es nun doch hinbekommen.
Er hat
es gut.
Trauer um Andreas
Biermann: Der Ex-Fußball-Profi und St. Pauli-Spieler ist tot. Entsprechende
Medienberichte bestätigte sein aktueller Verein "Spandauer Kickers"
am späten Samstagabend zunächst auf Facebook.
[…]
"Unser Seniorenspieler Andreas Biermann
hat seine depressive Krankheit nicht überwinden können und ist gestern Morgen
verstorben." Nach Angaben des Vereins hat sich Biermann das Leben genommen.
[…] "Er hatte es schon einige Male probiert.
Man dachte, dass er es in den Griff bekommt. Leider hat er es nicht
geschafft", erklärte Torsten Mattuschka vom 1. FC Union Berlin, der in der
Regionalliga-Saison 2006/2007 gemeinsam mit Biermann bei den
"Eisernen" kickte. "Das ist eine Tragödie. Wie verzweifelt muss
man sein, wenn man das als zweifacher Familienvater macht? Man kann sich das
schwer vorstellen", sagte der Union-Kapitän nach dem Training am Sonntag. […]
Andreas
Biermann wurde 33 Jahre alt.
DGHS-Mitglied seit 1976/77 (?), das - wenn's soweit ist - beizeiten selbst für eine Endlösung sorgen wird. (So der HERR mir noch ein wenig Kraft dafür lässt.) Da geht mir das entseelte Gequatsche der Politiker und Relegioten und jegliches "Gesetz" ... doch sowas am Arsch vorbei.
AntwortenLöschenIch bin überzeugt, dass heute Menschenmassen so denken und am liebsten handeln würden.
Am Fall des Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender EKD, sieht man, wie den Gottesanbetern all ihre höllischen Drohungen und ihr Dauergesalbader aber sowas von scheissegal ist, wenn sie selber plötzlich Betroffene sind ...
Meine totkranke Mutter haben die Gutmenschen von Ärzten und Schwestern 5 Monate lang im Krankenhaus auf das Qualvollste gaaaaaanz langsam krepieren lassen, um satt Kohle zu machen. Damals konnte man mit Dauerkrankenhausliegetagen noch richtig viel Geld verdienen ...
LöschenJa, so ist das..
Aber auch DGHS ist nicht unbedingt sicher.
Ich habe das auch in meiner engsten Familie erlebt, daß trotz aller Vorsichtsmaßnahmen (DGHS-Mitgliedschaft und umfangreichen NOTARIELL festgelegte Vollmachten) endlose Quälereien kamen.
Das Problem ist auch, daß man manchmal noch ernsthafte medizinische Hoffnungen und gute Prognosen hat und dann aber irgendwie alles schief geht.
Anschließend ist es dann leicht zu sagen „hätte ich das gewußt, hätte ich nie mehr eingewilligt, daß…)
Die einzig sinnvolle Alternative scheint mir zu sein, daß man eben NICHT wartet bis man sterbenskrank oder halb-gaga wird.
Man muß rechtzeitig die Hühner satteln. So wie Gunther Sachs; gleich bei den ersten Anzeichen …
Die Heuchelei im Schneiderfall finde ich aber auch extrem heftig.
Aber anderen Vorschriften machen, wie sie leiden sollen….
Als ich mich auf der Intensivstation quasi von meiner Mutter verabschiedet habe, kam gerade die „Stationsseelsorgerin“ rein. Ich bin kurz aufgestanden; woraufhin die sich gleich MEINEN (den einzigen Stuhl) schnappte, sich da hinpflanzte und uns zulaberte.
Wir waren so perplex, daß es Minuten dauerte, bis ich mich soweit berappelt hatte meine Stimme etwas zu erheben und zu sagen: „WÜRDEN SIE UNS BITTE AUF DER STELLE ALLEIN LASSEN!“
Da guckte die Theologen-Kuh ganz bösartig, so als ob es mir nicht zustünde in der Situation ohne Pfaffengewäsch sein zu wollen.
Ich habe dann später beobachtet, daß die während der Besuchszeiten IMMER da war und sich in allen Zimmern so dreist zwischen Angehörige und Patient schob.
Total perfide, denn obwohl die meisten da bestimmt nicht gläubig waren, ist man in der Situation natürlich hilflos und verschüchtert, so daß einem die Kraft fehlt die Pfaffen raus zu jagen.
Diese unfassbare Anmaßung dieser Leute sich überall reinmischen zu wollen – und erst recht, wenn es um so eine extrem intime Situation geht, erstaunte selbst mich, obwohl ich nun wirklich nicht gerade ein Pfaffenfan bin…
LGT